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Archiv "In der Rentenpolitik wird von Konsens geredet" (08.10.1986)

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In der Rentenpolitik gehen CDU/CSU, FDP und SPD aufeinan- der zu. So hat Bundesarbeitsminister Blüm schon mehrfach erklärt, daß er für die in der nächsten Legislaturperiode ange- strebte Strukturreform der gesetzlichen Rentenversicherung eine Einigung über die Parteigrenzen hinweg anstrebe. Für die Sozialdemokraten hat deren Sozialexpertin Anke Fuchs die Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisiert. Der FDP-Ab- geordnete Dieter Julius Cronenberg sieht ebenfalls rentenpo- litische Gemeinsamkeiten und hält einen Konsens für möglich.

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Aktuelle Politik

C DU/CSU, FDP

und SPD ha- ben sich auf eine Reform des bestehenden Rentensy- stems festgelegt. Sie halten es für „reformfähig und reforrnwür- dig". Die Grünen und Politiker wie Biedenkopf (CDU) streben dagegen einen Systemwechsel an. Sie wollen die steuerfinan- zierte Grundrente für alle. Früher haben auch FDP-Politiker wie Bangemann und Mischnick ähn- liche Positionen vertreten. Sie halten sich jetzt zurück, da sie sich mit ihrem Konzept zumin- dest in der FDP-Fraktion nicht haben durchsetzen können.

Mehrheitsfähig dürfte auch in der nächsten Legislaturperiode nur ein Vorschlagspaket sein, das die Grundelemente der heu- tigen lohn- und beitragsbezoge- nen Rente bewahrt. Die deut- liche Verbesserung der Renten- finanzen in den letzten Monaten, die vorerst anhalten wird, dürfte jene Politiker stärken, die einen Systemwechsel ablehnen.

Einigkeit besteht vor allem dar- über, daß die Rente lohn- und beitragsbezogen bleiben soll und daß die Belastungen aus der Verschlechterung der Alters- struktur, die von Anfang der neunziger Jahre an auf die Ren- tenbilanz durchschlagen, gleich- mäßig auf die Beitragszahler, die Rentner und den Bundeshaus-

halt zu verteilen sind. Damit wür- den nach 1990 die Beitragssätze und die Renten langsamer stei- gen, aber der Bundeszuschuß an die Rentenversicherung würde nachhaltig erhöht.

In die Rentenformel soll eine

„demographische Komponente"

eingebaut werden. Das bedeu- tet, daß bei einer Erhöhung des Beitragssatzes der jeweilige Rentenanpassungssatz entspre- chend gekürzt wird. Maßstab für die Erhöhung der Renten sollen nicht mehr die Brutto-Verdienste der Arbeitnehmer sein sondern deren verfügbare Einkommen.

Dies dürfte über eine stärkere Rentenbesteuerung angestrebt werden. Einerseits wird eine wei- tere Abwertung der beitragslo-

sen Versicherungszeiten ange- strebt, andererseits werden mit dem „Babyjahr" neue beitrags- lose Zeiten eingeführt. Dieser Widerspruch stört keine der drei Parteien. Alle reden von einem

„flexibleren Übergang" ins Ren- tenalter, was faktisch zu einer Erhöhung des Rentenzugangsal- ters und damit zu einer Entla- stung des Rentensystems führen soll. Jedenfalls müßten Anreize dafür gegeben werden, später als heute in die Rente zu gehen.

Umstritten ist zwischen den drei Parteien, auf welchem Weg die Harmonisierung der Alterssiche- rungssysteme, also insbesonde- re die Angleichung der Renten- versicherung, der Beamtenver- sorgung und wohl auch der be- rufsständischen Versorgungs- werke angegangen werden soll.

CDU/CSU und FDP halten sich in dieser Frage zurück, während die SPD dies zu einer zentralen Forderung macht. Wenig spricht vorerst dafür, daß es gelingen wird, in das Rentensystem eine Grundsicherung einzubauen, die für Rentenbezieher die So- zialhilfe überflüssig machen soll.

Das verlangt die SPD. Dieses Thema wird aber auch in den an- deren Parteien diskutiert. Derzeit überwiegt (noch?) die Ableh- nung. Die SPD besteht auf der Einführung einer Art „Maschi- nensteuer", die zu einer zusätz- lichen Belastung der Betriebe zugunsten der Rentenversiche-

rung führen würde. Die Koalition lehnt dies ab.

Die Vorschläge, über die zwi- schen den drei Parteien weitge- hend Einigkeit herrscht, könnten das Rentensystem bis etwa zum Jahr 2000 stabilisieren. Langfri- stig reicht dies jedoch nicht

aus, um die Beitragsbelastung in den

vertretbaren Grenzen zu halten.

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 41 vom 8. Oktober 1986 (17) 2745

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Rentenversicherung

Es wäre aber nicht zu verantwor- ten, sich auf eine Reform zu be- schränken, die offen läßt, wie das Rentensystem in zwanzig, dreißig Jahren aussehen wird.

Wer heute hohe Beiträge ent- richtet, hat einen Anspruch dar- auf zu erfahren, mit welchem Leistungsniveau er später in et- wa rechnen kann.

Der sich anbahnende Konsens programmiert im übrigen einen schweren politischen Konflikt zwischen der Sozialpolitik und der Finanzpolitik. Es ist völlig unrealistisch anzunehmen, daß eine so massive Erhöhung, wie sie zum Beispiel vom Sozialbei- ratfür richtig gehalten wird, poli- tisch durchzusetzen sein wird.

