A 2194 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 42|
21. Oktober 2011RHÖN-KLINIKUM
Facharztmangel in Bad Neustadt
Die zur Rhön-Klinikum AG gehörende Neurologische Klinik Bad Neustadt reagiert auf einen drohenden Facharztmangel. Sie bietet weiterbildungswilligen Ärzten aus dem Ausland ein sechsmonatiges Integrationsprogramm mit Sprachkurs an.
E
s wirkt wie ein Rundum-sorg- los-Paket, das die Neurologi- sche Klinik Bad Neustadt ausländi- schen Ärzten vor deren Facharzt- weiterbildung anbietet. Mit ihrem Modell gegen den Ärztemangel, be- ziehungsweise ihrem „freiwilligen Integrationsprogramm vor der Fach- arztweiterbildung“, wie es Prof. Dr.med. Bernd Griewing, Ärztlicher Di- rektor in Bad Neustadt, lieber nennt, reagiere die Klinik auf den schon jetzt spürbaren Trend eines Nach- wuchsmangels. Ziel sei es, die jun- gen Kollegen aus dem Ausland opti- mal auf eine Facharztweiterbildung vorzubereiten, sagte Griewing dem Deutschen Ärzteblatt. Dabei spiele die soziale Integration eine mindes- tens genauso wichtige Rolle wie die fachlichen und sprachlichen Voraus- setzungen für den ärztlichen Beruf.
Die zehn Teilnehmer des ersten Inte- grationskurses, der im August ende- te, kommen aus Kolumbien, Libyen, Peru, Rumänien und anderen EU- oder Nicht-EU-Staaten. Sie haben vor wenigen Wochen mit ihrer Wei- terbildung begonnen.
Ziel ist, die Teilnehmer umfassend zu integrieren
Während die Teilnehmer im Zuge des ersten Vorbereitungskurses im Klinikum Bad Neustadt hospitier- ten, sollten sie darüber hinaus so- ziale Kontakte knüpfen und die deutsche Kultur kennenlernen. Um Formalien, wie die Suche nach ge- eigneten Übersetzern für die einzu- reichenden Dokumente und das Zu- sammenstellen aller nötigen Unter- lagen für ein späteres Arbeitsver- hältnis, kümmerte sich die Koordi- natorin Christiane Hanshans. „Als uns nach Ende des Kurses das B2-Zertifikat für eine ausreichende Kenntnis der deutschen Sprache vorlag, reichten wir der Regierungvon Unterfranken alle Dokumente zur Prüfung ein“, erklärt sie. Ärzte, die aus Nicht-EU-Mitgliedstaaten, also sogenannten Drittstaaten kom- men, erhalten nach Bundesärzte- ordnung eine befristete Arbeitser- laubnis. Sie ist in der Regel auf vier Jahre begrenzt und kann auf maxi- mal sieben Jahre verlängert werden.
„Im Moment sieht es noch so aus,“ erläutert Hanshans, „ dass sich ausländische Ärzte aus Drittstaaten nach der Facharztprüfung entschei- den müssen, ob sie die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen.“
Diese ist für die Einbürgerung und den Approbationsantrag notwendig.
Man wolle die Ärzte natürlich auch dauerhaft beschäftigen. Es ist der Klinikleitung sehr wichtig, zu beto- nen, keine billigen Arbeitskräfte aus dem Ausland anzuwerben. Alle aus- ländischen Ärzte in Weiterbildung arbeiteten zu denselben Konditio- nen wie ihre deutschen Kollegen.
Der Rhön-Konzern war zuletzt in die Schlagzeilen geraten, nachdem
Ärzte in den Medien eine massive Verschlechterung der Arbeitsbedin- gungen im Universitätsklinikum Marburg beklagten. Dies war 2006 von der Rhön-Klinikum AG über- nommen worden. Kostendruck, Per- sonalabbau in der Pflege und da- durch entstandene Überbelastungen, hätten zu einer verschlechterten Qualität der Patientenversorgung geführt. Diese Meldungen kratzen auch am Image der übrigen Klini- ken des Konzerns. In Bad Neustadt macht man jedoch andere Gründe für den Nachwuchsmangel verant- wortlich. Mit circa 15 000 Einwoh- nern ist die Stadt nicht gerade groß.
Das Klinikum liegt im ländlichen Raum und konkurriert mit Standor- ten in Nürnberg, München und je- nen im Rhein-Main-Gebiet.
Galina Dyuzheva, aus Russland, hat am Programm in Bad Neustadt teilgenommen. Die junge Ärztin ist über ein Stipendium an die Univer- sität nach Düsseldorf gelangt. Nach dem Auslaufen des Stipendiaten- Programms, stand ihr Entschluss fest, in Deutschland ihre Facharzt- ausbildung zur Neurologin zu ab- solvieren: „Ich habe dann im Zuge meiner Recherchen im Internet ge- sehen, dass in Bad Neustadt Ärzte gesucht werden.“ Ein Stammtisch und gemeinsame Ausflüge mit den anderen Teilnehmern und den deut- schen Kollegen in die Umgebung haben ihr das Einleben erleichtert.
Ob das Programm zu einer lang- fristigen Standardveranstaltung wird, weiß in Bad Neustadt noch nie- mand zu sagen. Der zweite Kurs hat schon begonnen, und der dritte ist bereits halbvoll. Aus dem ersten Kurs haben gleichwohl zwei Teil- nehmer Deutschland schon wieder den Rücken gekehrt. Der Grund:
Heimweh.
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Johanna Protschka Prof. Dr. med.
Griewing (zweiter von links) und Christiane Hans- hans mit erfolgrei- chen Teilnehmern des ersten Kurses
Foto: Rhön-Klinikum AG, Neurologische Klinik, Bad Neustadt