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Archiv "PSYCHIATRIE: „Minipsychiatrie“?" (12.03.1982)

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BRIEFE AN DIE REDAKTION

SEX

Zu dem Artikel von Dr. med. H.

W. Rölke „Sexismus und Men- schenwürde", Heft 3/1982, Sei- te 24 ff., und einer Karikatur von Dr. med. W. Schützler „Ei- nes Tages im gynäkologischen Bereich", Heft 4/1982, Seite 27:

Aliquid haeret

... Den Ausführungen kann nur beigepflichtet werden, ist doch der Sexis- mus inzwischen in alle Be- reiche unseres Lebens ein- gedrungen. Auch „Ärzte und Medizin" werden, wie das DEUTSCHE ÄRZTE- BLATT richtig schreibt, heute sexistisch vermark- tet. Man denke nur an ge- wisse Illustrierte u. Filme (zum Beispiel Schwestern- report). Um so erstaunli- cher ist es, daß ausgerech- net das DEUTSCHE ÄRZ- TEBLATT als offizielles Or- gan der deutschen Ärzte- schaft bereits in seiner nächsten Ausgabe... eine

„Lolita"-Karikatur von Dr.

med. Werner Schützler ver- öffentlicht. Derartige Kari- katuren gehören, ohne in Prüderie zu verfallen, ein- fach nicht in das offizielle Organ unseres Berufsstan- des und schaden zweifellos dem immer noch vorhan- denen Ansehen des Arztes.

Aliquid haeret, sagt der La- teiner.

Sanitätsrat Dr. med.

Erich Pies Katharinenufer 5 5500 Trier

PSYCHIATRIE

Zu dem Aufsatz „Bürgernah statt gemeindenah" von Pro- fessor Dr. med. Dr. Hans-J.

Haase in Heft 12/1981:

„Minipsychiatrie"?

Der Beitrag von Haase wirft gewissermaßen den Feh- dehandschuh in die psych- iatrische Arena, so daß man ihn nicht einfach dort liegenlassen kann. Dies

wird Haase auch wohl selbst nicht erwartet ha- ben, nachdem er mit sol- cher Vehemenz seine zu- mindest ungewöhnliche Konzeption der psychiatri- schen Versorgung dar- stellt. Nachdem unlängst noch der Leiter des Westfä- lischen Landeskranken- hauses Gütersloh zur Ab- schaffung der psychiatri- schen Großkrankenhäuser aufgerufen hat, erleben wir hier durch den Leiter der Pfalzklinik Landeck eine ebenso entschiedene Ver- teidigung seiner Institu- tion, die ja, wenn ich es recht verstehe, als Magna mater der psychiatrischen Versorgung der Pfalz be- trachtet wird. Dies möchte alles noch angehen, wenn nicht zugleich gegen die immerhin 52 existierenden psychiatrischen Fachabtei- lungen an Allgemeinkran- kenhäusern vom Leder ge- zogen würde mit disqualifi- zierenden Beiworten wie

„Minipsychiatrie" und

„Zweiklassenpsychiatrie".

Als Leiter einer solchen nach Haase „Miniabteilung für Psychiatrie" an einem

Allgemeinkrankenhaus (mit derzeit noch 54 Betten, Erweiterung auf 100 Betten im Bau mit vorgesehener Übernahme eines Versor- gungsgebietes), aus- nahmsweise in einer klei- neren Stadt von 45 000 Ein- wohnern gelegen, fühle ich mich betroffen und auch getroffen, so als ob die von uns geleistete Arbeit un- nütz, ja beinahe schädlich und für die Versorgung psychisch Kranker nahezu unbedeutend sei.

Was zunächst die Richtzahl der Psychiatrie-Enquete von 200 Betten für psychia- trische Fachabteilungen als Mindestgröße angeht, ist diese Zahl nach Aus- kunft eines Beteiligten nach langem Hin und Her als Kompromiß festge- schrieben worden, um das Thema endlich vom Tisch zu haben. Die weitere Ent- wicklung hat ja auch ge- Die Information:

Bericht und Meinung

Wyeth

Tavor

Zusammensetzungen:

1 Tablette Tavor 1,0 enthält 1 mg Lorazepam 1 Tablette Tavor 2,5 enthält 2,5 mg Lorazepam Anwendungsgebiete:

Tavor ist therapeutisch bei den meisten Zuständen, bei denen Angst eine wichtige Rolle spielt, wirksam:

Angst als komplizierender Faktor bei organischen Erkrankungen;

emotional bedingte Störungen wie z.B. Magen-Darm-Störungen oder Schlafstörungen;

Psychoneurosen wie Angstneurosen, Zwangsneurosen, Phobien; Angst- zustände bei Depressionen und Schizophrenien;

Sedierung vor diagnostischen und operativen Eingriffen.

