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Anspruch aus Dienstvertrag gemäß § 611 BGB

„Life Coaching“

A. Anspruch aus Dienstvertrag gemäß § 611 BGB

I. Vertragsschluss

Ein Vertrag zwischen A und B ist zu-stande gekommen; er ist mangels ge-schuldetem Erfolg auch als Dienstver-trag zu qualifizieren

II. Unwirksamkeit nach § 138 I BGB

Möglicherweise ist der Vertrag jedoch nach § 138 I BGB unwirksam. Die Un-möglichkeit der Leistung als solche be-gründet noch keine Sittenwidrigkeit nach § 138 I BGB; anders als nach § 306

BGB a.F. steht es der Wirksamkeit nicht entgegen, wenn eine Partei von ihrer Leistungspflicht nach § 275 BGB befreit ist (§ 311a I BGB). Eine Sittenwidrigkeit könnte sich hier aber aus den sonstigen

Umständen ergeben.

Dafür spricht zum einen, dass die ver-einbarte Vergütung sehr hoch ist; zum anderen wird hier eine psychische Zwangslage ausgenutzt. Der BGH führt aus:

„In diesem Zusammenhang darf nicht verkannt werden, dass sich viele der Dienstberechtigten, die einen Vertrag mit dem vorliegenden oder einem ähnli-chen Inhalt abschließen, in einer schwie-rigen Lebenssituation befinden oder es sich bei ihnen um leichtgläubige, uner-fahrene oder psychisch labile Personen handelt. Daher dürfen in solchen Fällen keine allzu hohen Anforderungen an ei-nen Verstoß gegen die guten Sitten i. S.

des § 138 I BGB gestellt werden“

Der BGH entscheidet die Frage jedoch nicht selbst, sondern weist das Beru-fungsgericht an, die Frage zu prüfen.

Der Vertrag ist also nach § 138 I BGB unwirksam (so auch das AG Mannheim

BeckRS 2011, 05543 in einem ähnlichen Fall (a.A. vertretbar)).

Hilfsgutachten

Unterstellt, ein wirksamer Vertrag liege vor, wäre nun zu prüfen, ob dem An-spruch weitere Einwendungen oder Einreden entgegenstehen

III. Entfallen des Vergütungsan-spruchs gemäß § 326 I BGB

Der Vergütungsanspruch entfällt grundsätzlich, wenn der Schuldner ge-mäß § 275 I BGB von der Leistungs-pflicht befreit ist

1. Unmöglichkeit gemäß § 275 I BGB Möglicherweise ist die Leistung hier gemäß § 275 I BGB objektiv unmöglich.

Eine Leistung ist objektiv unmöglich, wenn sie von niemandem erbracht werden kann. Der BGH führt dazu aus:

Eine Leistung ist objektiv unmöglich und kann deshalb nicht verlangt oder gar erzwungen werden (§ 275 BGB), wenn sie nach den Naturgesetzen oder nach dem Stand der Erkenntnis von Wissenschaft und Technik schlechthin nicht erbracht werden kann. So liegt es beim

Verspre-chen des Einsatzes übernatürlicher,

„magischer“ oder parapsychologischer Kräfte und Fähigkeiten…

Es ist für den Bereich des Rechts allge-mein anerkannt und offenkundig, dass die Existenz magischer oder parapsycho-logischer Kräfte und Fähigkeiten nicht beweisbar ist, sondern lediglich dem Glauben oder Aberglauben, der Vorstel-lung oder dem Wahn angehört; diese Kräfte und Fähigkeiten können, als nicht in der wissenschaftlichen Erkenntnis und Erfahrung des Lebens begründet, vom Richter nicht als Quelle realer Wirkun-gen anerkannt werden, sondern sind in rechtlicher Beziehung nicht als Mittel zur Herbeiführung irgendwelcher Ver-änderung in der Welt des Tatsächlichen anzusehen…

Unter das Versprechen einer Leistung durch Gebrauch übernatürlicher, magi-scher Kräfte und Fähigkeiten fällt auch das Kartenlegen im Sinne einer Wahrsa-gepraktik, aus Spielkarten Auskunft über verborgene oder zukünftige Dinge sowie Ratschläge zu erhalten.

Allerdings sind nicht sämtliche Fälle der Magie-Dienstleistungen objektiv unmöglich; der BGH führt weiter aus:

Hiervon abzugrenzen sind Fälle, in de-nen es allein um die Erbringung allge-meiner Lebensberatung geht oder tat-sächlich nicht der Einsatz magischer Kräfte und Fähigkeiten, sondern nur eine jahrmarktähnliche Unterhaltung erwar-tet und geschuldet wird Maßgeblich ist insofern … die Auslegung der Vereinba-rung unter Berücksichtigung aller Um-stände des Einzelfalls, insbesondere auch der Höhe der verabredeten Vergütung, und wie sich hiernach der jeweilige kon-krete Inhalt der versprochenen Leistung darstellt ( §§ 133, 157 BGB)

Die Leistung der Kartenlegerin war also objektiv unmöglich gemäß § 275 I BGB.