Das wäre nicht einmal wün- schenswert, denn: statt der Bei- träge müßten die Steuern erhöht werden; das Rentensystem wür- de noch stärker als bisher von der Lage der Staatsfinanzen ab- hängig; je mehr der Staat zu- schießt, um so gefährdeter ist das Versicherungsprinzip, nach dem sich die Renten an der Bei- tragsvorleistu ng zu orientieren haben. Die bisherigen Pläne -

Berufsständische Versorgung aus eigener Kraft

Für die gesetzlichen Rentenversi- cherungen ist ... eine Strukturre- form ... unerläßlich. An folgen- den Schwerpunkten müssen Refor- men ansetzen:

..,.. Übergang von der Brutto- zur Nettoanpassung der Renten.

..,.. Schrittweise Erhöhung und Sta- bilisierung des Zuschusses des Bundes zur Rentenversicherung.

..,.. Modifizierung der Vorausset- zungen zur Einweisung in die Be- rufs- und Erwerbsunfähigkeits- Frührente der gesetzlichen Renten- versicherung.

Die berufsständischen Versor- gungswerke der Ärzte und der an-

DEUTSCHES

~RZTEBLATT

Konsens hin, Streit her- reichen jedenfalls bei weitem nicht aus, um der Rentenversicherung langfristig eine Vertrauensbasis zu gewährleisten. Darauf käme es aber an.

Mit Erleichterung läßt sich je- doch zunächst einmal registrie- ren, daß sich die Ausgangsdaten für die angestrebte Strukturre- form verbessert haben. Der neue Rentenanpassungsbericht weist das aus. Im laufenden Jahr dürf- te ein Überschuß von rund sechs Milliarden Mark erzielt werden. Das liegt vor allem an der wach- senden Zahl der Beschäftigten.

Während seit 1976 in fast jedem Jahr die Rücklagen der Renten- versicherung abgeschmolzen werden mußten, kann die Ren- tenversicherung nun wieder Re- serven bilden. Das ist dringend geboten. Ende 1990 könnte die Rücklage, wenn man den jähr- lichen Lohnanstieg vorsichtig auf 3,5 Prozent und die Zunahme der Beschäftigtenzah I auf 0,5 Prozent schätzt, etwa 22 Milliar- den Mark betragen. Rechnet man mit Lohnerhöhungen von 3,7 Prozent und einem Beschäf-

deren verkammerten Freien Berufe werden die sich aus der sich ab- zeichnenden demographischen Ent- wicklung ergebenden Probleme aus eigener Kraft und ohne Staatszu- schuß lösen. Der Staat sollte des- halb:

..,.. jeden Eingriff in das bewährte Alterssicherungssystem unterlas- sen,

..,.. von Maßnahmen und Eingriffen absehen, die die Eigenständigkeit und gesunde Entwicklung der be- rufsständischen Versorgungswerke der verkammerten Freien Berufe be- einträchtigen könnten,

..,.. seine ganze Kraft auf die Stabili- sierung der gesetzlichen Rentenver- sicherung richten.

Zitiert aus den "Gesundheits-und so- zialpolitischen Vorstellungen der deutschen Ärzteschaft", 1986

tigtenzuwachs von 1 Prozent, so ergibt sich eine Rücklage von knapp 30 Milliarden Mark. Dieser Betrag deckt freilich nur Renten- ausgaben von 2,3 Monaten; das ist noch kein ausreichendes Si- cherheitspolster, wenn man dar- an denkt, daß die Reserven 1976 den Rentenausgaben für etwa neun Monate entsprachen.

Die günstigere Finanzentwick- lung schafft aber die Vorausset- zung dafür, daß die Strukturre- form ohne Zeitdruck vorbereitet werden kann. Daß auf sie nicht verzichtet werden kann, zeigen die bis zum Jahr 2000 reichen- den Modellrechnungen des Ren- tenanpassu ngsberichtes. Da- nach werden in den neunziger Jahren Beitragserhöhungen von annähernd 2,5 Prozent fällig. Un- terstellt man eine sehr günstige wirtschaftliche Entwicklung, so könnte damit bis etwa 1995 ge- wartet werden; verläuft die Ent- wicklung nicht so günstig, aber keineswegs schlecht, so müßte schon 1991 der Beitragssatz auf etwa 21 ,5 Prozent angehoben werden. Der große Schub käme aber erst im Jahre 2010, wenn sich die Altersstruktur der Bevöl- kerung rapide verschlechtert.

Wer jetzt darauf verzichtet, das Rentensystem langfristig zu si- chern, wird dann zu radikalen Operationen greifen müssen.

Das ist die langfristige Perspekti- ve. Zunächst einmal ist es erfreu- lich, daß die Renten zur Jahres- mitte 1987, wie das Kabinett jetzt entschieden hat, um etwa 3,7 Prozent erhöht werden können.

Das entspricht der durchschnitt- lichen Lohnrate dieses Jahres.

Effektiv erhalten die Rentner je- doch nur 2,93 Prozent mehr. Der

Krankenversicherungsbeitrag der Rentner wird nämlich, wie 1984 beschlossen, um weitere 0,7 Prozent auf 5,9 Prozent ange- hoben. Dabei soll es ebenso bleiben wie bei der Senkung des Beitragssatzes zum 1. Januar 1987 von derzeit 19,2 Prozent auf dann 18,7 Prozent.

Walter Kannengießer 2746 (18) Heft 41 vom 8. Oktober 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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