Gegenanzeigen:

Myasthenia gravis. Anwendung in der Schwangerschaft nur bei strenger Indikationsstellung.

Nebenwirkungen:

In den ersten Behandlungstagen oder bei nicht angepaßter, zu hoher Dosierung können Müdigkeit, Benommenheit und Schwindel auftreten, die im weiteren Verlauf der Behandlung oder, wenn notwendig, bei Herabset- zen der Dosis meist verschwinden. Weitere Nebenwirkungen, die gelegent- lich festgestellt wurden, sind leichte Übelkeit, Mundtrockenheit, Appetit- und Gewichtsveränderungen. Bei hohen Dosen sind infolge des muskel- relaxierenden Effektes Gangunsicherheit, ataktische Erscheinungen, Doppelbilder und Artikulationsstörungen möglich.

Wechselwirkungen:

Zwischen Tavor und anderen zentraldämpfenden Pharmaka (z.B. An- algetika, Schlafmittel, Psychopharmaka) ist eine wechselseitige Wrkungs- verstärkung möglich.

Dosierung:

Zur Erreichung eines optimalen Effektes soll eine individuelle Dosierung erfolgen. Die angegebenen Dosen sollen daher nur als allgemeine Richt- linien angesehen werden.

- in der allg. und internistischen Praxis:

2- bis 3mal 1 Tablette Tavor 1,0 pro Tag. Bei emotional bedingten Schlaf- störungen genügt in der Regel 1 Tablette Tavorl,0 vor dem Schlafengehen.

- in der Chirurgie und Anaesthesiologie:

Praeoperativ 2 Tabletten Tavor 1,0 etwa 1 Stunde vor dem Eingriff. Am Vor- abend der Operation sowie postoperativ in geeigneten Zeitabständen 1 bis 2 Tabletten.

- in der Psychiatrie:

Die Dosierung, besonders in der Einleitungsbehandlung, muß dem Einzel- fall entsprechend dem breiten Indikationsgebiet und dem individueller, Ansprechen des Patienten angepaßt werden, bei organischen Hirnpro- zessen und leichteren dysphorischen Verstimmungszuständen beginnend mit 1-3x 1 mg/Tag. Phobien, Angstsymptome 3 bis 7,5 mg (3x 1 Tablette Tavorl,0 bis 3.1 Tablette Tavor 2,5) pro Tag, Erhaltungsdosis nach initialer Dosenanpassung.

Bei ambulanter Behandlung, zu Beginn oder Ende der Therapie sowie zur Ermittlung der individuellen Dosierung können auch halbe Tabletten ange- wandt werden. Im Anschluß an eine länger dauernde Behandlung soll die Medikation ausschleichend beendet werden.

Besondere Hinweise:

Dieses Arzneimittel kann auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch das Reaktionsvermögen soweit verändern, daß die Fähigkeit zur aktiven Teil- nahme am Straßenverkehr oder zum Bedienen von Maschinen beeinträch- tigt wird. Dies gilt in verstärktem Maße im Zusammenwirken mit Alkohol.

Bei einem Psychopharmakon dieses Typs ist es nicht völlig auszu- schließen, daß längere und hochdosierte Anwendung bei entsprechend disponierten und zu Mißbrauch neigenden Patienten zu einer gewissen Abhängigkeit führen kann.

Packungsgrößen und Preise:

Tavor 1,0 Tavor 2,5

Tabletten zu 1 mg Tabletten zu 2,5 mg O.P. 20 Tabletten DM 8,20 0.P. 20 Tabletten DM 15,01 O.P. 50 Tabletten DM 19,32 O.P. 50 Tabletten DM 35,75 A.P. 500 Tabletten A.P. 500 Tabletten Alle Tabletten sind mit einer Teilungsrille versehen.

