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9 S OZIALISATIONSHINTERGRÜNDE : G ESCHLECHTERARRANGEMENTS IN DER DDR

9.3 Geschlechterverhältnisse in Bildung und Beruf um 1989

9.3.4 Berufliches Qualifikationsniveau

In den 1970er Jahren hatte in der DDR auch bezüglich der beruflichen Qualifikationsstruk-tur der Bevölkerung eine enorme Veränderung eingesetzt. Bereits deutlich früher als in der Bundesrepublik hatte hier das Qualifikationsniveau der Frauen jenes der Männer eingeholt – und überholt. Aufschlussreich hierzu sind die Daten der letzten DDR-Volkszählung aus dem Jahr 1981 (Köhler/ Rochow/ Schulze 2001). Zum Zeitpunkt des letzten DDR-Zensus im Jahr 1981 gaben in der Altersgruppe von 35 bis 44 Jahre 12,1 Prozent der Männer und 8,1 Prozent der Frauen das Abitur als allgemein bildenden Bildungsabschluss an. Einen Hochschulabschluss hatten in dieser Kohorte 12,3 Prozent der Männer aber nur 5,5 Prozent der Frauen. Bei den Fachschulabschlüssen lagen die Männer mit 15,1 Prozent etwas hinter den Frauen mit 18 Prozent. Insgesamt verfügten im Jahr 1981 jedoch Männer zwischen 35 bis 44 Jahren noch über einen größeren Anteil an höheren Bildungsabschlüssen auf Hoch- oder Fachschulniveau (27,4 Männer zu 23,5 Prozent Frauen).

In der jüngeren Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen hatte sich das jedoch bereits deutlich geändert. Hier hatten 16,4 Prozent der Männer und 14,5 Prozent der Frauen Abi-tur, 11,2 Prozent der Männer und 9,7 Prozent der Frauen verfügten über einen Hochschul-abschluss. In beiden Bereichen schlossen die Frauen also zu den Männer auf. Über einen Fachschulabschluss verfügten in dieser Altersgruppe hingegen nur 8,5 Prozent der Männer aber 19,2 Prozent der Frauen. In der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen waren also Frau-en mit Hoch- oder Fachschulabschluss bereits deutlich überrepräsFrau-entiert (19,7 ProzFrau-ent Männer zu 28,9 Prozent Frauen).

Bemerkenswert ist, dass es in der DDR offenbar durch den Arbeitskräftemangel im produzierenden Bereich und die dort gezahlten vergleichsweise hohen Löhne besonders für Männer eine Tendenz gab, eine andere Tätigkeit als den erlernten Hochschulberuf auszu-üben (Köhler/ Stock 2004).29 Im Jahr 1981 übten nur 22,6 Prozent der Männer, die einen Hochschulberuf als erlernten Beruf angaben, diesen auch aus.30 Hingegen waren von sämt-lichen Frauen die einen Hochschulberuf erlernt hatten, immerhin 43,5 Prozent auch in diesem erlernten Beruf tätig. Unter sämtlichen Berufstätigen der DDR, die einen

29 Danach wurde es Anfang der 1970er Jahre zunehmend schwieriger, für zahlreiche Hochqualifizierte adä-quate Arbeitsplätze zu finden. Die politische Führung reagierte darauf mit einer restriktiveren Zulassung zum Abitur und zum Hochschulstudium. Die Sachzwänge der technischen Entwicklung, so lautete das Argument, schlügen sich nicht in einem wachsenden Bedarf an Hochschulabsolventen, sondern in einem wachsenden Bedarf an Facharbeitern nieder.

30 Datengrundlage dieser Berechnung ist Köhler/ Rochow/ Schulze 2001: 170-172. Nicht analysierbar ist anhand dieser Daten jedoch der Anteil jener Männer und Frauen, die zwar nicht im erlernten Hochschul-beruf, aber dennoch qualifikationsadäqat in einem anderen Beruf tätig sind.

schulberuf erlernt hatten und auch in diesem tätig waren, stellen im Jahr 1981 die Frauen mit 51,4 Prozent eine Mehrheit. Unter Personen mit Fachschulabschluss, die in diesem Beruf auch tätig waren, fiel diese Majorität mit 74 Prozent Frauen sogar sehr deutlich aus.

