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Auswirkungen auf den sozialen Zusammenhalt und mögliche Protestaktionen

Im Dokument Nukleare Entsorgung in der Schweiz (Seite 135-139)

Phase 4: 2046 – 2049: Bau des Lagers

5.11 Auswirkungen auf den sozialen Zusammenhalt und mögliche Protestaktionen

Befürchtungen der Bevölkerung der Region

Angst vor Spannungen in der Bevölkerung und Unruhe infolge Protestveranstal-tungen werden von weniger als 10% der Bevölkerung spontan genannt. Auf eine Antwortvorgabe hin bestätigen jedoch rund 60% der Weinländer/innen entspre-chende Befürchtungen. Unruhen durch Protestveranstaltungen werden von rund 45% der Befragten erwartet. Auch die schweizweite Bevölkerungsbefragung der Nagra, die dieselbe Frage ebenfalls enthält, zeigt, dass soziale Spannungen und Unruhen Effekte sind, die im Zusammenhang mit einem Endlager erwartet werden (Abb. 49).

Resultate der Fallstudien in den Vergleichsregionen

Ein Blick auf die Vergleichsregionen zeigt, dass in Aube und in Würenlingen nur rund ein Fünftel der Bevölkerung Spannungen wahrgenommen hat. Unruhe durch Protestaktionen will sogar ein noch geringerer Anteil der Bevölkerung beobachtet haben (Abb.49).

Auch in Würenlingen und Aube ist es zwar, gemäss Aussagen der lokalen Exper-ten, zu Spannungen und Konflikten gekommen während des Entscheidungspro-zesses hinsichtlich des Lagers. Die Spannungen ebbten jedoch nach dem Ent-scheid für das Lager ab. Ein wichtiger Faktor für den Abbau der Spannungen war der Einbezug der Gegnerschaft in Arbeitsgruppen. In Würenlingen hatte die Geg-nerschaft Einsitz in die „Arbeitsgruppe Bächli“, eine beratende Kommission des Gemeinderates und konnte dort durch verschiedene Vorstösse Verbesserungen des Projekts erwirken. In Aube wurde dem Centre de l’Aube eine Commission locale d’information (CLI) mit rund 60 Mitgliedern zur Seite gestellt. In dieser Kom-mission sind sämtliche Gemeinden, die kantonalen Stellen, die Umweltorganisatio-nen und die Presse vertreten. Die Mitglieder haben jederzeit Zutritt zum Centre und können über alle Vorkommnisse Auskunft verlangen. Die Andra, Betreiberin des Centre, rapportiert an zwei jährlichen Sitzungen gegenüber der CLI.

Im Gegensatz dazu werden in Gorleben von der Mehrheit der Bevölkerung sowohl Spannungen wie Unruhen beobachtet, die sich auch auf andere Sachthemen über-tragen. Auch in Wolfenschiessen, der Standortgemeinde des einstmals geplanten

SMA-Lagers Wellenberg, wird von Spannungen in der Bevölkerung berichtet, die zu Streitigkeiten innerhalb von Familien geführt und gesundheitliche Probleme ausgelöst hätten. In Nidwalden wurden auch Protestaktionen durchgeführt, die jedoch immer friedlich und ohne Störungen verliefen. Dies im Gegensatz zu Gorle-ben, wo es regelmässig zu gewalttätigen Ausschreitungen kommt.

Abbildung 49: Regionenvergleich: Welche negativen Auswirkungen haben die Lagerprojekte gehabt? (Aube, Gorleben, Würenlingen). Welche negativen Auswir-kungen befürchten Sie? (Weinland, Schweiz) (geschlossene Fragestellung)

Quelle: Bevölkerungsbefragung Rütter + Partner 2005; infolge Rundungsabweichungen ergibt die Summe nicht immer 100%.

Zwischen den beiden Regionen gibt es Parallelen. Sowohl in Gorleben wie in Nid-walden fehlte es in Bezug auf die Prozesse, die zum Standortentscheid führten, an Transparenz. Diese Intransparenz trug bei zu einem grundlegenden Misstrauen in der Bevölkerung, wodurch die Oppositionshaltung massgeblich verstärkt wurde.

In beiden Regionen wurde die lokale Opposition zudem durch nationale Gruppie-rungen, die den Ausstieg aus der Kernenergie zum Ziel haben, unterstützt. Letzte-res war in Würenlingen und in Aube nicht im selben Masse der Fall.