Wyeth

WYETH-PHARMA GMBH POSTFACH 8808 4400 MÜNSTER

8 Heft 10 vom 12. März 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe KB

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Psychiatrie

< zeigt, daß diese Zahl zu hoch gegriffen war und auch mit kleineren Betten- zahlen ein wertvoller Bei- trag zur psychiatrischen Versorgung der Bevölke- rung geleistet werden kann. Auch frühere Zahlen, wie ein psychiatrisches Bett auf 1000 Einwohner, haben sich längst als über- höht herausgestellt.

Was die Fülle der Erhebun- gen über kleine psychiatri- sche Fachabteilungen an- geht, so besteht diese Fülle nach meiner Erfahrung vorwiegend aus Mutma- ßungen der Gegenseite. Sc) konnte Bauer von der Me- dizinischen Hochschule Hannover in der psychiatri- schen Praxis lediglich zum Vergleich auf Zahlen aus der psychiatrischen Abtei- lung aus Bad Driburg zu- rückgreifen, inzwischen liegt noch ein weiterer Er- fahrungsbericht aus der psychiatrischen Abteilung Freudenstadt vor.

Es ist deswegen wenig hilf- reich, immer wieder zu be- haupten, in den kleinen Ab- teilungen würden bei- spielsweise grundsätzlich weniger Alkohol- und Suchtkranke aufgenom- men. In unserer eigenen Abteilung liegen diese Er- krankungen (1979) immer- hin bei 25 Prozent.

Auch der inzwischen ärger- liche Begriff „Zweiklas- senpsychiatrie" sollte aus der Diskussion verschwin- den, da er inzwischen zu einem beliebten Schlag- wort geworden.

Ich kann hier nur für die eigene Abteilung sprechen und feststellen, daß wir, ab- gesehen von Zwangsunter- bringungen, die wir wegen Fehlens einer geschlosse- nen Abteilung derzeit noch nicht betreuen können, nur ein einziges Selektionskri- terium kennen, nämlich das des freien Bettes. Was die Diagnosenverteilung angeht, bliebe noch sehr

zu prüfen, ob die Vertei- lung in den kleinen Fach- abteilungen das Vorkom- men psychischer Störun- gen in der Bevölkerung nicht wesentlich besser spiegelt als die der Groß- krankenhäuser. Nach mei- nen eigenen, auch im Großkrankenhaus gesam- melten Erfahrungen ist dies zweifelsohne der Fall.

Es stimmt auch nicht, daß eine Zusammenarbeit der psychiatrischen Fachabtei- lungen mit den psychiatri- schen Fachkrankenhäu- sern nicht bestehe oder al- lenfalls zu Lasten letzterer.

In unserer eigenen Region besteht durchaus eine gute Zusammenarbeit mit dem noch zuständigen LKH in Düren. Wir bemühen uns, die Verlegungen nach dort auf ein Minimum zu be- schränken.

Kleine Abteilungen werden „angenommen"

Was nun die Befragung der Patienten selbst zu dem Grad ihrer Zufriedenheit mit dem Aufenthalt in der Pfalzklinik angeht, muß doch einmal darauf hinge- wiesen werden, daß die In- terpretation solcher Ant- worten sehr vorsichtig ge- handhabt werden muß, weiß man doch, daß die Antworten mitunter sehr in Richtung der Wünsche und Erwartungen des Intervie- wers verschoben werden.

Es ist hier ferner zu fragen, welche Vergleichsmöglich- keiten denn den Patienten der Pfalzklinik zur Verfü- gung stehen. Meines Wis- sens gibt es ja im Einzugs- bereich dieser Klinik keine psychiatrischen Fachabtei- lungen an Allgemeinkran- kenhäusern. Ich weiß von den eigenen Patienten, die früher einmal in einem Lan- deskrankenhaus gewesen sind, daß sie in der Mehr- zahl lieber nicht dorthin zu- rück möchten. Ich möchte ausdrücklich betonen, daß ich damit meinerseits kei- nerlei Wertung verbinde, es drückt sich hier sicherlich die Ortsnähe und das über-

schaubare und sehr fami- liäre Milieu auf einer klei- nen Abteilung aus.

