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2. LITERATURÜBERSICHT

2.1 Anatomie der Zehe des Pferdes

Bei dem zu den Einhufern zählenden Pferd ist nur noch die dritte der ursprünglich fünf angelegten Zehen vollständig ausgebildet. Ursache für diese Adaption war die Notwendigkeit einer schnelleren Fortbewegung. In Folge dieser Rückbildung kam es zu folgenden Veränderungen (GOODSHIP u. BIRCH, 2001):

1. Verlängerung der Gliedmaßen mit Muskulatur, die proximal am Zentrum des Kör-pers lokalisiert ist,

2. kontrollierte Bewegungsmöglichkeiten der Gelenke der unteren Extremität,

3. Einrichtung von passiven Haltevorrichtungen zur Reduzierung der notwendigen Energie im Stand und in der Bewegung,

4. Reduktion der Knochenmasse im Bereich der unteren Extremität.

Die knöcherne Grundlage der distalen Gliedmaße bilden die Metakarpal- bzw. Meta-tarsalknochen, das Fesselbein, die Gleichbeine, das Kronbein und Strahlbein sowie das Hufbein mit den dazu gehörenden Hufknorpeln (s. Abb. 2.1, 2.2; NICKEL et al., 1992). Diese Knochen artikulieren im Karpal- bzw. Tarsalgelenk, im Huf- und Kron-gelenk sowie im FesselKron-gelenk, das sich in Hyperextensionsstellung befindet. Die Gelenke werden jeweils von einer Gelenkkapsel umgeben und von entsprechenden Bändern stabilisiert (NICKEL et al., 1992; PARKS, 2003).

Im Bereich der distalen Gliedmaße befinden sich nur Sehnen, wobei die zugehörigen Muskeln oberhalb von Karpal- und Tarsalgelenk enden (GIRTLER, 2001; PARKS, 2003). Die Endsehnen der Zehenstrecker inserieren auf der dorsalen Seite der Zehenknochen, die Zehenbeuger auf der palmaren bzw. plantaren Seite am Kron-bein bzw. HufKron-bein.

Der rein sehnige M. interosseus medius, der mit je einem Schenkel an den beiden Gleichbeinen inseriert und zwei Unterstützungsschenkel an die Strecksehne abgibt, wirkt in Verbindung mit den distalen Sesambeinbändern und den durch Bänder mit-einander verbundenen Gleichbeinen als passiver Trageapparat und Feststeller des Fesselgelenkes.

Im Bereich der unteren Extremität befinden sich neben den oben genannten Struktu-ren außerdem synoviale Einrichtungen (Sehnenscheiden und Schleimbeutel), Leitungsbahnen (Blut-, Lymphgefäße und Nerven), die Haut, Unterhaut und Faszien sowie der Huf mit Hornkapsel und Lederhaut. Infolge Fehlens der Muskulatur in diesem Bereich liegt hier ein unmittelbares Nebeneinander von Skelettelementen, Sehnen und Leitungsbahnen im Bindegewebe direkt unter der Haut vor.

Die Abb. 2.1 und 2.2 zeigen die Strukturen im Bereich der unteren Extremität am Beispiel des linken Unterschenkels und Fußes.

Abb. 2.1: Laterale Ansicht des distalen Abschnittes des linken Unterschenkels und Fußes, wobei die Haut und ein Teil der Faszie entfernt wurden (Abb. entnommen aus STASHAK, 1989).

Abb. 2.2: Mediale Ansicht des distalen Abschnittes des linken Unterschenkels und Fußes, wobei die Haut und ein Teil der Faszie entfernt wurden (Abb. entnommen aus STASHAK, 1989).

2.2 Anatomie des Blutkreislaufs und Hämodynamik bei Mensch und Pferd

Die Aufgaben des Körperkreislaufes sind die Versorgung der Gewebe mit Sauerstoff und Nährstoffen, der Abtransport von Stoffwechselprodukten, der Transport von Hormonen und die Thermoregulation (SCHMITZ, 1987; NICKEL et al., 1996; VON ENGELHARDT, 2000b).

