A 2102 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 40|
7. Oktober 2011RHÖN-KLINIKUM
Seit 2009 habe es keine Gespräche mehr mit dem Uni- versitätsklinikum Gießen und Marburg gegeben, schrieben Vertreter der Initiati- ve „NotRuf 113“ (DÄ 26/2011: Leser- brief „Keine Gespräche“ von Ulrike Kretschmann, Susanne Deuker und Eike Peter Schäfer).
Rätselhaft
Das Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) führt mit Politik, Öffentlichkeit und interes- sierten Gruppen immer wieder Ge-
spräche über die Gesundheitsver- sorgung in Mittelhessen. Auch ge- genüber der Initiative „NotRuf 113“ haben wir mehrfach unsere Gesprächsbereitschaft signalisiert.
Weshalb die Initiative dennoch im Leserbrief vom 1. Juli den Vorwurf aufrechterhält, wonach das UKGM nicht zum Dialog bereit sei, ist uns rätselhaft. So haben wir allen Gruppen gegenüber – auch NotRuf 113 – darauf hingewiesen, dass uns an konstruktiven Gesprächen sehr gelegen ist. Wir machen deut- lich, dass solche Gespräche nur im fairen und offenen Umgang mitei- nander gelingen können. Zudem ist es uns wichtig, in Konfliktfäl- len gemeinsam nach guten Lö-
sungswegen zu suchen, gerade wenn es darum geht, die Versor- gung der Patienten zu verbessern.
Wir sagen aber auch, dass ein kon- struktiver Austausch über Patien- tenprobleme nicht über öffentliche Diskussionsrunden, sondern nur im direkten Gespräch gelingen kann.
Zu diesem offenen, fairen, sachori- entierten und konstruktiven Dialog ist die Geschäftsleitung auch künf- tig jederzeit bereit. Dies gilt für unsere Mitarbeiter, für Vertreter aus Politik und Öffentlichkeit und ebenso für die Initiative „NotRuf 113“.
Frank Steibli, Leiter Kommunikation und Pressesprecher, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH (UKGM), 35392 Gießen
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S k m v G g V ve NotRuf 113“(DÄ
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KOS METI SCHE MEDIZIN
Wenn Ärzte ohne medizinische Indika- tion operieren, sind sie keine Heiler mehr, sondern Wunscherfüller – mit Folgen für das Arztbild (DÄ 26/2011: „Ästhetisch-kos- metische Medizin: Schönheit hat ihren Preis“ von Birgit Hibbeler und Nicola Siegmund-Schultze).
Unzulässige Polarisierung
Heuchelei und argumentatives He- rumeiern sind typisch für das The- ma „Schönheitschirurgie“, wie die Autoren und deren Interviewpart- ner unter Beweis stellen. Formal handelt es sich bei dem Beitrag no- lens volens um ein Lehrstück für Priorisierung in der Medizin mit Beifallskundgebungen breiter Be- völkerungsschichten einschließlich
der Standesvertreter und der Kir- chen. Am Anfang steht die Verbrei- tung einer Irrlehre: hier die in der Biologie unzulässige Polarisierung der Begriffe Schönheit und Ge- sundheit. In Bezug auf einen Bio- organismus ist gesund auch stets schön und umgekehrt. Wortschöp- fungen wie „Schönheitschirurgie“,
„Ästhetische Chirurgie“ etc., mit welchen später die Leistungsaus- grenzung begründet wird, sind ab- sichtlich unpräzise. Mit Begriffen dieser Art werden keine neuen En- titäten geschaffen. Sie dienen Fachgebietsfremden zur Vortäu- schung falscher Tatsachen oder Be- rufsverbänden zur Begründung von Alleinvertretungsansprüchen.
„Schönheitsoperationen“ werden in allen operativen Fächern durchge- führt. Man werfe einen Blick auf die unverdächtige Orthopädie. Bei allen Leistungen der „Ästhetischen Medizin“ handelt es sich stets um ärztliche Heilkunst und nicht etwa um Dienstleistungen wie in der Kosmetik. Daher ist die ärztliche Approbation gefordert. Es wird richtig festgestellt, dass ärztliche Leistungen einer medizinischen In- dikation bedürfen. In einer verfass- ten Ordnung braucht es dazu eine legale Definition für Gesundheit, und diese hat die Weltgesundheits- organisation im Jahre 1946 be- schlossen und verkündet „Health is a state of complete physical, men-
tal, and social well-being, and not merely the absence of disease or infirmity“. Damit fällt ein Großteil sogenannter „Schönheitsoperatio- nen“ in das Spektrum medizinisch indizierter Behandlungen. Ob- gleich Mitglied der UNO, hat Deutschland diese Definition nicht übernommen. Faktisch entscheidet hierzulande der Sachbearbeiter, was „gesund“ ist und bezahlt wird.
Bis Ende der 80er Jahre wurden von den Krankenkassen regelmä- ßig Leistungen der heutigen Kate- gorie Ästhetik, zum Beispiel bei psychischem Leiden, übernommen.
Die Wende leitete das Bundessozi- algericht mit einem Urteil 1993 (Az.: 1 RK 14/92) ein, wonach psy- chisches Leid infolge empfundener körperlicher Mängel nicht chirur- gisch, sondern psychotherapeutisch zu behandeln sei. Eingedenk des- sen möge jemand nachvollziehbar erklären, weshalb Frauen nach chi- rurgisch erfolgreicher Therapie ei- nes Mammakarzinoms nach wie vor eine operative ästhetische Wie- derherstellung als Kassenleistung beanspruchen können. Man er- kennt hier die Willkür bei der In- terpretation von Urteilen bezie- hungsweise bei der Definition von Gesundheit, welche sich auf Ent- scheidungen bei der Kostenüber- nahme überträgt . . .
Dr. Johannes Reinmüller, Chirurg/Plastischer Chirurg, Klinik am Sonnenberg, 65191 Wiesbaden
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W m t s m W m Arztbild(DÄ 26/2011