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3. Fragestellung und Ziel

5.2 Beschreibung der Stichprobe

Der Aufbau der Stichprobe erfolgte, wie im vorrausgehenden Kapitel dargestellt, im Sinne des Theoretical Samplings sukzessive mit Fortschreiten der Analyse. Tabella-risch soll an dieser Stelle ein kurzer Überblick über das Sample geboten werden (Ta-belle 1). Es werden Erkrankungsalter, Krankheitsdauer und Medikation der Interview-ten aufgeführt, obwohl diese Aspekte, wie in Kap. 4.4.2 beschrieben, nur von geringer Bedeutung für den Einbezug eines Interviews (Falls) in die Stichprobe waren. Weiter-hin wird der Versuch unternommen, die Besonderheiten bzw. Charakteristika zu be-nennen, die zur Fallauswahl führten.

Die Stichprobe setzt sich aus 8 Frauen und 6 Männern zusammen. Der Altersdurch-schnitt lag bei 57,6 Jahren, mit einer Spanne von 35 - 73 Jahren. Die Personen hatten die Diagnose Diabetes Typ 2 durchschnittlich 11,9 Jahre vor dem Interviewzeitpunkt erhalten, die Krankheitsdauer lag zwischen 3 und 32 Jahren. Die Mehrzahl (7) hatte seit weniger als 10 Jahren Diabetes, bei 4 Personen betrug die Krankheitsdauer zwi-schen 10 und 19 Jahren; 3 Personen waren länger als 20 Jahre lang krank. Sieben Personen wurden mit oralen Antidiabetika behandelt, 6 weitere zusätzlich oder aus-schließlich mit Insulin, eine Person nahm keine blutzuckersenkenden Medikamente ein. Die Mehrheit der Personen übte zum Zeitpunkt des Interviews einen Beruf aus.

Fünf Personen waren berentet. Der Großteil war verheiratet (außer einer verwitweten und einer getrennt lebenden Frau) und hatte Kinder.

8 Person: Anonymisierte Personenidentifikationsnummer innerhalb des Projekts Krankheitserfahrungen, für das 35 Interviews erhoben wurden, aus denen für diese Analyse eine Stichprobe von 14 Interviews gezogen wurde. Die Personen werden hier in der Reihenfolge genannt, in der sie in das Sample aufgenommen wurden. Deshalb ent-spricht die Aufzählung nicht der normalen Zahlenabfolge.

9 Geschlecht: w- weiblich, m- männlich.

10 Alter: in Jahren, zum Zeitpunkt der Erhebung.

11 Diabetes mellitus: Dauer der Erkrankung in Jahren, d.h. seit der Diagnose vergangene Jahre bis zum Interview-zeitpunkt.

12 Medikation: Diese Angaben beziehen sich ausschließlich auf Antidiabetika. Sie sind den Interviews entnommen, d.h. der Selbstauskunft der Interviewten. Stellennachweis in den Interviews ist an anderer Stelle dokumentiert.

Basal unterstützte orale Therapie bedeutet die Kombination von oralen Antidiabetika mit einem Basalinsulin.

13 Auswahlgrund: gemeint ist die Aufnahme ins Sample. Beim theoretischen Sampling ist die Auswahl der Inter-views analysegeleitet. In dieser Spalte wird in sehr reduzierter der Sampling-Prozess nachgezeichnet.

14 Die Belege verweisen auf die Interviewstellen, so wie sie in den Transkripten bei Atlas.ti vorlagen.

P8 G9 A10 DM11 Medikation12 Kurzbeschreibung, Auswahlgrund13

P32 m 35 11 Basal unterstützte orale Therapie. Vor Diätprogramm zu-sätzlich kurzwirksa-mes Insulin 3x/d.

P32 erzählt, dass er nach der Diagnose zunächst weiter lebte wie zuvor: „Ar-beiten, […] Familie, am Wochenende schön Grillen“ (P32:383).14 Der Herzin-farkt wenige Jahre später war ein Wendepunkt: P32 ließ sich in einer Diabetes-klinik behandeln. „Intensiv“ war für ihn die Teilnahme an einem Diätprogramm, die zeitlich mit dem Fastenmonat Ramadan zusammenfiel. Er erzählt, während-dessen erfolgreich abgenommen und seine Laborwerte verbessert zu haben.

P30 w 42 18 Orale Therapie.

Evtl. Umstellung auf Insulintherapie ge-plant.