Aus der eigenen Erfahrung heraus ist es völlig unver- ständlich, wieso Haase als Nachteil der kleinen Abtei- lungen die Mischung ver- schiedener Diagnosen auf einer Station herausstellt.

In der eigenen Arbeit sehen wir hierin jedenfalls keinen Nachteil, im Gegenteil, es ist immer wieder erstaun- lich, welche Toleranz Pa- tienten ihren Mitpatienten entgegenbringen und wel- che Hilfsbereitschaft sie untereinander entwickeln können, als Ausdruck eines doch sehr positiven Soli- darisierungseffektes. In der Regel sind es nur abnorme Persönlichkeiten, die in ei- ner solchen Mischung eine Unzumutbarkeit sehen.

Und überhaupt: Warum sollten wir in diesem Punkt nicht so verfahren wie auch die übrigen Abteilungen unseres Hauses?

Was heißt denn

„bürgernah"

Nur noch mit großer Mühe kann ich Haase folgen.

wenn er einen Gegensatz zwischen „gemeindenah"

und „bürgernah" konstru- iert. Seiner Meinung nach behindert Gemeindenähe geradezu Bürgernähe, nachdem er zuvor Gemein- denähe abgewertet hat als lediglich eine Nähe zu ei- ner mehr oder weniger an- onymen Großstadtgemein- de. Abgesehen davon, daß dieser Vorwurf in unserem eigenen Fall ohnehin nicht zutrifft, was ist an der Vor- stellung, daß auch eine Großstadt psychiatrische Fachabteilungen an Allge- meinkrankenhäusern hat, so Schreckliches? Man kann eigentlich nur for- dern, daß eine Großstadt eben nicht nur eine, son- dern mehrere psychiatri- sche Fachabteilungen be- nötigt. Im übrigen ist es doch für die Angehörigen der Patienten ein unermeß- licher Vorteil, wenn sie die- Die Information:

Bericht und Meinung

Felden® und Felden. 20 Zusammensetzung:

1 Kapsel Felden enthält 10 mg Piroxicam.

1 Kapsel Felden 20 enthält 20 mg Piroxi- cam.

Anwendungsgebiete:

Entzündliche, degenerative und schmerzhafte Erkrankungen, insbeson- dere des Bewegungsapparates, wie chronische Polyarthritis, Arthrosen, Spor,dylitis ankylosans (Morbus Bechte- rew), Schulter-Arm-Syndrom, Ischialgien, Entzündungen der Sehnen, Sehnen- scheiden und der Schleimbeutel, akuter Gichtanfall, posttraumatische und post- operative Schmerzzustände.

Gegenanzeigen:

Bekannte Überempfindlichkeit gegen- über Piroxicam; akutes Magen- bzw.

Zwölffingerdarmgeschwür oder entspre- chende gastrointestinale Anamnese. Die Anwendung von Felden während der Schwangerschaft, Stillzeit und bei Kin- dern wird nicht empfohlen, da dies- bezüglich noch keine ausreichenden Erfahrungen vorliegen.

Nebenwirkungen:

Gastrointestinale Nebenwirkungen erfor- dern nur selten einen Therapieabbruch.

In geringem Umfang können Knöchel- Ödeme auftreten. Nur vereinzelt wird eine Erniedrigung des Hämoglobinwertes und des Hämatokrits oder eine Erhöhung der Serumtransaminasen bzw. des Blutharn- stoffspiegels beobachtet. Patienten mit eingeschränkter Leber- und Nierenfunk- tion sollten entsprechenden Kontrollen unterzogen werden. Felden kann Tätig- keiten, die höhere Aufmerksamkeit erfor- dern, beeinträchtigen; dies gilt vor allem im Zusammenhang mit Alkohol.

Wechselwirkungen:

Bei gleichzeitiger Einnahme von Felden mit stark an Plasmaeiweiß gebundenen Medikamenten, wie Antikoagulantien vom Cumarintyp, sollte eine sorgfältige ärztliche Überwachung und eventuelle Dosisanpassung erfolgen.

Dosierung:

Im allgemeinen 1x täglich 1 Kapsel Fel- den 20 (bzw. lx täglich 2 Kapseln Felden) während oder nach einer Mahlzeit mit reichlich Flüssigkeit Die Dosierung bei akutem extraartikulärem Rheumatismus und akuter Gicht sowie Hinweise zur Anwendungsdauer sind der Gebrauchs- information bzw. dem Arztprospekt zu entnehmen.

