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Anordnung eines Entsiegelungsgebots (§ 179 Abs. 1 Satz 2 BauGB)

Im Dokument Fabian Thiel (Seite 177-180)

II. Steuerung des Flächenverbrauchs im Städtebaurecht unter

6. Das Recht der Planverwirklichung

6.3 Städtebauliche Gebote als Steuerungsinstrumente der Flächennutzung

6.3.5 Anordnung eines Entsiegelungsgebots (§ 179 Abs. 1 Satz 2 BauGB)

Immo-bilie. Die Erweiterung des Rückbaugebots um das Entsiegelungsgebot eröffnet der „ge-bietenden Gemeinde“ die Möglichkeit, dauerhaft nicht mehr genutzte Flächen, bei denen die Oberböden durch Versiegelung in ihrer Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sind, wieder nutzbar bzw. leistungsfähig zu machen (§ 179 Abs. 1 Satz 2 BauGB)745. Hierbei dürfte freilich zu beachten sein, dass das neue planakzessorische Entsiegelungsgebot in der Praxis nur selten zur Realisierung gelangen wird, nicht zuletzt, da seine Voraussetzungen – eine dauerhafte, seit mindestens drei Jahren nicht genutzte Fläche746, für die eine Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 10, 15, 16, 18, 20 oder 25 BauGB vorgenommen worden sein muss747 - als „eng gefasst“ interpretiert werden748.

Entsiegelungsgebote können in einem direkten Zusammenhang mit einer notwendigen Dekontamination betroffener Teile der Erdoberfläche gesehen werden749; primär soll diese Gebotsvariante indes selten und nur beschränkt für rückzubauende, nicht für planerische Revitalisierungsmaßnahmen einer Kommune geeignete Flächen in Betracht kommen, da

741 OVG Weimar, ThürVBl. 1995, S. 113; OVG Bautzen, LKV 1997, S. 375; OVG Greifswald, NordÖR 2000, S. 126.

742 BVerwG, NVwZ 1989, S. 257.

743 OVG Saarlouis, NVwZ 1985, S. 122; VGH Kassel, BauR 1995, S. 679, 681.

744 BVerwGE 84, S. 322, 334; BVerwGE 85, S. 289, 294; BVerwGE 106, S. 228.

745 Brohm, Öffentliches Baurecht, § 27, Rdnr. 14; Peine, Öffentliches Baurecht, Rdnr. 892.

746 Köhler, in: Schrödter, BauGB, § 179, Rdnr. 8a; Sanden, in: Sanden/Schoeneck, BBodSchG, § 5, Rdnr. 18.

747 Schlichter/Stich, Berliner Kommentar zum BauGB, § 179, Rdnr. 3; Köhler, in: Schrödter, BauGB, § 179, Rdnr. 8a; Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 179, Rdnr. 9.

748 Beaucamp, Das Konzept der zukunftsfähigen Entwicklung im Recht, 2002, S. 286.

749 Franz, Freiraumschutz und Innenentwicklung, 2000, S. 226.

ein Bebauungsplan vorliegen muss, auf dessen Grundlage entsprechende Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 10, 15, 16, 18 a und b, 20, 25 a und 25 b BauGB möglich wären750. Auf der Rechtsfolgenseite besteht eine Verpflichtung zur Duldung der Entsiegelungsmaß-nahme durch den Eigentümer, jedoch keine Pflicht zur SelbstvorEntsiegelungsmaß-nahme.

6.3.5.1 Abgrenzung des Entsiegelungsgebots von der Regelung des § 5 BBodSchG

Als durchaus strittig erweist sich insbesondere das Verhältnis zwischen § 179 BauGB als lex specialis des Städtebaurechts und den Normen des Bundes-Bodenschutzgesetzes, na-mentlich § 5 BBodSchG751; Entsiegelungsmaßnahmen sind primär mit dem Rechtsregime des BauGB in Angriff zu nehmen752. Einerseits wird die Anordnung eines Entsiegelungs-gebots nur bei einer Inwertsetzung der Flächen durch nicht-bauliche Nutzungszwecke (z.

B. Lager- und Abstellflächen bzw. Sport- und Spielplätze) befürwortet753, andererseits wird auf die Verortung der versiegelten Flächen innerhalb oder außerhalb eines Bebau-ungsplans abgestellt754. Tatbestandlich kann man gewiss davon ausgehen, dass die nach § 5 BBodSchG zu entsiegelnde Fläche zum Zeitpunkt der Maßnahme nicht mehr unter Nut-zung stehen darf, dass Entsiegelungsmaßnahmen rechtlich und de facto möglich sind und sie schließlich dem betroffenen Eigentümer zumutbar sein müssen755.

Das Verhältnis von § 179 BauGB und § 5 BBodSchG wird heute folgerichtig ganz über-wiegend als klarstellungsbedürftig angesehen. Obwohl sich Aussagen hinsichtlich einer Flächenverbrauchsbegrenzung durch den quantitativen Bodenschutz (z. B. qua optimierter Monitoring- und Screeningverfahren756) erst in einigen Jahren werden treffen lassen, ver-mag man doch die subsidiäre Funktion des Bodenschutzrechts nicht auf eine Art Auffang-regelung zu reduzieren mit der Begründung, andere Regelungen zum Bodenschutz in den Fachgesetzen seien effektiv genug, so dass dem BBodSchG eine lediglich ergänzende Funktion zukomme757.

