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apoptose mechanismen in glaukom modellen

Im Dokument OPHTHALMOLOGIE SPITZENFORSCHUNG (Seite 130-134)

Experimental Eye Research Institute Universitäts- Augenklinik, Ruhr-Universität Bochum

Abbildung 1

n Aktivierung des terminalen Membranangriffskomplexes in Retina und Sehnerv.

A) Der Membran angriffskomplex (MAC) wurde auf retinalen Querschnitten in grün markiert. In blau sind die Zellkerne (DAPI) zu sehen. B) 7 Tage nach der ONA Immunisierung kam es zu einer ersten signifi­

kanten Vermehrung von Signalen des Membranangriffskomplexes (MAC, grün) in der Retina im Vergleich zur Kontrolle (Co; p=0,03). Während nach 14 Tagen keine Unterschiede detektiert werden konnten, kam es zu einem erneuten Anstieg der MAC­Signale nach 28 Tagen (p=0,003). C) Auch im Sehnerven wurden die MAC+ Zellen in grün markiert und die Zellkerne mit DAPI in blau. D) Nach Auswertung der Signale konnten 7 Tage nach Immunisierung signifikant mehr MAC+ Zellen im Sehnerv detektiert werden (p=0,001). Nach 3 und 14 Tagen kam es jeweils zu keinen Unterschieden zwischen der Immunisierungs­ und der Kontrollgruppe. Die Werte sind Mittelwerte±Standardfehler, Maßstab=20 µM.

Abkürzung: GCL= Ganglienzellschicht [Reinehr et al., 2016].

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Das Komplementsystem selbst ist Teil des ange-boren Immunsystems und kann über drei ver-schiedene Wege initiiert werden. Auch wenn der Beginn der Komplementkaskaden unterschiedlich ist, zum Schluss führen alle drei Wege zusammen über die Proteine C3 und C5 zum sogenannten Membranangriffskomplex (MAC). Dieser Komplex aus verschiedenen Proteinen ist in der Lage eine Pore in die Zelle zu integrieren. Dadurch kommt es zu einem übermäßigen Wassereinstrom, wodurch die Zelle zerstört wird. Die mögliche Beteiligung des Komplementsystems an der Entstehung des Glaukoms sollte nun im EAG-Modell untersucht werden. Dazu wurden verschiedene Zeitpunkte analysiert, um einen Zeitverlauf identifizieren zu können [7]. Es wurde nachgewiesen, dass es im EAG-Modell zu vermehrten Ablagerungen der Komplementproteine C3 und MAC, sowohl in der Retina als auch in den Sehnerven, 7 Tage nach Im-munisierung kommt (Abb. 1). Diese frühe Aktivie-rung der terminalen Komponenten des Komple-mentsystems könnte beim späteren Zelluntergang eine wichtige Rolle spielen. 14 Tage nach Immuni-sierung wurden keine Unterschiede mehr detek-tiert, jedoch nahm die Anzahl von C3+ und MAC+ Zellen nach 28 Tagen wieder signifikant zu. Dies könnten Hinweise auf eine Art wellenförmige Akti-vierung sein, das heißt dass die Komplementkas-kade immer wieder neu initiiert und der Schaden somit verstärkt wird. Weitere Untersuchungen der einzelnen Komplementsystemwege zeigten inter-essanterweise keine Veränderungen in Bezug auf C1q, einer Komponente des klassischen Weges, wohingegen es zu einer Aktivierung von MASP2, welches zum Lektin-Weg gehört, kam. Somit scheint dem Lektinweg eine Schlüsselrolle zu-zukommen.

Es lässt sich festhalten, dass es im EAG-Modell zu einer frühen und simultanen Aktivierung von Kom-ponenten des Komplementsystems sowohl in der Retina als auch im Sehnerven kommt. Interessan-terweise geschieht dies noch bevor ein eigent-licher Schaden an den beim Glaukom betroffenen Zelltypen detektiert werden konnte.

Neben der Aktivierung des Komplementsystems scheint der Zelltod beim Glaukom mit unterschied-lichsten degenerativen Prozessen, wie dem oxida-tiven Stress [8] oder hypoxischen Mechanismen [9], einherzugehen. All dies führt dabei auch zur Aktivierung des programmierten Zelltodes, der Apoptose.

