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6.1 Durchführung des FOSIS2-Projekts

6.1.3 Besondere Begleitumstände

Beim FOSIS2-Projekt handelt es sich um eine quasi-experimentelle Studie unter schuli-schen Realbedingungen. Anders als in experimentellen Laborstudien, wo die Zuteilung zur Interventions- und Kontrollgruppe per Randomisierung erfolgt und Störfaktoren kontrol-liert werden können, ist es in Feldstudien, wie dem FOSIS2-Projekt, nicht so einfach mög-lich, den Einfluss von Störfaktoren zu verhindern. Deshalb sollten potentielle Störfaktoren und besondere Begleitumstände während des Projekts beachtet und bei der Ergebnisinter-pretation berücksichtigt werden. Solche Begleitumstände und relevante Rahmenbedingun-gen in den Schulen werden nachfolRahmenbedingun-gend beschrieben.

Die Berliner Schulreform 2010/2011

Zum Schuljahr 2010/2011, zu Beginn des zweiten Projektjahres des FOSIS2-Projekts, mussten sich alle Berliner Oberschulen einer Schulreform unterziehen. Aus fünf verschie-denen Typen weiterführender Schulen (Haupt-, Real-, verbundene Haupt- und Real-, Ge-samtschule und Gymnasium) wurden zwei weiterführende Schularten: die sogenannte In-tegrierte Sekundarschule und das Gymnasium. Haupt-, Real- und Gesamtschulen wurden also zu einer Schulform zusammengelegt (Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wis-senschaft Berlin, 2014). Im FOSIS2-Projekt waren hiervon vor allem die beiden teilneh-menden Realschulen betroffen. Aber auch die vier Gesamtschulen verzeichneten aufgrund der Schulreform einen stärkeren Zuwachs an Schülern. Da die bereits begonnenen Jahr-gänge – also auch die am FOSIS2-Projekt teilnehmenden Klassen – nach dem alten Schulmodell fortgeführt wurden, blieben die Projektklassen von der Schulreform unbe-rührt. Dadurch konnte das FOSIS2-Projekt in organisatorischer Hinsicht ohne Störungen

durch die Schulreform fortgesetzt werden. In den Beratungssitzungen berichteten die Lehrkräfte jedoch immer wieder über mit der Schulreform zusammenhängende Ängste vor zu großen Klassen, verhaltensauffälligen Schülern und einer damit verbundenen Überfor-derung. Auch wenn sich diese Ängste und Befürchtungen nicht direkt auf die Projektklas-sen, sondern auf die im Schuljahr 2010/2011 neu gebildeten siebten Klassen bezogen, wäre es möglich, dass die Ängste das FOSIS2-Projekt trotzdem indirekt beeinflusst haben. So könnten die genannten Befürchtungen Auswirkungen auf das Unterrichtsverhalten der Pro-jektlehrer nach sich ziehen und z. B. den Rückgriff auf alte, bekannte Routinen verstärken.

Deshalb ist es wichtig, die Schulreform bei der Ergebnisinterpretation, speziell bei der Be-trachtung der Implementation der FOSIS2-Maßnahmen, zu berücksichtigen.

Besondere Umstände in den Projektschulen

Die oben geschilderten Kriterien, anhand derer die Auswahl der Projektschulen erfolgte, wurden weitestgehend eingehalten. Bei allen Interventionsschulen handelte es sich um innovationsfreudige Schulen, die ein eigenes Interesse an der Projektteilnahme bekundeten und sich vertraglich zu einer kontinuierlichen Beteiligung über die zwei Projektjahre ver-pflichteten. Die Lehrpläne sahen über die zwei Schuljahre hinweg eine stabile Betreuung der Interventionsklassen durch die gleichen Lehrkräfte vor und jede Interventionsschule konnte eine Kontrollschule gewinnen, die der jeweiligen Interventionsschule in Größe, Zusammensetzung der Schüler- und Lehrerschaft, in Schulkultur und anderen strukturellen Merkmalen ähnelte. Alle Schulleitungen zeigten sich in den Rekrutierungsgesprächen äu-ßerst interessiert und kooperativ. Die teilnehmenden Lehrkräfte beklagten jedoch im Laufe des Projekts immer wieder eine zu geringe Unterstützung durch die Schulleitung, insbe-sondere einen mangelnden Ausgleich, z. B. durch Freistunden, für die Teilnahme am FO-SIS2-Projekt und den damit verbundenen zusätzlichen Zeitaufwand. Auch die Bildung von klassenübergreifenden Lehrerteams zur kollegialen Unterstützung bei der Programmum-setzung konnte nicht in allen Schulen optimal umgesetzt werden. In der Schule 127 bei-spielsweise fanden nur unregelmäßig Teamtreffen statt. Dies hing unter anderem mit den strukturellen Rahmenbedingungen der Schule selbst zusammen. Statt eines gemeinschaftli-chen Lehrerzimmers existierten für jeden Jahrgang der Schule sogenannte Jahrgangsbüros,

27 Zur Wahrung der Anonymität der Schulen wurden diese durchnummeriert. Mit Schule 1 bis 3 werden die Interventi-onsschulen bezeichnet, wobei die Schule 3 die Realschule darstellt. Die Kontrollschulen erhalten die Nummern 4 bis 6.

