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Ueber ihn der Artikel „Die Chlüsten im Tambowschen Gou

Im Dokument 1907. Годъ 15. (Seite 155-161)

vernement, die sich „Bogomolü“ oder „Postniki“ nennen“, Tambower Ep.-Nachr. 1862; G. Protopopow, Versuch einer gesch. Uebersicht etc.

S. 102; P. Melnikow, Die weissen Tauben S. 351— 356; G. Kaninski, Der Bund der Bogomolü, Tamb. Ep.-Nachr. 1875; J. Abramow, Die Sekte der Schaloputen, Vaterland. Aufzeichn. 1882, Heft 9. S. 35— 58;

Kutepow S. 89— 91; S. Margaritow S. 184.

und die Seele erretten könne, und solches dann auch seine Nächsten zu lehren. Als Äwwakurn aus dem siebenten Himmel zurückgekehrt war, begab er sich zu dem damaligen Tambowr- schen Bischof Afanäsi (18*24—1829) dem er diese Vision erzählte.

Dieser gab ihm zwei Bücher, damit er den göttlichen Auftrag ausrichten könne: „Von den wahren Pflichten eines jeden Chri- steri“ von dem heiligen Tichon Sadönski und den „Tschinöwnik“

(Agende), nach welchen die Bischöfe den Gottesdienst abhalten.

Dass Awwakum Visionen hatte, bestätigt die Erzählung der Gutsbesitzerin Waljäewa, deren Leibeigener er war: Kopülow und seine Söhne seien oft yon der Arbeit fortgelaufen und hätten sich im Walde versteckt. Nachdem sie sie hatte aufsuchen las­

sen, fragte sie K opülow : „Wohin warst du verschwunden, Faul­

pelz?“ „Entschuldigen Sie Herrin, ich war im Himmel". „Aber warum bist du denn ganz in Schmutz, ist es dort etwa schmutzig ?“

„Ja das geschah, als ich auf die Erde herabkam, da haben sie mich so geschleppt, ja und beschmutzt“ . „W as hast du denn im Him­

mel gemacht?" „Den Gottesdienst angehört. Dort haben sie eben erst zum Mittaggottesdienst geläutet, zu arbeiten ist Sünde, Herrin“ . — „W ie oft passierte diese Geschichte vor Gästen, alle starben rein vor Lachen, er aber der Taugenichts lächelte nicht einmal. Ich war froh, als er sich loskaufen wollte und gab ihn für eine ganz geringe Zahlung frei“ .

Awwakum trat als Lehrer auf und verbreitete 20 Jahre lang seine Lehre mit Erfolg in den Gouvernements Tambow, Saratow und Samara.

Seine Lehre bestand in Folgendem :

Die Kirchenchristen leben im Glauben des alten Adam und sind Kinder der alten Geburt. Der Mensch wird in Sünde empfangen und in Sünde geboren. Um von der Sünde befreit zu werden, muss man sich von der W elt lossagen, was durch Fasten, Gebet und sich von den Frauen Fernhalten erreicht wird.

Umgang mit Frauen ist die allerschwerste Sünde. Es ist ver­

boten, Fleisch, Fisch, Zwiebel, Knoblauch, Kartoffeln zu essen, W ein zu trinken, „denn in ihm ist Unzucht" (Eph. 5,18). Es ist verboten, auf Spielzusammenkünfte zu gehen, mit hässlichen Worten zu schimpfen; den Frauen ist es nicht erlaubt, Putz und Schmuck zu tragen, zur Pflege der Bescheidenheit müssen sie die Kopftücher möglichst tief über die Augen binden. W er alles das mit aller Strenge beobachtet, der wird nicht nur im zukünftigen Leben die ewige Seligkeit erreichen, sondern wird

schon hier auf Erden der Gnadengabe des heiligen Geistes gewür­

digt werden und Sohn oder Tochter Gottes werden, Jesu Christo gleich und der Allerreinsten Jungfrau Maria. Nur auf diese Weise kann man errettet werden. Aber man darf in die Kirche gehen und die Priester zu allen Amtshandlungen, die die recht­

gläubige Kirche vorschreibt, ins Haus rufen, um die Lehre im Verborgenen zu halten. Andrerseits soll man bereit sein, für diese Lehre geduldig Verfolgung und Qual zu leiden ; denn ihr wahrhafter Glaube müsse bis zum Weltuntergang verfolgt werden.

