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Auswirkungen und Korrelate von Stresserleben

2.3 Prüfungsängstlichkeit – ein Risikofaktor für die Motivation

2.4.3 Auswirkungen und Korrelate von Stresserleben

Auch wenn nicht alle Kinder und Jugendlichen angesichts von Stressoren Stresssymptome zeigen oder gar in Folge von Stresserleben gesundheitlich beeinträchtigt sind (Hampel, 2007), lassen sich doch häufige im Zusammenhang mit Stress auftretende Beeinträchti-gungen ermitteln, die als Stressauswirkungen oder -folgen bezeichnet werden. Die kurzfris-tigen Stresssymptome, die zusammengenommen eine körperliche Aktivierung verursa-chen, wurden bereits im Abschnitt 2.4.1 erläutert. Bei dauerhaftem Stresserleben kann es zu einem wiederholten oder regelmäßigen Auftreten von Stresssymptomen kommen. Die Stressreaktionen sind dann nicht mehr situationsspezifisch, sondern situationsübergreifend und können sich chronifizieren und langfristige Beeinträchtigungen nach sich ziehen (Lo-haus et al., 2007). Chronische Stresssymptome wirken sich nicht nur negativ auf die physi-sche und psychiphysi-sche Gesundheit aus (Hampel et al., 2008), sondern bergen die Gefahr, selbst wieder zu neuen Stressoren zu werden (Lohaus et al., 2007). Die verschiedenen langfristigen Stressfolgen lassen sich drei Ebenen zuordnen: der physiologisch-vegetativen (körperliche Stresssymptome), der kognitiv-emotionalen (belastende Gedanken und Gefüh-le) und der verhaltensbezogenen (Hektik, Konzentrationsschwierigkeiten, Veränderungen im Sozialverhalten) (Beyer & Lohaus, 2007; Klein-Heßling & Lohaus, 2012; Lohaus,

2009; Lohaus et al., 2007). Die kognitiv-emotionalen und verhaltensbezogenen Stressreak-tionen können zu psychischen Stressfolgen zusammengefasst werden (Lohaus et al., 2007).

Nachfolgend werden deshalb physische und psychische Stressauswirkungen unterschieden.

Physische Stressauswirkungen

Dauerhaftes Stresserleben und chronische Stressreaktionen machen sich bei Kindern und Jugendlichen auf der körperlichen Ebene häufig durch Müdigkeit, Erschöpfung, Kopf- und Bauchschmerzen bemerkbar (Beyer & Lohaus, 2007). Laut aktuellen Ergebnissen der

„Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS)“15 (Robert Koch Institut (RKI, 2015) schätzen 88 % der befragten 11- bis 17-Jährigen ihren allgemei-nen Gesundheitszustand als gut bis sehr gut ein. Auch in der HBSC-Studie (HBSC Team Deutschland, 2011b) zeigen sich Kinder und Jugendliche als die gesündeste Bevölke-rungsgruppe. Die Ergebnisse der HBSC-Studie zu Prävalenzen von körperlichen Be-schwerden im Kindes- und Jugendalter weisen jedoch auf einen Handlungsbedarf zur Wahrung und Verbesserung des kindlichen und jugendlichen Wohlbefindens hin: Aufge-rundet gaben 27 % der befragten Mädchen und 15% der Jungen an, in den letzten sechs Monaten unter mindestens zwei Beschwerden pro Woche zu leiden: Am häufigsten werden Einschlafprobleme genannt (gerundet 18 % der befragten Jugendlichen), gefolgt von Kopf- (13 %), Rücken- (12 %) und Bauchschmerzen (8 %). Im höheren Jugendalter berichten Mädchen deutlich häufiger über körperliche Belastungen als Jungen (HBSC Team Deutschland, 2011b). Zu beachten ist, dass die Beschwerden nicht im Zusammenhang mit Stresserleben erfasst wurden. In anderen Studien konnte aber nachgewiesen werden, dass das Ausmaß des Stresserlebens positiv mit der Anzahl genannter Stresssymptome korre-liert. Somit kann davon ausgegangen werden, dass zumindest ein Teil der berichteten kör-perlichen Symptome im Zusammenhang mit dem Stresserleben steht (Beyer & Lohaus, 2007; Lohaus et al., 2007).