Der Blutkreislauf besteht aus einem in sich geschlossenen System parallel oder auch seriell geschalteter Blutgefäße, in denen das Herz als Pumpe eine gerichtete Blut-strömung erzeugt. Man unterscheidet Arterien, Arteriolen, Kapillaren, Venolen und Venen voneinander (LEONHARDT, 1990; LIEBICH, 1999).

Die „Stromstärke“ in den verschiedenen Gefäßen, also das Blutvolumen, das pro Zeiteinheit fließt, wird analog zum Ohmschen Gesetz durch den Blutdruck und den Widerstand der Gefäße bestimmt (VON ENGELHARDT, 2000b).

Die mittlere Strömungsgeschwindigkeit ist abhängig vom Radius der jeweiligen Gefäße. Das Hagen-Poiseuillesche Gesetz stellt eine Erweiterung des Ohmschen Gesetzes dar. Aus diesem geht hervor, dass sich der Gesamtwiderstand reziprok mit der 4. Potenz des Gefäßradius ändert. Deshalb haben sehr kleine Veränderungen des Radius sehr große Effekte auf den Gesamtwiderstand und analog dem Ohm-schen Gesetz damit auf den Blutdruck und/oder auf den Blutfluss (VON ENGEL-HARDT, 2000b).

Die Arterien bilden gemeinsam mit den Arteriolen das Hochdrucksystem des Körpers, das den schnellen Transport und die Verteilung des Blutes im Körper reali-siert. Die Arterien werden in Arterien vom elastischen Typ und in Arterien vom muskulären Typ unterteilt (LEONHARDT, 1990; LIEBICH, 1999).

Arterien vom elastischen Typ sind herznahe Gefäße und wandeln das aus dem Herzen diskontinuierlich ausgeworfene Blutvolumen in eine mehr kontinuierliche Strömung des Blutes um, bekannt als „Windkesselfunktion“.

Arterien vom muskulären Typ weisen eine ausgeprägte Muskelschicht auf, wodurch sie ihren Durchmesser den Gegebenheiten anpassen und so Blutdruck und/oder Blutfluss regulieren können (VON ENGELHARDT, 2000b).

Die Blutkapillaren bilden ein fein verzweigtes Netz zwischen den kleinsten Arteriolen und den postkapillären Venolen. Sie dienen zum Gas-, Stoff- und Flüssigkeitsaus-tausch (LEONHARDT, 1990; LIEBICH, 1999; VON ENGELHARDT, 2000b). Der Gasaustausch erfolgt hierbei ausschließlich durch Diffusion, der Stoffaustausch überwiegend durch Diffusion, aber auch über Transportkanäle.

Der Flüssigkeitsaustausch zwischen Blut und Interstitium ist abhängig von den hydrostatischen und kolloidosmotischen Druckdifferenzen, die den effektiven Filtrati-onsdruck bestimmen. Während sich der kolloidosmotische Druck im Verlauf der Kapillare nicht nennenswert ändert, nimmt der hydrostatische Druck zum Ende der Kapillare hin ab, so dass sich der effektive Filtrationsdruck entlang der Kapillare ver-ändert. Daher kommt es zu Beginn der Kapillare zur Filtration von Flüssigkeit und zum Ende hin zur Reabsorption. Da das Blutgefäßsystem jedoch nur 90% der filtrier-ten Flüssigkeit reabsorbiert, werden die restlichen 10% über die Lymphgefäße aus dem interstitiellen Raum abtransportiert.