Nur durch diesen Glauben und die von ihm befohlene Lebens­

weise könne man gerettet werden. Die Taufe ist nicht bei der Geburt zu vollziehen, sondern wenn der Erwachsene durch Fasten und Gebet die Gnade des heiligen Geistes erlangt hat, so wird er auf diese Weise durch den Geist getauft. Zur Beichte muss man häufig gehen : „Dem Christen erster Ordnung ^ liegt es ob, jede Woche Beichte abzulegen, dem W eltm enschen2) nur einmal im Jahr".

„Radenija“ liess Kopülow (nach Melnikow S. 357) bei seinen Gottesdiensten nicht zu.

Er gestattete auch, mit einer „geistlichen Schwester“ (du- chöwniza) zusammen zu leben, „aber nicht dem Fleische nach, son­

dern dem Geiste nach, wie Bruder und Schwester“ .

Kopülows erste Anhängerin war die Bäuerin des Dorfes Perewöš T a t j a n a T s c h e r n o s w i s t o w a , vom Volke R e ­ m is о w a genannt. Sie betätigte sich zusammen mit Kopülow in Fasten und Gebeten. Nach vierzigtägigem Fasten erhielt sie die Gnadengabe des H. G eistes: plötzlich begann sie zu weissagen, die Leute ihrer verborgenen Sünden und geheimen Gedanken zu überführen, ja die heilige Schrift zu lesen — sie, die bisher des Lesens unkundig gewesen.

Tatjana galt als Gottesmutter. Einmal fiel sie in der V er­

sammlung auf die Diele, begann auf alle Weise sich zu krümmen, stand darauf auf, begann in der Stube umherzulaufen und irgend etwas Unverständliches zu sprechen. Awwakum erklärte, dass Tatjana auf eine Stimme vom Himmel hin spreche, und dass in ihr der heilige Geist hüpfe wie ein Kind. Darauf begann Tatjana alle Genossen ihrer Sünden zu überführen. Awwakum sagte,

1) d. h. dem Chlüsten.

2) d. h. dem Rechtgläubigen.

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dass T. im Geiste alles wisse. Man nannte sie Herzenskündigerin.

Jeder musste sich fortan heim Eintritt in die Versammlung vor Tatjana wegen seiner Versündigungen bussfertig zeigen. Die es getan, schickte sie zu Awwakum, welcher sprach: „Gott verzeiht dir und ich verzeihe dir“ .

Nachdem sie zusammen mit Kopülow zwanzig Jahre lang tätig gewesen, wurden sie von der Obrigkeit verhaftet. J£opülow hatte — wie seine Anhänger später angaben — freilich vom B i­

schof Afanasi einen Schutzbrief an die weltlichen und geistlichen Gewalten erhalten, aber ihn zerrissen, mit der Begründung: „Alle Heiligen haben für den Glauben gelitten, und auch ich muss als Heiliger in gleicher Weise wie sie leiden". E r starb gerade am Ostersonntage im Kirsanowschen Gefängnis, die Tschernoswistowa aber wurde zur Ansiedlung verschicktl).

1) Im Anfang der sechziger Jahre trat nach J. Samjatin („Ani- kuscha, eine Episode aus der Geschichte des örtlichen Raskols“, Tam- bower Ep.-Nachr. 1878; über ihn auch im „Wanderer“ v. 1878, III. B . :

„Eine Episode aus der Geschichte des Raskols der letzten Zeit“) im Dorfe Kulikowo im ^ Usmanschen Kreise des Gouvernements Tambow als Christus A n i к i t a (auch A n i k u s c h a genannt) T i m о f e j e - w i t s c h D u s c h k i n auf. Ob er mit Awwakum Kopülow in Beziehung stand, ist nicht ersichtlich. Schon als Knabe war er nachdenklich und fromm, hatte zu lesen gelernt. Später gaben einige geistliche Bücher seinem religiösen Bedürfnis Nahrung. Er trank keinen Brannt­

wein und enthielt sich aller Schimpfworte. Einem Jüngling, der eine Kuh schimpfte, machte er deswegen Vorhaltungen. Dieser schlug ihn dafür mit der Kette so, dass er einen Monat krank lag. Er wurde Händler, reiste als solcher viel umher und trat in Beziehungen zu Raskolniken. Oft ging er entkleidet und barfuss bei schrecklichem Frost zur Messe. Dabei zuckt er nur mit den Achseln, springt auf eine besondere Art auf, schwenkt die Arme. Das Volk tritt vor ihm auseinander, alle verbeugen sich vor ihm. In der ungeheizten Kirche steht er in der ersten Reihe, steht bald auf dem einen Fuss, bald auf dem ändern, ja schwenkt heftig die Arme, sodass niemand sich neben ihn hinstellt. Er erklärte, dass in ihm etwas besonderes, eine Krankheit sei, warum er die Kälte gar nicht fühle. Da man ihn als

