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ABWEICHENDE BAUWEISE

Im Dokument Arbeitshilfe Bebauungsplanung (Seite 174-178)

Die Festsetzungsmöglichkeiten des § 22 Abs. 1 BauNVO (offene oder geschlossene Bau-weise) sind in vielen Situationen zu unspezifisch, um ein planerisch angestrebtes Ziel zu erreichen. Insbesondere eröffnet die offene Bauweise weite Gestaltungsspielräume, die mit der vom Plangeber beabsichtigten Bebauungsstruktur oft nicht in Übereinstimmung zu brin-gen sind. Die mit dieser Bauweise festgelegte maximale Gebäudelänge von 50 m ist z.B. dort zu groß, wo das Planungsziel die Herstellung oder Erhaltung einer kleinteiligen Einfamilien-haus- oder Villenstruktur ist. Sie kann aber auch zu klein sein, z.B. in Gewerbegebieten, in denen zwar seitliche Grenzabstände eingehalten und übermäßige Gebäudedimensionen ver-mieden werden sollen, die Begrenzung auf 50 m jedoch eine unerwünschte Beschränkung der Nutzungsflexibilität darstellen würde. Auch in Reihenhausgebieten können Gebäude-längen von mehr als 50 m sinnvoll sein.

Ein kosten- und flächensparendes Bauen kann u.a. durch Bebauungsformen erreicht werden, die ein einseitiges Anbauen an eine seitliche Grundstücksgrenze oder auch das Anbauen an vordere oder hintere Grundstücksgrenzen voraussetzen, während zu anderen Grenzen ein Abstand gehalten wird (z.B. Kettenhäuser, Gartenhofhäuser). Auch hier muss die offene Bau-weise modifiziert werden.

Die Festsetzung der geschlossenen Bauweise stößt dort an ihre Grenzen, wo im historischen Kontext zwar ein geschlossenes Straßenbild erhalten bzw. wiederhergestellt werden soll, ortstypisch schmale seitliche Gebäudeabstände jedoch weiterhin ermöglicht werden sollen.

Für solche und ähnlich gelagerte Fälle, in denen die Festsetzung einer offenen oder ge-schlossenen Bauweise nicht zum Ziel führt, sieht § 22 Abs. 4 BauNVO die Möglichkeit der Festsetzung einer abweichenden Bauweise vor. Damit können Regelungen zur Stellung der Gebäude im Bezug auf die vorderen, seitlichen und hinteren Grundstücksgrenzen (an welche Grenzen muss / darf / darf nicht herangebaut werden) sowie zur Gebäudelänge getroffen werden. Weitergehende Regelungen, z.B. zur Höhe der Gebäude, zu den überbaubaren Grundstücksflächen u.ä. sind nicht als Bauweise, sondern mittels dafür vorgesehener Festsetzungsmöglichkeiten zu treffen.

Innerhalb dieses Rahmens kann nahezu jede Bauweise normiert werden. Demgegenüber kann jedoch auch gänzlich auf die Festsetzung einer Bauweise verzichtet werden. Wie üblich bedarf es dabei der Abwägung zwischen den zu erreichenden planerischen Zielen und dem Eingriff in die Gestaltungsfreiheit der Eigentümer. "Ungewöhnliche" Bauweisen sollten nicht gegen den Willen der Grundstückseigentümer erzwungen werden.

Problemaufriss

Planungsrechtlicher Rahmen

§ 22 BauNVO Bauweise

Eine abweichende Bauweise für Baugebiete wird in der Planzeichnung des Bebau-ungsplans in der Regel durch einen Buchstaben festgesetzt (z.B. „a“ für abweichende Bauweise analog zu „g“ für geschlossene und „o“ für offene Bauweise). Im Gegensatz zur offenen und geschlossenen Bauweise, die in den Abs. 2 und 3 des § 22 BauNVO definiert sind, bedarf die Festsetzung einer abweichenden Bauweise der Konkretisierung mittels textlicher Festsetzung.

Auch geringe Modifizierungen der geschlossenen oder (häufiger) der offenen Bauweise sind als abweichende Bauweise festsetzbar. Die Bauweise kann für Teile der Baugebiete – auch für einzelne Grundstücke – unterschiedlich festgesetzt werden, wenn dafür ein städtebauliches Erfordernis vorliegt.

Von einer festgesetzten abweichenden Bauweise können im Bebauungsplan Ausnahmen zu-gelassen werden. Art und Umfang der Ausnahmen sind dann in der zugehörigen textlichen Festsetzung näher zu bestimmen.

