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Archiv "Pflegeversicherung: Disput um Finanzierung der Familienkomponente" (20.04.2001)

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gatorisch und flächendeckend abge- rechnet werden.

Die budgetneutrale Einführung im Jahr 2003 soll möglicherweise um ein weiteres Jahr auf das Jahr 2004 aus- gedehnt werden, ohne dadurch gleich- zeitig den Endzeitpunkt der Übergangs- phase hinauszuschieben (Ende 2006). In den Übergangsjahren soll nach den Vorschriften des § 6 Abs. 2 der Bun- despflegesatzverordnung (von 1995) ver- handelt werden. Danach gilt die For- mel: „Vorjahresbudget plus maximal mögliche Grundlohnsteigerungsrate plus gegebenenfalls nachgewiesene Aus- nahmen für zusätzliche Krankenhaus- leistungen“.

Berechnungsformeln

In der budgetneutralen Phase wird auf die bundes- oder landesweite Vereinba- rung „einheitlicher Basisfallwert“ ver- zichtet. Fehleinschätzungen des DRG- Preisniveaus auf Basis der unvollständi- gen Datenlage des Jahres 2001 und ge- gebenenfalls des Jahres 2002 sowie er- forderliche Preissenkungen infolge der Mengenentwicklung und von Kodieref- fekten (so genanntes Up-Coding) wür- den in den zwei Jahren der Umstellung vermieden oder nicht sichtbar werden.

Die erstmalige Vereinbarung ein- heitlicher Basisfallwerte würde für das Jahr 2005 gelten. Bis zum 1. Januar 2005 erfolgt dann die Umstellung der Bud- getverhandlungen auf das neue DRG- System nach der Formel: „DRG-Fall- pauschalen x Fallzahl = Ziel-DRG-Er- lösvolumen“. In der auf zwei Jahre be- grenzten Übergangsphase der Jahre 2005 und 2006 würde eine dreistufige Angleichung der einzelnen Kranken- hausbudgets an das neue DRG-Preis- niveau erfolgen, und zwar jeweils zum 1. Januar 2005 und 2006 sowie 2007.

Ziel ist es, zum 1. Januar 2007 eine ein- heitliche Bewertung aller Krankenhaus- leistungen zu erzielen. Für die Anglei- chung des Budgets gilt folgende Formel (BMG-Vorschlag): Vorjahresbudget plus oder minus ein Drittel (im Jahr 2005) der Differenz zum neuen Ziel-DRG-Erlös- volumen. Zum 1. Januar 2006 gilt: 50 Pro- zent der Differenz; zum 1. Januar 2007 würde dann das neue Ziel-DRG-Volu- men gelten. Dr. rer. pol. Harald Clade

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A1030 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 16½½½½20. April 2001

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us dem Grundsatzurteil des Bun- desverfassungsgerichts (BVG) zur Entlastung von Familien bei den Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Pflegeversicherung ziehen SPD, die Bündnisgrünen, die Union und die FDP unterschiedliche Schlüsse und zum Teil gegensätzliche Konsequenzen für die übrigen Zweige des sozialen Siche- rungssystems. Auch bei den Spitzenver- bänden der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung stieß das Urteil auf geteiltes Echo. Der Deut- sche Gewerkschaftsbund sieht Chan- cen, den Familienlastenausgleich grund- sätzlich neu über eine zentrale Kinder- geldkasse oder über steuerliche Er- leichterungen zu regeln. Die Arbeitge- ber (Bundesverband der Deutschen In- dustrie; Bundesvereinigung der Deut- schen Arbeitgeberverbände) forderten dazu auf, die Beitragsbelastung von El- tern und Kinderreichen insgesamt zu überprüfen und dem Einnahmen-Ni- veau anzupassen.

Sieg für Familien

Bündnisgrüne begrüßten im Gleich- klang mit den Familien- und Sozialver- bänden (Deutscher Familienverband;

Sozialverband VdK) das Karlsruher Urteil als einen „Sieg“ für Familien und Kinder und als einen „Meilenstein“ und als einen „richtungweisenden Schritt zu einer kinderfreundlichen Gesell- schaft“ (so die gesundheitspolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, Katrin Göring-Eckardt). Grüne und der CSU- Sozialpolitiker Johannes Singhammer erklärten, Familien mit Kindern seien die Gewinner dieser „revolutionären“

Entscheidung. Manche gehen sogar so weit anzunehmen, dass das gesamte So- zialversicherungssystem jetzt reform-

bedürftig sei, nicht zuletzt die Renten- reform 2001 kippen könnte.