Die Venen, die zusammen mit den Venolen das Niederdrucksystem des Kreislaufs bilden, dienen der Rückführung des Blutes zum Herzen und der Blutspeicherung (LEONHARDT, 1990; LIEBICH, 1999). Etwa 70% des zirkulierenden Blutes befinden sich im venösen System, so dass ein erhöhter Blutbedarf schnell gedeckt werden kann. Dementsprechend ist die Dehnungsfähigkeit der Wand vorherrschendes Merkmal der Venen. Sie übersteigt die der Arterie um das 200-fache (VON ENGEL-HARDT, 2000b).

Abhängig von der Lokalisation und der hydrostatischen Belastung weisen Venen Unterschiede in der Ausprägung der Wandschichten auf. Die Venen der unteren Körperteile, wie der distalen Gliedmaße sind z.B. muskelreicher und damit wandstär-ker als die der oberen Körperpartien (DAHME, 1970; LEONHARDT, 1990; ROBIN-SON, 1990).

Die in der Tunica media der Venen vorhandenen wenigen glatten Muskelzellen reichen jedoch allein nicht aus, um, vor allem im Bereich der Gliedmaßen, Wider-stände wie die Wirkung der Schwerkraft zu überwinden (SCHMITZ, 1987). Der Rück-fluss des Blutes wird daher durch vier Mechanismen gesichert:

1. Venenklappen: Als Besonderheit sind in Venen, mit Ausnahme der großen Venenstämme sowie der Venen innerhalb des Hufes (ROBINSON, 1990), in regelmäßigen Abständen Intimaduplikaturen entwickelt, die als Venenklappen bezeichnet werden. Ihre Anzahl korreliert im Allgemeinen mit der hämostati-schen Belastung (DAHME, 1970). Sie erleichtern den Rückfluss des Blutes und verhindern eine Umkehr der Strömungsrichtung.

2. Muskelpumpe: Durch Kontraktion der Skelettmuskeln werden die Venen komprimiert und das Blut aufgrund der Ventilwirkung der Klappen herzwärts transportiert.

3. Atmungspumpe: Bei der Inspiration entsteht im Thorax ein Unterdruck, der zur Erweiterung der intrathorakalen Venen und der Vorhöfe und somit zum Ansaugen des Blutes aus den extrathorakalen Venen führt. Gleichzeitig wird durch die Kontraktion des Zwerchfells der Druck im Abdomen erhöht, so dass venöses Blut in die thorakalen Venen gepresst wird.

4. Ventilebenenmechanismus: Durch Senken der Ventilebene des Herzens während der Systole wird Blut aus den herznahen Venen in den rechten Vorhof gesogen.

Zusätzlich entsteht durch das Auffußen ein Druck in dem im Huf lokalisierten Venen-plexus (Endgeflecht der Venen), was den Bluttransport ebenfalls unterstützt (RATZ-LAFF et al., 1985).

In den Venen des Pferdes, die im distalen Gliedmaßenbereich lokalisiert sind, ist die Pulsatilität synchron zur Herzfrequenz (HOFFMANN et al., 1999). Dies ist wahr-scheinlich auf die Nähe der Venen zu den Arterien und fehlendes Gewebe zur Absorption der kinetischen Energie der Arterienwände zurückzuführen. Auf diese Art kann ein Teil der Energie von der Arterie auf die begleitende Vene übertragen werden.

2.3 Anatomie und Physiologie des Lymphgefäßsystems bei Mensch und Pferd

Das Lymphgefäßsystem ist ein den Venen parallel geschaltetes, blind endendes Drainagesystem (BAUM, 1928; KUBIK, 1999, 2002). Es sammelt Flüssigkeit aus dem interstitiellen Raum und leitet diese über den Ductus thoracicus in das Venen-system (VON ENGELHARDT, 2000a).

Da sich in der veterinärmedizinischen Literatur nur wenige Publikationen über die Anatomie des Lymphgefäßsystems finden (z. B. BAUM, 1928), wird hier auch auf Literatur aus dem humanmedizinischen Bereich zurückgegriffen. Wie bisherige Arbeiten zeigen, ist davon auszugehen, dass sich die Gegebenheiten bei Mensch und Pferd weitgehend entsprechen (BERENS VON RAUTENFELD u. SCHACHT, 2002).

