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Mosberger/Schneeweiß/Steiner definieren den Inhalt des Begriffes „Berufswahl“, als die „[…]

Möglichkeit der Entscheidung zwischen unterschiedlichen (erlernbaren) Arbeiten und Tätigkeiten“

(Mosberger/Schneeweiß/Steiner, 2012, S6). In diesem Sinne beschreiben Berufswahltheorien das Berufswahlverhalten der betroffenen Personen. Nowak gibt das Jahr 1908 - initiiert durch Arbeiten von Frank Parson - als den historischen Beginn der Berufswahlforschung an und sieht alle theoretischen Erklärungsansätze zur Berufswahl im Spannungsfeld zweier Gegensatzpaare.

Berufswahl kann als einmalige Entscheidung der Betroffenen oder als ein längerfristiger anhaltender Entscheidungsprozess betrachtet werden. Die Berufswahlentscheidung kann als eine selbstbestimmte Wahl des Berufes durch Personen oder als eine Steuerung durch verschiedenster Einflussfaktoren interpretiert werden (Nowak, 2008, S.5). Bußhoff sieht das Phänomen „Berufswahl“

durch folgende Eigenschaften charakterisiert bzw. definiert. Berufswahl ist eine „…in der Regel wiederholt einstellende…“ und „…interaktive Lern- und Entscheidungsphase…“ welche in eine

„…lebenslange berufliche Entwicklung…“ eingebunden ist und unter „…bestimmten gesellschaftlichen Bedingungen und Einflüssen steht“ (Bußhoff, 1998, S. 88). Das Phänomen

„Berufswahl“ kann aber, laut Bußhoff, durch keinen theoretischen Erklärungsansatz vollständig erklärt (vgl. Bußhoff, 1998, S77).

Nowak gibt folgende Erklärungsansätze zum Phänomen „Berufswahl“ an: Psychologische Ansätze (vgl. Nowak, 2008, S.7-8), faktentheoretische Ansätze (vgl. Nowak, 2008, S.7-8), entscheidungstheoretische Ansätze (vgl. Nowak, 2008, S.21-23) und systemtheoretische Ansätze (vgl. Nowak, 2008, S.23-24). Weiter wird in der wissenschaftlichen Literatur der entwicklungstheoretische Erklärungsansatz des Phänomens „Berufswahl“ genannt (vgl. (Hentrich, 2011, S.27).

Psychologische Erklärungsmodelle zur Berufswahl zentrieren sich auf persönliche Eigenschaften bzw. persönliche Prozessentwicklungen der Betroffenen. Umweltfaktoren werden hier nur als Störgrößen bzw. Rahmenbedingungen der psychologischen Vorgänge bzw. Prozesse wahrgenommen. Zum psychologischen Berufswahlerklärungsansatz werden z.B. der „Trait and Factor-Ansatz“ und tiefenpsychologische Ansätze gezählt. Der Trait and Factor-Ansatz oder auch

„matching-Ansatz“ erklärt die Berufswahl als den Versuch jenen Beruf zu ergreifen, welcher am

idealsten zum jeweiligen Persönlichkeitsmuster einer Person passt. Tiefenpsychologische Erklärungsansätze sehen die Berufswahl der Betroffenen als Versuch der Personen verdrängte Triebimpulse im Berufsbereich zu erleben (vgl. Nowak, 2008, S.7-8). Im Rahmen der psychologischen Ansätze zur Beschreibung des Phänomens „Berufswahl“ erweisen sich individuelle Persönlichkeitsmerkmale der Betroffenen als wesentliche Einflussfaktoren zur Wahl eines Berufes.

Diese Kategorie der Berufswahleinflussfaktoren wird als „endogene Faktoren“ bezeichnet. Hierzu zählen persönliche Attribute wie das Geschlecht, das Alter, Interessen, individuelle Fähigkeiten bzw.

Fertigkeiten, Neigungen und körperliche Voraussetzungen der BerufswählerInnen. Die Einflussgröße Geschlecht wirkt über Mechanismen wie die geschlechtsspezifische Sozialisierung und Rollenbilder stark auf die Berufswahl der betroffenen Personen ein. Daraus resultiert ein erkennbares geschlechtsspezifisches Berufswahlverhalten der jeweils Betroffenen (vgl.

