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4.   DISKUSSION

4.1   Allgemeine Anmerkungen

Die Beschreibung neuer hämotropher Mykoplasmen-Spezies (WILLI et al. 2005; TAGAWA et al. 2008) und die Veröffentlichung verschiedener Übersichtsartikel (TASKER u. LAPPIN 2002; SYKES 2003; MESSICK 2003, 2004; TASKER 2006; HOELZLE 2007; WILLI et al.

2007 b) und Fallberichte (PHILBEY et al. 2006; GUIMARAES et al. 2007 b; DE BUSSER et al. 2008) aus der letzten Zeit zeigen das aktuelle Interesse an diesen von Arthropoden

übertragbaren Erregern in der Tiermedizin. In der Humanmedizin wird den von Arthropoden übertragbaren Krankheiten, darunter viele Zoonosen, immer größere Bedeutung

zugeschrieben. Dies gilt umso mehr in der heutigen Zeit der Globalisierung und Klimaerwärmung (SCHOLTE et al. 2008).

Obwohl beim Pferd in der wissenschaftlichen Literatur nicht beschrieben, wird sowohl von Pferdebesitzern als auch von Tierärzten die Eperythrozoonose beim Pferd diskutiert. Diese angenommene Kausalität zwischen Eperythrozoon (hämotrophen Mykoplasmen) und beobachteten klinischen Symptomen ist die Fragestellung dieser Arbeit. Mittels einer ausführlichen Literaturübersicht über hämotrophe Mykoplasmen-Infektionen bei

verschiedenen Tierarten und eigenen epidemiologischen Untersuchungen am Pferd wurde diese Fragestellung erarbeitet.

Die Infektion mit hämotrophen Mykoplasmen ist beim Schwein (SPLITTER 1950;

NEIMARK et al. 2002 b), beim Schaf (NEITZ 1937; OVERAS 1969; NEIMARK et al.

2004), beim Rind (ADLER u. ELLENBOGEN 1934; NEIMARK et al. 2002 b), bei der Katze (CLARK 1942; FOLEY u. PEDERSEN 2001; NEIMARK et al. 2002 b; WILLI et al. 2006 b), beim Hund (TYZZER u. WEINMAN 1939; MESSICK et al. 2002) und bei der Maus (SCHILLING 1928; TYZZER u. WEINMAN 1939; NEIMARK et al. 2002 b, 2005) ausführlich beschrieben. Auch bei verschiedenen anderen Tierarten gab es Hinweise auf hämotrophe Mykoplasmen als Krankheitsverursacher (FRERICHS u. HOLBROOK 1971;

EWERS 1971; PETERS et al. 1974; McLAUGHLIN et al. 1990; REAGAN et al. 1990;

DILLBERGER et al. 1994; MESSICK et al. 2002; NEIMARK et al. 2002 a; STOFFREGEN et al. 2006).

Bei immunkompetenten Tieren verlaufen die Infektionen häufig latent (MESSICK 2004;

TASKER 2006; HOELZLE 2007). Ein akuter Anfall der Eperythrozoonose tritt bei immunschwachen oder splenektomierten Tieren auf. Das klassische Bild der akuten Eperythrozoonose geht mit Fieber, Anämie, Ikterus und Anorexie einher (NEITZ 1968;

OVERAS 1969; MESSICK 2003, 2004; SYKES 2003; HOELZLE 2007). Diese

Symptomkombination wurde bei keinem der in der vorliegenden Studie untersuchten Pferde (N=108) beobachtet. Von den verschiedenen gesuchten Einzelsymptomen (Tabelle 3.1)

wurden Asthenie, schlechter Fellzustand und Abmagerung relativ häufig gefunden. Blasse Schleimhäute und Hämoglobinurie wurden nicht beobachtet. Ikterus tritt bei anorektischen Pferden schnell auf (FEY 2006; GRABNER u. DIETZ 2006) und wurde nicht als Symptom zur Aufnahme in Gruppe S verwendet. Als deutlicher Hinweis auf das Vorliegen von

Eperythrozoonose beim Schwein wird die sofortige Agglutination des Blutes bei Gefäßaustritt angesehen (HEINRITZI 1983; HEINRITZI et al. 1984). Bei der Blutentnahme wurde bei keinem der untersuchten Pferde eine solche Agglutination beobachtet. Die bei hämolytischen Anämien häufig zu beobachtende rötliche Verfärbung des Blutüberstandes (FEY 2006) wurde bei den Blutproben der untersuchten Pferde ebenfalls nicht festgestellt.

