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Auswirkungen und Korrelate von Prüfungsangst- und -ängstlichkeit

2.3 Prüfungsängstlichkeit – ein Risikofaktor für die Motivation

2.3.3 Auswirkungen und Korrelate von Prüfungsangst- und -ängstlichkeit

Im Hinblick auf Motivation, Lernen und Leistung finden sich vor allem negative Effekte von Prüfungsangst, die sich – analog zu den Entstehungsbedingungen – wechselseitig be-einflussen können (Pekrun & Götz, 2006).

Motivationale Auswirkungen und Korrelate

Beginnend bei der für die Motivation bedeutsamen Ressource, der Selbstwirksamkeitser-wartung, zeigt sich, dass Selbstwirksamkeitserwartung und Angst negativ miteinander kor-relieren (Schwarzer, 2000; Schwarzer, 2004; Usher & Pajares, 2008). So erleben Schüler mit einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung mehr positive Emotionen wie z. B. Zufrie-denheit und Stolz. Hingegen erfahren Schüler mit gering ausgeprägten Kompetenzüber-zeugungen in der Schule eher negative Emotionen wie z. B. Angst, Frustration und Ärger.

Bandura (Bandura, 1988) geht davon aus, dass vor allem die Selbstwirksamkeitserwartung als erklärende Größe die Angst beeinflusst. Inzwischen gilt jedoch als gesichert, dass um-gekehrt auch Angst und Ängstlichkeit mitbestimmen, wie kompetent sich Schüler ein-schätzen: Denn die Selbstwirksamkeitserwartung beeinflusst auch die Interpretation der eigenen emotionalen und körperlichen Erregung. Wenn das Gefühl der Angst, speziell die körperlichen Angstreaktionen (Schwarzer, 2000), als Beleg für einen eigenen Mangel an Fähigkeiten gedeutet wird, verringert dies auch die Selbstwirksamkeitserwartung (Schunk, 2003; Usher & Pajares, 2008).

7 Angesichts der zahlreichen empirischen Studien zu Entstehungsbedingungen von Prüfungsangst und -ängstlichkeit haben die hier aufgezählten Merkmale nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern sollen vielmehr einen ersten Eindruck darüber vermitteln, dass vielfältige Faktoren zur Entstehung von Prüfungsangst beitragen können.

Neben dem negativen Zusammenhang zwischen Selbstwirksamkeitserwartung und Prü-fungsangst belegen Studien bei Prüfungsängstlichen darüber hinaus auch eine ungünstige Entwicklung von anderen motivational relevanten Ressourcen wie beispielsweise dem Selbstkonzept der Begabung und Kontrollüberzeugungen (Pekrun, 2009). Angsterleben und Ängstlichkeit beeinträchtigen außerdem die Lernfreude, reduzieren die intrinsische Motivation (Wild et al., 2006) und begünstigen die Ausbildung anderer, die Motivation hemmender Risikofaktoren wie die Leistungsvermeidungszielorientierung (Pekrun, 2009).

Auch die Annahmen des Kontroll-Wert-Modells von Pekrun (Pekrun, 1992) konnten wei-testgehend empirisch bestätigt werden: Studien belegen hohe Korrelationen von Prüfungs-angst, Misserfolgserwartung und der subjektiv empfundenen Bedeutung eines möglichen Misserfolgs. Zudem zeigen sich ebenfalls Zusammenhänge zwischen Prüfungsangst und Kausalattributionen (Wild et al., 2006): Prüfungsängstliche attribuieren Misserfolge eher ungünstig internal stabil auf einen eigenen Mangel an Fähigkeiten und neigen bei Misser-folgen zu Selbstbeschuldigungen und abwertenden Gedanken (Schwarzer, 2000). Dieser Attributionsstil verringert wiederum die Erfolgserwartung im Hinblick auf die Bewälti-gung zukünftiger Anforderungen und kann somit die Prüfungsangst noch verstärken (Wild et al., 2006).

Auswirkungen auf Lernen und Leistung

Hinsichtlich der Anwendung von Lernstrategien konnte empirisch nachgewiesen werden, dass Angst vor allem mit dem Einsatz von Oberflächenstrategien, wie z. B. Wiederholung, einhergeht. Lernfreude korreliert hingegen mit dem Einsatz von kognitiv flexibleren Tie-fen-Strategien wie Elaboration (Frenzel et al., 2008; Pekrun & Götz, 2006; Wild et al., 2006). Auch die Fähigkeit zum selbstregulierten Lernen verringert sich durch Prüfungs-angst, und Prüfungsängstliche neigen eher dazu, bei der Zielsetzung, Steuerung und Be-wertung des eigenen Lernens Anweisungen von Autoritätspersonen Folge zu leisten (Pekrun & Götz, 2006). Hochängstliche fallen darüber hinaus oft durch eine mangelnde Aufgabenzuwendung und unstrukturierte Aufgabenbearbeitung auf (Rost & Schermer, 2010). In Abhängigkeit von der Aufgabenschwierigkeit besteht auch zwischen Prüfungs-angst und Leistung ein bedeutsamer negativer Zusammenhang: Bei komplexen und schwierigen Aufgaben verschlechtern sich in der Regel die Leistungen durch das Auftreten von Prüfungsangst (z. B. Hembree, 1988; Zeidner, 1998, 2007). Im Gegensatz dazu zeigt sich bei einfachen Wiederholungsaufgaben nicht notwendigerweise ein negativer Einfluss von Prüfungsangst auf die Leistung (Pekrun, 2009).

