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Bestimmung der Proteinstabilität durch schrittweise Denaturierung

3.5 Analytische Methoden

3.5.10 Bestimmung der Proteinstabilität durch schrittweise Denaturierung

Zur Untersuchung der Stabilität von Proteinen wurden diese durch Erhöhung der Temperatur bzw. durch Zugabe von steigenden Konzentrationen an chaotropen Reagenzien schrittweise denaturiert. Zur chemischen Denaturierung wurde in dieser Arbeit stets Harnstoff verwendet, dessen denaturierende Wirkung seit über 100 Jahren bekannt ist und genutzt wird (Spiro, 1900; Ramsden, 1902). Der Auffaltungsvorgang der Proteine wurde durch CD-Spektroskopie (3.5.7) oder Fluoreszenz-Spektroskopie (3.5.8) verfolgt.

Durch CD-Spektroskopie wurde die thermische Auffaltung der Sekundärstruktur von Proteinen verfolgt. Hierfür wurde mit Hilfe des im JASCO J-815 CD-Spektrometers vorhandenen PTC-423S/15-Peltiers die Proteinlösung in einer Konzentration von 2,5 – 10 µM mit einer Rate von 1 °C / min aufgeheizt. Die Messungen wurden in Quarzküvetten mit einer

Schichtdicke von 1 mm durchgeführt, wobei die Temperatur im Küvettenhalter detektiert wurde. Die Auffaltung wurde stets bei der für -Helices typischen Wellenlänge von 220 nm verfolgt, da dort der Signalunterschied zwischen nativem und aufgefaltetem Protein sehr groß ist (Abbildung 24a). Falls die Auffaltungskurven aufgrund niedriger Proteinkonzentration (2,5 µM) starkes Signalrauschen im nativen und denaturierten Bereich zeigten, wurden sie mindestens dreimal wiederholt und gemittelt.

Mit Hilfe von Fluoreszenz-Spektroskopie wurde die chemische Auffaltung der Tertiärstruktur von Proteinen verfolgt. Hierfür wurde aus einer Proteinlösung, einer Pufferstammlösung und einer hochkonzentrierten Harnstoff-Lösung in gleichem Puffer eine Messreihe mit gleich bleibender Proteinkonzentration (3 μM) und ansteigenden Harnstoffkonzentrationen von 0 – 8 M erstellt. Die Auffaltungsexperimente fanden bei Raumtemperatur statt. Die Einstellung des Gleichgewichts zwischen nativem und aufgefaltetem Zustand des Proteins wurde nach verschiedenen Zeitpunkten überprüft. Sobald die Messpunkte sich nicht mehr veränderten, galt das Gleichgewicht als erreicht. Nach Anregung bei 280 nm wurde von den einzelnen Proben der Messreihe die relative Intensität der Emission bei derjenigen Wellenlänge gemessen, bei der die Differenz zwischen nativem und vollständig denaturiertem Protein am größten war (Abbildung 24b). Jede Probe wurde 1 min lang im Fluoreszenz-Spektrophotometer vermessen und die erhaltenen Intensität gemittelt.

Abbildung 24: Vergleich der CD- (a) und Fluoreszenz-Spektren (b) von nativem und denaturiertem Protein.

a: Die CD-Spektren von nativem (25 °C) und denaturiertem (75 °C) Protein (hier gezeigt: hGR-LBD (F602S+A605V+V702A+E705G+M752T)) wurden wie in 3.5.7 beschrieben aufgenommen. Das Differenzspektrum ist in rot dargestellt. Die Auffaltung der Sekundärstruktur wurde bei 220 nm verfolgt.

b: Emissions-Fluoreszenzspektren von nativem (0 M Harnstoff) und denaturiertem (8 M Harnstoff) Protein (hier gezeigt: HisF-C**C, Seitz et al. (2007)). Die Spektren wurden nach Anregung mit einer Wellenlänge von 280 nm aufgenommen. Das Differenzspektrum ist in rot dargestellt und weist hier ein Maximum bei 317 nm auf, weshalb diese Wellenlänge für die Verfolgung der Tertiärstruktur-Auffaltung benutzt wurde.