Sowohl bei Schweinen, als auch bei Schafen, wurden massive metabolische Störungen im Zusammenhang mit der akuten Phase der Eperythrozoonose festgestellt. Es liegt eine metabole und respiratorische Blutazidose vor (SUTTON 1976; ILEMOBADE u.

BLOTKAMP 1978 c; HEINRITZI et al. 1990 a, b). Akute und chronisch latente Infektionen führen beim Schwein zu einer kontinuierlichen Abnahme des Blutzuckerspiegels

(HEINRITZI 1989; HEINRITZI et al. 1990 a). Blutgasanalyse und Blutglukose-Messung könnten zusätzliche Information geben, wurden bei den untersuchten Pferden aber nicht durchgeführt.

LUI et al. (2008) stellten eine signifikant höhere Prävalenz von M. wenyonii bei jüngeren Rindern fest. In der vorliegenden Studie war das durchschnittliche Alter in Gruppe S (5,3 ± 4,3 Jahre) signifikant (P<0,001) niedriger als in Gruppe K (10,4 ± 6,5 Jahre). Die Einteilung der Gruppen erfolgte basierend auf Symptomen, die bei Eperythrozoonose bei verschiedenen Tierarten beschrieben wurden (OVERAS 1969; DADDOW 1979 a; BURROUGHS 1988;

SMITH et al. 1990 a; MESSICK 2003, 2004), die aber nicht pathognomonisch für nur diese Erkrankung sind. Junge Tiere leiden häufiger unter banalen Infektionen und können dabei unspezifische Symptomatik vorweisen.

Die PCR-Untersuchung eines zweijährigen Warmblüters, der durch Abmagerung und schlechten Fellzustand aufgefallen war, und von dem die zytologische Untersuchung von zwei Untersuchern als positiv beurteilt worden war, ergab keine Sequenzen mit Ähnlichkeit des genetisches Materials von bekannten Hämoplasmen und wurde als negativ eingestuft. Die Beurteilung der restlichen neun PCR-Proben, die einheitlich als positiv in der Zytologie bewertet und zur gentechnischen Untersuchung verarbeitet wurden, wurde im Rahmen dieser Studie nicht abgeschlossen.

4.2 Zytologie

Bei der lichtmikroskopischen Diagnostik von hämotrophen Mykoplasmen im peripheren Blutausstrich wird über das regelmäßige Vorkommen von sowohl falsch positiven, als auch von falsch negativen Ergebnissen berichtet (OVERAS 1969; HENRY 1979; HEINRITZI 1990; TASKER u. LAPIN 2002; SYKES 2003). In einer Studie wurde sogar eine Sensitivität

von nur 11% errechnet (TASKER et al. 2003 a). Wegen dem Fehlen eines Pferd-spezifischen PCR-Tests, und um der in der Praxis genutzten Methodik beim Pferd zu folgen, wurden in der vorliegenden Studie zytologische Untersuchungen angewandt. Um die zytologische Diagnose zu validieren, wurden die Blutproben von drei unterschiedlichen Untersuchern blind

mikroskopisch bewertet. Deutlich wurde, dass ein Untersucher mit nur 21 positiven und 51 nicht auswertbaren Ergebnissen anders bewertete als die beiden anderen Untersucher (jeweils 72 und 82 positive Diagnosen). In der statistischen Auswertung war dieser Unterschied signifikant (P<0,001). Aber auch die gesamte Übereinstimmung der drei Untersucher war sehr gering (Kappa-werte 0,0225; -0,0148).

Artefakte können bei der Suche nach hämotrophen Mykoplasmen im peripheren Blutausstrich als Mikroorganismen angesprochen werden, was zu falsch positiven Ergebnissen führt

(OVERAS 1969; HENRY 1979; HEINRITZI 1990; TASKER u. LAPIN 2002; SYKES 2003). Von einem Untersucher wurden die von Artefakten befallenen Ausstriche

dokumentiert. Dieser Untersucher stellte in von Artefakten befallenen Ausstrichen deutlich häufiger verdächtige Strukturen fest als in Ausstrichen, die frei von Artefakten waren.

In der Literatur wird zum mikroskopischen Nachweis von hämotrophen Mykoplasmen die Anwendung von Romanowsky-Typ Färbungen empfohlen (SYKES 2003; WILLI et al. 2007 b). In der vorliegenden Studie wurde dazu Diff-Quik® und Giemsa-Färbung verwendet. Einer der Untersucher beurteilte dabei Ausstriche, die mit Giemsa-Färbung angefertigt waren. Die beiden anderen Untersucher beurteilten mit Diff-Quik® angefertigte Ausstriche. Obwohl beide Färbungsmittel zur Romanowsky-Typen gehören, könnte die Anwendung dieser unterschiedlichen Färbungen die Ergebnisse beeinflusst haben.