Mittelbar kann die Bauweise auch durch die Ausweisung von Baukörpern und Baufenstern mittels Baugrenzen und Baulinien (

B 2.2) festgesetzt werden, wenn diese nur durch eine bestimmte Bauweise wie Einzelhäuser ausgefüllt werden können. Auf eine zusätzliche Festsetzung der Bauweise kann dann verzichtet werden. In der Begründung sollte die Entbehrlichkeit von Regelungen zur Bauweise entsprechend begründet werden.

Festsetzungen durch Planzeichnung und Text

ggf. mittelbare Festsetzung durch Baukörper / Baufenster

Abweichende Bauweise

B 2.1

ANWENDUNGSFÄLLE UND FESTSETZUNGSBEISPIELE

A Baugebiet mit einfamilienhaustypischer Bebauungsstruktur

Fallbeispiel 1: Die Gemeinde X plant ein konventionelles Einfamilienhausgebiet für Einzel- und Doppelhäuser. Im Gebiet sollen auch Gebäude mit mehreren Wohneinheiten und Gebäude für sonstige im WA zulässige Nutzungen ermöglicht werden, wenn sich diese in ihren Abmes-sungen in die Bebauungsstruktur einfügen.

Baukörperausweisungen kommen bei neuen Baugebieten i.d.R. nicht in Frage, da die zu-künftigen Grundstückszuschnitte noch nicht feststehen. Auch die Festsetzung einer höchst-zulässigen Zahl von Wohnungen in den Wohngebäuden gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB wäre nicht zielführend, da sie sich auf die Dimensionierung von Gebäuden nur indirekt, bei Nicht-Wohngebäuden gar nicht auswirkt.

Durch Festsetzung einer abweichenden Bauweise können dagegen die äußeren Abmes-sungen der Gebäude begrenzt werden, ohne dass andere, ungewollte oder nicht begründ-bare Einschränkungen der Bebaubarkeit entstehen.

 Für das allgemeine Wohngebiet wird als abweichende Bauweise festgesetzt:

Zulässig sind nur Einzel- und Doppelhäuser. Die Länge der Gebäude darf 15 m nicht über-schreiten.

B Sicherung einer villenartigen Bebauungsstruktur

Fallbeispiel 2: Das Plangebiet wird durch eine Villen- und Landhausbebauung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts geprägt. Ziel der Planung ist u.a. der Erhalt dieser vorstadttypischen Bebauungsstruktur, in die sich auch eine mögliche Neubebauung einzelner Grundstücke ein-fügen soll. Dabei sollen nicht nur größere Einfamilienhäuser, sondern auch kleine Mehrfamilien-häuser ermöglicht werden.

Die Festsetzung einer offenen Bauweise allein reicht für die Sicherung der angestrebten Bebauungsstruktur nicht aus, da auf vorhandenen oder durch Zusammenlegung entstehen-den größeren Grundstücken Gebäude in einer Länge von bis zu 50 m entstehen könnten.

Die gewünschte Bebauungsstruktur könnte zwar durch eine enge Baukörperfestsetzung mit überbaubaren Grundstücksflächen in den ortsüblichen Abmessungen gesichert werden. Eine derart enge Festlegung der Position der neu zu errichtenden Gebäude würde jedoch eine Über-Regelung bedeuten, da für größere oder durch Zusammenlegung entstehende und in ihren endgültigen Abmessungen noch gar nicht bekannte Grundstücke oft mehrere städtebaulich gleichwertige Lösungen möglich sind, deren Wahl den Eigentümern freigestellt bleiben sollte.

Durch Festsetzung einer abweichenden Bauweise können dagegen die äußeren Abmessun-gen der Gebäude begrenzt werden, ohne ihre Lage zu determinieren.

 Für das allgemeine Wohngebiet wird als abweichende Bauweise festgesetzt:

Die Gebäude sind mit seitlichem Grenzabstand zu errichten. Die Länge der Gebäude darf 15 m nicht überschreiten.

Ausnahmsweise kann ein Überschreiten der maximal zulässigen Gebäudelänge um bis zu 5,0 m zugelassen werden, wenn die den öffentlichen Straßen zugewandten Außenwände durch mindestens 3 m tiefe Vor- oder Rücksprünge in Abschnitte von höchstens 15 m Länge gegliedert sind.

Die Ausdehnung der Gebäude senkrecht zur Straße wird durch diese Festsetzung nicht be-schränkt. Ergänzend kann eine maximale Gebäudetiefe, gemessen senkrecht zur Straßen-begrenzungslinie, festgesetzt werden, wenn das städtebauliche Ziel dies erfordert.