P30 ist enttäuscht. Immer wieder wird sie aufgefordert abzunehmen und hat das Gefühl, ihr werde unterstellt, dass sie „faul“ sei (P30:067), weil ihr Gewicht nicht weniger wird und sie ungünstige Laborwerte hat. Dabei strengt sie sich so an: Sport, Abwiegen der Lebensmittel und dazu ihr Job als Hausmeisterin und im Haushalt. Erschwert wird das Abnehmen durch Kinder und Ehemann, die

„schmackhaftes“, anstelle von „gesundem“ Essen von ihr erwarten.

P21 w 67 8 Orale Therapie. P21 ist von der Diagnose Diabetes „schockiert“, zumal „Kolleginnen und Freun-dinnen, die beleibter sind“ nicht Diabetes haben - und sie „als schlanke Person“

schon (P21:622). Sie vermutet erbliche Ursachen. Die von ihrem Hausarzt aus-gesprochene Empfehlung, sie solle weniger Weißbrot essen und auf Kuchen verzichten, bezeichnet sie als „hart“ (P21:237) und beschreibt es als schwierig, auf den Kaffee und Kuchen am Nachmittag zu verzichten. Für ihre guten La-borwerte wird sie von ihrer Ärztin gelobt.

P16 m 57 3 Erst 3 Monate lang

P16 erzählt, dass er bei Diagnose einen so stark erhöhtem Blutzuckerspiegel gehabt hat, dass er auf der Intensivstation behandelt worden (P16:0186) und auf Insulin eingestellt worden ist. Im Krankenhaus hat er begonnen, sich streng an eine Diät zu halten und in den 9 Monaten nach der Diagnose ungefähr 40 kg Körpergewicht verloren (P16:2010). Seither muss er keine Diabetes-Medi-kamente mehr einnehmen. Aus seiner Sicht ist Diabetes „mit Disziplin ganz gut in [den] Griff zu kriegen“(P16:1738).

P20 W 54 7 Orale Therapie. P20 hat die Diagnose Diabetes in dem Jahr erhalten, in dem ihre Mutter gestor-ben ist und bringt sie mit der psychischen Belastung in Verbindung. Als die

„Kinder […] klein waren“ hat sie sich und ihren Körper „vergessen“ (P20:053).

Abgenommen hat sie in ihrem eigenen „Tempo“ (P20:041). Wenn sie zum Früh-schwimmen geht, ist sie „stolz“, weil sie ihrem Körper „etwas Gutes“ tut (P20:053). Sie probiert immer wieder neue Dinge in der Ernährung aus, z.B.

Senf statt Butter zu verwenden (P20:377).

Tabelle 1: Stichprobe (wird fortgesetzt)

Tabelle 1: Stichprobe (Fortsetzung)

P22 w 52 6 Insulintherapie. P22 „verzichtet nicht auf Kartoffeln oder Nudeln oder Reis“, sondern isst so wie vor der Diagnose, weil sie keinen Unterschied zwischen einer normalen gesun-den Ernährung und dem, was sie als Diabetespatientin zu sich nehmen sollte, sieht (P22:066). Sie hat bemerkt, dass statt süßer Lebensmittel eher fettige ih-ren Blutzucker in die Höhe treiben (P22:70). Sie erzählt, dass ihre Mutter und ihre Großmutter „vollschlank“ waren (P22:138). Sie sagt, sie selbst ist nur um den Bauch „zu füllig“ (P22:138).

P1 w 51 11 Erst 5 Jahre lang orale Therapie, dann Insulinthera-pie.

Bei P1 ist seit einer Lungenembolie „nix normal im Körper“ (P1:120). Danach hat sie nämlich 75 kg zugenommen - ohne eindeutig bestimmbaren Grund (P1:008). Kurz darauf ist die Diagnose gestellt worden. Belastend war es für P1 immer wieder von medizinischem Personal auf ihr Gewicht angesprochen zu werden. „Frustessen“ und der „Jo Jo-Effekt“ durch Insulin bewirkten, dass sie nicht abnehmen konnte (P1:016). Seit die Insulindosis reduziert wurde, hat sie ohne anders zu essen abgenommen (P1:020).