Diese degenerativen Prozesse werden von unse-rer Arbeitsgruppe auf vielfältige Weise untersucht, u.a. anhand des bereits erwähnten EAG Modells, aber auch mit Hilfe eines N-Methyl-D-Aspartat (NMDA)-Tiermodelles oder eines organotypischen Modells der Schweineretina (Abb. 2 A). Ein großer Vorteil der Schweineretinaorgankultur ist, dass die Augen des Schweines eine hohe Ähnlichkeit zum menschlichen Auge aufweisen. So sind die

Augen von beiden Spezies etwa gleich groß und besitzen ein ähnliches Gefäßsystem [10]. Zusätz-lich können durch die Größe des Schweine auges aus einem Tier mehrere Proben gewonnen und analysiert werden. In der Organkultur ist es mög-lich die zerstörerischen Mechanismen, die bei Erkrankungen wie dem Glaukom auftreten, che-misch zu simulieren und anschließend die daraus resultierenden Auswirkungen zu untersuchen.

Abbildung 2

n Herstellung der Schweineretinaorgankultur sowie der zeitliche Ablauf der drei Degenerationsmodelle

A) Die Präparation der Schweineretinaorgankultur erfolgt über das Öffnen des Auges, die Herstellung einer Kleeblattstruktur, dem Ausstanzen der Retina bis hin zum Überführen dieser auf einen Filter. Anschließend kann die Retina im Neurobasal A Medium kultiviert und mit toxischen und protektiven Substanzen behandelt werden.

B) Ablauf des NMDA­Degenerationsmodells. Die Behandlung mit NMDA erfolgte an Tag 2 und 3 für jeweils 24 h und nach 7 Tagen wurden die Proben histologisch sowie mittels PCR und Western Blot Analysen untersucht. C) Ablauf des H2O2­Degenerati­

onsmodells. Die Behandlung mit H2O2 erfolgte an Tag 1 für 3 h und nach 3 und 8 Tagen wurden die Proben histologisch sowie mittels PCR und Western Blot Analysen untersucht. D) Ablauf des CoCl2­Degenerationsmodells. Die Behandlung mit CoCl2 erfolgte an Tag 1 für 48 h und nach 4 und 8 Tagen wurden die Proben histologisch sowie mittels PCR und Western Blot Analysen untersucht.

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Abbildung 3

n Aktivierung verschiedenster Zelltodmechanismen in der Kobaltchlorid­behandelten Schweineretinaorgankultur

A) Das Bax/ Bcl­2 Verhältnis wurde auf mRNA Ebene nach 4 Tagen untersucht. Nur die 100 und 300 µM CoCl2 Gruppe wiesen eine Erhöhung von Bax/ Bcl­2 auf (beide: p<0,05). In der 500 µM Gruppe war das Verhältnis sogar runterreguliert (p<0,01). B) Nach 8 Tagen konnte kein Unterschied zwischen den Gruppen gemessen werden. C) Der Ganglienzellmarker Brn­3a (grün) wurde immunhistologisch in Kombination mit der aktiven Caspase 3 (rot) und einem Zellkernmarker (DAPI, blau) angefärbt. D) Nach 4 Tagen waren mehr Ganglienzellen in der 300 µM (p<0,05) und 500 µM CoCl2 Gruppe (p<0,01) apoptotisch. E) Der Anteil an apoptotischen retinalen Ganglienzellen erhöhte sich noch in beiden Gruppen nach 8 Tagen (300 µM: p<0,001; 500 µM: p<0,01). Die Werte sind Mittelwerte±Standard fehler, Maßstab=20 µM, Abkürzungen: GCL=Ganglien zell schicht, IPL=innere plexiforme Schicht, INL=innere nukleäre Schicht [Kuehn et al., 2017].

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I nsgesamt wurden durch unsere Arbeitsgruppe, in Kooperation mit der Universitäts-Augenklink Tü-bingen (AG Schnichels), drei Degenerationspro-zesse, welche häufig bei Augenerkrankungen auf-treten, nachgestellt. Dazu zählen exzitotoxische Signale mittels des Glutamatanalogons N-Methyl-NMDA (Abb. 2 B) [11], oxidativer Stress mittels Wasserstoffperoxid (Abb. 2 C) [12] und Hypoxie mittels Kobaltchlorid (CoCl2) [13] (Abb. 2 D). Bei allen drei Modellen wurden Zelltodmechanismen beobachtet, die auch bei Glaukompatienten auf-treten [14]. Im Rahmen der Schädigung mit CoCl2 wurden drei unterschiedliche Konzentrationen in der Organkultur eingesetzt: 100, 300 und 500 µM.

