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Aphonie, Dysphonie

Im Dokument behinderte und alte Menschen (Seite 94-98)

Das vollständige Versagen der Phonation (Stimmbildung) wird als Aphonie bezeichnet. Stimmstörungen (hei-sere, belegte, rauhe Stimme) und Einschränkung der Stimmleistung wird Dysphonie genannt. Ursachen sind neben psychischen Einflüssen (Schock, Streß) verschiedene Anomalien und Erkrankungen des Kehlkopfes (auch zufolge Verletzung oder Intubation).

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Störungen, die in das Grenzgebiet zwischen Sprache und Sprechen fallen, also im Übergang von der in Wör-tern gedachten Sprache zur Lautbildung (Zuweisung von Phonemen) zu suchen sind, werden hier bewußt bei den Sprechstörungen behandelt. Obwohl ihre Ursachen noch vor der eigentlichen Artikulation liegen, ge-schieht das deshalb, weil hier zum Einsatz gelangende Hilfsmittel nicht die Sprache selbst sondern die Aus-sprache unterstützen müssen.

Dyslalie

Mit Dyslalie (auch Stammeln; engl.: dyslalia) wird eine Störung der Artikulation verstanden, bei der Phoneme verändert oder durch andere ersetzt werden. Die Ursachen dafür können u.a. zentrale Sprachstörungen und verzögerter Sprachentwicklung sein.

Echolalie

Echolalie bezeichnet das zwanghafte wörtliche oder auch abgewandelte Nachsprechen von gehörten oder gesagten Wörtern und Sätzen ohne Rücksicht auf den Inhalt oder die Situation. Sie ist bei Kindern zwischen erstem und zweitem Lebensjahr Teil der natürlichen Sprachentwicklung, später jedoch Zeichen einer Sprach-störung.

Bradylalie

Unter Bradylalie (auch Bradyarthrie oder Bradyglossie) wird eine z.B. bei multipler Sklerose zu beobachtende Verlangsamung des Sprechtempos verstanden.

3.8 Intellektuelle und psychische Behinderungen

Trotz einer ausführlichen Betrachtung von Erkrankungen und den daraus resultierenden Schädigungen und Fähigkeitsstörungen soll der Schwerpunkt unserer Betrachtungen auf der technischen Seite der Rehabilitation liegen. Der Beitrag der Rehabilitationstechnik zu Überwindung von intellektuellen und psychischen Schädigun-gen ist jedoch nach heutigem Stand Technik vergleichsweise gering. Aus diesem Grund werden hier nach einer Besprechung der Klassifikation gemäß ICIDH nur jene Behinderungen herausgegriffen, für die in Teil C technische Hilfsmittel vorgestellt werden. Einige mit intellektuellen Schädigungen im Zusammenhang stehende Behinderungen der Sprache wurden bereits in Kapitel 3.7.1 abgehandelt. Allgemeine degenerative Erschei-nungen bei Denkprozessen sind im nachfolgenden Kapitel 3.10.6 zu finden.

3.8.1 Einteilung nach ICIDH

Die ICIDH69 unterscheidet bei intellektuellen und psychischen Schädigungen zwischen den Kategorien [MAT 95]:

 Intellektuelle Schädigungen

Zu den intellektuellen Schädigungen gehören Schädigungen der Intelligenz, des Erinnerungsvermögen und des Denken. Schädigungen der Sprache und des Lernens werden nicht dazugezählt.

 Andere psychische Schädigungen

Darunter werden Störungen verstanden, die sich auf die grundlegenden Funktionen des geistigen Lebens auswirken. Da auf diesem Gebiet noch viel Unsicherheiten über die Beziehungen zwischen Ursache und Symptom existieren, wurden in diesem Fall auch Symptome bei den Schädigungen aufgenommen. Die IDIDH unterscheidet die Schädigungen nach folgenden Kategorien: Bewußtsein/Wachzustand, Perzeption/ Aufmerk-samkeit, Emotion/Willensfunktion und Verhaltensmuster.

3.8.2 Schädigungen der Intelligenz

a) Geistige Retardierung

Auch wenn der Nutzen einer Bewertung der Intelligenz einer Person allein nach dem Intelligenzquotienten (IQ) in Frage gestellt werden muß, hat man sich zwecks Klassifizierung darauf festgelegt, daß bei einem IQ unter 70 (statt normal durchschnittlich 100) von geistiger Retardierung gesprochen wird [MAT 95].