In den Disput haben sich inzwischen sowohl Bundesarbeitsminister Walter Riester als auch Bundeskanzler Ger- hard Schröder eingeschaltet. Obwohl das BVG-Urteil dazu auffordert, die Auswirkungen auf die anderen Sozial- versicherungssysteme gründlich zu prü- fen, sieht die Bundesregierung keine di- rekten Auswirkungen für die Renten- versicherung. Die Forderung des Ge- richts nach einer familienfreundlichen Sozialversicherung sei in der Renten- reform „voll berücksichtigt“, meinte Schröder. Das Urteil richte sich in er- ster Linie nicht gegen seine, sondern ge- gen die „früheren konservativen“ Re- gierungen. Der Kanzler erklärte: „Die Richter haben der Regierung zwar ge- sagt, dass sie etwas machen muss. Aber wie wir es machen, ist unsere Sache.“

Während die Union niedrigere Bei- tragssätze auch für die Renten- und Krankenversicherung fordert, lehnt Riester dies ab. Geringere Beiträge führten zu „riesigen Rentenkürzungen“

und durchkreuzten sämtliche einver- nehmlich festgelegten Ziele der aktuel- len Rentenreform, warnte der Minister.

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) sieht für die Krankenver- sicherung ebenfalls keinen aktuellen Re- formbedarf. Die beitragsfreie Mitversi- cherung von Kindern in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sei eine wichtige Familienkomponente, und in der Rentenversicherung sei seit dem Verfassungsgerichtsurteil von 1992 mit der Anrechnung von Kindererziehungs- zeiten bei der Bemessung der Rente ein wesentlicher Schritt nach vorne getan worden. Sämtliche darüber hinausge- henden Reformschritte seien übereilt und müssten wohl durchdacht werden.

Auch der Staatssekretär des Bundesge-

Pflegeversicherung

Disput um Finanzierung der Familienkomponente

Unterschiedliche Beurteilung der Tragweite des BVG-Urteils

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sundheitsministeriums, Dr. Karl Theo Schröder, warnte davor, Änderungen bei der Finanzierung der Sozialleistungs- systeme im Hauruckstil vorzunehmen.

Dennoch zeigte er sich durch das Urteil

„überrascht“. Das Gleichgewicht zwi- schen den Generationen sei infolge der vielen kinderlosen Ehepaare zulasten derer mit Kindern in ein generatives Un- gleichgewicht geraten. Wenn das Gericht jetzt fordere, das Gleichgewicht wieder herzustellen und Kinder im Generatio- nenvertrag als künftige Beitragszahler stärker zu berücksichtigen, habe man faktisch einen Drei-Generationen-Ver- trag, so Schröder. Dies sei so nicht erwar- tet worden. Schließlich habe die Bundes- regierung mit den Erhöhungen des Kin- der- und Erziehungsgeldes, der Steuerre- form und der Erhöhung der Kinderfrei- beträge schon einiges für die Familien und Kinderreichen getan.

CDU/CSU: Grundlegende Änderungen erwartet

Die Bewertung des Urteils durch Uni- onspolitiker ist unterschiedlich, zum Teil kontrovers. Der Fraktionsvorsit- zende der CDU/CSU-Bundestagsfrak- tion, Friedrich Merz, rechnet spätestens bis zum Jahr 2005 mit einer grundlegen- den Änderung der Rentenreform 2001.

Jedenfalls fordere das Urteil Politik und Gesetzgeber zu einer „riesigen Kraftan- strengung heraus“. Das Urteil bedeute einen Paradigmenwechsel in der Famili- en- und Sozialpolitik. Seiner Ansicht nach müsse der bereits seit 1992 vom BVG geforderten Familienkomponente auch in der Rentenversicherung durch gestaffelte Beiträge noch mehr Rech- nung getragen werden. Zugleich könne das von der Union favorisierte steuer- rechtliche Familiensplitting zusätzlich ein Weg sein, um die Familienkompo- nente im sozialen Bereich zu verstärken.

