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4.1 Das Immunsystem als Anwendungsfall für die biologischen Begriffe

4.1.1 Aufbau und Funktionsweise des Immunsystems

Eine Beschreibung des menschlichen Immunsystems und seiner Funktionsweise, die auf den Ansätzen und Beschreibungen heutiger Immunologie-Lehrbücher basiert (Schütt und Bröker 2011 und Janeway und Murphy 2009), soll an dieser Stelle einen Eindruck von der Komplexität und Vielschichtigkeit geben, die einen mechanistischen Ansatz auch im Fall des Immunsystems vor gewisse Herausforderungen stellt.

Das Immunsystem besteht aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Zelltypen, Proteinen und Molekülen, die mit einander interagieren, um den Organismus gegen eine ebenfalls große Vielzahl von sehr unterschiedlichen „Eindringlingen“ zu schützen, die sich parasitär im Organismus vermehren würden und diesen dabei schädigen können. Zu diesen Eindringlingen und Krankheitserregern gehören Bakterien, Viren, Pilze und Parasiten. Im Anschluss an eine Immunreaktion stattet das Immunsystem den Körper häufig mit einer lang andauernden Immunität gegen einmal abgewehrte Erreger aus. Aber auch Krebszellen, d.h., Körperzellen, die mutieren, ihre normale Funktion aufgeben und sich unkontrolliert vermehren, werden durch das Immunsystem gesucht und zerstört. Die unterschiedlichen Zellen und Proteine, welche zum Immunsystem gezählt werden, wirken in beeindruckender Art und Weise zusammen, um diese Aufgaben zu erfüllen. Besonders bemerkenswert ist die dezentrale Organisation des Immunsystems. Die Zellen des Immunsystems sind verteilt im ganzen Körper anzutreffen. Tritt ein Erreger im Körper auf, werden Immunzellen durch chemische Signale an die entsprechenden Stellen geleitet.

Immunreaktionen sind auch durch komplexe Feedback-Mechanismen gesteuert und reguliert. Chemische Signale werden genutzt, um eine Immunantwort zu verstärken oder abzuschwächen.

Bei der folgenden Beschreibung, die notwendigerweise eine starke Vereinfachung darstellt, werden grob drei Ebenen der biologischen Organisation unterschieden: die Organebene, die Zellebene und die molekulare Ebene. Bei dieser Einteilung in Ebenen der biologischen Organisation ist der Organismus als Ganzes das Bezugssystem, von dem Teile auf den drei Ebenen einen Beitrag zu den Funktionen des Immunsystems leisten.

Dabei ist zu beachten, dass diese Einteilung zunächst vorläufig ist und der Orientierung dient. In dieser Arbeit wird weiterhin ein lokaler Ebenenbegriff verwendet, wenn es darum

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geht, einen Mechanismus zu beschreiben. Die Ebenen eines Mechanismus entsprechen nicht unbedingt der typischen Redeweise von Ebenen der biologischen Organisation, wie sie in Lehrbüchern vermittelt wird (siehe Kapitel 2).

Auf der Ebene der Organe gibt es nicht so etwas, wie „das Immunorgan“. Obwohl sich mehrere für das Immunsystem wichtige Organe identifizieren lassen, gibt es kein zentrales Immunorgan. Dennoch gibt es auf der Ebene der Organe mehrere Teile des Organismus, die einen Beitrag zum Immunsystem leisten. Bei diesen Organen wird zwischen den so genannten primären und sekundären lymphatischen Organen (lymphoid organs) unterschieden.

Die primären lymphatischen Organe sind für die Produktion und Reifung der Zellen zuständig, die dann Funktionen im Immunsystem übernehmen. Dazu gehören das Knochenmark, wo alle Zellen des angeborenen und erworbenen Immunsystems gebildet werden, und der Thymus, wo die T-Zellen reifen. Genau wie die anderen zellulären Bestandteile des Blutes, stammen die Zellen des Immunsystems von Vorläuferzellen im Knochenmark ab, die wiederum von so genannten „pluripotenten Stamm-zellen“ abstammen. Diese Stammzellen zeigen nicht das gleiche Entwicklungspotential wie embryonale Stammzellen, aber sie sind auch noch nicht auf eine bestimmte Entwicklungsrichtung festgelegt.