Psychische Stressauswirkungen

Die Befunde zu langfristigen psychischen Stressfolgen sind nicht immer konsistent.

Grundsätzlich lässt sich jedoch ein negativer Einfluss von alltäglichen Stressoren auf die psychische Gesundheit festhalten. Insbesondere die schulbezogenen Stressoren scheinen die psychische Entwicklung ungünstig zu beeinflussen. Anhaltender Schulstress wirkt sich

15 KiGGS ist eine Langzeitstudie, durch die regelmäßig repräsentative Daten zur aktuellen gesundheitlichen Lage von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren zur Verfügung gestellt werden (Robert Koch Institut (RKI, 2015).

negativ auf die Motivation, das Lern-, Leistungs- und Sozialverhalten aus und kann die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit behindern (Hampel et al., 2008). Die negativen psychischen Auswirkungen sind nicht nur abhängig von den Stressoren, sondern auch von der Form der Stressbewältigung (verschiedene Formen der Stressbewältigung werden im Abschnitt 2.4.4 erläutert). Reagieren Kinder und Jugendliche auf stressreiche Situationen beispielsweise mit physischer oder verbaler Aggressivität oder mit sozialem Rückzug, kann dies die unmittelbaren Sozialbeziehungen beeinträchtigen (Lohaus et al., 2007).

Insgesamt scheinen die psychischen Stressreaktionen noch häufiger aufzutreten als die physischen (Lohaus et al., 2007). In einer Studie von Lohaus, Beyer und Klein-Heßling (2004) wurden 1699 Fünft- bis Zehntklässler zu ihrem emotionalen Befinden befragt. Am häufigsten berichteten die Kinder und Jugendlichen über Verärgerung und Wut: Von den Befragten gaben 53 % an, mehrmals pro Woche, und 5 % sogar mehrfach am Tag verär-gert zu sein. Gerundete 48 % der Kinder und Jugendlichen fühlten sich mehrmals pro Wo-che und 5 % mehrfach am Tag wütend (Lohaus et al., 2007). Die Daten der zuletzt durch-geführten HBSC-Studie belegen, dass von den Elf- bis Fünfzehnjährigen etwa ein Fünftel eines jeden Jahrgangs auffällige emotionale und verhaltensbezogene Probleme aufweist.

Wie bei den körperlichen Beschwerden, steigen die emotionalen Probleme bei Mädchen mit dem Alter an (Bilz, Ottava & Ravens-Sieberer, 2013). Darüber hinaus konnte ein Zu-sammenhang zwischen Stresserleben und psychischen Beschwerden wie Angst, Depressi-on, Aggressivität und Verhaltensproblemen nachgewiesen werden. Zudem wächst bei ei-nem dauerhaften Stresserleben die Wahrscheinlichkeit für riskantes Gesundheitsverhalten wie z. B. Substanzmissbrauch (Jerusalem, 2006; Kraag, Zeegers, Kok, Hosman & Abu-Saad, 2006).

Die Geschlechterdifferenzen bei den physischen und psychischen Beschwerden müssen nicht zwangsläufig bedeuten, dass Mädchen tatsächlich stärker belastet sind als Jungen.

Aufgrund der vorherrschenden Geschlechterstereotype ist die Bereitschaft, Belastungen und Beschwerden mitzuteilen bei Mädchen möglicherweise stärker vorhanden als bei Jun-gen. Schwächen und Beschwerden werden stereotyp nicht mit dem „Mann-Sein“ assozi-iert, wohingegen die Reflexion eigener Schwächen durchaus zum Geschlechterstereotyp der Frau zu passen scheint (Lohaus et al., 2007). Auch wenn der Zusammenhang zwischen Stresserleben und negativen Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit inzwischen klar belegt ist, so ist gleichzeitig zu beachten, dass Stress weder eine

notwen-dige noch eine hinreichende Bedingung für das Auftreten spezifischer Erkrankungen ist (Kraag et al., 2006).