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5.3 Kritische Betrachtung der eigenen Methodik

5.3.2 µ-Computertomographische Untersuchungen zur Korrosions-

Mit einem µCT können schichtweise Aufnahmen des Implantats und des umliegen-den Gewebes erzeugt und nach Berechnung ein hochaufgelöstes 3D Bild erstellt werden (VAN OOSTERWYCK et al. 2000, MIHALJEVIĆ et al. 2009). Verwendet wurden in dieser Studie ein XtremeCT und ein höher auflösendes CT (µCT80).

Letzteres ist aufgrund von unterschiedlichen Gerätespezifikationen oder auch länge-ren Scandauern nicht für in vivo Untersuchungen geeignet (DZIUBA et al. 2013). Die Messmethodik beim µCT80 bedingt, dass nur jeweils eine Platte vor und nach der in vitro Korrosionsuntersuchungen gescannt wurde. Für eine standardisierte Korro-sionsuntersuchung ist es zwingend erforderlich, alle Probekörper gleichzeitig in das Korrosionsmedium einzubringen. Aufgrund der sehr langen Messzeit von 10 Stunden für eine Einzelprobe eines Knochen-Implantat-Verbunds innerhalb des CTs wäre dies jedoch nicht zu gewährleisten gewesen, ohne dass sich das organische Material, auf dem die Implantate fixiert wurden, verändert hätte. Insbesondere orga-nische Zersetzungsprozesse wären nicht zu vermeiden gewesen, da eine zwischen-zeitliche konservative Lagerung, beispielsweise im Eisfach, ebenfalls die werkstoffkundlichen Parameter der Implantate beeinträchtigt hätte. Darüber hinaus hätten die im Anschluss an die Korrosionsuntersuchungen notwendigen, zeitaufwen-digen Messungen (XtremeCT, EDX) zu starken Abweichungen hinsichtlich der Aus-wertung geführt. Daher wurde aus jeder Materialgruppe exemplarisch ein Einzelscan durchgeführt. Durch diesen war es möglich, volumetrische Messungen der in vitro Implantat-Knochen Kombination zu erhalten, um diese anschließend mit der in vivo fixierten Variante vergleichen zu können. Außerdem erzielte das µCT80 eine deutlich

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höhere Auflösung als das XtremeCT. In diesem Zusammenhang konnten zusätzlich Probensegmente der in vivo Untersuchungsreihe nach erfolgter Euthanasie mit dem µCT80 untersucht werden, um die Korrosionserscheinungen am Implantat besser beurteilen zu können (HAMPP et al. 2013).

Bei der Auswertung mit beiden µCTs ergaben sich darüber hinaus Abweichungen in den Ergebnissen in vitro, sowohl im ermittelten Volumen als auch in der ermittelten Dichte (s. Anhang 9.1 Abb. 30 und Abb. 31). Dabei zeigte besonders die NaOH be-handelte Platte im µCT80 deutlich weniger Volumenverlust, aber dafür mehr Dichte-verlust verglichen mit dem im XtremeCT errechneten Mittelwert der Gruppe. Dabei ergaben sich im XtremeCT höchste Volumenabnahmen der NaOH-Platten mit etwa 14 %, die Schrauben zeigten ein ähnliches Ergebnis. Im µCT80 wurde allerdings mit etwa 3 % Volumenverlust der exemplarisch berechneten NaOH-Platte der ver-gleichsweise niedrigste Wert errechnet (s. Anhang 9.1 Abb. 30). Dieses CT-abhängige, stark schwankende Ergebnis für den Volumenverlust der NaOH-Platte in vitro kann im Wesentlichen damit erklärt werden, dass die XtremeCT Daten auf dem Mittelwert aller untersuchter Platten basieren, während im µCT80 im Falle der NaOH Platte auf ein individuelles Ergebnis (letzte Korrosionsuntersuchung der Serie) zu-rückgegriffen wurde. Durch die Betrachtung der Einzelwerte im XtremeCT wird diese Vermutung verstärkt (vgl. Anhang 9.1 Tab. 11). Auch hier zeigte sich, dass die bei-den letzten Durchgänge der Korrosionsuntersuchung bei allen Platten zu einem ge-ringeren Volumenverlust im XtremeCT und auch zu einer gege-ringeren Wasserstoffbildung führten. Hierbei zeichnet sich die Vermutung ab, dass es in den letzten beiden Durchgängen möglicherweise zu einem veränderten Korrosions-verhalten durch z.B. ein verändertes Medium gekommen ist.