Nachdem die Immunzellen die primären Organe verlassen, siedeln sie sich im ganzen Körper an, aber in sehr viel höheren Konzentrationen in den sekundären oder peripheren lymphatischen Organen. Zu diesen sekundären Organen gehören die Lymphknoten, die Milz und das mukosale Lymphsystem, welches direkt unter den Schleimhäuten des Körpers, wie z.B. den Schleimhäuten des Darms und der Atemwege, liegt. In den sekundären lymphatischen Organen finden sich Zellen des angeborenen Immunsystems und naive (d.h., noch nicht aktivierte) Lymphozyten des adaptiven Immunsystems in großen Mengen.

Neben den primären Organen, in denen die Immunzellen produziert werden, und den sekundären Organen, in denen sich eine große Anzahl dieser Zellen dann aufhält, können hier noch die Haut und die Schleimhäute zu den Organen des Immunsystems gezählt werden. Diese übernehmen wichtige Barrierefunktionen. So bilden Epithelzellen in der Haut und den Schleimhäuten eine einlagige Grenzschicht, die hohes Regenerationspotential und eine Polarität zeigt. So sind diese Zellen nach außen weniger durchlässig als auf ihrer Innenseite, welche die Epithelzellen mit dem darunter liegenden Gewebe verbindet.

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Die hier genannten Organe sind allerdings nicht nur an den Aktivitäten des Immunsystems beteiligt. Beispielsweise produziert das Knochenmark auch rote Blutkörperchen, die wichtige Funktionen bei der Versorgung des Körpers mit Sauerstoff übernehmen. Die Milz hat auch eine Funktion bei der Entsorgung von überalterten roten Blutkörperchen. Und die Schleimhäute des Darms spielen eine Rolle bei der Verdauung. Die hier genannten Organe sind also nicht exklusiv als funktionale Einheiten des Immunsystems anzusehen, sondern übernehmen auch in anderen Organsystemen Funktionen.

Die Zellen, die an Immunreaktionen beteiligt sind, werden für gewöhnlich zwei unterschiedlichen „Teilsystemen“ des Immunsystems zugeordnet. In der Literatur und den hier verwendeten Lehrbüchern werden die Zellen des „angeborenen“ und des „adaptiven Immunsystems“ unterschieden.37 Diese „Teile“ des Immunsystems konstituieren aber nicht Module im Sinne der mechanistischen Perspektive. Beide Teile des Immunsystems sind eng miteinander verwoben und reagieren auf Erreger im engen Zusammenspiel. Die Unterscheidung zwischen angeborenem und adaptivem Immunsystem ist also im strengen Sinne weder eine Unterscheidung zwischen funktionalen Modulen noch zwischen strukturellen Modulen. Diese Unterscheidung beruht auf einer Einteilung, der am Immunsystem beteiligten Zellen, nach den von ihnen verwendeten Erkennungs-mechanismen für Eindringlinge.

Die Zellen des angeborenen Immunsystems verfügen über unspezifische Rezeptoren und reagieren auf alles „Fremde“ im Körper. Häufig werden kleine Infektionen bereits durch die unspezifische Reaktion des angeborenen Immunsystems beseitigt, bevor eine spezifische Antwort durch das adaptive Immunsystem gegeben wird, welche mehr Zeit benötigt. Die Zellen des adaptiven Immunsystems verfügen über sehr spezifische Rezeptoren und reagieren jeweils individuell nur auf ganz bestimmte Erreger oder Stoffe.

Der genaue Ablauf einer solchen Reaktion wird weiter unten dargestellt. Obwohl das Immunsystem immer als Ganzes reagiert, können zwei Arten von Immunantworten unterschieden werden. Während die Zellen des angeborenen Immunsystems unspezifisch auf Erreger reagieren, bringen die Zellen des adaptiven Immunsystems spezifische Antworten gegen bestimmte Erreger hervor. Diese spezifischen Immunantworten, welche in der Regel die Erzeugung von Antikörpern gegen bestimmten Erreger beinhalten, werden in der immunologischen Literatur als „adaptive“ oder „erworbene“ Immunantworten bezeichnet (vgl. Janeway und Murphy 2009, S. 4). Um die Bedeutung der Antikörper bei

37 In der Literatur wir das adaptive Immunsystem auch manchmal als „erworbenes Immunsystem“ bezeichnet.

Hier wird einheitlich der erstere Ausdruck verwendet.