Morphologisch und funktionell sind folgende Lymphgefäßabschnitte zu unterscheiden (BERENS VON RAUTENFELD u. FEDELE, 2005):

1. Initiale Lymphgefäße (Vasa lymphatica initialia). Dazu zählen die Lymphkapillaren (Vasa lymphocapillaria) sowie die Präkollektoren (Vasa lymphatica praekollectoria),

2. Kollektoren (Vasa lymphatica collectoria),

3. Lymphsinus (Sinus lymphatici) der Lymphknoten (Nodi lymphatici), 4. Lymphstämme (Trunci lymphatici).

Während die Lymphkapillaren funktionell als Resorptionsgefäße zu bezeichnen sind, arbeiten Kollektoren und Lymphstämme als Leitungsgefäße. Die Präkollektoren üben eine Doppelfunktion aus. Lagemäßig sind sie Leitungsgefäße, auf weiten Strecken sind sie jedoch auch resorptionsfähig (KUBIK, 1999, 2002).

2.3.1 Initiale Lymphgefäße

Das System der initialen Lymphgefäße setzt sich aus den Lymphkapillaren und den Präkollektoren zusammen.

Der Aufbau der Lymphkapillaren wurde beim Menschen genauer untersucht und konnte von BRAUN (2004) beim Pferd weitgehend bestätigt werden:

Die Lymphkapillaren bilden in der Haut und in den Schleimhäuten ein im interstitiel-len Bindegewebe gelegenes feinmaschiges polygonales Netz mit blind endenden Ausbuchtungen (CASTENHOLZ, 1984; KUBIK, 1999, 2002).

Ihr Aufhängeapparat zur Fixierung der Lymphkapillaren im Gewebe wird durch radiär lokalisierte Ankerfilamente gebildet (CASTENHOLZ, 1984; KUBIK, 1999, 2002;

BERENS VON RAUTENFELD u. FEDELE, 2005).

Benachbarte Endothelzellen sind entweder über „open“ oder „closed junctions“ mit-einander verbunden (KUBIK, 2002). Die „open junctions“ bzw. interendothelialen Öffnungen oder Einflussventile werden bei Anstieg der Menge an lymphpflichtigen Lasten im Gewebe durch die damit verbundenen Druckveränderungen im Gewebe über den Aufhängeapparat weitgestellt (KUBIK, 1999, 2002; BERENS VON RAU-TENFELD u. SCHACHT, 2002). Die subendothelialen Filamente sind nach GERLI et al. (1990) elastisch und sorgen als Retraktionsapparat für die Entleerung der initialen Lymphgefäße in Richtung der nachgeschalteten Kollektoren.

Im Bereich der interendothelialen Öffnungen kommt es zur Ausbildung zytoplasma-tischer Überlappungen, die als taschenartige Strukturen ein Zurückfließen von Lymphe in das Interstitium verhindern (CASTENHOLZ, 1984; BERENS VON RAU-TENFELD et al., 1998; FÖLDI u. FÖLDI, 2002b).

Die anschließenden Präkollektoren sammeln Lymphe aus umschriebenen Arealen des Lymphkapillarnetzes und leiten sie in die Kollektoren. Auch sie liegen in netz-artiger Formation vor (MEYER, 1988; KUBIK, 1999, 2002). Im Unterschied zu den Lymphkapillaren besitzen sie bereits Klappen und üben eine ableitende Funktion aus (KUBIK, 1999, 2002).

2.3.2 Kollektoren

Kollektoren nehmen die Lymphe aus den zugehörigen initialen Lymphgefäßen auf und transportieren sie zu den entsprechenden Lymphknoten. Grundsätzlich besitzen Pferde größere, dafür jedoch weniger Kollektoren als der Mensch (BERENS VON RAUTENFELD u. FEDELE, 2005).

