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Anwendbarkeit der Wertermittlungsverfahren im Stadtumbau

Im Dokument Fabian Thiel (Seite 138-143)

II. Steuerung des Flächenverbrauchs im Städtebaurecht unter

5. Das Recht der städtebaulichen Wertermittlung und Aspekte der

5.9 Wertermittlung und Stadtumbaupolitik als Spezialfall

5.9.4 Anwendbarkeit der Wertermittlungsverfahren im Stadtumbau

Das Regelverfahren für die Ermittlung von Bodenwerten stellt das Vergleichswertverfah-ren dar553; als regelmäßig diffizil erweist sich hierbei die rechnerische Vornahme von Zu- oder Abschlägen von den gewonnenen Vergleichspreisen, die dann durchgeführt werden muss, wenn die herangezogenen Vergleichsgrundstücke qualitative Unterschiede gegen-über dem zu bewertenden Grundstück aufweisen; dieses Verfahren kann nur dann funktio-nieren, wenn hinreichende Informationen aus den von den Gutachterausschüssen gesam-melten Grundstückskaufverträgen hervor gehen (vgl. § 193 BauGB)554.

550 Pfeiffer, Stadtbauwelt, 2001, S. 28, 31.

551 Reuter, Bodenordnung bei Stadtumbau und Stadtrückbau, Institut für Städtebau Berlin, 2003, S. 2

552 Auch in den westdeutschen Bundesländern gibt es Regionen, die von Leerstandstendenzen geprägt sind und in denen die Bodenrichtwerte im Sinken begriffen sind (Beispiele: Bremen, Selb, Albstadt, Völklingen).

Dazu Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Stadtumbau West, Programm und Pilot-städte, 2003, S. 7.

553 Bericht der vhw-Arbeitsgruppe „Stadtumbau – Besonderes Städtebaurecht und Städtebauförderung“, 2003, S. 31.

554 Schmidt-Eichstaedt, Städtebaurecht, S. 419 f.

Das Vergleichswertverfahren versucht Verkehrswerte zu ermitteln, die das Marktgesche-hen wiedergeben sollen; dabei ist in der Praxis regelmäßig zu beobachten, dass Ver-gleichskaufpreise lediglich in unzureichender Zahl verfügbar und die auswertbaren Kauf-preise in der Regel nicht (mehr) aktuell sind, was zugleich ein wesentliches Problem der Wertermittlung intendiert555. Erschwerend hinzu kommt der Aspekt, dass auf Grund der Vergangenheitsbezogenheit der gewonnenen Immobilienmarktinformationen die gutach-terliche Beobachtung des Immobilienmarkts in den Situationen beeinträchtigt wird, in de-nen die Nachfrage nach Objekten in bestimmten – u. U. großflächigen – Stadtteilen gänz-lich zum Erliegen kommt bzw. in denen Kauftransaktionen überhaupt nicht mehr messbar sind.

Die Gutachterausschüsse stoßen folgerichtig im Verlaufe an die Grenzen der konventionel-len Bewertungspraxis und –Verfahren und begeben sich in „Marktsituationen“ nachgeben-der bzw. fallennachgeben-der Immobiliensegmente unter dem Verlassen des Bodens nachgeben-der realen Wert-ermittlung in den Bereich der Hypothese556. Gutachterausschüsse können dann im Rahmen des § 14 Satz 2 WertV nach Möglichkeiten suchen, das Verfahren zur Vergleichswerter-mittlung durch die rechnerische Einarbeitung von Abschlägen zu modifizieren557.

5.9.4.2 Ertragswertverfahren (§§ 15 ff. WertV)

Das Ertragswertverfahren soll hinreichende Informationen über eine optimierte wirtschaft-liche, im Grunde ertragsorientierte (Aus-)Nutzung der zu bewertenden Liegenschaften lie-fern, für Gebäude den nachhaltig erzielbaren jährlichen Reinertrag ermitteln (§ 16 Abs. 1 Satz 1 WertV), diesen Ertrag kapitalisieren558 und aus letzterer Zielrichtung heraus primär für Geschäftsgrundstücke und Wohnbauflächen mit mehreren Wohnungen (z. B. für Ge-schosswohnungsbau) Anwendung finden559. Die Tauglichkeit dieses Verfahrens zur

555 Reuter, Bodenordnung bei Stadtumbau und Stadtrückbau, Institut für Städtebau, 2003, S. 8 f.

556 Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeiten einer Liegenschaft müssen hinreichend präzise abgebildet werden, obwohl sie zum Zeitpunkt der Wertermittlung gar nicht bekannt bzw. – z. B. wegen laufender städ-tebaulicher Umstrukturierungsmaßnahmen einer Gemeinde – nicht mit hinreichender prognostischer Sicher-heit einschätzbar sind. Vgl. dazu Schubert, Grundstücksbewertung in Rückbaugebieten, Institut für Städtebau Berlin, 2003, S. 2 ff.