Während der Lagerung von EDTA-Blutproben kann es zur Lösung der hämotrophen Mykoplasmen von der Erythrozytenmembran kommen. Die Zahl der falsch negativen

Bewertungen würde dadurch erhöht werden (HALL et al. 1988; ALLEMAN et al. 1999). Die Lagerung der in der vorliegenden Studie bearbeiteten Proben, die von zwei Untersuchern beurteilt wurden, lag zwischen 30 Minuten und 12 Stunden, bis Ausstriche angefertigt wurden. Zudem wurden EDTA-Blutproben am Tag nach der Entnahme per Post in ein externes Labor geschickt, wo eigene Ausstriche angefertigt wurden, um von dem dritten Untersucher beurteilt zu werden. Die Lagerungszeit betrug somit mehr als 36 Stunden. Diese mögliche Ursache von Bias hätte durch eine Standardisierung der Lagerzeit reduziert werden können. OVERAS (1969) beschrieb einen starken Einfluss der Außentemperatur auf die Nachweishäufigkeit in der mikroskopischen Untersuchung. Die Blutproben in der

vorliegenden Studie wurden von August bis April entnommen. In diesem Zeitraum waren starke Schwankungen der Außentemperatur vorhanden und könnten die Ergebnisse beeinflusst haben.

Neben diesen möglichen Gründen für eine Beeinflussung der Ergebnisse könnte auch die unterschiedliche Erfahrung der verschiedenen Untersucher eine Rolle gespielt haben.

Um die Sensitivität und Spezifizität der Untersuchungen zu erhöhen, hätte eine Färbung mit Akridinorange verwendet werden können (BOBADE u. NASH 1987). Ein Fluoreszenz-Mikroskop stand den Untersuchern aber nicht zur Verfügung. Auch die

elektronenmikroskopische Untersuchung hätte genauere Informationen geben können, stand aber auch nicht zur Verfügung.

Um den Infektionsgrad der Erythrozyten in der zytologischen Untersuchung zu erfassen, wurden verschiedene Methoden beschrieben (NEITZ 1937; THURSTON 1953;

LITTLEJOHNS 1960; OVERAS 1969; HEINRITZI et al. 1984; McLAUGHLIN et al. 1990).

In der vorliegenden Studie wurde nicht versucht, die beobachteten verdächtigen Strukturen zu quantifizieren. Beim Schwein ist in der akuten Phase zwar eine enge Verbundenheit der mikroskopisch sichtbaren Bakteriämie und der Abfall der hämatologischen Werte beschrieben worden (HEINRITZI et al. 1984; BUGNOWSKI et al. 1989; HEINRITZI 1989). In der vorliegenden Studie wurde aber das typische Bild des akuten eperythrozoonotischen Anfalls nicht beobachtet. Bei chronischen Infektionen der Katze wurde keine Korrelation zwischen dem Nachweis von hämotrophen Mykoplasmen mittels PCR und hämatologischen

Veränderungen festgestellt (TASKER et al. 2003 a; ISHAK et al. 2006; GUIMARAES et al.

2007 a; JUST u. PFISTER 2007; SYKES et al. 2007 a; WENGI et al. 2008).

In der zytologischen Untersuchung waren 24 von 32 (75%) der untersuchten Blutausstrichen in der Gruppe S als Endbewertung positiv. In Gruppe K waren es 39 von 76 (51%).

Verdächtige Strukturen wurden also häufiger auf Erythrozyten von symptomatischen Tieren beobachtet. Aus den drei Beurteilungen der Untersucher wurde eine endgültige Diagnose erstellt, wobei zwei oder drei gleiche Beurteilungen der Untersucher das Endergebnis ergaben. Kamen drei Untersucher zu drei unterschiedlichen Ergebnissen - was nur möglich war, wenn ein Untersucher eine Auswertung offenließ - wurde keine Diagnose gestellt. Hätte man nur die einheitlich positive Beurteilung aller drei Untersucher als positiv in der

Endbewertung gelten lassen, wäre die Zahl der positiven Endergebnisse deutlich niedriger ausgefallen. In Gruppe S wären nur zwei Tiere als positiv eingestuft, in Gruppe K zehn Tiere.

Obwohl Eperythrozoon tuomii als epithrombozytärer Parasit beim Rind beschrieben wurde (UILENBERG 1967; ZWART et al. 1970), sind in dieser Studie die Blutplättchen nicht auf solche Strukturen untersucht worden. In der aktuellen Literatur wird diese Infektion nicht beschrieben, und die Bedeutung beim Rind scheint sehr gering zu sein.

