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Auswirkungen und Korrelate von Selbstwirksamkeitserwartung

2.2 Schulische Selbstwirksamkeitserwartung – eine Ressource für die

2.2.3 Auswirkungen und Korrelate von Selbstwirksamkeitserwartung

Da die Selbstwirksamkeitserwartung viele kognitive, motivationale, emotionale und ver-haltensbezogene Prozesse beeinflusst, stellt sie für zahlreiche Bereiche und psychologische Subdisziplinen eine relevante personale Ressource dar. So zeigen sich beispielsweise be-deutsame Zusammenhänge zwischen der Selbstwirksamkeitserwartung und Gesundheits- beziehungsweise Risikoverhaltensweisen (z. B. Rauchen), zwischen der Selbstwirksam-keitserwartung und klinisch-psychologischen Prozessen (z. B. depressive Symptome) und auch für die Bereiche Sport, Beruf und Karriere hat die Selbstwirksamkeitserwartung eine große Bedeutung. Insgesamt verfügen hoch selbstwirksame Personen über bessere Stress- und Lebensbewältigungsfähigkeiten als niedrig selbstwirksame (Jerusalem, 2005b;

Schwarzer & Jerusalem, 2002) und über alle Anwendungsfelder hinweg hat sich das Kon-strukt als ein guter Prädiktor für Wohlbefinden und Erfolg erwiesen (Bandura, 1997; Gal-lagher, 2012; Linnenbrink & Pintrich, 2002).

Auswirkungen auf Motivation, Lernen und Leistung

Es wurde bereits deutlich, dass der Selbstwirksamkeitserwartung in der Motivationspsy-chologie eine bedeutende Rolle zukommt. Bei gleicher Fähigkeit begegnen Menschen mit hoher Selbstwirksamkeitserwartung Anforderungen zuversichtlicher, nutzen bessere Be-wältigungsstrategien, lassen sich durch Rückschläge weniger entmutigen, werten Fort-schritte eher als Belege für die eigene Kompetenz, sind motivierter sich anzustrengen und haben ein höheres Wohlbefinden als Menschen mit niedrigerer Selbstwirksamkeitserwar-tung. Die Selbstwirksamkeitserwartung trägt somit insgesamt zu einer besseren Selbstregu-lation bei (Bandura, 1997; Jerusalem, 2005b; Lee, Lee & Bong, 2014; Linnenbrink &

Pintrich, 2002; Schunk & Pajares, 2009; Schwarzer & Jerusalem, 2002; Wang, Kim, Bong

& Ahn, 2013). Usher und Pajares (2008) weisen zudem darauf hin, dass die Selbstwirk-samkeitserwartung auch mit anderen motivational relevanten Einflussgrößen zusammen-hängt, z. B. mit der Kausalattribution, dem Selbstkonzept der Begabung, dem Optimismus, der motivationalen Orientierungen, der Ängstlichkeit und Wertzuschreibungen.

Die motivationalen Auswirkungen der Selbstwirksamkeitserwartung lassen sich auch auf den Kontext Schule übertragen: Bei gleicher Fähigkeit weisen Schüler mit höherer schuli-scher Selbstwirksamkeitserwartung günstigere Voraussetzungen zur Leistungserbringung auf als Schüler mit niedriger Selbstwirksamkeitserwartung: Hoch selbstwirksame Schüler strengen sich mehr an, verfolgen Aufgaben mit größerer Ausdauer, setzen sich höhere An-sprüche, zeigen eine größere Flexibilität und Kreativität bei der Problemlösung, sind

effek-tiver im Zeitmanagement und nehmen realistischere Bewertungen ihrer Leistungen sowie vermehrt selbstwertschützende Kausalattributionen vor (Bandura, 1997; Jerusalem, 2005b;

Schunk & Pajares, 2009; Schwarzer & Jerusalem, 2002; Usher & Pajares, 2008). In wel-chem Maße Schüler in schwierigen Situationen beziehungsweise angesichts von hohen Anforderungen mit Ängstlichkeit oder Gelassenheit reagieren, hängt ebenfalls maßgeblich von ihren Selbstwirksamkeitserwartungen ab (Usher & Pajares, 2008). Schüler mit hohen Kompetenzerwartungen zeigen generell mehr positive Emotionen, wie z. B. Zufriedenheit und Stolz (Linnenbrink & Pintrich, 2003). Zudem weisen Schüler mit hohen schulischen Selbstwirksamkeitserwartungen auch höhere soziale Kompetenzen auf und scheinen stär-ker bestrebt, soziale Verantwortung zu übernehmen (Linnenbrink & Pintrich, 2002). Dar-über hinaus zeigen Studien die Selbstwirksamkeitserwartung als einen sehr guten Prädiktor für akademische Leistungen auf (Lee et al., 2014; Linnenbrink & Pintrich, 2002; Schunk &

Pajares, 2009; Usher & Pajares, 2008; Wang et al., 2013; Wright, Jenkins-Guarnieri &