Die Kollektoren werden von Taschenklappen, die die Aufgabe von „Rückflusssper-ren“ übernehmen, in Lymphangione bzw. Klappensegmente unterteilt (KUBIK, 1999, 2002; BERENS VON RAUTENFELD u. FEDELE, 2005).

Der Wandbau der Kollektoren zeigt eine ähnliche Dreischichtung wie der der Venen (KUBIK, 1999, 2002; BERENS VON RAUTENFELD u. FEDELE, 2005). Er besteht aus einer Tunica interna, einer Tunica media und einer Tunica externa. Die drei Schichten sind allerdings nicht immer deutlich voneinander abzugrenzen.

BERENS VON RAUTENFELD u. FEDELE (2005) beschreiben glatte Muskelzellen speziesübergreifend in allen drei Wandschichten der Kollektoren, die gemeinsam die Lymphgefäßwandpumpe bilden. Das Pferd besitzt als muskelzellarmer Kollektoren-typ weniger glatte Muskelzellen in den Kollektoren als der Mensch. Die Anzahl glatter Muskelzellen variiert zwischen topographisch unterschiedlich gelegenen Kollektoren (dermal, subkutan und subfaszial) innerhalb eines Kollektorenabschnittes, aber auch innerhalb einer Spezies.

Eine Besonderheit bei tiefen und oberflächlichen Kollektoren der Beckengliedmaße des Pferdes stellen die von HARLAND (2003, 2004) beschriebenen, im Stratum sub-endotheliale der Tunica interna gelegenen Myofibroplasten dar. Hierbei handelt es sich um Transformationszellen von Fibroblasten (HARLAND, 2003). Unter Umstän-den können diese Zellen durch Bewegung oder Einsatz der Manuellen Lymphdraina-ge aus BindeLymphdraina-gewebszellen transformiert werden, wodurch die Muskelwandpumpe nicht nur „trainiert“ sondern auch vermehrt werden könnte (ROTHE, 2004). Eventuell stellen die Myofibroblasten aber auch ein Reizleitungssystem ähnlich dem im Darm dar, das als Schrittmachersystem auf die glatte Muskelwandpumpe wirkt (HARLAND, 2003).

Topographisch unterscheidet man mit Bezug auf die oberflächliche Faszie oberfläch-lich gelegene, dermale und hypodermale oder epifasziale Kollektoren (Vasa collecto-ria superficialia) von tief gelegenen oder subfaszialen Kollektoren (Vasa collectocollecto-ria profunda) (KUBIK, 2002). Im distalen Gliedmaßenbereich des Pferdes sind die bei-den Systeme nicht mehr durch eine Faszie voneinander getrennt (BAUM, 1928;

HARLAND, 2003). Während das oberflächliche System die Haut und die Unterhaut drainiert, leitet das tiefe System die Lymphe der Muskeln, Gelenke, Sehnenscheiden und Nerven ab.

Innerhalb der Pferdeextremität bilden die subfaszialen (tiefen), beim Menschen dagegen die epifaszialen (oberflächlichen) Kollektoren den Hauptdrainageweg (BERENS VON RAUTENFELD u. SCHACHT, 2002; BERENS VON RAUTENFELD u. FEDELE, 2005).

2.3.3 Lymphbildung und Lymphtransport

Unter Lymphbildung versteht man einerseits den Einstrom von eiweißhaltiger Gewebsflüssigkeit in das initiale Lymphgefäßsystem und andererseits den Abtrans-port der Lymphe aus den Präkollektoren in Richtung der Kollektoren (BERENS VON RAUTENFELD u. FEDELE, 2005).