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den spezifischen Reaktionen des adaptiven Immunsystems zu betonen, spricht man auch von einer „humoralen Immunantwort“. Zwar wird die humorale Immunantwort vor allem durch Zellen des adaptiven Immunsystems hervorgebracht, aber selbst dort sind Zellen des angeborenen Immunsystems beteiligt, z.B. wenn es um die Ausschaltung oder die Zersetzung von Erregern geht.

Die Zellen als Teile des Immunsystems werden in der Immunologie wie in anderen biologischen Disziplinen durch einen Partitionsrahmen im Sinne von Winther (2006) identifiziert. Ein Partitionsrahmen enthält, wie im zweiten Kapitel festgestellt wurde, sowohl funktionale als auch strukturelle Kriterien. Die Zellen des Immunsystems sind zum Teil hochgradig funktional spezialisiert. Die Funktion einer Zelle bestimmt, ob sie als ein Teil des Immunsystems angesehen wird und um welche Art von Teil es sich handelt. Die Identifikation und Unterscheidung von verschiedenen Zellarten, die im Rahmen des Immunsystems jeweils spezifische Funktionen erfüllen, geschieht in vielen Fällen wiederum über strukturelle Merkmale, wie z.B. Größe, Form und Färbung des Zellkerns.

In einigen Fällen finden sich funktionale Unterscheidungen, die noch nicht mit strukturellen Unterschieden in Verbindung gebracht werden können. Beispielsweise wurden bei T-Zellen, die verschiedene Aufgaben ausführen, bisher die entsprechenden strukturellen Unterschiede nicht gefunden. Anderseits werden auch strukturelle Unterschiede (also Unterschiede in der physikalischen Beschaffenheit) beobachtet, ohne dass der funktionale Unterschied vollständig bekannt ist (z.B. bei Granulozyten). Das Fehlen von einer Zuordnung von Funktionen und Strukturen wird allerdings als Problem wahrgenommen und die immunologische Forschung richtet sich zum Teil darauf, diese Fragen zu klären.

Wie bereits erwähnt, besteht der wichtigste Unterschied zwischen den Zellen des angeborenen und des adaptiven Immunsystem in der Art und Weise, wie Erreger und andere Fremdkörper von diesen Zellen „erkannt“ werden. Die Zellen des angeborenen Immunsystems sind mit Rezeptoren auf ihrer Zelloberfläche ausgestattet, die einfache Moleküle und Proteinmuster erkennen können, die auf vielen Erregern zu finden sind, aber nicht auf körpereigenen Zellen (vgl. Janeway und Murphy 2009, S. 19). Alles was fremd ist, wird von diesen Zellen angegriffen.

Zu den wichtigsten Zelltypen des angeborenen Immunsystems gehören Makrophagen, die aber auch im Verlauf einer humoralen Immunantwort eine Rolle spielen.

Mindestens drei zentrale Funktionen von Makrophagen sind bekannt: Erstens nehmen Makrophagen im Rahmen der angeborenen und humoralen Immunantwort eingedrungene

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Erreger auf und zerstören sie. Zweitens tragen Makrophagen durch die Ausschüttung von Signalproteinen (die Botenstoffe von Immunzellen werden auch „Cytokine“ genannt) zur Entstehung von Entzündungen bei. Drittens, beseitigen Makrophagen als Fresszellen tote Zellen und Zellreste. Makrophagen sind im ganzen Körper anzutreffen. Nach der Bildung im Knochenmark durchwandern die Makrophagen als so genannte Monozyten die Blutbahn, bevor sie sich dann im Körpergewebe ansiedeln und dort spezifische Formen und Funktionen ausbilden. In verschiedenen Gewebearten bilden Makrophagen leicht unterschiedliche Eigenschaften aus (z.B. als Kupffersche Sternzellen in der Leber oder als Mikrogliazellen im Gehirn) (vgl. Schütt und Bröker 2011, S. 2). Durch ihre Präsenz in allen Gewebearten gehören Makrophagen in der Regel zu den ersten Zellen, die Kontakt mit einem eingedrungenen Erreger haben. Die Rezeptoren der Makrophagen sind zwar Erreger-unspezifisch, können aber die gemeinsamen Bestandteile vieler Bakterienoberflächen oder anderer Erreger binden und so zu einer Aktivierung führen.

