• Keine Ergebnisse gefunden

Anordnung eines Baugebots (§ 176 BauGB)

Im Dokument Fabian Thiel (Seite 168-173)

II. Steuerung des Flächenverbrauchs im Städtebaurecht unter

6. Das Recht der Planverwirklichung

6.3 Städtebauliche Gebote als Steuerungsinstrumente der Flächennutzung

6.3.1 Anordnung eines Baugebots (§ 176 BauGB)

Die Verhängung eines Baugebotes ist nach alledem sinnvoll, wenn die Gemeinde Flächen-reserven zur vorrangigen Bebauung im Innenbereich mobilisieren möchte. Neben den Vor-schriften über die Erörterungsvoraussetzungen mit betroffenen Eigentümern darf ein Bau-gebot regelmäßig nur dann angeordnet werden, wenn die planerische Maßnahme für einen

696 Teilweise werden hier Analogien zur bauordnungsrechtlichen Beseitigung von Schwarzbauten erblickt:

Die Rechtsprechung verlangt bei dem Vorliegen vergleichbarer Fälle eine „schlüssige Gesamtstrategie“, in die man den konkreten Einzelfall einordnen kann. Umfassend wurden städtebauliche Gebote beispielsweise in Frankfurt/Main anhand von ca. 300 „Problemhäusern“ erprobt, die mittels einer Kombination von Bera-tungs- und Fördermittelangeboten nebst Gebotsanwendung erfolgreich bewältigt wurden. Siehe dazu instruk-tiv Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr des Landes Brandenburg, Rechts- und Verfah-rensinstrumente beim Stadtumbau, 2002, S. 50 und Fn. 16.

697 Volpert/Bachmann/Diederichsen, Bauplanungs- und Bauordnungsrecht, S. 331.

698 Schmidt-Eichstaedt, ZfBR 2003, S. 1, 8.

699 Schmidt-Eichstaedt, Städtebaurecht, S. 411.

700 BVerwGE, 84, S. 335, 346.

normalen Eigentümer wirtschaftlich zumutbar, d. h. „rentabel“ ist. Fraglich ist insbesonde-re, ob Baugebote – neben einer Klassifizierung als „stumpfe Schwerte“701 – im Rahmen einer stadtumbauenden sowie auf die Erfordernisse eines Brachflächenrecyclings reagie-renden Flächenhaushaltspolitik umfassend zum Einsatz kommen können oder ob sie ihren Anwendungsradius eher vereinzelt in der Durchsetzung von Nachnutzungen in Erhal-tungsgebieten finden. Die Prüfung des Anwendungsbereichs darf freilich nicht den Blick dafür verstellen, dass Baugebote generell effektive, wenn auch über einen langen Zeitraum hinweg ein Schattendasein führende Instrumente zur Planverwirklichung darstellen702.

6.3.1.1 Bestimmtheitsanforderungen

Die Anforderungen an die Bestimmtheit eines Baugebots sind nach der Judikatur des Bun-desverwaltungsgerichts unter anderem dann erfüllt, wenn der Inhalt eines Baugebots den Eigentümer wie bereits skizziert verpflichtet, alsbald Maßnahmen zur baulichen Nutzung im planungsrechtlichen Zulässigkeitsrahmen zu ergreifen703.

Zur Prüfung einer Effektivierung von Baugeboten zur planerischen Bewältigung von Flä-chenrevitalisierungsstrategien muss aber zunächst die Rechtsfolgenseite geprüft werden:

