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Archiv "Zerebrale Blutungen nach Gabe von Cumarin-Derivaten: Bewertung und Hinweise zur Therapie" (19.03.1993)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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EKANNTIVIACHUNGEN

HQ („Hepato- Quick")

Quick („Thromborel") INR

venöses thromboembolisches Risiko

2,0-3,0 15-28% 23-36%

prothetischer Herzklappen- Ersatz

3,0-4,5 10-15% 15-23%

Berichte aus dem Spontanerfas- sungssystem unerwünschter Arzneimit- telwirkungen der Arzneimittelkommis- sion der Deutschen Ärzteschaft und neuere Publikationen (1, 2) weisen auf schwere, zum Teil tödlich verlaufende intrazerebrale beziehungsweise intra- spinale Blutungen unter oraler Antiko- agulanzien-Therapie besonders bei Pa- tienten mit erhöhtem Blutdruck hin.

Die Arzneimittelkommission macht darauf aufmerksam, daß schon bei flüchtigen, neurologischen Abweichun- gen, zum Beispiel infolge von heftigen, radikulär ausstrahlenden Rücken- schmerzen sowie bei anhaltenden oder zunehmenden Kopfschmerzen unter dieser Therapie an eine intrakranielle Komplikation oder eine Blutungskom- plikation im Bereich des Rückenmarks gedacht werden muß. Bei diesem Ver- dacht sollte der Arzneistoff abgesetzt, eine Gerinnungsanalyse durchgeführt und in Zweifelsfällen ein neurologi- scher Konsiliarius hinzugezogen wer- den.

Zur Minimierung des Risikos der Therapie mit Cumarin-Derivaten emp- fiehlt die Arzneimittelkommission die besondere Beachtung der folgenden Punkte:

1. Strikte Beachtung von Indikatio- nen, Risikofaktoren

1.1 Indikationen

Als gesicherte Indikation für eine Antikoagulanzien-Therapie mit Cuma- rin-Derivaten gilt die Therapie venöser beziehungsweise arterieller Thrombo- sen und Embolien (insbesondere im Rahmen einer Rezidivprophylaxe) bei prothetischem Herzklappenersatz, bei Vorhofflimmern bei Mitralvitien und bei kongestiven Kardiomyopathien so- wie bei hereditärem Antithrombin-III-, Protein-C- und Protein-S-Mangel. Bei der Langzeittherapie nach einem Myo- kardinfarkt werden in erster Linie Ag- gregationshemmer eingesetzt; die The- rapie mit Cumarin-Derivaten gilt als zweite Wahl (Ausnahmen: Ausbildung eines Aneurysmas, Rhythmusstörun- gen und starke Einschränkung der linksventrikulären Funktion).

1.2 Behandlungsdauer und anzu- strebender INR (beziehungsweise

„Quick")-Wert

Die Behandlungsdauer und der an- zustrebende INR („Quick")-Wert rich- tet sich nach der Indikation, (zum Bei- spiel Behandlung eines venösen throm- boembolischen Risikos oder eines pro- thetischen Herzklappenersatzes, Bei- spiele s. Tabelle)

Nach venösen thromboembolischen Ereignissen richtet sich die Dauer der Antikoagulation nach dem Schwere- grad der Thrombose, nach dem Funkti- onszustand des Venensystems und nach dem individuellen Risiko der Pa- tienten (zum Beispiel erhöhtes throm- boembolisches Risiko bei AT-III-Man- gel beziehungsweise erhöhtes Blu- tungsübel zum Beispiel bei Thrombo- zytopathie).

1.3 Risikofaktoren/Risikogruppen Aus klinischer Sicht müssen folgende Risiken bei der Therapie mit Cumarin- Derivaten besonders beachtet werden:

a) Je intensiver die Antikoagulati- on (daß heißt, je höher der INR-Wert) desto häufiger kann es zu Blutungs- komplikationen kommen.

b) Zur Überwachung der Therapie ist die Durchführung einer internen ( = Eigenkontrolle) und externen ( = Kontrolle durch neutrale 3. Stelle) Qualitätskontrolle unabdingbar.

c) Bei Patienten über 60 Jahren, Diabetikern, Hochdruck-Patienten (insbesondere bei ungenügend behan- deltem Bluthochdruck) und bei Nicht- beachtung der bekannten Kontraindi- kationen (siehe Fachinformation der Hersteller) besteht ein erhöhtes Blu- tungsrisiko.