(Mosberger/Schneeweiß/Steiner, 2012, S6-9).

Faktentheoretische Ansätze erklären das Phänomen Berufswahl durch lückenlose Erfassung aller möglich wirkenden Einflussfaktoren. Nowak erweitert die Liste der schon genannten endogenen Berufswahleinflussgrößen um persönliche Eigenschaften wie individuelle Berufswahlreife, entwicklungspsychologische Entscheidungsfähigkeit bzw. Entscheidungssicherheit und Intelligenz (vgl. Nowak, 2008, S.11-12).

Neben den endogenen Einflussgrößen wirken laut den faktentheoretischen Erklärungsansätzen auch sogenannte exogene Berufswahleinflussfaktoren bei der Wahl eines Berufes. Zu dieser Kategorie der Motive zur Berufswahl zählen Faktoren wie Familie, Schule, Bekannte, Freunde und soziales - auch berufliches - Milieu (vgl. Nowak, 2008, S.11). In diesem Zusammenhang hebt Nowak die entscheidende Bedeutung der Größen Milieu und Elternhaus auf die Berufswahl hervor. Trotz des hohen Einflusses der Eltern auf die Berufswahl von Jugendlichen, erleben diese ihre Berufswahlentscheidung mehrheitlich als autonom (vgl. Nowak, 2008, S.11-12). Auch der Wandel in einer Berufsstruktur (vgl. Hentrich, 2011, S.37), Wirtschaftsstruktur bzw. Arbeits- und Ausbildungsmarktlage (vgl. Hentrich, 2011, S.38) Region (vgl. Hentrich, 2011, S.40) eventueller Migrationshintergrund der Betroffen (vgl. Hentrich, 2011, S.43), Peergroups (vgl. Hentrich, 2011, S.44), der Einfluss von Medien (vgl. Hentrich, 2011, S.49), und Erfahrungen in Praktika (vgl.

Hentrich, 2011, S.47), sind zur Gruppierung der exogenen Berufswahleinflussfaktoren zu zählen.

Weiters weist Stooß auf die unterschiedliche Wertschätzung von verschiedenen Berufen durch die Gesellschaft hin. Ungleiches Ansehen und Image von Berufen wirkt auf die Berufswahl von Personen über Mechanismen wie Statuszuschreibung oder differente persönliche Einschätzungen bezüglich der beruflichen Selbstverwirklichungschancen der Betroffenen (vgl. Stooß, 1992, S. 256).

Beispielhaft für den faktentheoretischen Ansatz zu Erklärung bzw. Beschreibung des Phänomens

„Berufswahl“ kann die typologische Theorie nach Holland angeführt werden. Diese Theorie basiert auf einer ermittelten Typologie von Personen und ihrer Umwelt. Mit Hilfe dieser Kategorisierung können Persönlichkeitsmuster der BerufwählerInnen und Berufsklassifikationen erstellt werden. Der Prozess der Berufswahl wird als Abgleichversuch betroffenen Personen (bzgl. ihres so beschriebenen Persönlichkeitsmusters) mit der beruflichen Umwelt interpretiert. Die Berufswahl der

Betroffenen wird von exogenen Faktoren wie Arbeitsmarktlage und psychologischer Druck von Bezugspersonen und endogenen Faktoren wie dem Persönlichkeitsmuster, Anspruch, Intelligenz und Selbstbewertungsfähigkeit der BerufswählerInnen beeinflusst (vgl. Nowak, 2008, S.12-13).

Entscheidungstheoretische Erklärungsansätze zur Berufswahl sind auf eine grundsätzliche Annahme zurückzuführen. Personen treffen immer ihre Entscheidungen unter dem Aspekt der persönlichen Nutzenmaximierung. Das Phänomen „Berufswahl“ lässt sich daher unter dem Kriterium der Rationalität erklären (vgl. Nowak, 2008, S.21-22). Die Berufswahl wird im Rahmen der entscheidungstheoretischen Erklärungsansätze daher als ein vernunftbedingter Entscheidungsprozess der Betroffenen verstanden.