P2 m 64 5 Orale Therapie. P2 hatte vor der Diagnose Diabetes schon Erfahrungen mit anderen Erkran-kungen. Diabetes hat er „auf die leichte Schulter“ genommen, da er sich „wohl gefühlt“ hat und „um die Welt reisen“ konnte (P2:029). Der frühere Unternehmer berichtet von Exzessen „mit Fleisch bis zum Abwinken“, die nach beruflichen Erfolgen gefeiert wurden. Diese habe sein Körper ohne „Defekt“ gut vertragen (P2:041). Jetzt ist sein „Sonntagsbraten“ und eigentlich „alles verboten“

(P2:055) und „extreme Disziplin“ nötig (P2:019).

P3 m 57 10 Orale Therapie, zwischendurch ba-sal unterstützte orale Therapie

P3 erzählt, dass er als schon als Kind wegen seines Übergewichts „gehänselt“

und „ausgelacht“ wurde (P3:167). Die Gewohnheit, viel zu essen bringt er damit in Verbindung, dass er in der Nachkriegsgeneration großgeworden ist, als „die Väter […] verhungert aus dem Krieg [kamen]“ (P3:153). P3 kritisiert, dass „stän-dig und überall“ Fast-Food angeboten wird und „so kranke Menschen wie [er]

[…] ständig weiter verführt werden [können] (P3:148).

P8 m 73 3 Orale Therapie. P8 betont, dass er weniger übergewichtig war, als die anderen Leute bei der Diabetesschulung, an der er teilgenommen hat (P8:0325). Er nimmt die Ernäh-rungsumstellung sehr ernst, versucht z.B. ohne Salz und Zucker „auszukom-men“ (P8:0513). Auf einige Dinge, wie Käse und Rotwein möchte er jedoch nicht verzichten, „denn ein bisschen was muss man ja auch […] sündigen, sonst hätt[e das] Leben ja gar keinen Zweck mehr“ (0539). Seine Frau hat die Ernäh-rung „in [den] Griff gekriegt“ (P8:0041).

P6 w 52 25 Basal unterstützte orale Therapie.

P6 erzählt, dass er zunahm, als er anfing, im Schichtdienst bei der Bahn zu arbeiten und nicht mehr genügend Bewegung mehr hatte (P6:052). Im Alter von 27 Jahren wurde Diabetes bei ihm festgestellt. Er erhielt einen Diätplan. Seine Mutter und später seine Frau achten auf seine Ernährung. Er betont, wie wichtig ein solcher „zweiter Wille“ ist (P6:156) - ansonsten kommt der „Schlendrian“

hervor. Für „eine schöne Party“ „reiß[t er] öfters aus“ (P6:350).

P27 w 65 24 Erst orale Therapie, seit 15 Jahren Insu-lintherapie.

P27 wurde immer wieder aufgefordert abzunehmen. Sie hat festgestellt, dass sie, auch wenn sie gar nichts isst, trotzdem einen hohen Blutzuckerspiegel hat (P27:010). P27 erzählt von einer Arbeitskollegin, die viel dicker ist als sie und immer heimlich Süßes isst, aber nicht an Diabetes leidet (P27:110). P27 sagt, dass sie selbst nur in seltenen Fällen Süßes isst - im Gegensatz zu ihrem Mann (P27:110).

P29 w 65 32 Erst orale Therapie, seit 26 Jahren Insu-lintherapie.

P29 erzählt, dass ihr die Umstellung auf die Insulintherapie nicht schwergefal-len ist, weil sie als Krankenschwester schon mit Spritzen umgehen konnte (P29:063). Die neue Medikation führte zu „Erfolgserlebnissen“, nämlich

„schöne[n] Werte[n]“ (P29:063). Sie engagiert sich in einer selbstgegründeten Selbsthilfegruppe (P29:131).

P15 w 73 3 Orale Therapie. Auch Mutter, Schwester und Tanten von P15 hatten Diabetes Typ 2 (P15:0434,0440). Sie selbst hatte schon 20 Jahre lang immer wieder erlebt, dass ihr Blutzucker in Stresssituationen, wie z.B. nach dem Tod ihres Mannes und später des Sohns erhöht war (P15:0273). Seit 3 Jahren wird sie nun medi-kamentös behandelt und achtet auf ihre Ernährung. P15 fällt es nicht schwer, auf Süßigkeiten zu verzichten (P15:0277). Sie sagt, sie „war immer die Dicke“

und hat darunter schon in der Schule gelitten (P15:0540).

5.3 Kernkategorie: Verzicht als beherrschende Erfahrung bei Diabetes