In der Humanmedizin und ebenso beim Pferd wird eine zweiphasige Lymphbildung beschrieben (FÖLDI u. FÖLDI, 2002b; BERENS VON RAUTENFELD u. FEDELE, 2005):

In der Füllungsphase dehnt sich das Interstitium des subkutanen Bindegewebes durch sich ansammelnde Flüssigkeit aus. Die elastischen Ankerfilamente der initialen Lymphgefäße geraten unter Spannung und stellen so die interendothelialen Öffnungen und die initialen Lymphgefäße weit. Aufgrund des niedrigeren Druckes in der Lymphkapillare im Verhältnis zum Gewebedruck fließt die eiweißhaltige Gewebs-flüssigkeit in die Lymphkapillare.

In der Entleerungsphase ist der Gewebedruck niedriger als der Lymphkapillardruck.

Daher erschlaffen die Ankerfilamente und die Einflussventile schließen sich. Die

Lymphkapillare wird durch den Druck und durch elastische Rückstellungskräfte des Gewebes in Richtung Präkollektor entleert.

Bei körperlicher Ruhe wird nur wenig Lymphe gebildet (FÖLDI u. FÖLDI, 2002b). Zur Gewährleistung einer andauernden hohen Lymphbildung sind periodische Gewebe-spannungen notwendig, wie sie beim Laufen oder durch Manuelle Lymphdrainage auftreten.

Im Bereich der Kollektoren und der Lymphgefäßstämme wird die Lymphe durch die Pulsation der Lymphangione mit Hilfe der in der Tunica media positionierten glatten Muskelzellen aktiv vorangetrieben. Diese „Lymphgefäßwandpumpe“ zeigt ähnlich wie das Herz eine zweiphasige Aktion mit einer Systole (Entleerungsphase) und einer Diastole (Füllungsphase). Die funktionelle Regulation der Lymphangione erfolgt ebenfalls analog der beim Herzen. Es wirken vegetative und sensorische Reize (z.B.

analog dem Frank-Starlingschem Mechanismus), aber auch ein Schrittmachersystem auf die glatte Muskelwandpumpe (FÖLDI u. FÖLDI, 2002b; BERENS VON RAU-TENFELD u. FEDELE, 2005).

Das Pferd weist im Vergleich mit dem Menschen insoweit eine Besonderheit auf, als dass nur seine tief verlaufenden Kollektoren einen mehrschichtigen Wandanteil an glatten Muskelzellen besitzen. Die oberflächlichen Kollektoren zeigen keine bzw. nur vereinzelte glatte Muskelzellen (BERENS VON RAUTENFELD u. FEDELE, 2005).

Dafür weisen alle Kollektoren einen mehr oder weniger hohen Anteil an elastischen Fasern auf, der innerhalb des Lymphangions etwa 40% beträgt (HARLAND, 2003).

Aufgrund dieser Tatsache sind BERENS VON RAUTENFELD u. FEDELE (2005) der Meinung, dass in dermalen und hypodermalen Kollektoren neben dem Frank-Starlingschen Mechanismus auch elastische Rückstellkräfte für einen Transport der Lymphe sorgen.

Die Lymphangiomotorik wird durch extra- und intralymphvaskuläre Faktoren modu-liert (BERENS VON RAUTENFELD u. FEDELE, 2005). Unter intralymphvaskulären Faktoren versteht man verschiedene Stoffe, wie z.B. Leukotriene, Eikosanoide, Prostaglandine und biogene Amine (Histamin, Bradykinin, Serotonin). Extravaskuläre Faktoren sind im Allgemeinen die Atmung, Bewegung der Eingeweide, Gelenk- und

Muskelsehnenpumpen sowie Pulsationen der Arterien (FÖLDI u. FÖLDI, 2002b;

BERENS VON RAUTENFELD u. FEDELE, 2005).

Im Bereich des Pferdefußes fehlen im Vergleich zum Menschenfuß zwei Antriebssys-teme (BERENS VON RAUTENFELD u. FEDELE, 2005):

Da im Bereich des Pferdefußes nur die entsprechenden Sehnen, aber keine Skelettmuskeln und kein subkutanes Fettpolster vorhanden sind, ist keine Skelett-muskelpumpe angelegt. Auch eine „arterielle Pulsationspumpe“ soll dem Pferd fehlen, da die tief verlaufenden Arterien, Venen und Kollektoren nicht wie beim Menschen durch eine gemeinsame Bindegewebsscheide gebündelt sind.

