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2.3. Beeinflussung der Reifungsvorgänge durch peri- und postmortale Faktoren

2.3.2. Beeinflussung des Rigor mortis

Laut PRÄNDL (1988, S. 131) hängt der Eintritt der Totenstarre von inneren und äußeren Faktoren ab. Zu den inneren Faktoren zählen die Kreatinphosphat- und Glykogen-Reserven, die in den Muskelzellen zum Zeitpunkt des Todes enthalten sind. Je höher diese Reserven sind, umso später tritt die Totenstarre ein. Der wichtigste äußere Faktor ist die Temperatur, bei der die Muskulatur gelagert wird. Höhere Temperaturen beschleunigen die anaerobe Glykolyse, tiefere Temperaturen verlangsamen sie. Erkennbar ist dies am schnelleren oder langsameren pH-Wert-Abfall. Nach Untersuchungen von SAMS und JANKY (1991) verlangsamten niedrige Temperaturen (Kühlung) die Entwicklung des Rigor mortis in der roten, aeroben Muskulatur signifikant, während die Entwicklung des Rigor mortis in der weißen, anaeroben Muskulatur durch die Temperatur kaum beeinflusst wurde.

Auch die Versuche von DE FREMERY und LINEWEAVER (1962) führten zu dem Ergebnis, dass der Glykogengehalt der Muskulatur das Eintreten des Rigor mortis bestimmt.

Dabei wurden drei Gruppen von Broilern unterschiedlichen Behandlungen unterzogen. Die Tiere der ersten Gruppe wurden ohne Ausschaltung des Bewusstseins direkt geschlachtet, die der zweiten wurden vor der Schlachtung anästhesiert, die der dritten wurden elektrisch betäubt. Diese Behandlungen hatten keinen Einfluss auf den End-pH-Wert des Fleisches. Bei den anästhesierten Tieren setzte der Rigor mortis allerdings später ein (45 min p. m.) als bei der ersten (8 min p. m.) oder zweiten Gruppe (10 min p. m.). Der Glykogengehalt der Muskulatur 3 Minuten p. m. lag bei der ersten Gruppe bei 3,2 mg/g, bei der zweiten bei 8,4 mg/g und bei der dritten bei 6,0 mg/g.

PAPA und FLETCHER (1988) führten Untersuchungen zur Entwicklung des Rigor mortis an unterschiedlichen Lokalisationen innerhalb der Hähnchenbrustmuskulatur durch. Die Ergebnisse deuteten an, dass die vorderen Bereiche des M. pectoralis major innerhalb von 30 bis 120 Minuten in den Rigor mortis eintraten, die hinteren Bereiche erst zwischen 2 und 4 Stunden. Die Autoren schlossen nicht aus, dass der Zeitpunkt der Auslösung der

Brustmuskulatur, der bei den Untersuchungen vor dem Eintritt der Muskulatur in den Rigor mortis lag, die Entwicklung desselben beeinflusste. Zum Beispiel könnten Unterschiede in der Entwicklung der Totenstarre an unterschiedlichen Lokalisationen hervorgerufen worden sein durch unterschiedliche Anzahl und Aktivität der durchtrennten Nerven in diesen Bereichen.

Nach PRÄNDL (1988, S. 135) werden beim Tiefgefrieren von schlachtfrischem Fleisch die postmortalen Vorgänge, die zur Totenstarre führen, unterbrochen. Beim Auftauen laufen sie dann sehr stürmisch ab, da das ATP durch eine starke ATPase-Aktivität schnell abgebaut wird. Es kommt zu einer deutlichen Kontraktion des Fleisches (Auftaurigor) und einem erheblichen Saftverlust. Durch ein langsames Einfrieren und Auftauen kann der Auftaurigor verhindert werden. Auch bei Geflügelfleisch gibt es diese Erscheinung. Nach KOONZ et al. (1954) bewirkte das Einfrieren der Muskulatur eine Fixierung des Zartheitsgrades, die chemischen Reaktionen, die die Zartheit bewirken, wurden unterbrochen oder verlangsamt.