Eine andere mögliche Erklärung für diese Abweichung sind mögliche Unterschiede in der Grauwertinterpretation beider Geräte durch Unterschiede bei den verwendeten Kathodenspannungen und Strahlenqualitäten (HANDELS 2009). Zwar werden die ermittelten Grauwerte in der Regel auf die Schwächungskoeffizienten von Wasser und Luft normiert, weswegen der Einfluss variierender Strahlqualitäten minimiert wird (HANDELS 2009), aber die Einflussnahme der Strahlqualität auf das Ergebnis kann mit Hilfe dieser Zwei-Punkt-Kalibrierung nicht vollkommen verhindert werden.

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In der vorliegenden Arbeit konnte außerdem ein unterschiedlicher prozentualer Ge-wichts- und Volumenverlust in vitro bei den Schrauben und Platten festgestellt wer-den. Theoretisch müssten die Verluste von Gewicht und Volumen der einzelnen Proben, welche in dieser Arbeit ermittelt wurden miteinander korrelieren. Mit einem einhergehenden Gewichtsverlust bei konstanter Dichte der Proben sollte ein linearer Zusammenhang mit dem Volumenverlust herstellbar sein. Eine solche Korrelation spiegelt sich in den Ergebnissen allerdings nicht wieder, was im Wesentlichen den unterschiedlichen Auswertungsmethoden geschuldet ist. Während die Restvolumina der Proben ohne Berücksichtigung der Korrosionsprodukte ermittelt wurden (auf-grund der Möglichkeit mittels der Kontur diese zu entfernen), wurden diese bei den Gewichtsbestimmungen zur Ermittlung des Gewichtsverlusts mitgemessen.

Im Rahmen dieser Arbeit wurden zudem Dichtewerte für die Implantate in unter-schiedlichen Stadien mit Hilfe der Computertomographie gemessen. Hierbei wurde eine Methode modifiziert, die grauwertspezifische Dichteangaben für organisches Gewebe ermittelt. Gerätespezifisch resultierten daraus Angaben für die physikalische Dichte der Implantate, die verhältnismäßig weit vom Literaturwert von Magnesium (1,74 g/cm³) entfernt liegen. Huehnerschulte et al. (2011) berichten unter Ver-wendung einer frei gewählten Dichteeinheit, dass Implantate aus einer AX30 und ZEK100 Magnesiumlegierung eine geringe Abnahme der Dichte in einem XtremeCT bei zunehmender Korrosionsdauer aufwiesen. In dieser Studie wurden mit Hilfe des XtremeCTs durchgängig niedrigere Dichtewerte ermittelt. Besonders bei den Platten, die in vitro und in vivo verwendet wurden (< 4 Monate gelagertes Material), wurde eine vergleichsweise hohe Dichte von 1,41 g/cm³ ermittelt, die deutlich über dem Durchschnitt (1,28 g/cm³) lag. Die Schrauben des > 6 Monate gelagerten Materials (in vivo verwendet) hatten durchgängig eine vergleichsweise geringe Dichte (1,052 g/cm³, restliche Schrauben 1,196 - 1,263 g/cm³). Grundsätzlich ist jedoch nicht zu erwarten, dass die Dichte der nicht korrodierten Implantatbereiche in Abhän-gigkeit der Lagerzeit abnimmt. Zudem ist die hier gemessene Dichte im µCT nicht exakt mit der physikalischen Dichte vergleichbar, da u.a. bestimmte Graustufen durch den festgelegten Schwellwert ausgeschlossen werden. Physikalisch ist die Dichte über eine Masse pro Volumen definiert. Veränderungen der Masse pro