Nach 4 und 8 Tagen wurden mögliche Anzeichen für eine Degeneration untersucht. Der Hypoxie-in-duzierte Faktor 1 alpha (HIF-1α) war an beiden un-tersuchten Zeitpunkten erhöht [13]. Es konnte nur zum frühen Zeitpunkt und das auch nur bei den beiden niedrigeren Konzentrationen eine Aktivie-rung der intrinsischen Apoptose gemessen wer-den (Abb. 3 A). Nach 8 Tagen war kein Unterschied zwischen den behandelten Gruppen und der Kont-rollgruppe mehr messbar (Abb. 3 B). Des Weiteren wurde eine verstärkte Kolokalisation der aktiven Caspase 3 mit einem Ganglienzellmarker, Brn-3a, festgestellt (Abb. 3 C). Auch hierfür galt, dass eine verstärkte Apoptoserate der Ganglienzellen nach 4 Tagen beobachtet wurde (Abb. 3 D) und dies so-gar noch nach 8 Tagen zunahm (Abb. 3 E). Es wur-de also ein Mowur-dellsystem etabliert, welches che-misch über die Wirkung von CoCl2 eine Hypoxie nachahmt. Die niedrigeren CoCl2-Dosen induzie-ren dabei verschiedene Apoptosewege, jedoch ist nur der intrinsische Weg zum früheren Zeitpunkt messbar. Die hohe Konzentration von CoCl2 hinge-gen hat eine so starke Wirkung, dass nur spätere Apoptose-Mechanismen aktiviert wurden. Somit kann dieses Modell für das Screening von neuen Therapeutika genutzt werden. So lässt sich damit ausschließen, dass neue Medikamente toxisch für die Retina sind. Weiterhin kann sich die optimale Dosis einer Substanz bestimmt werden, bevor sie in­vivo eingesetzt wird.

Die Ergebnisse beider Modelle könnten zu neuen Therapiestrategien für das Glaukom führen. Dazu könnte in nachfolgenden Studien das Komple-mentsystem und/oder die Apoptosekaskade inhi-biert werden. Sollte es dadurch gelingen, die De-generation von retinalen Ganglienzellen und den Sehnerven aufzuhalten, wäre dies ein möglicher neuer Therapieansatz für Glaukompatienten.

l i t e r at u r

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PD Dr. med. Stephanie Joachim, Jahrgang 1976, leitet das Forschungslabor an der Uni­

versitäts­Augenklinik (Direktor: Prof. Dr. med.

Burkhard Dick) der Ruhr­Universität Bochum.

Frau Joachim studierte Medizin an der Univer­

sität Ulm und der Johannes Gutenberg­Univer­

sität in Mainz und promovierte 2006 mit Aus­

zeichnung. Sie arbeitete als wissenschaftliche Mitarbeiterin in den Alcon Laboratories in Fort Worth (Texas, USA) und in der Experimentellen Ophthalmologie der Universitäts­Augenklinik in Mainz. Seit 2011 leitet Fr. Joachim das For­

schungslabor an der Universitäts­Augen klinik in Bochum, wo sie 2014 habilitierte. Der wis­

senschaftliche Fokus ihrer Arbeitsgruppe liegt auf der Untersuchung degenerativen Erkran­

kungen der Retina, insbesondere im Be reich Glaukom, retinale Ischämie und diabetische

Retinopathie. Die möglichen Mecha nis men dieser Erkrankungen werden durch verschie­

dene Tiermodelle, sowie durch primäre Organ­

kulturen und Zellkulturen untersucht.

FöRDERUNGEN UND AUSZEICHNUNGEN

PD Dr. Joachim ist Sprecherin der Arbeitsgrup­

pe Young DOG der Deutschen Ophthalmologi­

schen Gesellschaft und vertritt die Young DOG auch im Bündnis Junge Ärzte (BJÄ). Sie ist Mitglied des European Leadership Develop­

ment Programme (EuLDP) und Koordinatorin

»OphthalmoCampus« des Karger Kompass Ophthalmologie. Ihre Forschungsprojekte wur­

den mehrfach ausgezeichnet, u. a. 2017 mit dem AECOS European Research Award, 2013 mit dem Glaukom­Forschungspreis des Bun­

desverband Auge e. V., 2011 mit dem Förder­

preis der Sophia & Fritz Heinemann­Stiftung sowie im gleichen Jahr mit dem Wissenschafts­

preis des Vereins Rheinisch­Westfälischer Augenärzte. Ihre Projekte werden u. a. durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die set Stiftung, die Mercator Stiftung und FoRUM Förderungen unterstützt. Fr. Joachim ist Gut­

achterin für zahlreiche internationale wissen­

schaftliche Fachzeitschriften und für Drittmit­

telanträge.

PD Dr. med. Stephanie Joachim Forschungslabor

Universitäts-Augenklinik Ruhr-Universität Bochum In der Schornau 23-25 44892 Bochum Telefon: 0234 2993156 Telefax: 0234 2993157

E-Mail: stephanie.joachim@rub.de

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