Beurteilung im Hinblick auf das nördliche Zürcher Weinland

Zum heutigen Zeitpunkt würde ein Endlager im nördlichen Zürcher Weinland von 18% der Bevölkerung positiv aufgenommen. 45% der Einwohner/innen würde das Endlager mit einem unguten Gefühl aufnehmen, es jedoch akzeptieren. Weitere rund 30% der Bevölkerung wären gegen das Lager und 8% würden sich dagegen aktiv zur Wehr setzen (Abb.50). Damit würde mit insgesamt 63% eine Mehrheit der Weinländer/innen das Lager akzeptieren, mehr als die Hälfte davon allerdings mit

Schweiz

einem unguten Gefühl. Das nördliche Zürcher Weinland unterscheidet sich mit dieser Einstellung nicht vom schweizerischen Durchschnitt (Abb. 47). Dabei stehen signifikant mehr Frauen als Männer einem potenziellen Endlagerprojekt negativ gegenüber, jüngere Menschen sind ebenfalls kritischer eingestellt als ältere Men-schen.

Damit ist das nördliche Zürcher Weinland einem Endlager gegenüber skeptischer eingestellt als dies die Region Würenlingen im Falle des Zwischenlagers und die Region Aube im Falle des SMA-Lagers Centre de l’Aube war. Es ist jedoch positi-ver eingestellt als die Region Gorleben (Abb.47).

Die Bevölkerung in der deutschen Nachbarregion Jestetten/Lottstetten lehnt das Endlagerprojekt in signifikant grösserem Masse ab als die Weinländer/innen. In Jestetten/Lottstetten geben 21% der Bevölkerung an, dass sie sich aktiv gegen ein Endlager zur Wehr setzen würden. Dies bedeutet, dass ein Protestpotenzial in den deutschen Nachbargemeinden des Zürcher Weinlandes vorhanden ist und dass sich die deutsche Bevölkerung wesentlich mehr Sorgen bezüglich des potenziellen Endlagers macht als die betroffenen Schweizer/innen.

Abbildung 50: Reaktionen auf die Planung eines Lagers für hochradioaktive Ab-fälle im nördlichen Zürcher Weinland

Quelle: Bevölkerungsbefragung Rütter + Partner 2005 (Teilbericht I, Abb.32); infolge Rundungsabwei-chungen ergibt die Summe nicht immer 100%.

Rund 7% der Weinländer/innen und 21% der Einwohner/innen von Jestetten und Lottstetten würden an Protestveranstaltungen teilnehmen. Einer Oppositionsgrup-pe beitreten würden hingegen nur 6% der Bevölkerung im Weinland und 9% in Jestetten/Lottstetten (Teilbericht I, Abb.37 und 38).

Trotz der insgesamt skeptischen Haltung der Bevölkerung des nördlichen Zürcher Weinlandes ist der Anteil, der sich zur Wehr setzen würde, wie die Zahlen zeigen, zum heutigen Zeitpunkt gering.

Auch die folgenden Faktoren sprechen dafür, dass die Weinländer Bevölkerung sich heute nicht grundsätzlich gegen ein Endlager stellen dürfte: Die

Weinlän-Jestetten/

Ich würde mir keine Sorgen machen und diese Pläne positiv aufnehmen Ich hätte ein ungutes Gefühl, würde das Endlager aber akzeptieren Ich hätte ein ungutes Gefühl und wäre gegen das Endlager Ich würde mich dagegen aktiv zur Wehr setzen

keine Angabe in %

der/innen haben Vertrauen in die technische Lösbarkeit des Endlagerproblems und bevorzugen mehrheitlich die Endlagerung in der Schweiz und nicht im Ausland.

Weiter ist die Mehrheit der Weinländer/innen dafür, die Endlagerfrage rasch zu lösen und macht einen Ausstieg aus der Kernenergie nicht zur Bedingung (Teilstu-die I, Abb.11,12, 13,14).

Inwieweit sich das vorhandene Protestpotenzial in nördlichen Zürcher Weinland verstärken wird, hängt unter anderem vom weiteren Prozessverlauf im Auswahl-verfahren für den Standort ab sowie mit der Zufriedenheit der Bevölkerung mit diesem Prozessverlauf.