Vorhanden sind dagegen die Hufpumpe sowie die Fesselgelenkspumpe. BERENS VON RAUTENFELD u. FEDELE (2005) sprechen der Huf- und der Fesselgelenks-pumpe beim Pferd eine besondere Bedeutung zu, da sie der Meinung sind, dass die spärlich angelegte glatte Kollektorenwandpumpe sowie der elastische Retraktions-apparat vor allem in Ruhe für den Lymphtransport nicht ausreichen dürften.

Die Hufpumpe ist sowohl beim stehenden als auch beim bewegten Pferd von Interesse und wirkt auf die Lymph- sowie auf die Blutgefäße (BERENS VON RAU-TENFELD u. FEDELE, 2005). Bei der Fußung des Hufes steigt der interstitielle Druck innerhalb der Huflederhaut und Gewebsflüssigkeit tritt in die initialen Lymphgefäße ein (Füllungsphase). Außerdem werden die Kollektoren und Venen zwischen Zehen-polster und elastischem Hufknorpel komprimiert, was ihre Entleerung fördert. Beim Anheben des Hufes sinkt der interstitielle Druck und die initialen Lymphgefäße leeren sich (Entleerungsphase).

Die Fesselgelenkspumpe ist von Bedeutung für den Lymphabfluss zwischen Huf-saum und Tarsal- bzw. Karpalgelenk (BERENS VON RAUTENFELD u. FEDELE, 2005). Das Fesselgelenk unterscheidet sich von den übrigen Gelenken der Gliedmaßen durch seine hohe Beweglichkeit. Außerdem spielt es aufgrund der Kollektorenverläufe (dorsal und palmar/plantar) eine größere Rolle als das Karpal- bzw. Tarsalgelenk (medial und lateral). Auf diese Art und Weise kann es das intra-vaskuläre Antriebssystem der Kollektoren unterstützen. Im Bereich des Fesselkopfes ist zu beachten, dass Kollektoren wegen des oben genannten Verlaufes besonders empfindlich auf Kompression reagieren.

2.4 Volumenänderungen der unteren Extremität bei Mensch und Pferd

2.4.1 Definition und Formen des Ödems

Unter dem Begriff Ödem versteht man im klinischen Sinne eine Schwellung, welche durch eine Vermehrung des Flüssigkeitsgehaltes im Interstitium verursacht wird und in der Regel sichtbar und tastbar ist (FÖLDI u. FÖLDI, 2002b).

Je nach Ursache werden Ödeme in der Humanmedizin in verschiedene Arten unter-teilt (HERPERTZ, 1988, 2001; WERNER, 2001; FÖLDI u. FÖLDI, 2002a). Diese Ein-teilung wird in der Veterinärmedizin weitestgehend übernommen:

1. Lymphödem (mechanische Insuffizienz des Lymphgefäßsystems; Unterteilung in primäre und sekundäre Formen),

2. Entzündliches Ödem (erhöhte Permeabilität der Blutgefäße durch die Ausschüt-tung von Entzündungsmediatoren),

3. Traumatisches Ödem (vorübergehendes Auftreten von Schwellungen infolge leichterer bzw. mittelschwerer Traumen),

4. Allergisches Ödem (Erhöhung der Permeabilität der Blutgefäßwand durch eine immunologische Reaktion),

5. Kardiologisches Ödem (Folge einer Rechtsherzinsuffizienz),

6. Phlebödem (Erhöhung des venösen Drucks durch Erkrankungen des Venensys-tems),

7. Hydrostatisches Überlastungsödem (Störungen der Hämodynamik, z.B. durch längeres unbewegliches Stehen, aufgrund des Ausfalls extramuraler Kräfte, die für die Transportfunktion sowohl des venösen wie auch des Lymphsystems wichtig sind),

8. Inaktivitätsödem (lymphogene und venöse Abflussbehinderung bei Immobilisati-on einer Gliedmaße),

9. Hypoproteinämisches Ödem (verminderter Albumingehalt im Blut durch man-gelnde Zufuhr, manman-gelnde Synthese, erhöhten Verbrauch oder erhöhten Verlust von Eiweiß).