750 Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr des Landes Brandenburg, Rechts- und Verfah-rensinstrumente beim Stadtumbau, 2002, S. 52.

751 Hasche, DVBl. 2000, S. 91, 97 ff.

752 Bickel, BBodSchG, § 5, Rdnr. 2; Sanden, in: Sanden/Schoeneck, BBodSchG, § 5, Rdnr. 12.

753 Sanden, in: Sanden/Schoeneck, BBodSchG, § 5, Rdnr. 4.

754 Hasche, DVBl. 2000, 91, 97 ff.

755 Sanden, in: Sanden/Schoeneck, BBodSchG, § 5, Rdnr. 47; SRU, Umweltgutachten 2000, Tz. 459.

756 Siehe dazu nun den § 4c BauGB (EAG Bau).

757 SRU, Umweltgutachten 2000, Tz. 460.

Ob dem „Ideal“ einer nachhaltigen Bodennutzung freilich durch das Zusammenwirken von Entsiegelungs- und Rückbaugeboten sowie quantitativem Bodenschutz näher gekommen werden kann, dürfte insbesondere davon abhängen, inwieweit der Vorschlag, für neue Bauvorhaben in erster Linie bereits versiegelte Flächen durch Umnutzung/Revitalisierung neu inwert zu setzen758, Realitätskraft erfährt. Die Steuerung von Flächennutzungsverände-rungen durch einen Verbotserlass mit Erlaubnisvorbehalt wird in diesem Kontext ebenso diskutiert wie – unter Anwendung des § 5 BBodSchG – eine Pflicht zur Beseitigung der vorhandenen, das Ortsbild beeinträchtigenden rudimentären „Ruinenbebauung“ erwogen wird, was de jure auf eine Entsiegelungspflicht für baulich nicht mehr genutzte Flächen hinausläuft.

Der Gesetzgeber hat durch die Formulierung des § 179 Abs. 1 Satz 2 BauGB den Relungszweck der Vorschrift dahin gehend verdeutlicht, dass bei dauerhaft nicht mehr ge-nutzten Flächen, bei denen der durch die Bebauung bzw. Versiegelung in seiner Leistungs-fähigkeit beeinträchtigte Boden erhalten oder wiederhergestellt wird, ein Entsiegelungsge-bot angeordnet werden kann.

6.3.5.2 Entschädigungs- und Übernahmeregelung (§ 179 Abs. 3 BauGB) Zu diesem Problemfeld wird teilweise die Auffassung vertreten, dass die Anwendung des Rückbaugebots in der Praxis durch die Entschädigungs- und Übernahmeregelung des § 179 Abs. 3 BauGB beeinträchtigt sein kann; analog zu dem Instrument des Entsiegelungs-gebots sei es denkbar, dass Entschädigungsfolgen aus § 179 BauGB, kombiniert mit Pla-nungsschäden aus vorlaufender Herabzonung, auftreten könnten759. Ferner sind Ansprüche aus § 40 BauGB insofern geltend zu machen, als entsprechende Entschädigungsfolgen aus-lösende Planungsschäden direkt aus § 179 BauGB beziehungsweise auf Grund erfolgter Grünflächenumplanungen entstehen könnten760.

Historisch war dieser Sachverhalt stets als unstrittig anerkannt: Abbruchgebote konnten auch in der Ausgestaltung des früheren Städtebaurechts des BBauG jedenfalls dann als enteignend klassifiziert werden, wenn die entsprechenden Maßstäbe des Grundgesetzes im

758 In diesem Kontext Hasche, DVBl. 2000, S. 91, 99.

759 Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr des Landes Brandenburg, Rechts- und Verfah-rensinstrumente beim Stadtumbau, 2002, S. 52.

760 Siehe dazu oben Kap. II. 4.2.1/4.2.2.

Sinne einer Prüfliste herangezogen worden waren. Als fraglich erwies sich indessen, ob die traditionelle einfachgesetzliche Ausformung des Enteignungsverfahrens durch die Eigen-tumsgarantie zementiert und generell gewährleistet worden sei761. Von entscheidender Be-deutung ist die von Breuer vorgenommene Einordnung von Abbruchgeboten als Positiv-pflichten zur Bodennutzung sowie seine Analyse, wann jene Abbruchgebote einen mögli-chen Konflikt mit dem eigentumsrechtlimögli-chen Bestandsschutz baulicher Anlagen darzustel-len vermögen. Zusätzlich wurde die Berücksichtigung Verkehrswert beeinflussender Um-stände im Rahmen der WertV762 dahingehend diskutiert, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Umständen eine durch die Anordnung des Abbruchgebots resultierende Einwir-kung auf ein Grundstück dergestalt gegeben ist, dass – senkende – AuswirEinwir-kungen auf die-sen Verkehrswert zu befürchten sind763.

Im Dokument Fabian Thiel (Seite 177-180)