Handelsformen und Preise:

Packung mit 20 Kapseln Felden

zu 10 mg DM 24,--;

Packung mit 50 Kapseln Felden

zu 10 mg DM 52,40;

Packung mit 20 Kapseln Felden 20

zu 20 mg DM 44,50;

Packung mit 50 Kapseln Felden 20

zu 20 mg DM 96,60;

Klinikpackungen.

Vertrieb durch:

HEINRICH MACK NACHF.

7918 Jllertissen

10 Heft 10 vom 12. März 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A/B

(3)

Die Information:

Bericht und Meinung

Psychiatrie

< se mit der Straßenbahn be- suchen können, statt weit über Land zu fahren, für viele Ältere, die keineswegs ein Auto besitzen, oft eine Tagesreise. Für bürgerna- he Arbeit im Sinne von Haase die Gemeindeferne sozusagen als Vorausset- zung zu fordern, da Ge- meindenähe die Bürgernä- he eher behindere, kann doch nicht ernsthaft als Ar- gument in die Diskussion eingeführt werden. Haases Bemühungen um den Aus- bau der Laienhilfe sollen hier keineswegs bestritten werden, diese Konzepte lassen sich im Rahmen ei- ner kleinen Abteilung je- doch ebenso gut realisie- ren, wenn auch in entspre- chend bescheidenerem Rahmen, ich darf hier nur auf das Beispiel Freuden- stadt verweisen.

Man kann auch nicht ernst- haft die historisch bedingte exzentrische Lage der Lan- deskrankenhäuser im nachhinein mit den Thera- peutika Feld, Wald und Wiese begründen, die dort zwar sicher reichhaltiger als in der Großstadt zur Verfügung stehen, für den Gesundungsprozeß aber doch allenfalls schöne Bei- gaben sind. Wenn jeder fünfte Patient in der Pfalz- klinik eine gewisse räumli- che Distanz von zu Hause als hilfreich ankreuzte, so heißt das doch auch, daß vier Fünftel der Patienten dies eben nicht ankreuz- ten. Wenn heutzutage ein psychiatrisches Versor- gungswesen von Grund auf neu aufgebaut werden müßte, käme doch nie- mand auf die Idee, ländlich gelegene Großkrankenhäu- ser zu errichten, sondern die Akutversorgung würde doch selbstverständlich in das bestehende Kranken- hausnetz integriert werden.

Das eigentliche Problem in der Psychiatrie ist die rela- tiv große Zahl von selbstän- dig nicht mehr existenzfä- higen chronisch Kranken, die nicht mehr der medizi-

nischen Hilfe des Akutkran- kenhauses bedürfen. Eine wichtige Forderung für die Zukunft wäre sicher, auch für diese Kranken eine ge- meindenahe Unterbrin- gung zu ermöglichen, die keineswegs zwangsläufig in Personalunion mit der Akutabteilung geführt wer- den müßte. In diesem Punkt legt die Forderung nach Abschaffung der Großkrankenhäuser sicher- lich den Finger in eine offe- ne Wunde.

Man muß schließlich auch der Gigantomanie, die aus dem Artikel von Haase spricht, entschieden entge- gentreten. Es ist durch kein stichhaltiges Argument zu begründen, daß das psych- iatrische Großkrankenhaus die psychiatrische Versor- gung für sein ganzes bishe- riges Einzugsgebiet mit Zähnen und Klauen vertei- digt und allenfalls kleine Kriseninterventionsstatio- nen in einzelnen Kranken- häusern seines Einzugsge- bietes als „Zulieferbetrie- be" duldet, möglichst noch der Richtlinienkompetenz des sich als Mutterklinik empfindenden Landes- krankenhauses unterwor- fen. Erfreulicherweise geht der Trend in vielen Bundes- ländern in eine andere Richtung, da man dort die Vorteile einer gegliederten, auf Kooperation beruhen- den psychiatrischen Ver- sorgung längst erkannt hat. Es hat sich längst ge- zeigt, daß die an den psychiatrischen Fachabtei- lungen kleinerer Art gelei- stete Arbeit sich durchaus auch sehen lassen kann und den Vorwurf der Zweit- klassigkeit gelassen ertra- gen könnte, wenn dies nicht einen völlig unnöti- gen Keil in die psychiatri- sche Versorgung der Pa- tienten, die uns doch alle am Herzen liegt, treiben würde. Wir bekommen eine Fülle von Äußerungen so- wohl von Patienten, einwei- senden Ärzten und Behör- den zu hören, wie überaus

positiv die psychiatrische Fachabteilung am Allge- meinkrankenhaus aufge- nommen wurde und aus der Region schon nicht mehr wegzudenken ist.