Murdock, 2013). Anders als hochwirksame Schüler fallen niedrig selbstwirksame nicht selten durch Motivationsprobleme auf: Da sie überzeugt sind, ihre eigenen Kompetenzen würden nicht genügen, um Erfolge zu erzielen, wenden sie vermehrt Vermeidungs- und Fluchtverhaltensweisen an, geben schneller auf und unternehmen eher oberflächliche Be-wältigungsversuche. Dadurch erleben niedrig selbstwirksame Schüler häufiger Misserfol-ge, die sie im Sinne einer sich selbsterfüllenden Prophezeiung wiederum als Belege für ihre mangelnden Fähigkeiten verstehen, wodurch ihre Selbstwirksamkeitserwartung wei-terhin niedrig bleibt (Margolis & Mccabe, 2006) und sich das Vermeidungsverhalten im Sinne der erlernten Hilflosigkeit von Seligman (1975) manifestieren kann. Schüler mit einer eher gering ausgeprägten Kompetenzüberzeugung erleben auch vermehrt negative Emotionen in der Schule, wie z. B. Angst, Frustration und Ärger (Linnenbrink & Pintrich, 2003). Lernschwierigkeiten, schlechtere Leistungen, Schulprobleme und Konflikte mit den Lehrkräften treten ebenfalls häufiger bei Schülern auf, die in mehreren schulischen Berei-chen eine niedrige Selbstwirksamkeitserwartung aufweisen als bei hoch wirksamen Schü-lern (Margolis & Mccabe, 2006).

Linnenbrink & Pintrich (2003) fassen die motivationalen Auswirkungen einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung auf Lernen und Leistung im Kontext Schule folgendermaßen zusammen: Eine hohe schulische Selbstwirksamkeitserwartung steigert das verhaltensbe-zogene, das kognitive und das motivationale Engagement im Klassenraum. Unter verhal-tensbezogenem Engagement verstehen die Autoren beobachtbare Verhaltensweisen wie Anstrengungs- und Ausdauerbemühungen oder auch die Suche nach Unterstützung. Nicht

jedes Aufsuchen von Hilfe ist jedoch funktional. Manchmal kann hilfesuchendes Verhalten auch Ausdruck von Lernvermeidung sein. Dient die Suche nach Hilfe bei Lehrern und Peers aber wirklich dem Lernverständnis, wird diese als instrumentelle, funktionale oder adaptive Hilfesuche bezeichnet. Studien belegen den Zusammenhang von hoher Selbst-wirksamkeitserwartung und einer solchen funktionalen Suche nach Hilfe. Niedrig selbst-wirksame Personen hingegen interpretieren die eigene Suche nach Unterstützung oft als Beleg für ihre mangelnden Fähigkeiten, verringern somit ihr hilfesuchendes Verhalten und reagieren mit Hilflosigkeit. Eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung fördert auch das kog-nitive Engagement der Schüler. Hierzu zählen der Einsatz von Lernstrategien und Me-takognitionen. Studien belegen einen positiven Zusammenhang von Selbstwirksamkeits-erwartung und dem Einsatz von Tiefen-Lernstrategien wie Elaboration. Auch metakogniti-ve Strategien, wie z. B. die Reflexion und die Regulation sowie die Evaluation des eigenen Lernens, gehen mit höherer Selbstwirksamkeitserwartung und Performanz einher. Die Selbstwirksamkeitserwartung wirkt sich zudem auf das sogenannte motivationale Engage-ment im Klassenraum aus und führt zu einem Zugewinn an Interesse, positiven Lernemoti-onen sowie zu einer für den Schüler wachsenden Bedeutung des Lerngegenstands. Die Beziehungen zwischen den einzelnen Variablen sind reziprok. Das heißt, eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung führt zu einem höheren Engagement, so wie umgekehrt auch ein verstärktes Engagement die eigenen Selbstwirksamkeitserwartungen erhöhen kann (Linnenbrink & Pintrich, 2003).

All die geschilderten Zusammenhänge könnten die Vermutung nahelegen, die Selbstwirk-samkeitserwartung sollte so hoch wie möglich ausgeprägt sein. Es zeigt sich jedoch, dass nur realistische, im Hinblick auf die tatsächlichen eigenen Fähigkeiten angemessene bezie-hungsweise minimal höhere Selbstwirksamkeitserwartungen die oben geschilderten positi-ven Auswirkungen haben (Bandura, 1997; Pintrich, 2003). Zu hohe Selbstwirksamkeitser-wartungen, die auf einer deutlichen Überschätzung der tatsächlichen Kompetenzen basie-ren, können hingegen zu einer Verringerung des Lernverhaltens beitragen (Linnenbrink &

Pintrich, 2003; Schunk & Pajares, 2009): Wenn Schüler der Überzeugung sind, sie könnten bereits alles, zeigen sie möglicherweise nur noch geringe oder gar keine Anstrengungsbe-mühungen.