„Blöden“ ansah, bat man ihn, er möge weissagen. Dadurch gewann er grossen Ruhm, indem er richtig angab, wo Gestohlenes oder Ver­

lorenes zu finden sei. Doch liebte er nicht zu w eissagen und ant­

wortete oft auf die Fragen kein Wort. Wenn er aber antwortete, dann war es richtig. Während er im Winter entkleidet und barfuss ging, ging er im Sommer in voller guter Bauernkleidung, auch wenn es sehr heiss wurde. Allmählich sammelte sich ein Kreis von beständigen Anhängern um ihn. Einer von ihnen, J e m e l j a n K a š a r o t s c h k i n ,

P h i l i p p K o p ü l o w , A n i s j a , P e r p h i l K a t a s o n o w . Der Nachfolger Awwakums wurde sein Sohn P h i l i p p K o p ü l o w , der bis kurz vor dem Tode des Vaters ein müssig- gängerisches Leben geführt hatte und dem Trunke ergeben war.

Ihn unterstützte in seiner neuen geistlichen Tätigkeit sein bishe­

riger Genosse im Müssiggange, der Bauer des Dorfes Perewoš P e r p h i l K a t a s ö n o w (auch Kutasönow), nachdem beide un­

geachtet ihres früheren Lebens der Gnadengabe des H. Geistes gewürdigt worden waren. Beide waren des Lesens kundig, wel­

ches ersterer auf eigene Hand erlernt hatte. Philipp hatte längere Zeit vorher in Morschansk und Sosnowka gelebt und war dort mit Skopzen in Berührung gekommen. Von ihnen entlehnte er für den Gottesdienst das „Gehen im Kreise herum“. W egen dieser „satanischen Tänze“ bezichtigte ihn Perphil. Es kam zwi­

schen den beiden Genossen zum Streit, der auch auf ihre A n­

hänger überging, sodass sich nun zwei Schiffe bildeten: an der Spitze des einen stand Philipp Kopülow und als Gottesmutter M e l ä n j a C h o w ä n s k a j a (seine Schwiegermutter) und hier wurde getanzt; an der Spitze des ändern stand als Christus Ka­

tasonow, als Gottesmutter und Profetin L u k e r j a K a m b a - r ö w a , als Profet J e f i m K u š m i n , und hier wurde nicht getanzt.

hatte ein Gesicht, dass Anikita niemand anders als der Heiland sei, ein anderer Anhänger, K u s m ä , Johann der Vorläufer, er selbst aber Nikolai der Gottesknecht. Doch verbreitete er solches im Dorf, ohne Anikita davon etwas zu sagen. Das Volk drängte sich um ihn. Er trat dem Gerücht nicht entgegen, sondern veranstaltete einen Bittgang. Voran ging Johann der Vorläufer mit einem Stabe in der einen Hand und mit der ändern eine Pferdeglocke läutend, zehn Schritt hinter ihm der Heiland mit Nikolai, und hinter ihnen die kleine Schar der Anhänger.

Alles trat aus den Häusern, um das anzusehen. Manche beteten ihn an, viele schlossen sich an und der Zug ging in den Wald, wo reli­

giöse Gespräche geführt wurden. Solche Aufzüge wiederholten sich seitdem nicht selten. Im nächsten Winter ging er wieder barfuss umher und veranstaltete in seinem Hause Gebetsversammlungen. Als man ihn arretierte, fand man ihn in einem Zimmer mit 12 Jungfrauen schlafend. Neben ihm lag seine Gottesmutter. Im Gefängnis stellte er sich krank und lebte seitdem ein halbes Jahr im Krankenhause.

Als er entlassen wurde, gab er seine religiöse Tätigkeit auf und wid­

mete sich seinem Handel.

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Melanja las die heilige Schrift, obgleich sie nicht zu lesen verstand, „nach einer Stimme" (des h. Geistes, der ihr sagte, was die Buchstaben bedeuten). Sie weissagte und überführte die Leute ihrer Sünden und geheimen Gedanken. Man sah sie als eine Mär­

tyrerin an, weil ihr Mann sie dafür schlug und misshandelte, dass sie nicht mit ihm schlafen wollte.

