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Begrüßen/Morgenkreis (Beispiel für eine

Begrüßen

Der Tag wurde mit einem gegenseitigen ritualisierten Begrüßen begonnen.

Herr A(bel) wurde deutlich angesprochen. Die betreffende Lehrkraft wendete sich ihm direkt zu. Teilweise wurde ihm die Hand gegeben. Meist

reagierte er mit deutlicher Freude und Lachen auf dieses Kontaktangebot.

Ziel dieses Arrangements war es, Herr A(bel) eine deutliche Orientierungsmöglichkeit zu geben. Die Zuwendung, die durch dieses Begrüßen stattfand, erlebte ich als eine Bereicherung der Beziehung, sowie als eine geeignete Kommunikationsmöglichkeit.

Herr C(lemens) wurde mit der Hand begrüßt. Dabei wurde er deutlich angesprochen und eventuell noch freundlich am Körper berührt. Da der Weg in die Schule durch massive Konflikte beeinträchtigt war, wurde ab der 6. Woche ein Übergaberitual mit der Wohngruppe vereinbart. Herr C(lemens) wurde von den Wohngruppenmitarbeitern auf eine Bank in der Wohngruppe gesetzt. Dort verabschiedeten ihn die Wohngruppenmitarbeiter und brachten ihn noch über die Wohntürschwelle. Dies hat sich als hilfreich erwiesen. Bei Herr C(lemens) war ich mir unsicher, inwieweit das Begrüßen für ihn wirklich wichtig war.

Auf der einen Seite genoss er die Beachtung, die ihm geschenkt wurde, auf der anderen Seite war er auch stark an Gegenständen interessiert.

Zeitweise stürmte er ins Klassenzimmer und suchte sich eine mit einem Kassettenrekorder versehene Stoffpuppe um dann Musik zu hören.

Frau B(erger) wurde auf eine ausgesprochen erwachsene Art und Weise mit Handschlag begrüßt und verabschiedet. Sie genoss es, begrüßt zu werden. Es bedeutete auch immer, ihr Respekt entgegen zu bringen.

Morgenkreis

Ein Ziel des Morgenkreises, insbesondere montags war es, den Schülern den Übergang von der Wohngruppe zur Schule mit ihrer eigenen Struktur zu erleichtern. Im Folgenden wird ein typischer Morgenkreis beschrieben.

Das Klassenzimmer hatte im hinteren Bereich eine Sitzecke. Auf Sitzkisten konnten alle Schüler und Lehrkräfte sitzen, während in der Mitte ein Tisch vorhanden war. Dieser hintere Teilraum wurde durch Zuziehen

von Vorhängen verdunkelt und vom übrigen Klassenraum abgetrennt.

Farbige Strahler und relative Dunkelheit versuchten, eine ruhige Atmosphäre zu vermitteln.

Die Schüler saßen auf Sitzkisten im abtrennbaren hinteren Teil des Klassenzimmers1. Sie hatten feste Plätze. Herr A(bel) saß an der Wand.

Alleine schon das Sitzen auf einer Sitzkiste war für ihn zu Beginn ein gewagtes Unterfangen. Mit der Zeit wurde er sicherer, so dass für ihn keine Gefahr mehr bestand, das Gleichgewicht zu verlieren. Frau B(erger) saß ohne Probleme. Sie fand ihren Platz selbständig. Manchmal holte sie einen von ihr so geliebten langen Gegenstand, zum Beispiel einen Schlegel, und spielte mit ihm. Für Herr C(lemens), wenn er nun da war, war es nicht so einfach, sitzen zu bleiben und einem gemeinsamen Geschehen zu folgen. Manchmal stand er auf. Schwierig waren auch Situationen, in denen er den handelnden Lehrer festhielt und nicht mehr los ließ. Jeder Schüler wurde mit einer eigenen Sequenz begrüßt. Dazu wurde eine Kerze angezündet und ein Lied gesungen.