Bußhoff charakterisiert eine Entscheidungssituation wie folgt. „Eine Entscheidungssituation liegt vor, wenn […] ein Entscheidungssubjekt […] unter bestimmten Situationsbedingungen […]

Handlungsmöglichkeiten oder -zwänge wahrnimmt […] diese aufarbeitet (informatorisch, vergleichend, erweiternd) […] und sich auf die Alternative festlegt […] deren Ergebnisse vorteilhaft und erreichbar erscheinen“ (Bußhoff, 1998, S.85).Das Entscheidungsverhalten der Betroffen kann im Rahmen entscheidungstheoretischer Erklärungsansätze den Dimensionen „rational“, „intuitiv“,

„aktiv“, „passiv“, „autonom“, und „abhängig“ zugeordnet werden (vgl. Bußhoff, 1998, S.86). Der Entscheidungsprozess zur Berufswahl selbst durchläuft folgende Phasen: „Problemwahrnehmung“,

„Informationssuche und -verarbeitung“, „Entwicklung von Alternativen“, „Entscheidung“,

„Realisierung“ und „Bewältigung von Nachentscheidungsproblemen“ (Bußhoff, 1998, S.85).

Systemtheoretische Erklärungsansätze zum Phänomen „Berufswahl“ interpretieren Berufswahlentscheidungen als spontane und automatische Regelprozessmechanismen in einem Organismus. Der Berufswahlprozess steht unter dem Eindruck einer permanenten Interaktion zwischen äußeren Einflüssen - wie Daten und Informationen - der Umwelt und inneren Eindrücken - wie persönliche Pläne, Vorstellungen und Konzepten - der Betroffenen. Zwischen der Außen- und Innenwelt der BerufswählerInnen erfolgt durch interaktive Feed-back-Prozesse ein dauernder Ist-Soll-Abgleich (vgl. Nowak, 2008, S.23-24).

Zu dieser Kategorie der Berufswahlerklärungstheorien zählen sogenannte Allokationsprozessmodelle. Hier wird die Berufswahl der Betroffenen als ein Zuweisungsprozess - Allokation - die Gesellschaft verstanden. Die Wahl des Berufes erfolgt daher durch Zuweisung von beruflichen Positionen der Betroffenen durch die Gesellschaft. Laut diesem theoretischen Ansatz wählt bzw. entscheidet die BerufwählerInnen nicht aktiv. Die Zuweisung der Berufe durch die Gesellschaft erfolgt durch mögliche Beschränkung der Anzahl und Art von Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten und durch formelle - z.B. durch erforderliche Bildungsabschlüsse - und informelle - z.B. durch eine mögliche Begünstigung von Gruppierungen wie Verwandte bei Einstellungsverfahren oder auch betriebliche Einstellungstests - Zugangsbeschränkungen der jeweiligen Berufsfelder. Die Allokation wirkt auch durch den Einfluss von persönlichen Bezugspersonen - wie Eltern und Freunde - der BerufswählerInnen während des Berufswahlprozesses. Indirekt erfolgt die gesellschaftliche Zuweisung von Berufen über

Mechanismen wie die Übernahme von Werten, Zielen, Normen, Kenntnisse und Motive in der Sozialisierung der Heranwachsenden (vgl. Bußhoff, 1998, S.77-78).

Entwicklungstheoretische Ansätze zur Erklärung des Phänomens „Berufswahl“ werden von Nowak der Kategorie der psychologischen Erklärungsmodelle zugeordnet (vgl. Nowak, 2008, S.8-10).

Hentrich sieht diesen Erklärungsansatz für die Berufswahl als einen lebenslangen persönlichen Entwicklungsprozess - im Sinne einer lebensbegleitenden Entscheidungsabfolge (vgl. Hentrich, 2011, S.27-29). Entwicklungstheoretische Ansätze gliedern die berufliche Entwicklung der Betroffenen nach ihren Lebensphasen. Es wird thematisiert, wann und in welcher Lebensphase der Betroffenen, sich welche für den Beruf bedeutenden Persönlichkeitsmerkmale – wie Fähigkeiten, Fertigkeiten, Motive und persönliche Einstellungen - bilden. Weiter beschreiben entwicklungstheoretische Ansätze den Einfluss der sozialen Umwelt der Betroffenen in ihren verschiedenen Lebensabschnittsphasen (vgl. Bußhoff, 1998, S.79-80).