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Die Bekämpfungsstrategien der KSP beim Wildschwein, sowie deren Vor- und Nachteile

2.2. Die Klassische Schweinepest 1. Infektionsbiologie und Erkrankung

2.2.5. Die Bekämpfungsstrategien der KSP beim Wildschwein, sowie deren Vor- und Nachteile

2.2.5.1. Die Bejagung

Ungezieltes Bejagen ist ungeeignet, die Wildschweinepopulation unter den Schwellenwert abzusenken. Von der Bestandsdichte abhängende Prozesse führen dazu, dass bei einer durch Bejagung deutlich reduzierten Population die Reproduktionsrate erheblich ansteigt und der Lebensraum innerhalb kurzer Zeit wieder bis zur Belastbarkeitsgrenze aufgefüllt wird. Es kommt zu einem sprunghaften Anstieg der Zahl der Jungtiere, die am empfänglichsten für eine KSP-Infektion sind. Sie entwickeln die mit einer hohen Mortalität einhergehende klinische Form der Infektion und verbreiten das Virus in der Population weiter.

In Gebieten, in denen die KSP endemisch ist, weisen die älteren Tiere einen hohen Grad an Rottenimmunität auf. Die bevorzugte Tötung von älteren Tieren

verringert damit auch die Immunität innerhalb der Population (DEPNER et al.

1998; KADEN 1998; ANONYMUS 1999).

Zugleich führt eine verstärkte Bejagung auch zu einer erhöhten Mobilität der Tiere. Durch den Abschuß von älteren Tieren kommt es zu einer Zerstörung des sozialen Gefüges und zu einer Versprengung der Rotte. Dies resultiert in einer höheren Kontaktaufnahmerate mit anderen empfänglichen Tieren, was die Verbreitung der Krankheit fördert. Bleiben die Tiere ungestört, so bedeutet dies, dass die von der Seuche betroffene Population kleiner ist, und der Schwellenwert, bei dem die Seuche verschwindet, möglicherweise schneller durch natürliche Immunisierung oder Impfung erreicht werden kann (ANONYMUS 1999).

2.2.5.2. Verstärkte Aufklärung und Fütterungsbeschränkung

Die Fütterung von Wildschweinen mit Fleisch, Fleischprodukten sowie Küchenabfällen birgt die Gefahr, dass das Virus in die Schwarzwildpopulation eingeschleppt wird (ANONYMUS 1999; KRAMER et al. 2002).

Parallel dazu muss aber auch berücksichtigt werden, dass ebenso eine Fütterung von nicht kontaminierten Futtermitteln zur Förderung der Verbreitung der Seuche beiträgt. In Gebieten, in denen die Klassische Schweinpest ausgebrochen ist, führt die Fütterung zu einer Weiterverbreitung des Virus, denn diese Futterplätze führen zu einer gesteigerten Mobilität der Tiere.

Wildschweine aus weiter entfernt liegenden Gebieten werden diese Futterplätze ebenfalls aufsuchen und das Virus somit durch den direkten und indirekten Kontakt mit infizierten Artgenossen in ihr eigenes Gebiet einbringen (LOEPELMANN u. SCHUSTER 1997). Darüber hinaus führt eine bessere Versorgungslage auch zu einer erhöhten Reproduktionsrate und damit zu einer Steigerung der Anzahl empfänglicher Tiere (ANONYMUS 1999).

2.2.5.3. Orale Vakzinierung

Das Konzept der oralen Vakzinierung existiert schon seit vielen Jahren. Die bekannteste Erfolgsgeschichte ist sicherlich die Köderimpfung der Füchse gegen das Tollwutvirus. Aber auch gegen andere Erkrankungen ist die orale Vakzinierung getestet worden. In den USA wurde beispielsweise versucht, Wildschweine gegen die Aujeszkysche Krankheit oder auch gegen Brucellose zu impfen (FLETCHER et al. 1990). Bereits seit den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden auch Vakzinen gegen das KSP-Virus getestet. In der früheren Sowjetunion sowie dem heutigen Russland wurden sowohl lyophilisierte, als auch pulverisierte KSP-Vakzinen eingesetzt. Auch in Rumänien wurde eine Vakzinierung in Form der Verfütterung von Kaninchenhinterläufen, die aus dem Herstellungsprozess der lapinisierten KSP-Vakzine stammten, eingesetzt. Diese Art der Immunisierung stellte sich allerdings als ungeeignet heraus, denn die Köder wurden vielfach von Carnivoren aufgenommen (KADEN et al. 2000). Auch in der ehemaligen DDR, Italien oder Frankreich wurde auf diesem Feld geforscht.

Es ist davon auszugehen, dass die orale Immunisierung als ergänzendes Werkzeug bei der Bekämpfung erfolgbringend eingesetzt werden kann (KADEN et al. 2000, 1998; LADDOMADA 2000).

Basierend auf unveröffentlichten Vorstudien begann im Herbst 1993 in Niedersachsen die erste Feldstudie zur oralen Immunisierung.

Ausgewählt wurde eine Region, in der sich keine Hausschweinezuchten befanden, in der die Wildschweinedichte bekannt war und die geographisch durch Landstrassen und Autobahnen eingegrenzt war. Zur Immunisierung wurde eine auf dem C-Stamm basierende Vakzine eingesetzt. Der Köder bestand aus einer Kapsel, die die Vakzine, unter Zusatz von Oxytetrazyklin (OTC) als Marker zur späteren Unterscheidung von mit Feldvirus infizierten Tieren und geimpften Tieren, enthielt und die mit einem Getreideüberzug versehen war.