Grad der

Re-tardierung IQ Beschreibung, Kennzeichen leicht 50-70

Personen, die durch eine besondere Ausbildung praktische Fertig-keiten und FähigFertig-keiten des funktionalen Lesens und Rechnens er-werben und sozial integriert werden können.

mäßig 35-49

Personen, die einfache Kommunikation, elementare Gewohnheiten sowie einfache manuelle Fertigkeiten erlernen können, aber keine Fortschritte im funktionale Lesen und Rechnen erreichen.

schwer 20-34 Personen, die aus einem Training von Gewohnheiten Nutzen ziehen können.

hochgradig < 20 Personen, die auf ein Training der Fertigkeiten zum Gebrauch von Beinen, Händen und Kiefern ansprechen.

Tabelle A 3.24: Klassifikation von geistiger Retardierung nach ICIDH [MAT 95].

b) Demenz und Verlust erlernter Fähigkeiten (Siehe Kapitel 3.10.6b)

69 International Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps; siehe Kapitel 1.2 und 3.1.

3.8.3 Schädigungen des Erinnerungsvermögens

a) Amnesie

Teilweiser oder vollständiger Verlust des Erinnerungsvermögens an vergangene Ereignisse sowie die Unfä-higkeit, neue Informationen aufzunehmen oder zu behalten. Neben psychischen Ursachen können Traumen, epileptische Anfälle, Vergiftungen und Demenz Ursachen für Erinnerungsstörungen sein. Man unterscheidet:

 Retrograde Amnesie: Gedächtnislücke für die Zeit vor dem schädigenden Ereignis. Die Dauer kann von Sekunden bis Wochen reichen.

 Anterograde Amnesie: Gedächtnislücke für eine bestimmte Zeit nach dem schädigenden Ereignis, z.B.

Unfälle mit Schädelhirntrauma.

 Kongrade Amnesie: Gedächtnisstörung für die Zeit der Bewußtlosigkeit.

 Schädigung des Langzeit-Erinnerungsvermögens

 Schädigung des Kurzzeit-Erinnerungsvermögens

Schädigungen des Erinnerungsvermögens können generell sein oder sich auf Teilbereiche wie Erinnern an Formen, Wörter oder Zahlen beschränken.

b) Konfabulationen und Erinnerungstäuschungen

Außer einem Verlust kann das Erinnerungsvermögen auch Informationen in fehlerhafter oder verfälschter Form wiedergeben.

 Konfabulation ist das Erzählen meist belangloser, zufälliger Einfälle ohne Bezug zur jeweiligen Situation, um damit Gedächtnislücken zu überspielen.

 Erinnerungstäuschungen sind qualitative Gedächtnisstörungen, bei denen es zu einer Verfälschung von Erinnerungsinhalten kommt. Dabei können frühere Ereignisse umgedeutet werden (Paramnesie) oder scheinbare Erinnerungen an Ereignisse, die nie stattgefunden haben, auftreten (Pseudomnesie). Weiters können Erinnerungsinhalte nicht als solche erkannt werden, sodaß sie von der Person als scheinbare Neuschöpfung aufgefaßt werden (Kryptomnesie).

3.8.4 Schädigungen des Denkens

a) Formale Denkstörungen

Schädigungen in dieser Kategorie beinhalten Störungen in Ablauf und Form von Denkprozessen, durch die es zu einer Veränderung der Geschwindigkeit (Verlangsamung, Beschleunigung, Hemmung) oder der Organisa-tion des Denkens kommt. Außerdem werden hierzu auch Störungen bei der Bildung logischer Gedankenfolgen (Lockerung der Assoziation, Inkohärenz, Zerfahrenheit) bei der Konzeptualisierung und Abstraktion sowie und das logisch nicht gerechtfertigte Beharren auf Ideen (Perseveration) gezählt.

b) Inhaltliche Denkstörungen

Als Schädigungen des Denkinhaltes werden vor allem Wahnvorstellungen sowie Armut des Denkinhaltes, mangelndes kritisches Denkvermögen und exzessive oder unrealistische Betonung bestimmter Gedanken angesehen. Ein Wahn ist eine, durch Vernunft nicht faßbare, fehlerhafte Überzeugung, die von anderen mit gleicher Bildung und gleichem kulturellen Hintergrund nicht geteilt wird [MAT 95].

3.8.5 Andere intellektuelle Schädigungen (Auswahl)

Hierzu gehören Schädigungen des Erkennens sowie solcher Funktionen, auf denen das Erkennen und der zweckmäßige Umgang mit Objekten beruhen.

a) Agnosie

Agnosie ist die Störung des Erkennens von Objekten, ohne daß eine Schädigung des Bewußtseins, des Erin-nerungsvermögens des Denkens oder der jeweiligen Sinnesorgane vorliegt. Siehe dazu auch: Kapitel 3.2.11 (visuelle Agnosie), Kapitel 3.3 (taktile Agnosie) und Kapitel 3.4.12 (auditive Agnosie).

b) Apraxie

Unter Apraxie wird eine Störung in der Ausführung erlernter zweckmäßiger Bewegungen verstanden, ohne daß dabei eine Schädigung des Bewußtseins, des Erinnerungsvermögens des Denkens oder motorischer Funktionen vorliegt.