Der Unionsfraktionsvize und Sozial- experte Horst Seehofer (CSU) meinte, die Rentenreform und die private Zu- satzvorsorge für das Alter seien auf dem Hintergrund des Urteils „klinisch tot“.

Über niedrigere, familienbezogene Ren- ten- und Krankenversicherungsbeiträge und eine grundlegende Finanzierungsre- form der übrigen Sozialleistungszweige müsse politisch entschieden werden.

Der ehemalige Bundesarbeitsminister Dr. Norbert Blüm (CDU), unter dessen Ägide die Pflegeversicherung eingeführt wurde, wies den Vorwurf, die Pflegever- sicherung sei familienfeindlich, zurück.

Gegen die Widerstände vieler habe er durchgesetzt, dass im Gesamtbeitrag (zurzeit maximal 110 DM je Monat) die ganze Familie einschließlich der Kinder in der Pflegeversicherung mitversichert sei. Wenn jetzt ein Zusammenhang zwi- schen „Wertschöpfung und Kinderzahl“

hergestellt werde, müssten künftig an- dere Konsequenzen gezogen werden – auch im Bereich der Aufwertung und gesellschaftlich besseren Anerkennung von Familien und Kindern. Sämtliche familienpolitisch bestimmten Soziallei- stungen müssten in einer eigenständigen Kindergeld- oder Familienkasse gebün- delt werden. Diese Empfehlung stößt zum Teil auch beim Deutschen Gewerk- schaftsbund auf Sympathie. Diesem Vor- schlag pflichtete Prof. Dr. Bert Rürup, der Vorsitzende des Sozialbeirats der Bundesregierung, bei. Er empfahl, einen Ausgleich zugunsten von Kinderreichen und Familien ausschließlich aus dem Steueraufkommen zu finanzieren.

Während der bayerische Ministerprä- sident, Dr. Edmund Stoiber (CSU), das Urteil für Forderungen zum Anlass nahm, das gesamte Sozialleistungssystem

grundlegend zu verändern und die Finanzierungsmechanismen zu überprüfen, riet der gesund- heitspolitische Sprecher der FDP im Bundestag, Dr. Dieter Thomae, dazu, zunächst eine Expertenkommission einzuset- zen. Der CDU-Sozialexperte Andreas Storm plädiert für ei- nen „Familienrabatt“ bei den Beiträgen zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung um je- weils zehn Prozent je Kind. Nach Ansicht des CSU-Finanzexper- ten Hans Michelbach wird das Urteil auch Auswirkungen auf das Steuerrecht haben.

Die Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der gesetzli- chen Pflegekassen (GKV-Spit- zenverbände) hat an die Politik appelliert, den Familienlasten- ausgleich in der Pflegeversiche- rung gerecht zu gestalten. Die Kassen erwarten eine sorgfälti- ge Prüfung der Umsetzungsmöglichkei- ten, um Erziehungsleistungen gegebe- nenfalls angemessen zu berücksichti- gen. Weil der Familienlastenausgleich eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“

sei, könne eine bloße Umverteilung der Beitragslasten der Versicherten mit Kindern und Kinderlosen innerhalb der Sozialversicherungssysteme keine ad- äquate Lösung sein. Es sollte deshalb geprüft werden, ob die Sozialversiche- rungsbeiträge von Familien mit Kin- dern besser steuerlich berücksichtigt werden können. Die Grünen-Finanzex- pertin Christine Scheel schlug vor, in die Finanzierung der Pflegeversiche- rung auch Selbstständige und/oder Be- amte einzubeziehen.

Der Verband der privaten Kranken- versicherung e.V. begrüßte das Urteil, das an der Verfassungsmäßigkeit der Pflegepflichtversicherung nicht rüttele.

Es bestätige vielmehr die Versicherungs- pflicht und das Anwartschaftsdeckungs- verfahren in der Privatversicherung.

Der Marburger Bund meint, das Ur- teil habe aufgezeigt, dass das Verfahren mit paritätischer Umlagefinanzierung durch Arbeitgeber und Versicherte an seine Grenzen gestoßen sei. Jetzt dürf- ten kinderlose Paare und Familien mit Kindern nicht gegeneinander ausge- spielt werden. Dr. rer. pol. Harald Clade P O L I T I K

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A1032 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 16½½½½20. April 2001

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