Etwa 10 – 14 Tage vor dem eigentlichen Beginn des Impfprogramms wurde an verschiedenen Stellen, möglichst gleichmäßig über das Gebiet verteilt, mit der Anfütterung der Tiere begonnen. Nachdem die Tiere die Futterstellen angenommen hatten, erfolgte die Auslage von Plazebo-Ködern. Die eigentliche Immunisierung wurde zweimalig im Abstand von (ein bis) zwei Wochen durchgeführt. Die Köder wurden dabei jeweils in der Erde verscharrt.

Die Wiederholungsimpfung (ebenfalls zweimalig im Abstand von 14 Tagen) erfolgte 5-7 Monate nach der Erstimmunisierung. Insgesamt dauerte die Feldstudie 24 Monate.

Die Auswertung ergab, das die Köder im allgemeinen gut (72%-100%) aufgenommen wurden. Insgesamt konnten abhängig vom Gebiet 52,2%-67,6 % OTC-positive Tiere gefunden werden.

Die weitere Auswertung ergab allerdings auch, dass insbesondere die Jungtiere von der Vakzinierung nicht genügend erfasst wurden. Als Gründe kann über die Hierarchie innerhalb der Rotten kombiniert mit zu kleinen Futterarealen, aber auch über möglicherweise zu große Köder, die gerade den Frischlingen die Aufnahme der Vakzine unmöglich machten, spekuliert werden. Auch ein verändertes und erweitertes Immunisierungsschema mit einer zusätzlichen Impfung im Sommer, also zu einem Zeitpunkt, an dem davon auszugehen ist, dass kaum noch maternale Antikörper vorhanden sind, könnte zu einer besseren Immunisierung in dieser Altersgruppe beitragen.

Insgesamt ist es aber möglich gewesen, im Rahmen des Feldversuches die KSP in diesem Gebiet zu beseitigen. Im angrenzenden Kontrollgebiet, in dem nur die herkömmlichen Bekämpfungsmaßnahmen (Bejagung, Aufklärung etc.) eingesetzt wurden, persistierte die Krankheit 6 Monate länger.

Basierend auf dem erfolgreichen Feldversuch in Niedersachsen wurden in den folgenden Jahren weitere orale Immunisierungen in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Niedersachsen, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt durchgeführt.

Diese werden bei Kaden et al. (2002) beschrieben.

Auch hier wurde die auf dem C-Stamm basierende Vakzine im Köder eingesetzt. Die Impfschemata der einzelnen Bundesländer variierten, abhängig von der jeweiligen Seuchensituation (Dichte der Wildschweinpopulation, Biotope, jagdliche Regelungen) und der finanziellen Situation der Länder.

Die Auswertung der Feldversuche ergab kurzgefasst folgendes:

- Die Köder wurden gut aufgenommen.

- Kurz nach Beginn der Feldversuche trat eine statistisch signifikante Reduktion des KSP-Auftretens ein.

Eine Ausnahme bildet hierbei das nördliche Mecklenburg-Vorpommern. Kaden et al. (2002) spekulieren, dass die Gründe hierfür in einer zu geringen Anzahl ausgelegter Köder im Verhältnis zur sehr hohen Tierdichte zu sehen sind. Darüber hinaus sind einige Gebiete in Ostseenähe für die Köderauslage ungeeignet.

- Die orale Immunisierung der Frischlinge war nicht zufriedenstellend.

Zusammenfassend lässt sich folgendes feststellen:

Der Erfolg der oralen Immunisierung ist abhängig vom Infektionsdruck, der Virulenz des kursierenden Virusstamms, der Tierdichte, dem Anteil an Frischlingen in der Population sowie der Höhe der Seroprävalenzrate induziert durch Impfung bzw. natürliche Immunisierung.

Die orale Immunisierung stellt in einem Miteinander mit anderen Maßnahmen ein erfolgreiches Werkzeug in der Bekämpfung der Klassischen Schweinepest beim Schwarzwild dar. Sie sollte immer dann zum Einsatz kommen, wenn beispielsweise eine sehr hohe Tierdichte, ein ausgedehntes Verbreitungsgebiet des Virus, ein endemisches Vorkommen oder eine sehr große Ansteckungsgefahr für die Hausschweine vorliegt. Die Köderauslage sollte soweit wie möglich per Hand erfolgen und die Köder verscharrt werden. Die Köderauslage per Flugzeug ist nur die Methode der zweiten Wahl. Die

Immunisierungszonen um das Infektionsgebiet herum sollten mindestens 20 km abdecken und die Immunisierung mindestens noch für zwei Jahre nach dem Verschwinden der Erkrankung fortgesetzt werden.

Da die orale Immunisierung die Jungtiere, insbesondere die Frischlinge nur unzureichend schützt, ist zusätzlich immer auch eine intensive Bejagung dieser Altersklasse durchzuführen.

Um die Impfprogramme und ihren Erfolg besser dokumentieren zu können, sowie die Vermarktung des Wildschweinfleisches zu verbessern, ist es notwendig sog. Marker-Vakzinen zu entwickeln. Der Einsatz von DNA-Vakzinen erscheint dabei sinnvoll, denn ihre Verwendung beinhaltet nicht das Risiko einer unbeabsichtigten Virusverbreitung und ist somit aus seuchenhygienischen Gesichtpunkten zu präferieren.