3.8.6 Andere psychische Schädigungen (Auswahl)

a) Epilepsie

Anfallsartige Funktionsstörung im Gehirn, bei der es zu übermäßiger Entladung von Neuronen kommt. Dabei können mannigfaltige Symptome von Krämpfen bis zu Bewußtseinsstörungen mit Halluzinationen auftreten.

Neben allen Arten von Schädigungen im Gehirn selbst können Stoffwechselstörungen aber auch erbliche Fak-toren Ursachen für epileptische Anfälle sein.

Epileptische Anfälle im engeren Sinn ereignen sich wiederkehrend, ohne daß ein äußeres Ereignis vorliegt.

Bei anderen Formen der Epilepsie können periodische externe Reize im Bereich von 10 bis 25 Hz (Lichtblitze, Schallereignisse oder mechanische Erschütterungen) auslösende Faktoren für einen Anfall sein [Tra 99].

b) Schädigungen der Perzeption

In dieser Kategorie werden alle Störungen von höherliegenden70 Funktionen zusammengefaßt, die eine Per-son zu Sinneswahrnehmungen, zur Verarbeitung von Information (aus der Umwelt oder über sich selbst) uns zur selektiven Konzentration auf relevante Teile solcher Information befähigen. Dazu zählen:

 Schädigungen in der Intensität der Wahrnehmung: Abgestumpftheit einerseits und Überempfindlichkeit andererseits

 Entstellung der Wahrnehmung: Täuschungen, Halluzinationen

 Störungen der Perzeption von Zeit und Raum: Veränderte Wahrnehmung von Zeit und Raum

 Schädigung der Realitätsprüfung: Unfähigkeit zwischen Realität und Phantasie zu unterscheiden

 Schädigung der Aufmerksamkeit: Zerstreutheit, mangelnde Konzentration, fixierte Aufmerksamkeit und Mangel an Flexibilität

3.9 Mehrfachbehinderungen, Syndrome

3.9.1 Mehrfachbehinderungen

Das Zusammentreffen mehrerer Schädigungen wird als Mehrfachbehinderung bezeichnet und wiegt für die betroffene Person oft schwerer als die Summe der einzelnen Behinderungen.

Tabelle A 3.25 zeigt für die drei häufigsten primären Behinderungen (Mobilitäts-, Seh- und Hörbehinderung) die Wahrscheinlichkeit des Auftretens weiterer funktioneller Einschränkungen. Die Zahlen geben an, wie viele von 1.000 Personen mit einer bestimmten Primärbehinderung von einer der ausgewählten zusätzlichen Ein-schränkungen betroffen sind.

Von 1.000 Personen mit einer Behinderung ...

... sind zusätzlich eingeschränkt bei/durch ... der Mobilität ... ... des Sehens ... ... des Hörens ...

1.000 700 530 Mobilität

150 1.000 160 Sehen

230 380 1.000 Hören

320 220 200 Rheuma

20 30 10 Epilepsie

270 150 170 Herzkrankheiten

Tabelle A 3.25: Auftreten von Mehrfachbehinderungen [TET 91].

3.9.2 Syndrome

Unter einem Syndrom71 wird das Zusammentreffen mehrerer Krankheitszeichen (Symptomen) verstanden, die für ein bestimmtes Krankheitsbild charakteristisch sind. Dabei ist die Krankheitsursache (Ätiologie) zwar meist einheitlich, der Krankheitsverlauf (Pathogenese) jedoch unbekannt.

70 Störungen von Sinnesorganen gehören nicht hierher

a) Down-Syndrom

Das Down-Syndrom72 (auch Trisomie 21 oder Morbus Langdon-Down)73 entsteht durch eine chromosomale Störung, bei der bei der Befruchtung oder einer der nachfolgenden Zellteilungen ein zusätzliches drittes Chro-mosom 21 (daher Trisomie 21)74 in den Körperzellen auftritt und von da an bei jeder weiteren Zellteilung wei-tergegeben wird75. Das Down Syndrom führt zu einer Fehlentwicklung fast sämtlicher Gewebe und Organe des heranreifenden Organismus. Man unterscheidet drei Typen von Down-Syndrom:

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