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meneinheit sind hierbei ohne äußere Einflüsse physikalisch nicht möglich. In diesem Zusammenhang sind für Magnesium und seine Legierungen bei Raumtemperatur keine Diffusionsprozesse in der Literatur belegt, die eine Veränderung dieses Ver-hältnisses ermöglichen könnten. Schwankende Messwerte der hier gemessenen Dichte können daher insbesondere auf verfahrenstechnische Aspekte zurückgeführt werden. Im korrodierten Zustand ist es verhältnismäßig schwer, die intakte Implantat-struktur im µCT exakt von Korrosionsprodukten und organischen Bestandteilen zu separieren. So kommt es durchaus vor, dass Korrosionsprodukte und Gewebe, wel-che im Vergleich zum metalliswel-chen Implantat eine geringere Dichte aufweisen, als dem Implantat zugehörig, dargestellt werden. Bei der Dichteermittlung werden nun die im Querschnitt des Implantates abgebildeten Grauwerte summiert und gemittelt.

Dieser ermittelte Grauwert entspricht gemäß der Hounsfield-Skala einer bestimmten Dichte im CT-Bild (HANDELS 2009). Da nun aber in der Mittelung der Grauwerte auch Grauwerte von nicht metallischen Bestandteilen (mit geringerer Dichte) berück-sichtigt wurden, fällt die Dichte geringer aus, als in Realität. Zudem wurde die ver-wendete Software zur Dichteermittlung auf die Knochendichte ausgelegt (mg HA/cm³), die zwar im Wesentlichen der Dichte reinen Magnesiums entspricht, allerdings wurden im Rahmen dieser Arbeit Legierungen mit hohem Legierungs-elementanteil verwendet, die durchaus eine abweichende Dichte aufweisen können.

Dies kann unter Umständen auch die unterschiedlichen Dichteergebnisse der einzelnen Implantate erklären, da besonders bei der Mischlegierung LAE442 abwei-chende Zusammensetzungen im Rahmen der EDX / ICP Untersuchungen ermittelt wurden. Grundsätzlich kann somit der in dieser Arbeit ermittelte Dichtewert der Legierung nicht direkt mit im Schrifttum bekannten Werten der Dichte reinen Magne-siums verglichen werden.

In der vorliegenden Arbeit zeigten die Platten in vitro eine korrosionsdauerabhängige Dichteabnahme mit ca. 5 % im XtremeCT und bis zu 9 % im µCT80. Allerdings ergab sich im µCT80 bei einer Platte (A1 = unbeschichtet / normaler Schraubendruck) auch eine 2 %ige Dichtezunahme. Bei den Schrauben stellte sich das Ergebnis noch un-regelmäßiger ein. So resultierte im XtremeCT nur bei einer Schraube (A2 = unbeschichtet / weniger Schraubendruck) ein Dichteverlust, während die

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übrigen Schrauben einen Dichtegewinn von ca. 8 % aufwiesen. Im µCT80 zeigten A1 und C1 (A1 = unbeschichtet / normaler Schraubendruck und C1 = fluoridbeschichtet) zwar eine ca. 2 %ige Zunahme, doch A2 und B1 (A2 = unbeschichtet / weniger Schraubendruck und B1 = NaOH behandelt) eine Abnahme mit knapp 12 %. Die Ab-nahme und ZuAb-nahme der ermittelten Dichten der Implantate in Abhängigkeit von der Korrosionszeit kann einerseits damit erklärt werden, dass mit fortschreitender Korro-sion der Implantate das exakte Trennen des Implantats von der Umgebung immer schwieriger wird. Statistisch gesehen werden somit mehr Korrosionsprodukte und organische Bestandteile zum Implantat gehörig definiert. Andererseits stellt sich ins-besondere die vergleichsweise geringe absolute Oberfläche der Schrauben als problematisch dar. Je kleiner die Oberfläche einer Geometrie bei der Dichtebestim-mung mittels µCT ist, desto höher wird die Fehlerquote in der Berechnung sein und umso höher fällt der Fehler ins Gewicht (SCHULMAN 2010). Aufgrund der ver-gleichsweise hohen Fehleranfälligkeit der vorgestellten Methode zur Dichteermittlung der Magnesiumimplantate lässt sich daher folgern, dass die in diesem Zusammen-hang erzielten Ergebnisse nur sehr schwer zu interpretieren sind. Für zukünftige Studien empfiehlt es sich daher, die hier verwendete Methode auf eine sinnvolle An-wendbarkeit zu überprüfen.