Diese Effekte können theoretisch mittels der erstmals von Wine (1971) beschriebenen Aufmerksamkeits-Defizit-Hypothese erklärt werden (Pekrun, 2009): Prüfungsangst absor-biert durch die kognitive Angstkomponente, durch das ständige Sichsorgen und Grübeln über einen möglichen Misserfolg sowie durch aufgaben-irrelevante Gedanken ein hohes Maß an Aufmerksamkeit. Entsprechend verfügen prüfungsängstliche Schüler insbesondere bei schwierigen Aufgaben, die das Arbeitsgedächtnis in Anspruch nehmen, über eine ge-ringere kognitive Kapazität für die eigentliche Problem- und Aufgabenbewältigung sowie über eine schlechtere Informationsverarbeitung als Schüler, die einer Prüfungssituation ohne Angst begegnen. Dadurch wiederum reduziert sich für Prüfungsängstliche die Er-folgswahrscheinlichkeit, wodurch sowohl die Misserfolgserwartung als auch die Angst gesteigert werden. Es besteht die Gefahr, in einen Teufelskreis aus Angst, hoher Misser-folgserwartung, realer Erfahrung von Misserfolgen beziehungsweise mangelnden Leistun-gen zu geraten und somit auch zukünftiLeistun-gen Prüfungssituationen mit noch mehr Angst zu begegnen (Pekrun, 2009).

Ein verwandter Teufelskreis, der ebenfalls die Auswirkungen von Prüfungsangst auf Ler-nen und Leistung beschreibt, wird im Rahmen der Begabungs-Defizit-Hypothese ange-nommen. Vertreter dieser Hypothese halten einen tatsächlichen Mangel an Fähigkeiten und Begabungen für den Ausgangspunkt der Entstehung von Prüfungsangst (Zeidner, 1998):

Schüler mit mangelnden Fähigkeiten erleben bei schwierigen, komplexen Aufgaben auch mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Misserfolge, antizipieren weitere Misserfolge für die Zukunft und reagieren angesichts von schwierigen Aufgaben deshalb auch eher mit fungsangst als fähige Schüler. Empirisch konnten beide Annahmen bestätigt werden. Prü-fungsangst geht mit aufgaben-irrelevantem Denken einher und lenkt dadurch von der ei-gentlichen Problemlösung bei komplexen Aufgaben ab. Zudem zeigen Schüler mit eher geringen Fähigkeiten häufiger Prüfungsangst als Schüler mit einer hohen Ausprägung schiedener Fähigkeiten (Pekrun, 2009). Da Prüfungsängstliche auf Anforderungen ver-mehrt mit Hilflosigkeit und Unsicherheit reagieren und öfter krank sind, beziehungsweise höhere Fehlzeiten aufweisen als Niedrigängstliche, werden Prüfungsängstliche von ihrem sozialen Umfeld in ihren kognitiven Fähigkeiten zudem häufig unterschätzt und als „unan-gepasst“ wahrgenommen (Rost & Schermer, 2010).

Gibt es positive Auswirkungen von Prüfungsangst und -ängstlichkeit?

Neben den dominierenden negativen Effekten kann Prüfungsangst auch positive Konse-quenzen nach sich ziehen. So ist es unter Umständen möglich, dass sich durch die mit der Angst einhergehende höhere Misserfolgsvermeidungsmotivation die Anstrengungsbereit-schaft verstärkt (Frenzel et al., 2008). Insbesondere in Situationen, wo eine Vermeidung der Prüfungssituation den drohenden Misserfolg nicht verhindern kann (z. B. Durchfallen durch die Prüfung bei unbegründetem Nichterscheinen), kann Angst auch die Motivation zu Lernen verbessern und die Anstrengungsbereitschaft und Ausdauer steigern (Wild et al., 2006). Insgesamt überwiegen bei der Mehrheit der Schüler jedoch die negativen Effekte von Prüfungsangst auf die Motivation und damit auch auf das Lernverhalten und die Leis-tung. Zudem kann insbesondere die dispositionelle Prüfungsängstlichkeit auch das psychi-sche Wohlbefinden, die körperliche Gesundheit sowie die soziale Eingebundenheit deut-lich beeinträchtigen (Pekrun, 2009).