Die mit dem Baugebot zusammenhängende Verpflichtung, den zur Realisierung der bauli-chen Nutzung eines Grundstücks notwendigen Bauantrag704 innerhalb angemessener Frist einzureichen705, ist für eine effiziente Flächennutzung unabdingbar. Der Verwaltungs-zwang kann entweder durch die Verhängung von Zwangsgeld realisiert werden706 oder durch Enteignung707. Bei Fruchtlosigkeit der Zwangsgelder kann ein Enteignungsverfahren bereits vor Ablauf der Frist eingeleitet werden, die man dem Eigentümer bis zum endgülti-gen Vollzug des Baugebots gesetzt hat (§ 176 Abs. 8 BauGB i. V. m. § 85 Abs. 1 Nr. 5 BauGB). Die Durchsetzung des Baugebots mittels Zwangsgeld beinhaltet nicht, dass im Baugebot konkrete Angaben zur bautechnischen Ausführung des Vorhabens gemacht wer-den müssen. Dies schließt freilich nicht aus, dass die Gemeinde dem Baugebot einen Er-läuterungstext beifügt, der zwar nicht den Charakter einer verbindlichen Anordnung

701 So Stüer, DÖV 1988, S. 337 ff.

702 Koch, in: Koch/Hendler, Baurecht, § 20, Rdnr. 3.

703 BVerwGE 84, S. 335, 340.

704 Das Bauantragsgebot stellt ein Minus gegenüber dem Baugebot dar, wenn die zu verwirklichende Bau-maßnahme einer Baugenehmigung bedarf. Dazu instruktiv BVerwGE 84, S. 335 ff.

705 BVerwGE 85, S. 335, 340.

706 BVerwGE 84, S. 335, 341.

707 Zum Instrument des Baugebots in der Bodenrechtspolitik siehe Bielenberg, Bodenrechtspolitik im Rück- und Ausblick, in: Festschrift für Weyreuther, 1993, S. 42 f.

weist, aus dem sich jedoch für den Eigentümer Hinweise auf die bauliche Gestaltung des von der Gemeinde Gewollten (z. B. Angaben zum zulässigen Maß der baulichen Nutzung oder zur Bauweise) entnehmen lassen, solange dem Eigentümer die Befugnis verbleibt, im Rahmen der bebauungsplanerischen Festsetzungen eine alternative, zulässige Bebauung zu realisieren708.

Sollte der von einem Baugebot betroffene Eigentümer untätig bleiben, das Baugebot be-standskräftig werden lassen und sich gegen Vollstreckung bzw. Enteignung erst im darauf-hin eingeleiteten Verfahren wehren, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Baugebot vorliegen, unabhängig von den Bedingun-gen für die Enteignung nach § 176 Abs. 9 BauGB709.

6.3.1.2 Gebietsbezug

Tatbestandlich kommt die Analyse weiterer dreier Aspekte in Betracht: Räumlich können als Einsatzort des Baugebots eine Baulücke oder eine sonstige bauliche Anlage im Gel-tungsbereich eines Bebauungsplans bzw. unbebaute oder lediglich rudimentär bebaute Grundflächen innerhalb von Gebieten nach § 34 BauGB in Erwägung gezogen werden.

Ferner ist eine Anwendung nur denkbar, wenn sich – wie erwähnt – die Bebauung entspre-chend einem Bebauungsplan oder der Eigenart der näheren Umgebung aus städtebaulichen Gründen und unter Einhaltung eines alsbaldigen Beginns der Baumaßnahme als erforder-lich heraus stellt. Die Erfordererforder-lichkeit wird regelmäßig zu bejahen sein, wenn innerhalb von Bestandsentwicklungsstrategien die Bebauung einer bisher brach liegenden Fläche die Neuausweisung von Bauland im Außenbereich zu substituieren vermag (was zugleich den Nachhaltigkeitsregeln genügt)710, die vorhandene städtische Infrastruktur optimiert sowie Investitionen in neue Versorgungseinrichtungen vermeidet711 und damit zu einer Entlas-tung der kommunalen Haushalte beiträgt.