5.3.3 REM und EDX

Zur Bestimmung der Elemente auf der Implantatoberfläche in repräsentativen Aus-schnitten der Magnesiumproben fand das Verfahren der energiedispersiven Rönt-genanalyse (EDX) gekoppelt mit einem Rasterelektronenmikroskop (REM) bereits in vielen Studien Verwendung (WITTE et al. 2004b, XU et al. 2007, THOMANN et al.

2010a, WONG et al. 2013, SEITZ et al. 2013b). Die mit Hilfe der EDX ermittelten Ergebnisse für die Materialmatrix entsprechen im Wesentlichen der Zielzusammen-setzung der Legierung LAE442 (exklusive Lithium) (Magnesium als Matrixmaterial mit ca. 80 wt%, ca. 2 wt% Aluminium und 1 - 1,5 wt% Seltene Erden). Bei den Mes-sungen der in vivo Proben stellte sich bei dem > 6 Monaten gelagerten Material ein erhöhter Sauerstoffanteil dar. In den hellen Messbereichen konnten allgemein hohe Konzentrationen an Seltenen Erden und Aluminium festgestellt werden. Gemäß Seitz, welcher in seiner Arbeit eine LAE442-Legierung charakterisierte, handelt es

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sich bei diesen Bereichen wahrscheinlich um Al11RE3-, Al2RE- oder Al3RE-Phasen. In Analogie dazu gilt diese Phasenbildung auch für La2, wobei sich die Phasen Al11La3, Al2La oder Al3La gebildet haben könnten (SEITZ 2014). In den hellen Phasenberei-chen der Legierung LAE442 konnte zudem ein erhöhter Anteil an Mangan detektiert werden. Das Vorkommen von Mangan bei den in vitro Platten könnte dabei im Zu-sammenhang mit der zur Herstellung verwendeten Vorlegierung AE42 stehen, die öfter Mangan enthält. Da Mangan elektrochemisch edler ist als Magnesium (RAMPF 2010), ist es möglich, dass zu einem verstärkten Korrosionsangriff der Magnesium-matrix kommt. In Abhängigkeit von der Zeit könnte daher mehr Mangan auf der Ma-terialoberfläche vorhanden sein, da lediglich die Magnesiummatrix reduziert wird. Auf den in vivo Implantaten konnten dagegen keine deutlichen Mangangehalte nachge-wiesen werden. Durch die Messungen wurden lediglich Gehalte knapp oberhalb der Messgrenze festgestellt. Setzt man generelle Messschwankungen voraus, ist es möglich dass mögliche Mangan-Gehalte bei den in vivo Proben unterhalb der Mess-grenze liegen und deshalb nicht detektiert werden können. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die gemessenen Mangankonzentrationen Verunreinigungen waren und auf die Korrosion keinen Einfluss hatten.

Eine generelle Ausnahme bei den REM-Untersuchungen stellte die in vitro NaOH behandelte Platte im „Loch“ Bereich dar. Bei dieser Probe konnten keine Seltenen Erden (inkl. Lanthan) und kein Aluminium gemessen wurden, dafür erhöhte Kohlen- und Sauerstoffkonzentrationen. Dies ist möglicherweise mit einer verstärkten Korro-sionsschichtbildung im Messpunkt zu erklären und sollte daher als Ausreißer ange-sehen werden.