Sicherung einer Einfamilienhaus-struktur durch Festsetzung einer

abweichenden Bauweise

Sicherung einer villenartigen Bebauungsstruktur durch Festsetzung einer abweichenden Bauweise

C Baugebiet für "Kettenhäuser"

Fallbeispiel 3: Für die Bebauung am Rande eines geplanten Wohngebietes wird aus Lärm-schutzgründen eine im Erdgeschossbereich geschlossene, in den Obergeschossen dagegen in Einzelbaukörper aufgelöste "Kettenhausbebauung" angestrebt. Die Länge der Kettenhaus-bebauung soll jeweils 50 m nicht überschreiten.

Die Festsetzung einer geschlossenen Bauweise gemäß § 22 Abs. 3 BauNVO kommt nicht in Betracht, da in diesen Fällen über alle Geschosse an die seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut werden muss. Die vorgesehene Bebauungsstruktur erfordert daher die Festset-zung einer abweichenden Bauweise, die die besonderen Anforderungen zur Bauweise regelt:

 Für das allgemeine Wohngebiet wird als abweichende Bauweise festgesetzt:

An die nordöstlichen Grundstücksgrenzen muss in einer Tiefe von 10,0 m, gerechnet von der straßenseitigen Baugrenze, über alle Geschosse herangebaut werden.

An die südwestlichen Grundstücksgrenzen muss in einer Tiefe von 6,0 m, gerechnet von der straßenseitigen Baugrenze, im ersten Vollgeschoss herangebaut werden; in den darüberliegenden Vollgeschossen ist ein Grenzabstand von mindestens 3,0 m einzuhalten.

Das Heranbauen an die westlichen Grundstücksgrenzen kann im Beispielfall auch durch Garagen erfolgen, soweit diese baulich in das Hauptgebäude integriert sind.

Für die Endgrundstücke der Kette wird eine Sonderregelung erforderlich, wenn dort aus-nahmsweise ein Grenzabstand sichergestellt werden soll.

… Ausnahmsweise kann auf ein Heranbauen an die seitlichen Grundstücksgrenzen ver-zichtet werden, wenn die Gebäude als Endhäuser der Kettenhausbebauung im Sinne von Abs. 1 errichtet werden.

D Begrenzung von Gebäudelängen in einem Gewerbegebiet

Fallbeispiel 4: In einem Gewerbegebiet, das an eine viel befahrene öffentliche Straße grenzt, soll sichergestellt werden, dass die Gebäudeabmessungen entlang dieser Straße eine ortsbild-verträgliche Dimension nicht überschreiten, und dass zwischen den Gebäuden für die Be-grünung und Durchlüftung des Gebietes und die Umfahrung der Gebäude ein offener Bauwich verbleibt. Gleichzeitig soll die Flexibilität der Grundstücksnutzung möglichst wenig ein-geschränkt werden.

Eine Baukörperausweisung kommt hier nicht in Frage, da sich im Vorhinein keine typische Gebäudegröße bestimmen lässt und selbst bei einem bereits bekannten Vorhaben die Gestal-tungsmöglichkeiten im Fall einer Betriebsaufgabe oder Änderung des Nutzungskonzepts unnötig eingeschränkt würden. Die Festsetzung einer offenen Bauweise würde größere, in einem Gewerbegebiet jedoch durchaus übliche und verträgliche Gebäudeabmessungen verhindern. Durch Festsetzung einer abweichenden Bauweise können dagegen die städtebaulichen Ziele besser in Einklang mit den gewerblichen Nutzungsinteressen gebracht werden:

 Für die Teile des Gewerbegebietes, für die der Bebauungsplan eine abweichende Bauweise (mit der Bezeichnung) „a“ festsetzt, gelten folgende Bindungen:

Die Gebäude sind mit einem seitlichen Grenzabstand zu errichten. Die Länge der Gebäu-de darf 75 m (gemessen parallel zur straßenseitigen Baugrenze) nicht überschreiten.

Die Ausdehnung der Gebäude senkrecht zur Straße wird durch diese Festsetzung nicht be-schränkt. Um die Flexibilität der Bebauung weiter zu erhöhen, könnten als Ausnahme größere Gebäudelängen (z.B. bis zu 100 m) zugelassen werden, wenn durch entsprechende Gliede-rung (Vor- und Rücksprünge) das städtebauliche Ziel einer Auflösung der Bebauung in Einzelbaukörper von begrenzter Länge erreicht wird.

Sicherung einer Kettenhausstruktur durch Festsetzung einer abweichenden Bauweise

Sicherung einer offenen Gewerbe-bebauung durch Festsetzung einer

abweichenden Bauweise

Festsetzungen B. 2.2

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugren-zen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Abs. 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muß auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan kön-nen weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschrei-ten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes fest-gesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das gleiche gilt für bau-liche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

BAUKÖRPER- UND BAUFENSTERAUSWEISUNGEN,

Im Dokument Arbeitshilfe Bebauungsplanung (Seite 174-178)

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