Aktivierte Makrophagen nehmen Erreger auf und zerstören sie, geben gleichzeitig Cytokine und Chemokine ab. Diese Botenstoffe rufen weitere Reaktionen bei benachbarten Zellen des Immunsystems hervor. Sie umschließen und zersetzen jeden Erreger, auf den sie stoßen in intrazellulären Vesikeln. Fragmente der zersetzten Erreger (antigenic peptides) werden an die Zelloberfläche transportiert. Dort zeigt eine Makrophage auf diese Weise, welchen Erreger sie als letztes „verdaut“ hat und es steht zur weiteren Erkennung durch T-Zellen bereit (siehe unten).

Neben den Makrophagen gibt es eine ganze Reihe weiterer Zellen, die zum angeborenen Immunsystem gezählt werden und zum Teil sehr spezifische Funktionen übernehmen. Auch wenn nicht alle Zellen und deren Unterarten hier im Detail vorgestellt werden können, sollen zumindest die wichtigsten kurz erwähnt werden, besonders diejenigen, die eine Verbindung zum adaptiven Immunsystem darstellen. Dazu gehören Granulocyten, dendritische Zellen und natürliche Killerzellen.

Granulocyten sind im Vergleich zu den Makrophagen relativ kurzlebige Zellen, die nur wenige Tage im Körper verbleiben und in größeren Mengen bei einer Infektion produziert werden, wenn sie das Blut verlassen und zu Entzündungsherden wandern. Es werden drei Arten von Granulocyten anhand der Färbungseigenschaften des Zellkerns unterschieden: neutrophile, eosinophile und basophile Zellen. Während über die Funktionen der eosinophilen und basophilen Zellen keine genauen Kenntnisse bestehen (man vermutet, dass die Toxine und Enzyme, die von diesen Zellen freigesetzt werden können, zur Bekämpfung von größeren Erregern wie Parasiten dienen), ist die Rolle der

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neutrophilen Zellen genauer bestimmt. Diese Zellen nehmen wie die Makrophagen Erreger auf und verdauen diese in intrazellulären Vesikeln.

Dendritische Zellen spielen eine sehr zentrale Rolle bei der Aktivierung der adaptiven Immunantwort (genau wie die Makrophagen). Diese Zellen lagern sich nach ihrer Reifung im Knochenmark über die Blutbahn im Gewebe ein. Ähnlich wie Nervenzellen, besitzen dendritische Zellen lange Fortsätze über die sie große Mengen extrazellulärer Flüssigkeit und darin befindliches Material aufnehmen. Auf diese Weise aufgenommene Erreger werden wie bei Makrophagen und neutrophilen Zellen durch Enzyme zerstört. Allerdings besteht die Hauptfunktion der dendritischen Zellen nicht in der Zerstörung von Erregern, sondern in der Aktivierung von T-Zellen. Durch die Aufnahme von Erregern reifen die dendritischen Zellen zu besonderen Zellen heran, die auf ihrer Oberfläche die Proteine der verdauten Erreger präsentieren und in die peripheren lymphatischen Organe wandern. Dort können sie von passenden T-Zellen erkannt werden, wodurch der erste Schritt zu einer adaptiven Immunantwort ausgelöst wird. Neben den Makrophagen sind die dendritischen Zellen ein wichtiges Bindeglied zwischen angeborenem und adaptivem Immunsystem (vgl. Janeway und Murphy 2009, S. 12).