In den dunklen Arealen konnten hohe Sauerstoff-Konzentrationen festgestellt wer-den. Diese könnten auf eine hohe Konzentration von Lithium in diesen Arealen ver-muten lassen, da Lithium selbst mit Hilfe der EDX nicht detektiert werden kann, aber hochreaktiv mit Sauerstoff reagiert. Gao et al. (2009) beschreiben bei ihren Unter-suchungen mit einer ebenfalls lithium-, aluminium-, und RE-haltigen Magnesium-legierung eine rasche Ausbildung von kristallinem Li2O2 bei Benetzung der Proben-oberfläche mit Lithiumgehalten. In diesem Zusammenhang könnten die hohen Sauerstoffgehalte als Indikator für Lithium in diesen dunklen Arealen gedeutet

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werden. Seitz (2014) verwendete in seiner Arbeit ebenfalls hohe Sauerstoff-konzentrationen in strukturell auffälligen Gebieten als indirekten Indikator für Lithium.

Diese indirekte Nachweismethode für Lithium kann bei den erhöhten Sauerstoff-gehalten in der Matrix bei den > 6 Monaten gelagerten Platten und Schrauben An-wendung finden. Wodurch die Matrix sich tatsächlich aus den für die Legierung spezifischen Konzentrationen zusammengesetzt hat.

Bei den schwarzen Messbereichen handelte es sich um Randbereiche der Proben mit großflächigem Kontakt zur Einbettmasse (Epoxidharz). Hohe Kohlenstoff- (ca.

66 wt%) und Sauerstoffanteile, die in diesen Bereichen festgestellt werden konnten, sind daher im Wesentlichen der Zusammensetzung des Einbettmittels geschuldet.

5.3.1 Tiermodell

Vorteile einer in vitro Untersuchung sind die meist schnelle und kostengünstige Ergebnisermittlung und die Möglichkeit der Vorselektion bezüglich einer Eignung der Implantatmaterialien für in vivo Anwendungen. Mit Hilfe der in vitro Untersuchungen kann die Versuchstierzahl, im Hinblick auf ein ethisch vertretbares Versuchsdesign, so gering wie möglich gehalten werden (KIRKLAND et al. 2012a). Da es allerdings häufig Unterschiede zwischen in vitro und in vivo Untersuchungen in den Ergebnissen gibt, welche sich insbesondere in einem abweichenden Korrosionsver-halten darstellen (WITTE et al. 2005, WILLUMEIT et al. 2011), wurden die Platten und Schrauben in der eigenen Studie zeitgleich auch im Tiermodell getestet. Für die in vivo Untersuchungen wurden Kaninchen verwendet, da sie sich als ein gutes Tiermodell in der orthopädischen Forschung etabliert haben und einfach im Handling, wie auch günstig hinsichtlich ihrer Anschaffungs-, Haltungs-, und Untersuchungs-kosten sind (PEARCE et al. 2007, SUCKOW et al. 2012). Allerdings eignen sich Schafe noch besser zur Beurteilung von Osteosynthesemodellen, im Vergleich mit dem Menschen. Ein entscheidender Nachteil ist jedoch die vergleichsweise teure Haltung und Anschaffung sowie der zeitintensive Versorgungsaufwand der Tiere.

Außerdem kann beim Schafsmodell keine weitgehende Krankheitsfreiheit gewähr-leistet werden, was bei Kaninchen durch spezielle Haltungsbedingungen mit Freiheit spezieller Krankheitserreger eher gelingt. Zusätzlich ist eine µCT Untersuchung auf Grund der geringeren Größe beim Kaninchen möglich. Das Kaninchenmodell ist

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sicherlich als „Vormodell“ zu verstehen, um einen Einsatz im Schafsmodel zu legitimieren.

