Das zur Gruppe der Tetracycline gehörende Minocyclin ist wertvoller Be- standteil für die Langzeittherapie (d. h.
mehr als 21 Tage) der Akne vulgaris.
In den Haar- und Talgdrüsen-Follikeln wirkt Minocyclin durch Hemmung der Propionibakterien, denen eine wesentli- che Bedeutung für die Entstehung der entzündlichen Akneeffloreszenzen zu- kommt. Da dieser Wirkstoff, der einen sehr bedeutenden Stellenwert bei der Verordnung einnimmt, allerdings auch ein Gefährdungspotential mit erhebli- cher Relevanz beinhaltet, soll im folgen- den hierzu Stellung genommen werden.
Zu Minocyclin gingen der Arzneimit- telkommission der deutschen Ärzteschaft beziehungsweise dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte seit 1990 insgesamt 201 UAW-Berichte zu, darunter über Hepatitis 27, Leberzellschä- digung 8, cholestatische Hepatitis 1, Ik- terus 7, Lupus erythematodes-ähnliches Bild 11 und Lungeninfiltrate 3 Berichte.
Wie aus einer Mitteilung im British Medical Journal (1) hervorgeht, wurden bis 1994 dem British Committee on Safe- ty of Medicine 11 Berichte über Lupus erythematodes sowie 16 Berichte über Hepatitis nach Gabe von Minocyclin mit- geteilt. 2 Patienten verstarben unter der systemischen Aknetherapie mit Minocy- clin, in einem Fall wurde eine Lebertrans- plantation erforderlich.
Die Beobachtungen nach Anwen- dung von Minocyclin, insbesondere nach Gabe für einen längeren Zeitraum von bis zu 6 Monaten, sprechen für ein ver- gleichsweise hohes immunogenes Poten- tial der Substanz. Neben einer direkten, dosisabhängigen Leberschädigung, die offensichtlich allen Tetracyclin-Deriva- ten zuzuschreiben ist, weisen Fieber, Ab- geschlagenheit, Lymphadenopathie und Eosinophilie vor Einsetzen der Hepatitis auf eine immunallergische Schädigung durch Minocyclin hin.
Auch die beobachteten Lungeninfil- trate mit Eosinophilie stellen eine Ausprä- gung der Minocyclin-induzierten Immun- erkrankung dar. So ist eine Unverträglich- keit vom „Autoimmuntyp“ nach monate-
bis jahrelanger Einnahme von Minocyclin derzeit bei 7 Patienten bekannt geworden.
Bei allen diesen Patienten läßt sich eine chronische, aktive Hepatitis ohne Eosino- philie nachweisen. Die Patienten leiden u. a. an Polyarthralgie oder Polyarthritis.
Außerdem fanden sich antinukleäre An- tikörper. Auch bei dem beschriebenen Lupus erythematodes ließen sich antinu- kleäre Antikörper nachweisen. Gelenk- schmerzen, Fieber, Hautausschlag und an- dere Beschwerden klingen nach Absetzen des Antibiotikums zumeist rasch ab.
Bei der Langzeitbehandlung mit Mi- nocyclin können neben direkten dosisab- hängigen Leberschädigungen auch im- munallergisch verursachte Defekte des Lebergewebes auftreten. Diesen können Symptome wie Lymphadenopathie und Eosinophilie vor Auftreten der Hepatitis vorausgehen.
Wichtig ist das rechtzeitige Erkennen immunallergischer Reaktionen und das sofortige Absetzen des Arzneimittels. So können Folgeschäden sowie invasive Un- tersuchungen wie Leberbiopsie und Be- handlung mit Kortikosteroiden und Im-
munsuppressiva vermieden werden. Ak- ne-Patienten sollen angesichts der vorlie- genden Beobachtungen vor einer Lang- zeitbehandlung mit Minocyclin, insbe- sondere über den 6-Monate-Zeitraum hinaus, gewarnt werden.
Vorgeschlagene Maßnahmen
cWenn abzusehen ist, daß eine Mino- cyclin-Langzeittherapie (mehr als 21 Ta- ge) erforderlich sein wird, sollten initial wie auch später regelmäßige Bestimmun- gen der Leberfunktionsparameter sowie des Blutbildes (einschließlich Differen- tialblutbild) und Nierenuntersuchungen durchgeführt werden.
cDie Langzeitbehandlung der Akne mit Minocyclin soll nach Möglichkeit auf ein Maximum von 6 Monaten beschränkt werden.
cEine Weiterbehandlung nach 6 Mo- naten sollte nur bei zufriedenstellender Wirksamkeit und unter Überwachung der oben genannten Parameter und an- tinukleärer Faktoren durchgeführt wer- den.cBei Patienten mit Leberfunktions- störungen sollte in der Regel keine Lang- zeit-Tetracyclintherapie initiiert werden.
cWenn möglich, sollte auch eine lokale Therapie mit Antibiotika (z. B.
Erythromycin, Clindamycin, Tetracyclin) in Erwägung gezogen werden.
Literatur
1. Br Med J 1996; 312: 169–172.
Arzneimittelkommission der deut- schen Ärzteschaft, Aachener Straße 233- 237, 50931 Köln, Tel 02 21/40 04-5 18, Fax
02 21/40 04-5 39 N
A-1155
B E K A N N T G A B E N D E R H E R A U S G E B E R
Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 17, 30. April 1999 (71) B U N D E S Ä R Z T E K A M M E R
Mitteilungen
Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
Immunallergische und Leberzellschädigung durch Minocyclin bei der
Langzeittherapie der Akne vulgaris
Der Arbeitsausschuß des Bewer- tungsausschusses hat in der 164. Sitzung am 23. März 1999 folgenden Interpretati- onsbeschluß gefaßt:
Beschluß Nr. 32 zu:
Allgemeine Bestimmungen A I., Teil B, 1.6
Für Psychologische Psychotherapeu- ten, Kinder- und Jugendlichenpsychothe- rapeuten und Einrichtungen, die gemäß
§ 311 Abs. 2 SGB V als Gemeinschafts- praxen geführt werden und die nach dem
BMÄ bzw. der E-GO abrechnen, gelten die Regelungen der Allgemeinen Bestim- mungen A I., Teil B, 1.6 entsprechend.
Sowohl hinsichtlich der Regelungen zur Festlegung der Punktzahl für die Or- dinationsgebühr Nr. 1 in Gemeinschafts- praxen als auch hinsichtlich der Festle- gung der Fallpunktzahlen für die Praxis- und/oder Zusatzbudgets zählen Psycho- logische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten als eine Arztgruppe, falls beide Fachrichtun- gen in einer Gemeinschaftspraxis vertre- ten sind. (Gültig ab 1. 4. 1999) K A S S E N Ä R Z T L I C H E B U N D E S V E R E I N I G U N G