Natürliche Killerzellen gehen zwar aus den gleichen Vorläuferzellen hervor wie die Lymphozyten des adaptiven Immunsystems, doch verfügen sie nicht über den Antigen-spezifischen Rezeptor der T- und B- Zellen. Sie werden deshalb als Teil des angeborenen Immunsystems betrachtet. Die natürlichen Killerzellen können anormale Zellen, wie Tumorzellen oder durch Herpesviren infizierte Zellen, erkennen und töten. Weiterhin reagieren sie auf Zellen, welche durch Antikörper vorher markiert wurden.

Im Unterschied zu den Zellen, welche dem angeborenen System zugeordnet werden, haben die Zellen des erworbenen Immunsystems sehr spezifische Rezeptoren zur Erkennung von Erregern auf der Zelloberfläche. Die Zellen des adaptiven Immunsystems werden in T- und B-Lymphozyten unterschieden, auch T- und B-Zellen genannt. Beide Arten von Lymphozyten tragen Rezeptoren an ihrer Außenfläche, die in der Lage sind spezifische Antigene zu erkennen.

Mit „Antigen“ wird eine spezifische Oberflächenstruktur an einem Erreger gemeint, die in der Lage ist, eine adaptive Immunantwort auszulösen an der Antikörper beteiligt sind (Antigen = Antikörper erzeugend). Dazu gehören die für einen Erreger spezifischen Proteine, Glykoproteine oder Polysaccharide auf dessen Oberfläche. Darüber hinaus können aber auch andere chemische Verbindungen erkannt werden, die normalerweise für den Organismus harmlos sind. Dazu gehören Metalle, Medikamente oder bestimmte

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Nahrungsmittel. Wird eine Reaktion durch einen eigentlich harmlosen Stoff aufgelöst, spricht man auch von einer Allergie. In einem weiten Sinn werden also alle Erreger und Stoffe als Antigen bezeichnet, die vom adaptiven Immunsystem erkannt werden können und so eine Reaktion auslösen (vgl. Janeway et al. 2009, S. 4).

Die Rezeptoren der T- und B-Zellen können sich mit Oberflächenproteinen von Erregern verbinden, was zu einer Aktivierung der jeweiligen Zelle führt. Die Zellen des erworbenen Immunsystems bleiben also so lange inaktiv, bis sie auf das passende Antigen treffen. So lange keine Infektion vorliegt, finden sich die Lymphozyten als unscheinbare, inaktive Zellen im Blut. Bis in die 1960er Jahre wurden sie in Lehrbüchern als Zellen ohne bekannte Funktion angeführt. Inaktive Lymphozyten werden auch als naiv oder ungeprägt bezeichnet. „Diese kleinen Lymphozyten besitzen tatsächlich keine funktionelle Aktivität, bevor sie auf ihr spezifisches Antigen treffen“ (Janeway und Murphy 2009, S. 13).

T-Zellen werden durch die Verbindung mit Proteinstücken aktiviert, die von Zellen des angeborenen Immunsystems (z.B. von Makrophagen oder dendritischen Zellen) auf ihrer Oberfläche präsentiert werden, nachdem sie zuvor einen Erreger aufgenommen und verdaut haben. Aktivierte T-Zellen können unterschiedliche Funktionen bei der Immunabwehr haben. Dabei lassen sich die Funktionen im Wesentlichen in drei Bereiche einteilen: Abtötung, Aktivierung und Regulation.

Eine bestimmte Sorte von T-Zellen, die sogenannten zytotoxischen T-Zellen, erkennt auch infizierte Körperzellen, wenn diese beispielsweise von einem Virus befallen sind und entsprechende Proteine auf ihrer Oberfläche zeigen. Aber auch andersartig erkrankte bzw.

dysfunktionale Körperzellen (z.B. Krebszellen) werden von den zytotoxischen T-Zellen erkannt und durch Herbeiführung eines kontrollierten Zelltodes ausgeschaltet. Von den zytotoxischen T Zellen lassen sich die T Helferzellen unterscheiden, die vor allem durch die Ausschüttung von Cytokinen zur B-Zellen Aktivierung beitragen und eine Immunantwort unterstützen. Cytokine spielen eine wichtige Rolle bei der Aktivierung von B-Zellen und deren Reifung zu Plasmazellen, die Antikörper produzieren. Da der Kontakt einer B-Zelle mit einem Antigen alleine nicht ausreicht, um eine Immunreaktion auszulösen, übernehmen die T-Zellen vermutlich gleichzeitig dabei eine wichtige regulierende Rolle, indem die unnötige Aktivierung durch harmlose Stoffe verhindert wird.