Dies kann uns hinreichend als Rechtfertigung zur Fortführung unserer Arbeit dienen. Von hier aus wirkt das von Haase entwickelte Konzept als überholt und den Bedürfnissen der zu versorgenden Bevölkerung nicht entsprechend. Uns dann noch vorzuwerfen, daß wir den Begriff Ge- meindenähe nur faden- scheinig und oberflächlich handhabten, stellt die tat- sächlichen Verhältnisse dann doch ziemlich auf den Kopf.

Dr. med. Reinhard Ody Arzt für Neurologie und

Psychiatrie Marien-Hospital 5350 Euskirchen

„Ausdifferenzierung" - ein neues Zauberwort in der Psychiatrie?

Als Mitarbeiter der psychia- trischen Abteilung eines städtischen Krankenhau- ses fühle ich mich von dem Aufsatz Professor Haases angesprochen. Was in der Überschrift noch zurück- haltend als Frage formu- liert ist („Auf dem Weg zur Mini- und Zweiklassen- Psychiatrie?"), das ist ei- gentlich keine Frage mehr, sondern bereits Tatsache.

Mehr noch, Haase stellt fest: Psychiatrische Abtei- lungen an Allgemeinkran- kenhäusern sind „irratio- nal", nicht „ausdifferen- ziert", „abwegig" und „iso- liert", kurz, sie „belasten"

die psychiatrische Versor- gung der Bevölkerung, an- statt zu helfen. Ein schwer- wiegender Vorwurf. Belegt ihn der Autor hinreichend?

Ich meine nein.

Der Forderung der „Psych- iatrie-Enquete" nach Uber- schaubarkeit der psychia- trischen Versorgung, Inte-

gration der Psychiatrie in die Allgemeinmedizin und Abbau der Bettenzahl in den Großkrankenhäusern stellt Haase sein Konzept des „ausdifferenzierten psychiatrischen Fachkran- kenhauses" gegenüber.

Eingangs folgt jedoch erst ein medizinhistorischer Ex- kurs über „Irre" und „das Irresein", „garniert" mit psychoanalytischen Be- trachtungen über Abwehr- mechanismen, was in die- sem Kontext etwas krampf- haft wirkt. Daß ein psychia- trisches Großkrankenhaus wie die Pfalzklinik in ver- schiedene Abteilungen ge- gliedert ist, auch solche mit höher spezialisiertem Behandlungsauftrag, er- scheint sinnvoll. Darin fin- det ja die Existenz einer großen Fachklinik auch ih- re Berechtigung. Was da- gegen beispielsweise Spe- zialabteilungen für „De- pressive" oder „Wahnkran- ke" für einen Sinn haben sollen, bleibt völlig unklar, und der Autor erklärt leider das zugrunde liegende Konzept nicht. Es wäre in- teressant zu erfahren, wie die „spezialisierten Be- handlungs-, Freizeit- und

Beschäftigungsprogram- me für Schizophrene, Wahnkranke, Depressi- ve. . ., Neurotiker..." aus- sehen. Ich fürchte aller- dings angesichts der von Haase geklagten schlech- ten Finanzlage, daß der Kli- nikalltag nicht so fein „aus- differenziert" ist.

Wesentlich ist für mich, daß die Patienten Gelegen- heit haben, eine tragfähige Beziehung zum therapeuti- schen Team aufzubauen.

Kontinuität der Behand- lung ist entscheidend wich- tig und nicht Spezialpro- gramme für jede Symptom- gruppe (Enquete, Seite 203 ff.). Eine Verflechtung mit der Nachsorgekette muß gleichzeitig gegeben sein. Gerade in ländlichen Gegenden sind psychiatri- sche Abteilungen an Allge- >

12 Heft 10 vom 12. März 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A/B

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