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Archiv "Prostazyklin – therapeutisch einsetzbar?" (24.01.1992)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Prostazyklin

therapeutisch einsetzbar?

Alois Sellmayer und Peter Claus Weber

rostazyklin oder Prostaglandin 12 (PGI2) ist ein äußerst aktiver anti- aggregatorisch und vasodilatatorisch wirkender Lipid-Mediator, der pri- mär von Vane und Mitarbeitern cha- rakterisiert wurde (1). PGI 2 gehört zu den Pro- staglandinen, eine Substanz-Gruppe, die durch das Enzym Zyklooxygenase aus der Präkursor- fettsäure Arachidonsäure gebildet wird.

Prostaglandine sind „Gewebshormone", das heißt meist nur in der lokalen Umgebung der synthetisierenden Zellen wirkenden Substanzen.

Ihre Synthese findet in vielen, wenn nicht allen Säugerzellen statt. PGI 2 wird jedoch in erster Li- nie in Endothelzellen gebildet. Endogenes PGI 2, das nur in äußerst geringen Mengen systemisch vorkommt (2), hat eine sehr kurze Halbwertszeit von wenigen Minuten und wird sowohl in der Niere, als auch in der Lunge inaktiviert. Direkte Messungen des PGI 2 im Blut ex vivo beruhen da- her weitgehend auf Artefakten durch Zellakti- vierung während der Blutabnahme und erlauben deshalb keine Rückschlüsse auf die vaskuläre Genese.

Besondere Aufmerksamkeit gewann PGI 2 zuerst als Gegenspieler des in Thrombozyten ge- bildeten Thromboxan A2, eine Substanz, die die Plättchenaggregation stimuliert. Die Synthese al- ler Prostaglandine wird initial über die Zyklooxy- genase induziert. Dieses Enzym wiederum kann durch nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) reversibel (Typ Indomethacin) oder irreversibel (Typ Azetylsalizylsäure (ASA) gehemmt werden

— eines der Basisprinzipien der antiphlogisti- schen, antipyretischen und analgetischen Wir- kungen dieser Pharmaka. Die Hemmung der TxA2-Synthese in Plättchen ist bei geringeren ASA-Konzentrationen zu beobachten, als die Hemmung der endothelialen PGI 2-Synthese.

Durch die, im Gegensatz zu Endothelzellen, feh- lende de novo Synthese der Zyklooxygenase in Plättchen bleibt die Hemmung über die gesamte Lebensdauer der Plättchen bestehen. Die füh- rende Rolle der Thrombozyten-Aktivierung in akuten Phasen der Arteriosklerose (instabile AP, drohender Infarkt, Zustand nach Bypass- OP) und diese zellkinetisch bedingte pseudose- lektive Wirkung von ASA auf Trombozyten bil- det den Hintergrund der Empfehlungen zur low- dose ASA-Therapie bei diesen kardiovaskulären Erkrankungen.

Neben der ausgeprägten antiaggregatori- schen Eigenschaft ist PGI 2 einer der stärksten Vasodilatatoren, und zwar in allen Gefäßgebie- ten, das heißt in Arterien, Venen und Kapilla- ren. PGI 2 führt so zu einer signifikanten Blut- drucksenkung (3), sowohl im großen als auch im Pulmonal-Kreislauf. Gerade bei pulmonaler Hy- pertonie konnte deswegen eine Infusionsthera- pie mit PGI2 deutliche Erfolge erzielen. Die va- sodilatatorische Wirkung unterliegt keiner Ta- chyphylaxie. Allerdings wirkt PGI 2 nicht nur di- rekt vasodilatatorisch, sondern interferiert auch mit dem Renin-Angiotensin-Aldosteron-System, sowie mit dem Kinin-Kallikrein-System. Alle drei Systeme sind bedeutend für die Blutdruck- regulation. Wegen der komplexen Interaktion verschiedener Mediatorsysteme ist es schwer, den Wirkmechanismus des systemisch auftreten- den PGI2 genau zu determinieren.

Eine weitere kardiovaskuläre Eigenschaft des PGI2 ist seine antiatherosklerotische Wir- kung. Durch eine direkte Stimulation des Chole- sterin-Metabolismus (Stimulation der Choleste- rinester-Hydrolase über cAMP) kann in der Ge- fäßwand vermehrt Cholesterin mobilisiert und über HDL abtransportiert werden. Außerdem wird PGI2 ein zytoprotektiver Effekt zugeschrie- A1-188 (38) Dt. Ärztebl. 89, Heft 4, 24. Januar 1992

(2)

ben, so zum Beispiel beim Myokardinfarkt. Hier reduzierte PGI 2 den Anteil ischämisch und irre- versibel geschädigten Muskelgewebes nach Ko- ronarokklusion signifikant.