2.4.2 Volumenänderungen der unteren Extremitäten in Orthostase beim Menschen

Der Mensch neigt, ähnlich wie das Pferd, bei längerem Stehen zu Volumenzunah-men an den unteren Extremitäten (SCHMITZ, 1987). Daher werden an dieser Stelle verschiedene Studien zu Volumenveränderungen der Extremitäten beim Menschen diskutiert.

PANNIER u. RABE (2004) wiesen in ihrer Arbeit mit Hilfe eines Perometers (s. Kap.

3.2) bei venengesunden Menschen während eines Stehversuches über zehn Minu-ten eine signifikante Volumenzunahme um 2,48% nach. Dabei gab es keinen Unter-schied zwischen linkem und rechtem Bein. STICK et al. (1993) stellten in ihrer Studie temperaturabhängige Volumenzunahmen um 1,6 bis 2,0% fest. Diese ermittelten sie nach zehnminütigem Stehen mittels Quecksilber-Dehnungsmessstreifen.

Volumenänderungen der unteren Extremität setzen sich sowohl aus einer intravasa-len Volumenzunahme als auch aus einer extravasaintravasa-len Komponente im Sinne eines Ödems zusammen (WUPPERMANN et al., 1987; PANNIER u. RABE, 2004).

In der Initialphase der Orthostase spielt die intravasale Volumenzunahme die größere Rolle, wie z.B. mit Hilfe der Luft-Plethysmographie festgestellt wurde. Diese Veränderungen verlaufen sehr schnell und sind hinsichtlich ihrer Volumina signifikant (WUPPERMANN et al., 1987; MÜLLER-BÜHL et al., 1998; PANNIER u. RABE, zurückzuführen (PANNIER u. RABE, 2004).

Die Volumenveränderungen im Interstitium verlaufen hingegen sehr langsam (PANNIER u. RABE, 2004). Hierzu konnten KRIJNEN et al. (1997) bei Volumenmes-sungen am Unterschenkel im Tagesverlauf Zunahmen um 3,4% (linke Beine) bzw.

2,6% (rechte Beine) feststellen.

2.4.3 Angelaufene Beine beim Pferd

Die Begriffe „angelaufene“ bzw. „dicke Beine“, „Herbst- oder Winterbeine“, „swollen legs“, „stocking edema“ oder „cold edema“ beschreiben ein bekanntes Phänomen in der Pferdepraxis (s. Abb. 2.3) (JUBB, 1993; ROMERO u. DYSON, 1997; SCHÄFER et al., 1999; BERENS VON RAUTENFELD u. FEDELE, 2005). Da es nicht als Krankheit im eigentlichen Sinne gewertet wird und im Allgemeinen keine akuten Probleme verursacht, finden sich in der veterinärmedizinischen Literatur nur wenige

Die Begriffe „angelaufene“ bzw. „dicke Beine“, „Herbst- oder Winterbeine“, „swollen legs“, „stocking edema“ oder „cold edema“ beschreiben ein bekanntes Phänomen in der Pferdepraxis (s. Abb. 2.3) (JUBB, 1993; ROMERO u. DYSON, 1997; SCHÄFER et al., 1999; BERENS VON RAUTENFELD u. FEDELE, 2005). Da es nicht als Krankheit im eigentlichen Sinne gewertet wird und im Allgemeinen keine akuten Probleme verursacht, finden sich in der veterinärmedizinischen Literatur nur wenige