Philipp starb bald und sein Schiff lenkte seitdem sein Weib A n i s j a als Gottesmutter. Ihre Anhänger nannten sich die

„Jungfräulichen“ nach Арок. 14,4. Nach Sibirien verschickt wusste sie sich frei zu machen und galt seitdem als Grossmär­

tyrerin. Die Chlüsten fuhren seitdem von weit und breit nach Perewoš zusammen, um Anisja anzubeten und ihre Kniee zu küssen. Der Missionar Arseni beschreibt als Augenzeuge, wie die Chlüsten zur Disputation mit ihm ihre Gottesmutter herbei­

brachten (7. Okt. 1888) *): „Um zwei Uhr Mittags brachten die Chlüsten ihre Göttin (Anisja) auf einer Fuhre zur Kirche und alle umkreisten sie wie Bienen; von der Fuhre hoben sie die Hauptprofeten auf ihren Armen und führten sie, indem sie sie mit ihren Armen unterstützten, in den Tem pel; sie forderten einen Stuhl, den die Frauen mit ihren Shawls und Tüchern be­

deckten, und setzten sie darauf und breiteten ihr einen Teppich unter die Füsse und alle standen um sie herum, nach dem Range geordnet. Tags darauf aber erhielt sie auf einer geheimen chlü- stischen Versammlung von ihrem Geiste die Offenbarung, dass sie bestimmt zum zweiten Male für ihren Glauben verschickt werden und dort sterben würde“ .

Nach J. A iw ašow 2) hatte Anisja zur Aufnahme von ange­

reisten und zur Anbetung gekommenen Chlüsten in ihrem Hause ein „Paradies“ eingerichtet, welches in einem abgesonderten Zimmer in ihrem Hause bestand, geschmückt und überfüllt mit Blumen, die zu diesem Zwecke aus Moskau gebracht worden waren 3)w.

1) Die Geheimnisse der Lehre der Chlüsten der Anisjaschen Denomination etc., Tamb. Ep.-Nachr. 1889, S. 555— 56.

2) J. Aiwašow, die Tambowschen Postniki (Faster), Missions-Rund­

schau 1901 I. S. 193, Anm. 3.

3) Aiwašow erzählt dabei (S. 193) nach Aussagen eines Chlüsten von einem späteren Gotte in Perewoš, in dessen „irdischem Paradiese“

sich die Porträts aller Chlüsten befänden und an ihnen Blut aus dem kleinen Finger eines jeden; wenn er erzählen würde, was auf ihren

P e r p h i l K a t a s o n o w 1) trat als Christus und lebendiger Gott auf. A u f den Versammlungen der Gottesleute erschien er immer mit silbernen und goldenen Orden geschmückt, die er vom Zaren selbst erhalten habe, und las als Ukas des Zaren die

„Beschreibung des äusseren Aussehens unseres Heilandes Jesu Christi aus dem Bericht des jüdischen Prokonsuls an den Römi­

schen Senat“ vor, welche er auf sich bezog.

Katasonows Gottesmutter, L u k e r j a K a m b a r ö w a , hatte Gesichte. Einmal wurde sie in den siebenten Himmel erhoben nnd dort zeigten ihr unbekannte Wesen, die Qualen der Sünder in der Hölle. Ihre Begleiter gingen dort mit ihr über glühende Platten. Gott versprach ihr für ihr heiliges und reines Leben die ewige Seligkeit im zukünftigen Leben. — Der Prophet K a­

tasonows J e f i m K u š m i n war Hirte und sah wiederholt beim Weiden der Schafe den Himmel geöffnet und hörte die Engel etwas nach A rt der Psalmen singen.

Katasonow machte für seine Lehre in den Gouvernements Saratow, Tschernigow und im Kaukasus-Gebiet Propaganda.

Dorthin hatte er in den sechziger Jahren als Missionäre einen gewissen G a w r i i l und eine Frau namens G a n j a geschickt, die später eine selbständige Rolle unter den Chlüsten spielte und als Begründerin der Sekte im Kaukasus g a lt2). 1867 wurde

Versammlungen geschieht, so würde der Perewošsche Gott das er­

kennen, auf sein Porträt schiessen und dann würde er nicht eines natürlichen Todes sterben.

1) Ueber ihn Wk. Schw., Die Sekte der Schaloputen, Häusliche Unterhaltung 1874; G. Panow, Sektiererische Bewegungen, Tulaer Ep.-Nachr. 1877; G. K-n, Die Beichte eines Schaloputen, Kaukas.

Ep.-Nachr. 1881; ders., Nochmals die Beichte eines Schaloputen, ebenda; A. Kaninski, Zum Artikel „Von der Eröffnung der Tätigkeit von speziellen Missionaren etc., Tamb. Ep.-Nachr. 1887, S. 711— 719;

Im Dokument 1907. Годъ 15. (Seite 155-161)