Der gezielte pharmakologische Einsatz von Prostaglandinen wird erst seit wenigen Jahren therapeutisch genutzt. Dabei finden in erster Li- nie die stabilen Prostaglandine der E-Serie bei gynäkologischen Indikationen wie Geburteinlei- tung, Stillung atonischer postpartaler Blutungen oder Abortinduktion, Anwendung. In der Neo- natologie wird PGE 1 zur Aufrechterhaltung des Ductus arteriosus Botalli bei Herzfehlern appli- ziert. Erst mit dem PGE-Analogon Misoprostol, das in der Therapie des Ulcus duodeni und ven- triculi wegen seiner zytoprotektiven sowie hem- menden Wirkung auf die Magensäuresekretion eingesetzt wird, ergab sich eine breitere thera- peutische Indikationsstellung für Prostaglandi- ne. Der schnelle endogene Metabolismus der meisten Prostaglandine verhindert deren direk- ten Einsatz (außer bei Dauerinfusionen) und er- fordert die Synthese stabiler Analoga. Gerade dies trifft auch für PGI 2 zu. Hier sind oral wirksa- me stabile Analoga (zum Beispiel Iloprost) in der präklinischen und klinischen Erprobung.

Ein neues therapeutisches Konzept deutet sich jetzt mit der Einführung des Antihypertensi- vums Cicletanin an: die Stimulation der endoge- nen PGI2-Synthese. Dieser Effekt scheint jedoch keineswegs spezifisch für Cicletanin zu sein und betrifft nicht nur die Bildung von PGI 2. Andere, zum Teil bereits therapeutisch eingesetzte Sub- stanzen, wie zum Beispiel Pentoxifyllin, Furose- mid und vor allem ACE-Hemmer (zum Beispiel Captopril), stimulieren ebenfalls die endogene PGI2-Synthese. Inwieweit das Furopyridinderi- vat Cicletanin nur über eine Erhöhung des syste- mischen, endogen gebildeten PGI 2 die Blut- drucksenkung bewirkt, ist zudem ungeklärt. So wirkt es ebenso direkt diuretisch, wenn auch in doppelt so hohen Konzentrationen. Daneben zeigt es in vitro auch Effekte auf Signalübertra- gungssysteme außerhalb der Prostaglandinbil- dung, wodurch aber ebenfalls die Blutdrucksen- kung bewirkt werden könnte. Die PGI 2-Metabo- liten, die nach Cicletanin gemessen wurden, deu- ten unter anderem darauf hin, daß nur renal ge- bildetes PGI 2 (6-keto-PGF„), aber keine syste- mischen Metaboliten (2,3-dinor-6-keto-PGF,) auftreten. Dies stellt eine generelle Stimulation der PGI 2-Synthese in allen Gefäßen eher in Fra- ge und weist mehr auf die renale Wirkung dieser Substanz hin.

Das Therapiekonzept, das mit der Einfüh- rung von Cicletanin eröffnet wird, nämlich die gezielte Stimulation der Synthese spezieller, pro-

tektiv wirkender Arachidonsäuremetaboliten zur Ausnutzung ihrer positiven Wirkungen, stellt ei- ne interessante Alternative zur Anwendung spe- zifischer Inhibitoren pathologisch wirkender Arachidonsäure-Metabolite (TxA 2, Leukotriene) dar. Letztere befinden sich zur Zeit in der Ent- wicklung und sollen sowohl gegen bildende En- zyme (Tx-Synthetase, 5-Lipoxygenase), wie auch gegen vermittelnde Rezeptoren (TxA 2, LTB4, LTC4, LTD4) bei allergischen und entzündlichen Erkrankungen eingesetzt werden.

Ein anderes vielversprechendes Konzept liegt sicherlich in der Möglichkeit, die Arachi- donsäure-Kaskade durch nutritive Maßnahmen zu modifizieren, wie der Supplementation .mit w-3-Fettsäuren, dem sogenannten „Fisch-01".

Dies resultiert in positiven kardiovaskulären und antiphlogistischen Effekten, wofür die niedrige Rate kardiovaskulärer Erkrankungen bei Japa- nern beispielhaft ist. Erste gezielt sekundär-prä- ventive Erfolge einer w-3-Fettsäure-Supplemen- tation ergaben sich bereits bei der Senkung des Blutdrucks, der Reokklusionrate nach PTCA und der Reduktion der kardiovaskulären Morta- lität (Tod durch Reinfarkt). Außerdem konnte in einer jüngst veröffentlichten Studie (4) belegt werden, daß w-3-Fettsäuren die endogene PGI 2

-Synthese stimulieren können. Auf fast natürliche Weise.

Literatur

1. Moncada, S., Vane, J. R.: Pharamcology and endogenous roles of prostaglandin endoperoxides, thromboxane A2 and prosta- cyclin. Pharamcol. Rev. 30 (1979) 293-331

2. Siess, W.; Dray, F.: Very low levels of 6-keto-prostaglandin F,„

in human plasma. J. Lab. Clin. Med. 99 (1982) 388-298 3. Weber, P. C.: Vasodilatator-Hormone und Hypertonie. Ver-

handlungen der Deutschen Gesellschaft für innere Medizin 90.

Band (1984) 65-70; J. F. Bergmann Verlag, München 4. De Caterina, R.; Giannessi, D.; Mazzone, A., et al.: Vascular

prostacyclin is increased in patients ingesting w-3 polyunsaturat- ed fatty acids before coronary artery bypass graft surgery. Circul.

90 (1990) 428-438

Anschrift der Verfasser:

Dr. med. Alois Sellmayer Prof. Dr. med. Peter C. Weber

Institut für Prophylaxe und Epidemiologie der Kreislaufkrankheiten

Universität München Pettenkoferstraße 9 W-8000 München 2 A1-190 (40) Dt. Ärztebl. 89, Heft 4, 24. Januar 1992

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