Auch nach DE FREMERY und LINEWEAVER (1962) kam es bei 5 Minuten p. m.

eingefrorener Brustmuskulatur zu einer auffallenden Beschleunigung der Glykolyse beim Auftauen. Die Autoren gingen von einer 20-fachen Steigerung der Glykolyserate durch die Einfrier- und Auftaubehandlung des Fleisches aus.

Um die Reifungszeit bei Geflügelfleisch zu verkürzen und trotzdem zartes Fleisch zu erhalten, wurden Versuche mit elektrischer Stimulation der Schlachttierkörper durchgeführt (THOMPSON et al. 1987; LYON et al. 1989; DICKENS u. LYON 1995; OWENS u.

SAMS 1998; CRAIG et al. 1999; SKAROVSKY u. SAMS 1999; ZOCCHI u. SAMS 1999;

ALVARADO u. SAMS 2000). Bei der elektrischen Stimulation wird elektrischer Strom kurz nach dem Schlachten am Tierkörper angewandt, um die Muskelkontraktion und die postmortale metabolische Aktivität zu stimulieren. Dabei kommt es zur Beschleunigung des Rigor mortis und zu mikrostrukturellen Veränderungen, was zu zarterem Fleisch führt (FLETCHER 1999). Im Gegensatz zur Betäubung wird bei der Elektrostimulation der Strom pulsierend angewandt, wobei üblicherweise auf einen zweisekündigen (THOMPSON et al. 1987; LYON et al. 1989; LYON u. DICKENS 1993; ALVARADO u. SAMS 2000) bzw.

einsekündigen (CRAIG et al. 1999) Stromfluss eine Unterbrechung von 1 Sekunde folgt. Die angewandten Stromstärken und Stromspannungen, die Dauer sowie die Methode der

Applikation der Elektrostimulation unterscheiden sich jedoch bei den einzelnen Unter-suchungen. Im Folgenden werden einige Untersuchungen beispielhaft aufgeführt:

Bei ALVARADO und SAMS (2000) betrug die Spannung 370 V, die Stromstärke 450 mA und die Frequenz 60 Hz. Die Dauer betrug insgesamt 15 Sekunden. Dafür wurden die Köpfe der Tiere nach der Entblutung und vor dem Brühen in eine Salzlösung getaucht. Bei LYON und DICKENS (1993) erfolgte die Stimulation bei 200 V über 1 Minute direkt nach der Betäubung noch vor der Entblutung im Betäubungsbecken. Bei THOMPSON et al. (1987) fand die Elektrostimulation nach der Entblutung bei einer Spannung von 45 V statt. Die Dauer betrug 9 bzw. 18 Sekunden. Hierbei wurde eine positive Elektrode am Hals befestigt.

Nach SAMS (1999) sinkt die Dauer der Elektrostimulation mit steigender Stromstärke oder Stromspannung.

Nach Untersuchungen von ZOCCHI und SAMS (1999) hatten nach 2 Stunden p. m.

ausgelöste Brustfilets von elektrisch stimulierten Hähnchenschlachttierkörpern den gleichen Zartheitsgrad wie 4 Stunden gereifte Schlachttierkörper, die nicht elektrisch stimuliert worden waren.

Eine weitere Möglichkeit, die Reifungsdauer von Hähnchenbrustfleisch zu verkürzen, ist die Streckung der Musculi (Mm.) pectorales majores, indem die Flügel hinter dem Rücken des Schlachttierkörpers fixiert werden („wing restraint“) (PAPA et al. 1989; LYON et al. 1992;

LYON u. DICKENS 1993). Bei LYON und DICKENS (1993) beispielsweise wurden die Flügel direkt nach dem Rupfen fixiert und während der weiteren Prozessschritte für insgesamt 75 Minuten so belassen. Nach Ansicht dieser Autoren führte die Kombination von elektrischer Betäubung, elektrischer Stimulation und „wing restraint“ zu den kleinsten Scherkraftwerten der nach 75 Minuten post mortem zerlegten, dann bei 2°C für 24 Stunden gelagerten und anschließend gekochten Brustmuskulatur. Die elektrische Stimulation führte zur Beschleunigung der biochemischen Veränderungen, während das „wing restraint“ die Sarkomere signifikant verlängerte.