557 Auf Grund fehlender Daten in den Kaufpreissammlungen, was entweder mit vorhandenem Leerstand oder mit noch durchzuführenden Sanierungsmaßnahmen begründet wird, sind von den örtlichen Gutachteraus-schüssen Abschläge von bis zu 10 % vorgenommen worden. Siehe Ministerium für Stadtentwicklung, Woh-nen und Verkehr des Landes Brandenburg, Rechts- und Verfahrensinstrumente beim Stadtumbau, 2002, S.

74 f.

558 Schmidt-Eichstaedt, Städtebaurecht, S. 422.

559 Sandner/Weber, Lexikon der Immobilienwertermittlung, 2003, S. 231.

mittlung des Verkehrswerts im Stadtumbau wird jedoch ebenfalls in Zweifel gezogen mit der Begründung, dass auf Grund mangelhafter Nachfrage und Leerstands keine nachhaltig erzielbaren Mieteinkünfte – als rechnerische Basis des Ertragswertverfahrens – zu erwarten sind; die nicht nachfragegerechten Bauten können nach diesem Verfahren keiner realisti-schen Bewertung unterzogen werden560.

Aus wirtschaftlicher Perspektive mögen zur Vorbereitung nachhaltiger Flächennutzungen Situationen dienen, in denen bei einer Vermietung von lediglich 50 % des Wohnungsbe-stands der Ertragswert der Liegenschaft dem Liquidationswert entspricht (§ 20 WertV), weil unter Berücksichtigung der Bewirtschaftungskosten aus dem Rohertrag kein Ertrags-anteil für die Ermittlung des Liegenschaftswerts verbleibt. In solchen Fällen, die nicht we-nige der ostdeutschen Wohnungsunternehmen und Genossenschaften betreffen, ist seitens der planenden Kommunen mit in das Kalkül zu ziehen, ob für die betroffenen Parzellen eine Modifizierung der Baurechtsvergabe dergestalt durchgeführt werden könnte, dass statt mit 6 oder 7 Stockwerken das Grundstück nur noch zweigeschossig bebaut wird. Neues Planungsrecht kann auch für die Ausweisung von Einfamilienhausgebieten an Stelle der Hochhausbebauung „kreiert“ werden561. Für ein „Liegenlassen“ bisheriger Baurechte auf der Basis des alten Planungsrechts spricht sich ein Teil des Schrifttums aus, weil einer Baurechtseliminierung Bilanzierungsgründe der Wohnungsunternehmen entgegen stehen und weil unter Zugrundelegung von Prognosen und Hoffnungen die Annahme besteht, dass in 10 oder 20 Jahren die Nachfrage nach Geschosswohnungsbauten mit gehobener – dann zeitgemäßer – Qualität wieder spürbar ist562.

5.9.4.3 Sachwertverfahren (§§ 21 ff. WertV)

Die Ermittlung des Verkehrswerts mit Hilfe des Sachwertverfahrens ist regelmäßig dann zweckmäßig, wenn ausreichende Nachfrage und hinlängliche Nutzung der Gebäudesub-stanz unterstellt werden können563. Diese Annahme ist hingegen bei flächenhaftem Leer-stand unbegründet, weshalb die Anwendbarkeit des Sachwertverfahrens ausscheidet.

560 Bericht der vhw-Arbeitsgruppe „Stadtumbau – Besonderes Städtebaurecht und Städtebauförderung“, 2003, S. 31.

561 Siehe dazu die Ergebnisse zum Architektenwettbewerb „Stadtumbau Ost“ mit vielen instruktiven Beispie-len zur stadtplanerischen Bewältigung von Umbau- und Schrumpfungstendenzen. Dazu Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Stadtumbau Ost, Ergebnisse des Wettbewerbs, 2003.

562 Dieterich/Koch, GuG 2002, S. 344, 348.

563 Dieterich/Kleiber, Die Ermittlung von Grundstückswerten, 2002, S. 115.

5.9.4.4 Residualwertverfahren (Deduktive Methode)

Zur Ermittlung von Bodenwerten erweist sich das Residualwertverfahren – eine besondere Variante des Vergleichswertverfahrens – als durchaus geeignet, wenn es um die Schaffung

„neuer Baurechte“ geht, denen eine entsprechende Nachfrage gegenüber steht, die freilich unter Zugrundelegung differierender Nutzungsszenarien auf Grund der Ungewissheit der weiteren Entwicklung eine erhebliche Unsicherheit aufweist564. Gleichzeitig sind Stimmen in der Literatur zu vernehmen, die betonen, dass die Wertentwicklung der Grundstücke in einem Zusammenhang mit den staatlichen planerischen Initiativen steht (Berücksichtigung der aktuellen planungsrechtlichen Situation sowie der „Reaktion“ hierauf der Planungsbe-hörden). Ergeben die Projektierungen der Gemeinden beispielsweise die Schaffung von Grünflächen nicht nur als die wirtschaftlich plausibelste, sondern im Grunde auch als die

„bestmögliche“ Verwendung des Grund und Bodens, ist in diesem Falle der „Quasi-Verkehrswert“, der in der betreffenden Gemeinde kontinuierlich für die Bewertung dieser Flächen herangezogen wurde, als Maßstab für die Wertermittlung sowie ferner als Grad-messer in Bezug auf die Bodenwirtschaft zu betrachten565.