In der Tätigkeitsstatistik der Volkszählung der DDR von 1981 spiegelt sich die weiter oben konstatierte Dominanz von Frauen in qualifizierten Dienstleistungsberufen wider.

Betrachtet man nur die relativ häufig vorkommenden Berufe (insgesamt mehr als 1000 Beschäftigte), so sind Frauen in fast allen diesen Tätigkeiten dominierend. Auffällig ist der überproportionale Frauenanteil etwa in Berufen wie Pharmazeuten (72,1 Prozent), Medizi-nern (54,4 Prozent), Ökonomen (53,5 Prozent) und selbstverständlich bei den Oberschul-lehrern (57,9 Prozent) und Erziehungswissenschaftlern (61,8 Prozent), (Abb. 17).

Noch weitaus stärker war die Dominanz von Frauen in bestimmten Fachschulberu-fen31, wie etwa Bibliothekare und Buchhändler (91,4 Prozent), Ökonomen (71,7 Prozent), Medizinisch-technische Fachkräfte (90,8 Prozent), Pharmazieingenieure (94,1 Prozent), Chemieingenieure (77 Prozent), Lehrer und Erzieher (91 Prozent) oder Fachkräfte für Krankenpflege/medizinische Assistenten (97,3 Prozent), (Tab A 4 im Anhang).

Zusammenfassend lässt sich feststellen: Bereits Anfang der 1980er Jahre, zum Zeitpunkt der letzten DDR-Volkszählung, war der Bildungsstand von Frauen und Männern gemessen am höchsten allgemein bildenden Schulabschluss in der DDR etwa gleich. Betrachtet man die berufliche Qualifikation und die tatsächlich ausgeübten Berufe, so hatten Frauen hier bereits ein höheres Qualifikationsniveau als Männer. Frauen dominierten besonders stark die Hoch- und Fachschulberufe des Gesundheitswesens (Pharmazie und Medizin) sowie des Bildungssektors (siehe Abb. 17, vgl. Tab. A 3 und A 4 im Anhang). Im Vergleich zur Bundesrepublik kann man also, in Bezug auf Daten zu allgemeiner und beruflicher Bil-dung, tatsächlich von einem „Gleichstellungsvorsprung“ der Frauen in der DDR sprechen.

In verschiedenen hochqualifizierten Tätigkeiten mit einem hohen sozialen Status dominier-ten Frauen sogar den Arbeitsmarkt der DDR. Zwar fand bis zum Ende der DDR keine weitere Volkszählung mehr statt, man kann jedoch davon ausgehen, dass sich die Frauen-anteile in höheren allgemein bildenden und berufsbildenden Abschlüssen bis 1989 zumin-dest nicht verringert hatten.

31 Teilweise tragen die Berufe die selbe Bezeichnung wie Hochschulberufe, wurden jedoch an einer Fach-schule erworben und haben somit kein Hochschulniveau.

67,7 54,4

72,1

90,8 97,3 94,1

44,4

57,9 61,8 91,0

80,9

64,6

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Psychologen HS Mediziner HS Pharmazeuten HS Mediz.-techn. Fachkräfte FS Fachkräfte Krankenpfl., med. Assist. usw. Pharmazieingenieure FS Lehrer f. berufstheoret. Unterr. HS Oberschullehrer HS Erziehungswissenschaftler HS Lehrer und Erzieher FS Frauenanteil Bereiche Medizin u. Bildung Frauenanteil alle Hoch-/ Fachschulberufe

Frauenanteil (%)

Abb. 17: Frauenanteil in Berufen der Bereiche Pharmazie/ Medizin und Bildung sowie an allen Hoch- und Fachschulberufen der DDR, 1981

Quelle: Köhler/ Rochow/ Schulze 2001: 170 ff., eigene Berechnungen (eigene Berufszusammenfassungen), HS=Hochschulabschluss, FS=Fachschulabschluss

In der DDR waren qualifizierte Dienstleistungsberufe stark frauendominiert. Besonders deutlich wird dies in den Bereichen Medizin und Bildung, wo vier Fünftel aller Erwerbstätigen Frauen waren. Der Frauenanteil an allen Hoch- und Fachschulberufen lag 1981 bei fast zwei Drittel.

10 Wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Strukturwandel

nach der Wiedervereinigung und seine

geschlechtsspezifi-schen Auswirkungen