Nach ihrer Aktivierung reproduzieren sich T-Zellen, wobei alle Nachkommen einer Zelle exakte Klone der ursprünglichen Zelle sind, welche die gleichen Rezeptoren auf der Außenhülle tragen.

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B-Zellen sind wie die T Zellen in der Lage spezifische Antigene zu erkennen und nach ihrer Aktivierung Klone zu produzieren, die über die gleiche immunologische Spezifizität wie die Ausgangszelle verfügen. Ihr wichtigster Beitrag zur Immunantwort besteht darin, Antikörper zu produzieren. Die B-Zellen als Teile der humoralen Immunantwort und deren Aktivitäten werden weiter unten noch im Detail betrachtet.

Wichtig ist es an dieser Stelle noch zu erwähnen, dass T- und B-Zellen das so genannte „immunologisches Gedächtnis“ bilden. Das immunologische Gedächtnis wird durch Gedächtniszellen gebildet, die auch Klone von aktivierten B- und T- Zellen sind, aber über lange Zeit im Körper verbleiben. Die B- und T- Zellen des adaptiven Immunsystems spielen damit auch eine wichtige Rolle beim langfristigen Schutz des Organismus vor Erregern, die schon einmal im Körper aufgetreten sind. Ein Vorgang der auch „Immunisierung“ genannt wird.

Auch auf der molekularen Ebene bzw. auf der subzellulären Ebene gibt es Teile, die eine Funktion in den Abläufen des Immunsystems übernehmen. Einige dieser Teile, wie die als Botenstoff dienenden Cytokine und Chemokine, wurden bereits genannt. Daneben gibt es noch eine Reihe von Toxinen und Enzymen, die hier aber nicht behandelt werden.

Die Cytokine beeinflussen das Verhalten von anderen Immunzellen direkt und führen beispielsweise zu deren Aktivierung, während die Chemokine zu einer Erweiterung und stärkeren Durchlässigkeit der lokalen Blutgefäße führen und weitere Zellen des Immunsystems aus den Blutgefäßen in das infizierte Gewebe locken. Dieser Vorgang, der sich wie eine Kettenreaktion verbreitet, löst die Entzündung des entsprechenden Gewebes aus. Außerdem locken Cytokine weitere Zellen des Immunsystems zur infizierten Stelle, dienen der Aktivierung der B-Zellen und spielen schließlich auch eine wichtige Rolle bei der Aktivierung von ganzkörperlichen Reaktion auf eine Infektion, wie beispielsweise die Erhöhung der Körpertemperatur, was dann zu Fieber führt.

Auf der molekularen (oder subzellulären) Ebene der biologischen Organisation sind auch die von den B-Zellen produzierten Antikörper einzuordnen. Antikörper, auch Immunglobuline genannt, leisten einen wesentlichen Beitrag zur adaptiven Immunantwort, indem sie sich an Erreger binden und diese so „markieren“. Auf diese Weise werden Erreger für die Zellen des angeborenen Immunsystems besser erkennbar und können durch diese bekämpft werden. Die Zerstörung der Erreger wird also vom angeborenen Immunsystem geleistet, während das adaptive Immunsystem die Erreger häufig nur durch Antikörper markiert. Viele Arten von Antikörper sind auch dazu in der Lage, so genannte Effektormechanismen auszulösen, die durch enzymatische Kettenreaktionen zur

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Zerstörung der Erreger führen. Die meisten Formen der adaptiven Immunantwort nutzen zur Zerstörung der Erreger die Aktivierung der Effektormechanismen (Janeway und Murphy 2009, S. 5).