5.9.5 Verkehrswertentschädigung bei Gebäuderückbau

Abgestellt auf die Freiwilligkeit einer Rückbau-Entscheidung des Eigentümers, ist die Ge-währung einer Entschädigung für eine in der Dispositionsbefugnis des Flächeneigners ste-hende Maßnahme von diesem nicht durchsetzbar. Auf Grund der Baufälligkeit der Liegen-schaften ist die Ermittlung des Gebäudewertes entbehrlich – der Liegenschaftswert vermag sogar einen negativen Betrag aufzuweisen. Der Staat darf des Weiteren überhöhte Ent-schädigungserwartungen der betroffenen Eigentümer nicht berücksichtigen566. Hinsichtlich des auf einen bestimmten Zeitpunkt zu datierenden Reinertrags ist eine hinreichend zuver-lässige Prognose dahin gehend erforderlich, ob eine ertragreiche Einnahmeerzielung dau-erhaft generiert werden kann. Gerade letzteres ist für durch Leerstände geprägte Stadtge-biete zu verneinen; als Richtwert für die Ermittlung gilt hier die Lageinformation über die Parzelle, indes nicht der Gebäudeertrag567.

564 Reuter, Bodenordnung bei Stadtumbau und Stadtrückbau, Institut für Städtebau Berlin, 2003, S. 10 f.

565 Dieterich/Koch, GuG 2002, S. 344, 347.

566 Überhöhte Entschädigungserwartungen fußen auf dem hier bereits skizzierten „ewigen Bodenrenten-strom“. Dazu aktuell Bericht der vhw-Arbeitsgruppe „Stadtumbau – Besonderes Städtebaurecht und Städte-bauförderung“, 2003, S. 32; Rat für Nachhaltige Entwicklung: Mehr Wert für die Fläche, Das „Ziel-30-ha“

für die Nachhaltigkeit bei der Entwicklung von Stadt und Land, 2004, S. 24.

567 „Hoffnungsfaktoren“ könnten indes hier berücksichtigungsfähig sein, wobei eine Entscheidung unter Zugrundelegung von abgesicherten Zukunftserwartungen erfolgen sollte, die im Rahmen der Immobilien-wertgutachten entsprechend einzuarbeiten sind.

5.9.6 Verkehrswertentschädigung bei der Anordnung von Abbruchgeboten durch die Gemeinde

Sollten durch die Beseitigung der Liegenschaft Vermögensnachteile entstehen, so wären diese in ihrem Umfange ausgleichspflichtig. Bei abgängigen Gebäuden oder partiell leer stehenden Behausungen ist dies zumindest fraglich. Die Wertermittlung hat in diesem Kontext zwischen rentierlichem und nicht rentierlichem Rückbau zu differenzieren568. Die Rentierlichkeit soll nach dem Grad des baulichen Zustands beurteilt werden; wird die Be-seitigung eines gut erhaltenen Wohnhauses aus städtebaulichen Gründen durchgeführt, richten sich Boden- und Gebäudewertermittlung nach den allgemeinen Vorschriften569. Ansatzpunkte im Verfahren der Wertermittlung ergeben sich folglich aus § 3 Abs. 2 WertV, nach dem Nutzungsrechte an Grundstücken zu den Verkehrswert beeinflussenden rechtlichen Gegebenheiten sowie zu den tatsächlichen Eigenschaften zu zählen sind.

Zugleich können sie als Indikatoren für die allgemeinen Wertverhältnisse angesehen wer-den.

Informelle Planwerke liefern in diesem Kontext gute, transparente Grundlagen, obschon sie wie bereits skizziert keine Außenwirkung entfalten; zur Herstellung eines positiven öffentlichen Bewusstseins sind sie gleichwohl gut geeignet. Daher kommt ihnen – im Rah-men der Reduzierung der Bodenwerte – gleichsam eine strategische Bedeutung zu570. Zur Begründung wird angeführt, dass dies, soweit in den informellen Planungen bestimmte Areale des Stadtgebiets als rückzuentwickelnde oder aber aus der baulichen Nutzung voll-ständig herauszunehmende Bereiche festgelegt werden, auf der Basis des Bodenmarkts als Wert bestimmender Faktor in die Ermittlung der Bodenpreise aufgenommen werden müss-te und Eingang in die gesammüss-te Wermüss-termittlung nach § 3 Abs. 3 WertV finden sollmüss-te571.

568 Schmidt-Eichstaedt, ZfBR 2003, S. 1, 5.

569 Bericht der vhw-Arbeitsgruppe „Stadtumbau – Besonderes Städtebaurecht und Städtebauförderung“, 2003, S. 31 ff.

570 Mitschang, Steuerung der städtebaulichen Entwicklung durch Bauleitplanung, 2003, S. 277 f.

571 Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr des Landes Brandenburg: Rechts- und Verfah-rensinstrumente beim Stadtumbau, 2002, S. 74; anschauliches Datenmaterial liefert Schubert, Grundstücks-bewertung in Rückbaugebieten, Institut für Städtebau Berlin, 2003, S. 8 f.

Im Dokument Fabian Thiel (Seite 138-143)