Nachteilig wirken sich beim Tiermodell im Vergleich mit in vitro Studien ganz all-gemein die zeitintensive Betreuung und die Tatsache, dass die Tiere am Studien-ende euthanasiert werden müssen, um weiterführStudien-ende Untersuchungen durchführen zu können. Des Weiteren ist es schwierig, eine statistisch sinnvoll auswertbare Tier-anzahl zu erreichen. Vor jeder Studie sollten mindestens ein, besser zwei Pilottiere verwendet werden, um mögliche Probleme im Versuchsdesign und in der Anwend-barkeit des zu untersuchenden Materials frühzeitig erkennen und den Versuch ge-gebenenfalls anpassen oder abbrechen zu können. Auch in der eigenen Studie wurden mehrere Pilottiere verwendet. Da es jedoch zu Komplikationen und Unver-träglichkeiten kam, wurde auf die Ausweitung der in vivo Studie für eine statistische Erhebung verzichtet.

Da aber eine exakte Nachahmung von in vivo Verhältnisse schwierig ist und ein Gold Standard für in vitro Untersuchungsmethodik noch nicht entwickelt wurde (AN et al.

2000, XIN et al. 2011, WALKER et al. 2014b), sind Tierversuche in diesem Zusam-menhang noch unumgänglich und wichtig.

Im Tiermodell konnten im Gegensatz zu den in vitro Versuchen auch röntgeno-logische und historöntgeno-logische Untersuchungen durchgeführt werden.

Das Röntgen diente im Rahmen dieser Arbeit allgemein zur aktuellen Bewertung vom Knochen sowie Implantat und erwies sich als ein einfach durchführbares und für die Kaninchen stressfreies Verfahren. Die Röntgenmethodik ist zudem kostengünstig und weltweit verfügbar. Die mit Stahlplatten versehenen Gliedmaßen konnten im la-terolateralen Strahlengang wegen der höheren Rückstrahlung und Materialdichte im Bereich direkt unter der Platte nicht ausgewertet werden. Für die Bewertung wurde ein semiquantitativer Score verwendet (HUEHNERSCHULTE et al. 2011), der aller-dings eine gute Qualität der Röntgenbilder voraussetzte. Diese Scoring Methode re-flektierte die Veränderungen zwar objektiver als das wechselhafte klinische Bild, aber durch das nur langsame Auftreten destruktiver Veränderungen und die schlechte Er-fassbarkeit kleinster Defekte war die Änderungssensitivität lediglich gering. Grund-sätzlich stellt die Röntgenanalyse allerdings ein geeignetes Verfahren für die in vivo

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Bewertung dar, wobei mit den erforderlichen Strahlenschutzmaßnahmen auch eine ungefährliche Durchführbarkeit gewährleistet ist. Die Röntgendiagnostik wurde zudem bereits in zahlreichen in vivo Magnesiumstudien erfolgreich angewandt (HÖH et al. 2009b, LALK et al. 2010, HUEHNERSCHULTE et al. 2012, HAMPP et al. 2013, BRACHT et al. 2013a). Sie diente als ergänzende Auswertungsmethodik v.a. für die Kontrollseiten, da bei den Stahlimplantaten auf Grund von Artefakten keine µCT Untersuchungen möglich waren (ERDMANN et al. 2011).

Durch histologische Untersuchungen von in vivo Proben können allgemein essenti-elle Aussagen über die Biokompatibilität gemacht werden (WINTERMANTEL 2002, AN u. MARTIN 2003, WITTE et al. 2006), weshalb diese Methodik bereits in zahl-reichen Magnesiumstudien angewendet wurde (AN u. MARTIN 2003, REIFENRATH 2005, KRAUSE 2008, HUEHNERSCHULTE et al. 2012, CHO et al. 2013). Die in dieser Arbeit gefertigten Gewebeschnitte wurden mit Hilfe der Trenn-Dünnschliff-Technik nach Donath hergestellt (DONATH u. BREUNER 1982), die als eine sehr gute, jedoch zeitintensive Präparationstechnik gilt. Dieses kostenintensive Verfahren stellt häufig die einzige Möglichkeit dar, um die Knochenreaktion auf das Implantat im direkten Implantat-Interface mikroskopisch bewerten zu können. Dabei zeichneten sich in dieser Arbeit besonders Knochenzubildungen und Lysen ab, wobei speziell die Anwesenheit von Osteoklasten im Bereich der Lysen diskutiert wird.