4.3 Hämatologie

Entgegen der Erwartung, in Gruppe S mehr anämische Tiere anzutreffen, wurden bei symptomatischen Tieren bessere Werte im roten Blutbild festgestellt. Die Erythrozytenzahl (P<0,001), der Hämoglobinwert (P<0,05) und der Hämatokrit (P<0,05) waren in der Gruppe S signifikant höher. Lediglich höhere Werte von MCV (P<0,05) und MCH (P<0,05) in der Gruppe S könnten Hinweisen auf das Vorliegen von Anämien bei symptomatischen Tieren

geben. Ein erhöhter Wert von MCH wird beim Pferd bei intravasaler hämolytischer Anämie beobachtet. Ein erhöhter Wert von MCV (Makrozytose) gibt einen Hinweis auf regenerative Anämie. Dieser Wert ist aber wenig sensitiv. Die Erythrozytenvolumen-Verteilungbreite (RDW) ist ein Maß für Anisozytose und wäre sensitiver (FEY 2006), stand aber in der vorliegende Untersuchung nicht zur Verfügung.

Bei mehreren Tieren aus beiden Gruppen wurden vereinzelt niedrige Werte der

Erythrozytenzahl, des Hämoglobingehalts und des Hämatokrits festgestellt. Tiere, bei denen alle Parameter deutlich unterhalb des Referenzbereiches lagen und auf Anämie hinwiesen, wurden nicht angetroffen. Bei nur wenigen Tieren wurden im Zusammenhang mit klinischen Symptomen leichte Anämien und positive Bewertungen der zytologischen Untersuchungen festgestellt. Leichte Anämien werden aber häufig als Begleitsymptom bei chronisch

erkrankten Tieren angetroffen. Chronische Infektionen, Entzündungen, Neoplasien oder Organversagen sind mögliche Ursachen (CARLSON 2002).

Die Leukozytenzahl war zwischen den beiden Gruppen nicht signifikant unterschiedlich (P>0,05). Sowohl leichte Leukopenie, als auch Leukozytose wurde bei einigen Pferden festgestellt. Beim Schwein wurde während der Fieberphase eines akuten

eperythrozoonotischen Anfalls eine deutliche Leukozytose beobachtet (BUGNOWSKI et al.

1989). Bei den Pferden in der vorliegenden Untersuchung wurde keine erhöhte

Körpertemperatur festgestellt. Aus den Blutproben wurde lediglich die Leukozytenzahl erfasst, ein Leukogram wurde nicht angefertigt. Neutrophilie beim Pferd wird häufig bei Aufregung, Stress und meist chronische Infektionen beobachtet. Häufige Ursachen einer Neutropenie beim Pferd sind akute Infektionen wie Salmonellose (MORRIS 2002 b).

Es wurde kein signifikanter Unterschied in der Zahl der Thrombozyten zwischen Gruppe S und K festgestellt (P>0,05). Viele Pferde beider Gruppen wiesen aber eine leichte

Thrombozytopenie auf. Ein Pferd zeigte mit 18 G/L (Referenzbereich 100-300 G/L) einen sehr niedrigen Wert. Klinische Symptome einer Blutungsneigung und begleitende Anämien wurden aber nicht beobachtet. Ein Vergleich dieser Thrombozytenwerte mit dem einer Heparin-Blutprobe könnte die Diagnose einer Pseudothrombozytopenie sichern

(HINCHCLIFF et al. 1993). Es ist davon auszugehen dass die niedrigen Thrombozytenzahlen bei diesen klinisch unauffälligen Pferden EDTA-bedingt sind.

4.4 Vergleich von Tieren mit niedrigen und hohen Werten der Erythrozytenzahl, des Hämoglobingehalts und des Hämatokrits

Eine deutliche Assoziation zwischen dem Abfall der Erythrozytenzahl, des

Hämoglobingehalts, des Hämatokrits und der Bakteriämie wurde beim Schwein in der akuten Phase ausführlich beschrieben (HEINRITZI 1983, 1989). Bei chronisch infizierten Katzen konnte eine Korrelation zwischen positivem PCR und hämatologischen Veränderungen nicht festgestellt werden (TASKER et al. 2003 a; ISHAK et al. 2006; GUIMARAES et al. 2007 a;

JUST u. PFISTER 2007; SYKES et al. 2007 a; WENGI et al. 2008). In dieser Studie wurden keine Pferde mit Anzeichen einer akuten Phase der Eperythrozoonose angetroffen. Der Vergleich von Tieren mit niedrigen und hohen Werten der Erythrozyten, des Hämoglobins und des Hämatokrits ergab keinen signifikant höheren Anteil positiver zytologischer Bewertungen (P>0,05) bei den Tieren mit niedriger Werten („anämisch“).