Sowohl bei thermischen als auch bei chemischen Auffaltungsexperimenten wurden die erhaltenen Messwerte anschließend normiert und als Funktion der Temperatur bzw. der Konzentration an Denaturierungsmittel aufgetragen. Hierfür wurde der Zweizustands-Faltungsmechanismus angenommen, bei dem das Protein nur in der gefalteten (N) oder ungefalteten (U) Konformation vorliegen kann, Faltungsintermediate werden hierbei nicht berücksichtigt (1.1.1). Die Anteile an gefaltetem Protein (FN) und ungefaltetem Protein (FU) summiert sich damit zu:

FN+ FU = 1

Formel 16: Anteil an nativem (FN) und denaturiertem (FU) Protein unter Annahme des Zweizustands-Modells der Auffaltung.

Somit werden die Signalwerte yN von vollständig nativem bzw. yU von vollständig denaturiertem Protein als 0 %-ige bzw. 100 %-ige Auffaltung des Proteins definiert und jeder Signalwert y lässt sich durch Formel 17 beschreiben.

y = yN∙ FN+ yU ∙ FU

Formel 17: Zusammensetzung des Signalwertes y unter Annahme des Zweizustands-Modells der Auffaltung.

yN und yU stellen den für N bzw. U (bei der jeweiligen Konzentration an Denaturierungsmittel) typischen Signalwert dar.

Durch Kombination von Formel 16 und Formel 17 ergibt sich für FU :

FU = yN− y yN− yU

Formel 18: Bestimmung des Anteils an ungefaltetem Protein aus den bei einem Auffaltungsexperiment gemessenen Signalintensitäten, unter Annahme des Zweizustands-Modells der Auffaltung.

FU : Fraktion an ungefaltetem Protein yN : Signalwert des nativen Proteins yU : Signalwert des denaturierten Proteins y : Messwert

Die Änderung der y-Werte im Prä- bzw. Postübergangsbereich zeigt die Abhängigkeit von yN bzw. yU von der Temperatur bzw. der Denaturierungsmittelkonzentration an. Diese Abhängigkeit war annähernd linear, weshalb sich yN und yU bei der jeweiligen Temperatur bzw. Harnstoff-Konzentration durch lineare Regression bestimmen ließen. Dazu wurde eine

Ausgleichsgerade durch die Datenpunkte im Prä- sowie im Postübergangsbereich gelegt (Abbildung 25).

Abbildung 25: Schematische Darstellung der Auswertung eines thermischen (a) bzw. chemischen (b) Auffaltungsexperiments.

Die Werte stammen aus CD-spektroskopischen (a) bzw. fluoreszenzspektroskopischen (b) Messungen. Die grau markierten Punkte zeigen den Prä- sowie den Postübergangsbereich. Durch lineare Regression dieser Bereiche kann die Temperatur- bzw. die Denaturierungsmittel-Abhängigkeit der ermittelten Signalwerte von N bzw. U bestimmt werden.

Mit Hilfe der ermittelten Geradengleichungen im Prä- und Postübergangsbereich wurde für jede Temperatur bzw. Denaturierungsmittelkonzentration der theoretische Signalwert von nativem (yN) und ungefaltetem Protein (yU) bestimmt. Anschließend wurde für jeden Messwert gemäß Formel 18 der Anteil an ungefaltetem Protein (FU) berechnet.

Falls die Denaturierung eines Proteins in erster Näherung tatsächlich mit dem Zwei-Zustands-Modell beschrieben werden kann, ist es möglich auf die freie Energie (∆GDN) der Auffaltung unter nicht denaturierenden Bedingungen zu schließen (Formel 1). Hierbei wird ausgehend von der Übergangsregion der Auffaltung zurück auf native Bedingungen extrapoliert (Pace & Scholtz, 1997). Parallel stattfindende Auffaltung der Sekundär- und Tertiärstruktur ist ein guter Hinweis dafür, dass ein Protein nur zwei Zustände (N bzw. U) aufweist und keine Faltungsintermediate vorhanden sind.

Bei chemischen Auffaltungsexperimenten wird die Konzentration an Denaturierungsmittel, bei welcher das Protein zur Hälfte in nicht-nativer Form vorliegt als [D1/2]app-Wert definiert.

Bei thermischen Auffaltungsexperimenten wird entsprechend die apparente Schmelztemperatur (TMapp) ermittelt, welche der Temperatur entspricht bei der die Hälfte des Proteins in nicht-nativem Zustand vorliegt. Sowohl [D1/2]app als auch TMapp können unabhängig von der Gültigkeit des Zweiszustandsmodells ermittelt werden und wurden im Rahmen dieser Arbeit als operationelles Maß für die Proteinstabilität verwendet.