Zum weiteren Verfahren sagen die befragten Personen folgendes aus: 90% der Bevölkerung finden Informationsveranstaltungen mit Diskussionsmöglichkeiten sinnvoll und 80% würden eine Mitarbeit der Bevölkerung und der Behörden in Ar-beitsgruppen befürworten (Teilbericht I, Abb.29). Ein deutlich geringerer Anteil (60%) würde eine Vernehmlassung bei Verbänden und Parteien begrüssen (Teil-bericht I, Abb.30). Auf die Frage nach der Instanz, die über den Standort entschei-den sollte, sprechen sich rund 60% der Befragten für eine Eidgenössische Volks-abstimmung aus, 77% sind jedoch auch der Meinung, dass die Region selber das Recht haben sollte, über den Standort zu entscheiden – ein Wunsch, der gemäss Kernenergiegesetz heute nicht mehr erfüllbar ist (Teilbericht I, Abb.30 und 28).

Weiter ist es äusserst wichtig, dass der Prozessverlauf als fair empfunden wird, dass die Bevölkerung über das Standortauswahlverfahren volle Transparenz hat und dass echte Standortoptionen bestehen: Die grosse Mehrheit (rund 90%) der Weinländer/innen wünscht sich, dass vor einem Endlagerentscheid Standortalter-nativen aufgezeigt werden (Teilstudie I, Abb.15).

Wie die Beispiele aus den Vergleichsregionen zeigen, ist es überdies wichtig, dass eine breite Beteiligung am Prozessverlauf möglich ist, und dass die heute schon bestehende Opposition sich einbringen kann.

Ein Problem ist hingegen, dass ein Endlager im Blickpunkt von überregionalen Interessengruppen liegt, die den Ausstieg aus der Kernenergie fordern und dies mit der Endlagerfrage koppeln. Das Risiko von Protesten ist höher, wenn es nicht gelingt, in dieser Frage vorher eine Entspannung zu erzielen.

Fazit zum sozialen Zusammenhalt und zu Protestaktionen

 Mehr als die Hälfte der Weinländer Bevölkerung (63%) würde zum heutigen Zeitpunkt ein Endlager in ihrer Region akzeptieren. Mehr als zwei Drittel da-von jedoch mit einem unguten Gefühl. Die restlichen 37% stehen einem Endlager negativ gegenüber.

 Die Bevölkerung in der deutschen Nachbarregion Jestetten/Lottstetten lehnt das Endlagerprojekt in signifikant grösserem Masse ab als die Weinlän-der/innen. Auch stehen signifikant mehr Frauen als Männer einem potenziel-len Endlagerprojekt negativ gegenüber.

 In Jestetten/Lottstetten geben 21%, im Weinland lediglich 8% der Bevölke-rung an, dass sie sich aktiv gegen ein Endlager zur Wehr setzen würden.

Trotz der insgesamt skeptischen Haltung der Bevölkerung des nördlichen Zürcher Weinlandes ist der Anteil, der sich zur Wehr setzen würde, damit zum heutigen Zeitpunkt gering.

 Für eine Akzeptanz des Lagers spricht, dass die Weinländer Bevölkerung heute Vertrauen in die technische Lösbarkeit des Endlagerproblems hat, dass Sie die Abfälle nicht im Ausland lagern möchte und dass sie einen Ausstieg aus der Kernenergie nicht zur Bedingung für die Lösung des Ab-fallproblems macht.

 Ob sich das Protestpotenzial in nördlichen Zürcher Weinland verstärken wird, hängt unter anderem davon ab, wie gross die Zufriedenheit der Bevöl-kerung mit dem zukünftigen Standortauswahlverfahren ist.

 Die grosse Mehrheit der Weinländer/innen wünscht sich, dass vor einem Endlagerentscheid Standortalternativen aufgezeigt werden. Es ist daher äu-sserst wichtig, dass die Bevölkerung über das Standortauswahlverfahren volle Transparenz hat und dass echte Standortoptionen bestehen.

 Wie die Beispiele aus den Vergleichsregionen zeigen, ist es überdies wich-tig, dass eine breite Beteiligung am Prozessverlauf möglich ist und dass die heute schon bestehende Opposition sich einbringen kann.

 Ein Problem ist hingegen, dass ein Endlager im Blickpunkt von überregiona-len Interessengruppen liegt, die den Ausstieg aus der Kernenergie fordern und dies mit der Endlagerfrage koppeln. Das Risiko von Protesten in der Region ist höher, wenn es nicht gelingt, in dieser Frage eine Entspannung zu erzielen

Im Dokument Nukleare Entsorgung in der Schweiz (Seite 135-139)