2. Entfallen der Gegenleistung ge-mäß § 326 I BGB

Grundsätzlich entfällt bei Unmöglich-keit der Leistung auch der Anspruch auf die Gegenleistung gemäß § 326 I BGB.

Allerdings kann die Vorschrift durch Individualvereinbarung abbedungen werden. Der BGH führt dazu aus:

Danach können Vertragsparteien im Rahmen der Vertragsfreiheit und in An-erkennung ihrer Selbstverantwortung wirksam vereinbaren, dass eine Partei sich – gegen Entgelt – dazu verpflichtet, Leistungen zu erbringen, deren Grundla-gen und WirkunGrundla-gen nach den Erkennt-nissen der Wissenschaft und Technik nicht erweislich sind, sondern nur einer inneren Überzeugung, einem dahinge-henden Glauben oder einer irrationalen, für Dritte nicht nachvollziehbaren Hal-tung entsprechen. Dies gilt im Hinblick auf § 611 II BGB insbesondere für dienst-vertragliche Leistungen, und zwar auch für solche, mit denen eine wie auch im-mer geartete Lebensberatung verbunden ist. „Erkauft“ sich jemand derartige (Dienst-)Leistungen im Bewusstsein darüber, dass die Geeignetheit und Taug-lichkeit dieser Leistungen zur Erreichung des von ihm gewünschten Erfolgs ratio-nal nicht erklärbar ist, so würde es In-halt und Zweck des Vertrags sowie den Motiven und Vorstellungen der Parteien widersprechen, den Vergütungsanspruch des Dienstverpflichteten mit der Begrün-dung zu verneinen, der

Dienstverpflich-tete sei nicht in der Lage nachzuweisen, tatsächlich mittels Einsatzes magischer oder übersinnlicher Kräfte bestimmte Voraussagen machen oder auf die Wil-lensbildung Dritter Einfluss nehmen zu können.

Genau um einen solchen Fall handelt es sich nach dem BGH:

Auch wenn die – geschäftsfähigen – Par-teien darauf vertrauten, dass magische Kräfte existieren und über die Kl. für den Bekl. nutzbar gemacht werden konnten, so war ihnen doch bewusst, dass sie mit dem Abschluss des Vertrags den Boden wissenschaftlich gesicherter Erfahrun-gen verließen und sich auf die Ebene ei-nes vernunftmäßig nicht mehr begründ-baren und verifizierbegründ-baren Vertrauens in übersinnliche Erkenntnis- und Beeinflus-sungsmöglichkeiten begaben; die Kl.

sollte mit dem vereinbarten Einsatz ma-gischer Fähigkeiten eine Leistung erbringen, die nach dem Stand der Wis-senschaft und Technik schlechthin nicht erbracht werden konnte. Wenn sich der Bekl. bei dieser Sachlage gleichwohl ent-schloss, der Kl. für das Kartenlegen ein Entgelt zu versprechen – und diese

Leis-tungen über einen längeren Zeitraum auch tatsächlich in Anspruch genommen und vergütet hat –, so liegt die Annahme nicht fern, dass die Kl. nach dem Willen der Parteien die vereinbarte Vergütung ungeachtet des Umstands beanspruchen konnte, dass die „Tauglichkeit“ der er-brachten Leistung rational nicht nach-weisbar ist.

Allerdings waren die Parteien sich hier nicht darüber im Klaren, dass eine Ver-gütungspflicht nicht bestand. Das ist nach dem BGH aber unschädlich:

Dabei ist zu beachten, dass die Annahme einer wirksamen Vergütungsvereinba-rung nicht voraussetzt, dass sich die Parteien darüber im Klaren waren, dass der Kl. nach den Maßstäben des § 326 I 1 und des § 275 BGB von Rechts wegen keine Vergütung zustand. Eine Willens-erklärung ist zwar eine Äußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtsge-schäftlichen Erfolgs gerichtet ist. Ein solcher Rechtsfolgewille setzt aber nicht voraus, dass der Erklärende eine ins Ein-zelne gehende Vorstellung über die rechtstechnische Herbeiführung des an-gestrebten wirtschaftlichen Erfolgs hat.

Es genügt vielmehr, dass dieser als recht-lich gesichert und anerkannt gewollt ist.

§ 326 I BGB wurde also wirksam abbe-dungen; eine Vergütungspflicht bestand demnach trotz objektiver Unmöglich-keit.

Ende des Hilfsgutachtens

B. Anspruch aus § 812 I 1 Var.1 BGB