Darüber hinaus darf die objektive wirtschaftliche Unmöglichkeit im Hinblick auf die ge-plante und qua Baugebot durchzusetzende Maßnahme nicht vorliegen712. Unzulässig ist

708 Volpert/Bachmann/Diederichsen, Bauplanungs- und Bauordnungsrecht, S. 332.

709 Dazu etwa Stüer, DÖV 1988, S. 337, 340.

710 Troge/Hülsmann/Burger, DVBl. 2003, S. 85, 89.

711 BVerwGE 4, S. 185, 187.

712 BVerwG, DVBl. 1990, S. 576, 581; Lemmel, in: Schlichter/Stich, Berliner Kommentar zum BauGB, § 176, Rdnr. 8. Die konkrete wirtschaftliche Situation des betroffenen Eigentümers (subjektive

Unzumutbar-ebenfalls die Anordnung eines gemeinschaftlichen Baugebots für mehrere, zusammen hän-gende Grundstücke, wenn nicht die für jedes betroffene Grundstück einzeln zu prüfenden Voraussetzungen vorliegen713. Die Gemeinde darf den Zulässigkeitsrahmen nicht dadurch verändern, dass durch die Anordnung des Baugebots die dem Eigentümer zur Verfügung gestellten Nutzungs- und Dispositionsbefugnisse eingeengt werden714; der Versuch der Gemeinde, den Erlass eines den Bestimmtheitserfordernissen nicht genügenden und effek-tiv nicht vollstreckbaren Baugebots anzuordnen, verstößt damit gegen den durch die Be-bauungsplanung eingeräumten Gestaltungsspielraum und verursacht u. U. eigentumsrecht-liche Konsequenzen715.

6.3.1.3 Einbeziehung Privater

Da die Gemeinde unter dem Schlagwort des „kooperativen Verwaltungshandelns“ sowie unter Umgehung langwieriger und kostspieliger Auseinandersetzungen eine einvernehmli-che Lösung mit den Eigentümern erzielen soll716 – was Hinweise auf Finanzierungsmög-lichkeiten zur Umsetzung des Baugebots einschließt – bleibt die Frage, welche anderweiti-gen Zwangsmittel der Gemeinde ihr im Falle des Scheiterns beispielsweise konsensualer Problemlösungsalternativen zur Verfügung stehen. Unabhängig von dieser nach wie vor ungelösten Frage stellen sich die aus der Neufassung der Bodenschutzklausel nach § 1 a Abs. 2 EAG Bau ergebenden Optimierungsmöglichkeiten für eine Wiedernutzbarmachung brach liegender Flächen als geeignete planerische Grundlagen dar, von der Anwendung des Baugebots nach § 176 BauGB verstärkt Gebrauch zu machen; hinzu kommt die sich ver-schlechternde finanzielle Lage der kommunalen Haushalte, die privates Engagement in der Stadtplanung gewiss erforderlich macht717.

6.3.1.4 Enteignung zur Durchsetzung eines Baugebots

Sollte eine Einbeziehung Privater scheitern, könnte als ultima ratio das Instrument der städtebaulichen Enteignung zur zwangsweisen Durchsetzung eines Baugebots in Betracht

keit) hat dagegen keinen Einfluss auf die Zulässigkeit des Baugebots. Dazu Bönker, in: Hop-pe/Bönker/Grotefels, Öffentliches Baurecht, § 14, Rdnr. 175.

713 BVerwG, NVwZ 1992, S. 162 ff.

714 BVerwGE 84, S. 335.

715 Koch, in: Koch/Hendler, Baurecht, § 20, Rdnr. 4.

716 Dieterich, Mehr Konsens innerhalb fester Rahmenbedingungen, in: Dieterich-Buchwald/Dieterich, Neue Perspektiven des Bodenrechts, 1997, S. 229, 231.

717 Brohm, Öffentliches Baurecht, § 27, Rdnr. 1; Koch/Rubel/Heselhaus, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3, Rdnr. 83; Mitschang, Steuerung der städtebaulichen Entwicklung durch Bauleitplanung, 2003, S. 456.

kommen. Der Eigentümer muss sich hartnäckig und trotz mehrfacher Fristsetzungen, Zwangsgeldandrohungen und –Festsetzungen weigern, diesem Baugebot Folge zu leis-ten718. Durch § 85 Abs. 1 BauGB wird die städtebauliche Enteignung ermöglicht, um den Festsetzungen eines Bebauungsplans gemäß ein Grundstück zu nutzen bzw. eine solche Nutzung vorzubereiten (§ 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB).