Der Morgenkreis war so aufgebaut, dass jeder Schüler einmal an der Reihe war und die anderen solange warten mussten. Da Herr C(lemens), falls er als erstes drankam, hinterher nicht mehr warten konnte und den Morgenkreis zu sprengen versuchte, kam er zumeist als letzter an die Reihe. Mit dieser Regelung kam er ganz gut zurecht. Durch die vielen Wiederholungen war ihm deutlich, dass er auch noch drankommt. Er nahm bei dieser Regelung das Geschehen mit den anderen Schülern scheinbar deutlicher wahr.

Mit der Zeit konnten bestimmte Lernsequenzen und Variationen eingebaut werden. Für jeden Schüler wurde eine Kerze gekauft. Diese unterschied

1 Herr C(lemens) weigerte sich zu Beginn des Schulhalbjahres des Öfteren in den Morgenkreis zu kommen. Er legte sich auf den Boden im Klassenzimmer und war häufig auch nach wiederholter Aufforderung nicht dazu zu bewegen von selbst in den Morgenkreis zu kommen, in den schon seine Mitschüler und die Lehrer saßen. In Kapitel 12 ‚Fokusierung auf einzelne Problemlagen’ wird diese Situation unter besonderer Berücksichtigung von Selbstbestimmung ausführlich dargestellt.

sich in der Form, der Farbe und teilweise im Geruch von der anderen. Für Frau B(erger) und Herr C(lemens) war es dann eine Aufgabe, 'ihre' Kerze zu holen. Auch dies war nicht so einfach. Frau B(erger) bedurfte der Aufforderung, ihre Kerze zu holen. Sie nahm sie manchmal nicht gerne in die Hand und wollte sie möglichst schnell wieder auf den Tisch in der Mitte stellen. Mit der Zeit konnte sie die Situation immer besser bewältigen. Sie hielt die brennende Kerze ein ganzes Lied lang. Nach dem Ende des Liedes stellte sie die Kerze wieder auf den Tisch.

Herr C(lemens) hatte Schwierigkeiten zu lernen, welche Kerze ihm gehörte. Auch das Halten der brennenden Kerze stellte für ihn eine Herausforderung dar. Zuweilen hielten wir sie gemeinsam. Das Singen machte ihm Spaß. Insbesondere, wenn beim Erklingen seines Namens (Hallo Herr C(lemens), Hallo Herr C(lemens), du bist hier...) auf seine Brust geklopft wurde. Zeitweise führte er sogar die Hand des Lehrers, damit diese ihn klopfte. Gegen Ende der beschriebenen sechs-monatigen Unterrichtszeit gelang es Herrn C(lemens), auch eine Wiederholung einer solchen Sequenz zu genießen.

Herr A(bel) wäre überfordert gewesen, wenn er seine Kerze selbständig hätte holen müssen. Deshalb wurde sie zu ihm gebracht, und die brennende Kerze wurde gemeinsam gehalten.

Am Ende des Morgenkreises wurden die Kerzen ausgeblasen. Frau B(erger) 'läutete' den Morgenkreis aus. Der Vorhang wurde weggeschoben, so dass es wieder heller wurde. Es sollte ein deutliches Zeichen sein, dass dieses Ritual nun zu Ende ist. Herr C(lemens) stand auf und ging meist schnell zu einem Kassettenrekorder, der ihn interessierte. Frau B(erger) stand auf und suchte sich einen langen Gegenstand. Herrn A(bel) wurde von einer Lehrkraft geholfen, wieder in das Klassenzimmer zu gehen.

11 Beispiele für Basale Selbstbestimmung

Im Folgenden möchte ich nun einige Aspekte einzelner Situationen im Unterricht der Klasse herausgreifen. Das im theoretischen Teil nur grob als ‚Basale Selbstbestimmung’ Beschriebene, soll nun konkret dargestellt werden. Die Beispiele nehmen nicht für sich in Anspruch, das gesamte Unterrichtsgeschehen zu repräsentieren. Vielmehr handelt es sich um Situationen, an denen prototypisch die konkreten Möglichkeiten von Selbstbestimmung bei Menschen mit schwerer geistiger Behinderung im Unterrichtsalltag aufgezeigt werden sollen.