Grundsätzlich stellt sich die Idee eines degradablen Platten-Schrauben-Systems als eine zukunftsträchtige Innovation dar. Basierend auf den Ergebnissen dieser Arbeit ist es daher grundsätzlich zu empfehlen Platten und Schrauben Systeme mit einer deutlich langsamer korrodierenden Legierung oder einer effizienten Beschichtung zu prüfen. So erwies sich die Fluoridbeschichtung in dieser Arbeit als vielver-sprechender Korrosionsinhibitor. Und die Legierung La2, die im Rahmen dieser Arbeit in Weichgewebsnähe schlechte Ergebnisse zeigte, könnte sich im intra-medullären oder intrakortikalen bzw. -spongiösen Raum durchaus als biokompatible Magnesiumlegierung erweisen.

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6 Zusammenfassung

Leonie Wolters (2014): „Untersuchung zur Biokompatibilität und Degradation von Platten-Schrauben-Kombinationen aus Magnesiumlegierungen im in vitro Knochenmodell sowie im Kaninchenmodell“

Durch die Verwendung biodegradabler Osteosynthesesysteme nach Knochen-frakturen können eine Zweitoperation und die damit einhergehenden Risiken und Kosten vermieden werden. Daher war es das Ziel dieser Arbeit, Platten-Schrauben-Systeme aus Magnesiumlegierungen in vitro zu testen und auf ihre Anwendbarkeit an lasttragenden Knochen in vivo zu überprüfen. Dafür wurden die Magnesium-legierungen LAE442 und La2 verwendet. Als Kontrolle dienten dabei Platten und Schrauben der gleichen Geometrie aus Stahl, die standardmäßig zur Fraktur-versorgung eingesetzt werden.

Im Rahmen dieser Arbeit wurden das Korrosionsverhalten sowie die Biokompatibilität dieser Implantate untersucht. Ein Fokus wurde dabei auf die Ermittlung des Ein-flusses unterschiedlicher Oberflächenbehandlungen, Beschichtungen und Lagerungszeiträume der Implantate der LAE442 Legierung gelegt. In vitro als auch in vivo wurden die Magnesiumimplantate an der Tibia von Kaninchen fixiert, wobei in vivo die Implantate auch Kontakt zu Weichteilgewebe hatten.

In der vorliegenden Arbeit ließen unterschiedliche Lagerungszeiten, NaOH Be-handlungen, oberflächenglättende Prozesse und unterschiedliche Schraubendrücke bei der Implantation der LAE442 Platten und Schrauben keinen signifikanten Einfluss auf das Korrosionsverhalten und die Biokompatibilität erkennen. In vitro zeigten nur die fluoridbeschichteten Platten einen Trend zur geringeren Korrosion verglichen mit den Platten mit NaOH Behandlung oder unterschiedlichen Schraubendrücken. Alle Magnesiumplatten, die im Rahmen dieser Studie im Kaninchenmodell untersucht wurden, korrodierten deutlich stärker im Kontaktbereich zum Weichteilgewebe als in Bereichen mit Knochenkontakt. Es zeigte sich dabei eine gleichmäßige Oberflächen-, Spalt- sowie Lochkorrosion.

In vivo waren die verwendeten LAE442 und La2 Platten nicht biokompatibel, da sich neben einer initial starken Gasbildung auch Lysezonen am Knochen und massive

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Knochenzubildungen zeigten. Die neue Legierung La2 wies zwar im Gegensatz zu allen LAE442 Platten in vivo keine sichtbaren Osteolysen auf, dafür aber über-schießende Knochenzubildungen.

Sowohl die Legierung LAE442 als auch La2 eignen sich zum jetzigen Zeitpunkt

Sowohl die Legierung LAE442 als auch La2 eignen sich zum jetzigen Zeitpunkt