Dabei ist die Nummer 4 die Partner-Kontrollschule zur Nummer 1, die Nummer 5 die Partner-Kontrollschule zur Num-mer 2 und die NumNum-mer 6 die Partner-Kontrollschule zur NumNum-mer 3. Auch bei der NumNum-mer 6 handelt es sich somit um eine Realschule.

in denen sich die Lehrkräfte aufhalten konnten, die in dem jeweiligen Jahrgang unterrichte-ten. Da jedoch jeder Lehrer gleichzeitig in unterschiedlichen Jahrgängen unterrichtete, hielten sich die Lehrkräfte je nach Stundenplan in unterschiedlichen Jahrgangsbüros auf.

Ein kontinuierlicher Kontakt und Austausch zwischen den Lehrern ist dadurch erschwert.

Dies schlug sich dann auch in einem eher unregelmäßigen Treffen von Teams der Projekt-lehrer der Schule 1 nieder. In den anderen beiden Schulen hingegen gelang es besser, klas-senübergreifende Kleinteams zu bilden, die sich im Laufe der zwei Projektjahre in gleicher Zusammensetzung regelmäßig trafen, um über die Umsetzung der FOSIS2-Förderstrategien zu sprechen.

6.2 Design

Bei der Projektbeschreibung (Kapitel 4) ist deutlich geworden, dass im gesamten Verlauf des FOSIS2-Projekts verschiedene Daten zu den Zielkriterien des Programms und auch zur Programmumsetzung erfasst wurden. Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt auf den Schülerdaten. Speziell wird die Wirksamkeit des FOSIS2-Programms im Hinblick auf die motivationalen Effekte auch unter Berücksichtigung der von den Schülern wahrgenomme-nen Implementation untersucht. Nachfolgend wird das jeweilige Evaluationsdesign, das den Analysen dieser Arbeit zugrunde liegt, näher beschrieben.

6.2.1 Design zur Evaluation der Wirksamkeit

Die Evaluation der Wirksamkeit des FOSIS2-Programms im Hinblick auf die motivationa-len Effekte erfolgt durch ein klassisches quasi-experimentelles Kontrollgruppendesign, das in Abbildung 6 veranschaulicht wird. Da die Lehrkräfte angehalten waren, die Förderstra-tegien aus bereits eingeführten Modulen beizubehalten und deren Umsetzung neben den neu hinzukommenden Maßnahmen fortzusetzen, ist die Evaluation spezifischer Wirkungen einzelner Module erschwert und es können nur die kumulativen Wirkungen der verschie-denen Module, im Sinne einer globalen Programmevaluation, evaluiert werden. Für die Analysen zur Wirksamkeitsevaluation werden die standardisierten Prä-, Zwischen- und Post-Befragungen der Interventions- und der Kontrollschüler herangezogen (in Abbildung 6= T1 bis T3). Mithilfe von Mehrebenenanalysen wird zum einen die lineare Veränderung in den motivational relevanten Zielkriterien untersucht und geprüft, ob sich Interventions- und Kontrollgruppe in dieser linearen Veränderung über beide Projektjahre hinweg bedeut-sam unterscheiden. Zum anderen werden sogenannte diskontinuierliche Mehrebenenmo-delle modelliert, mithilfe derer in den motivationalen Zielkriterien nach dem ersten (in

Abbildung 6 = T2) und nach dem zweiten Projektjahr (in Abbildung 6 = T3) die Unter-schiede zwischen Interventions- und Kontrollgruppe, also die jahresspezifischen motivati-onalen Effekte, analysiert werden können (eine ausführliche Darstellung des methodischen Vorgehens findet sich in Abschnitt 6.5).

Abbildung 6: Design zur Evaluation der Wirksamkeit

Anmerkungen: T = Prä-, Zwischen- und Postbefragung, W = Workshop, Impl. = Implementationsphase

6.2.2 Design zur Evaluation der Wirksamkeit in Abhängigkeit von der wahrge-nommenen Implementation

Die Frage nach der Wirksamkeit des FOSIS2-Programms im Hinblick auf die motivational relevanten Zielkriterien in Abhängigkeit von der wahrgenommenen Implementation seitens der Schüler, wird beispielhaft für das erste Projektjahr untersucht. Abbildung 7 veran-schaulicht das Design für diese Fragestellung grafisch. Eine Begründung für die Reduktion der Analysen auf das erste Projektjahr findet sich in Abschnitt 6.5.4. Für die Analysen der motivationalen Zielkriterien werden nur der erste und zweite Messzeitpunkt herangezogen (in Abbildung 7 = T1 und T2). Der erste Messzeitpunkt (in Abbildung 7 = T1) wird wiede-rum als Prä-Befragung, der zweite Messzeitpunkt (in Abbildung 7 = T2) jetzt nicht mehr als Zwischen-, sondern als Post-Befragung behandelt. Als Indikatoren für die Umsetzung der Förderstrategien kommen in dieser Untersuchung die Daten der ersten drei standardi-sierten modulspezifischen Rückmeldungen zum Einsatz (in Abbildung 7 = M1 bis M3).

Diese liegen nur für die Interventionsschüler vor. Deshalb beschränken sich auch die Ana-lysen der T1- und der T2-Befragungen zur Beantwortung der Frage nach der Wirksamkeit in Abhängigkeit von der Implementation auf die Daten der Interventionsschüler.

Abbildung 7: Design zur Evaluation der Wirksamkeit in Abhängigkeit von der wahrgenommenen Implementation

Anmerkungen: T = Prä-, Zwischen- und Postbefragung, W = Workshop, Impl. = Implementationsphase