Es lässt sich festhalten, dass am Immunsystem verschiedene Organe, und im ganzen Körper verteilte Zellen und Moleküle beteiligt sind. Die Zellen des Immunsystems lassen sich aufgrund der Art der Rezeptoren, die auf ihrer Oberfläche zu finden sind, in zwei Klassen von Zellen unterteilen. Es werden die Zellen des angeborenem Immunsystems, welche über einen unspezifischen Rezeptor verfügen, von den Zellen des adaptiven Immunsystems, welche über hoch spezifische Rezeptoren verfügen, unterschieden.

Alle Teile des Immunsystems tragen auf spezifische Art und Weise zu dessen Leistungen bei. Dabei werden einige Funktionen auch mehrfach besetzt. So bilden sowohl Makrophagen als auch dendritische Zellen, beides Zellen des angeborenen Immunsystems, eine Verbindung zum adaptiven Immunsystem, indem sie die Proteine von verdauten Erregern an ihrer Oberfläche präsentieren. Die wesentlichen Aufgaben des Immunsystems lassen sich in vier Punkten zusammenfassen (vgl. Janeway und Murphy 2009, S. 5-6):

1) Immunologische Erkennung: Das Immunsystem erkennt Fremdkörper und Erreger als fremd, als etwas, das nicht zum Organismus gehört. Dies geschieht durch die unspezifischen Rezeptoren der Zellen des angeborenen Immunsystems (wie den Makrophagen) und den spezifischen Rezeptoren der Zellen des adaptiven Immunsystems (den T- und B- Zellen).

2) Eindämmung und Abwehr: Die Erkennung von Erregern führt zu einer Aktivierung der erkennenden Zelle(n), die gewöhnlich in einer Art Kettenreaktion über den Austausch von chemischen Botenstoffen zur Aktivierung und Bereitstellung weiterer Immunzellen führt. Erkannte Erreger werden durch eine schnelle Reaktion des angeborenen und eine später einsetzende Reaktion des adaptiven Immunsystems bekämpft.

3) Immunologisches Gedächtnis: Nach einer erfolgreichen Antwort durch das adaptive Immunsystem, bleiben T- und B- Zellen mit den entsprechenden Rezeptoren als Gedächtniszellen über lange Zeiträume im Körper zurück. Dadurch kann bei einem erneuten Kontakt mit dem entsprechenden Erreger eine viel schnellere Reaktion des adaptiven Immunsystems hervorgerufen werden. Der Organismus ist gegen den Erreger „immunisiert“.

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4) Immunregulation: Neben der Verstärkung einer Immunreaktion durch die Ausschüttung entsprechender Botenstoffe (Cytokine), gehört auch die Eindämmung einer Immunreaktion zu den Aufgaben des Immunsystems.

Geraten Immunantworten außer Kontrolle, entwickeln sich die typischen Krankheitsbilder von Allergien und Autoimmunerkrankungen.

Die humorale Immunantwort, die weiter unten im Mittelpunkt stehen wird, hat besondere Bedeutung für die Bildung eines immunologischen Gedächtnisses. Auch die Erkennung und Abwehr von Erregern wird am Beispiel der humoralen Immunantwort genauer betrachtet werden. Die Regulation von Immunantworten wird hier nicht weiter behandelt werden, obwohl dies in der immunologischen Forschung natürlich ein zentrales Thema ist.

Für die Fragestellung der Arbeit sind allerdings die Produktion von adaptiven Antworten und das „Lernen“ des Immunsystems von zentraler Bedeutung, da sich hier die Plastizität des Immunsystems zeigt.

Wie deutlich geworden ist, wird das Immunsystem als aus funktional und strukturell unterscheidbaren Teilen bestehend beschrieben. In diesem Abschnitt wurden einige der zentralen Komponenten des Immunsystems, deren Beiträge zu einer Immunantwort und deren Interaktionen vorgestellt. Dabei kann die Darstellung der Komplexität des Immunsystems aus Platzgründen nicht wirklich gerecht werden. Aber ein gewisses Grundverständnis der Vorgänge im Immunsystem wird die Rekonstruktion der humoralen Immunantwort nachvollziehbarer machen. Im nächsten Abschnitt werden wichtige Eingrenzungen vorgenommen und einige kritische Punkte vorweggenommen, die gegen das Vorgehen bei dieser Analyse sprechen könnten.