Teilweise wird das Baugebot unterhalb der Enteignungsschwelle angesiedelt, was einer-seits bedeutet, dass es auch dann angeordnet werden kann, wenn die Enteignungsvoraus-setzungen nicht vorliegen, es andererseits aber bei der Durchsetzung seine Grenzen dort findet, wo weitere Schritte „einer Enteignung gleich kommen“719. Der Zusammenhang zum Baugebot ist ferner durch § 85 Abs. 1 Nr. 5 BauGB gegeben, wonach eine Enteignung zu-lässig sein kann, wenn der Eigentümer die Verpflichtung nach § 176 Abs. 1 und 2 BauGB nicht erfüllt. Das Baugebot stellt eine „andere zumutbare Weise“ dar, nach der eine Ent-eignung zu unterbleiben hat. Ein freies Wahlrecht der Gemeinde zwischen der EntEnt-eignung und der Durchsetzung des Baugebots mittels Verwaltungszwang besteht nicht; die Durch-setzung des Baugebots ist der Enteignung aber gewiss vorzuziehen720.

Im Gegensatz zur planakzessorischen Enteignung unterfällt die zwangsweise Zuführung eines unbebauten, aber bebaubaren Grundstücks (zu Wohnzwecken) der Kategorie einer privatnützigen Enteignung. Die Zulassungsvoraussetzung dieser Enteignungsalternative wurde durch das Bundesverfassungsgericht in der Waldorfschulen-Entscheidung konkreti-siert: Die verfassungsrechtliche Einordnung der Enteignung erfolge unabhängig davon, ob sie zu Gunsten eines Privaten oder eines Trägers der öffentlichen Verwaltung durchgeführt werde. Dagegen werfe die Enteignung zu Gunsten Privater, die lediglich mittelbar dem Gemeinwohl diene und die in erhöhtem Maße der Gefahr des Missbrauchs zu Lasten be-troffener Eigentümer ausgesetzt sei, besondere verfassungsrechtliche Probleme auf. Aus diesem Grunde habe der Gesetzgeber unzweideutig zu entscheiden, ob und für welche Vorhaben eine Enteignung zulässig sei; bei der Enteignung zu Gunsten Privater müsse gewährleistet sein, dass der im Allgemeininteresse liegende Zweck der Maßnahme erreicht und dauerhaft gesichert werde. Nur in diesem Fall sei das Erfordernis des allgemeinen

718 Zur Durchsetzung informativ Stüer, DÖV 1988, S. 337, 339.

719 Runkel, ZUR-Sonderheft 2002, S. 138, 141.

720 BVerwGE 84, S. 354, 359; Koch, in: Koch/Hendler, Baurecht, § 20, Rdnr. 10.

Wohls erfüllt721. Die konkrete Enteignung muss stets ein geeignetes Mittel sein, um dem Allgemeinwohlerfordernis Rechnung zu tragen722. Schließlich ist fraglich, ob unter den Bedingungen des Stadtschrumpftums bzw. des Stadtumbaus die Enteignung eines bebauten Einfamilienhausgrundstücks, das man rückzubauen gedenkt, unter Zugrundelegung der Allgemeinwohlerfordernisse zulässig ist. Eine breit angelegte Wohnbaulandmobilisierung durch Erschließung bisher „naturbelassener“ Areale widerspricht den Grundsätzen nach-haltiger Flächenhaushaltspolitik.

Erachtet man eine Enteignung im Einzelfall dagegen als zulässig, stellt sich die Frage nach der Berechnung der Entschädigung723. Eine weitere Verknüpfung mit dem Recht der Wert-ermittlung ergibt sich daraus, dass durch § 176 Abs. 9 BauGB hinsichtlich der Kalkulation der Enteignungsentschädigung eine Unberücksichtigung derjenigen Werterhöhungen ein-tritt, die nach der Unanfechtbarkeit des Baugebots – aus der Sicht der Eigentümer – u. U.

monetär realisiert werden können.

Im Dokument Fabian Thiel (Seite 168-173)