d) Eine individuelle Risikoeinschät- zung sollte besonders bei den Patien- ten stattfinden, bei denen mehrere der unter c) genannten Faktoren gleichzei- tig vorliegen. Zur Erfassung des indivi- duellen Risikos eines Patienten zählt auch eine genaue Beobachtung seines Verhaltens bezüglich seiner Ernährung und Verdauung, seiner Compliance und seiner Reaktion bei eventuell auf- tretenden Blutungen (4) während der gesamten Dauer der Antikoagulation.

e) Befragung nach zusätzlich einge- nommenen Arzneimitteln, insbesonde- re nach Salicylsäure-Derivaten: Die Einnahme dieser oft in freiverkäufli- chen Schmerz- beziehungsweise Rheu- mamitteln enthaltenen Arzneistoffe wird von Patienten selten spontan er- wähnt.

2. Laboranalytische Überwachung der Antikoagulanzien-Therapie:

Das Ergebnis der Prothrombinzeit- Bestimmung ist abhängig von der Emp- findlichkeit der unterschiedlichen Thromboplastin-Präparate. Um einen objektiven, mit anderen Laboratorien vergleichbaren Meßwert zu erhalten, empfiehlt die Arzneimittelkommission, den sogenannten INR ( = Internatio- nal Normalized Ratio) des Patienten zu bestimmen und in den Antikoagulan- zien-Ausweis eintragen zu lassen (als Ergänzung zu dieser Bekanntgabe ist ein Artikel in „Arzneiverordnung in der Praxis" vorgesehen).

Diese Standardisierung (ausführli- che Beschreibung und Literaturhinweis siehe Kiesel et al., [3]; Kopien können von der Geschäftsstelle der Arzneimit- telkommission bezogen werden) erhöht die Zuverlässigkeit des Gerinnungste- stes (und damit die Therapiesicherheit des Patienten); insbesondere kann eine für das jeweilige Indikationsgebiet zu hohe Antikoagulation (s. Tabelle) und damit die Gefahr von Blutungen ver- mieden werden.

Im Einzelfall ist der Nutzen und der mögliche Schaden durch eine Behand- lung mit gerinnungshemmenden Mit- teln, insbesondere mit oralen Antiko- agulanzien vom Cumarin-Typ, sorgfäl-

Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft

Zerebrale Blutungen nach Gabe von Cumarin- Derivaten: Bewertung und Hinweise zur Therapie

A1-812 (66) Dt. Ärztebl. 90, Heft 11, 19. März 1993

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tig gegeneinander abzuwägen. Die Dringlichkeit einer Therapie muß ins- besondere bei Vorliegen einer Kontra- indikation geprüft werden. Der behan- delnde Arzt muß nicht nur über Erfah- rungen auf diesem Therapiesektor ver- fügen, er muß auch in der Lage sein, al- le Kontrollmöglichkeiten auszuschöp- fen und Behandlungsalternativen in die differentialtherapeutischen Überle- gungen mit einzubeziehen.

Literatur

1. Ch. Reith u. G. Lausberg, Intrakranielle Komplikationen unter Antikoagulan- zientherapie, in: V. Tilsner et al., Blutge- rinnung und Intensivmedizin (ein- schließlich Anästhesie), Editiones Roche 1991, S. 147-154

Am 16. Dezember 1992 wurden im Bundesanzeiger Monographien der Kommission B 3 (Neurologie, Psychia- trie) für die oben genannten Wirkstoffe bekannt gemacht. Alle drei Stoffe wur- den im Hinblick auf die beanspruchten Indikationen negativ bewertet. In den Gesamtbeurteilungen der Stoffe kommt die zuständige Aufbereitungs- kommission zu folgenden Ergebnissen („Originaltext"):

Pentobarbital

„Im Hinblick auf die beanspruchte Indikation ‚Schlafstörungen' liegt nur unzureichendes Erkenntnismaterial in Form klinischer Studien oder anderen, nach wissenschaftlichen Kriterien aus- wertbaren Erfahrungsmaterials vor.

Die wenigen vorhandenen Daten zei- gen, daß Pentobarbital den REM- Schlaf unterdrückt, bei längerer An- wendung auch den Tiefschlaf suppri- miert und bereits nach kurzer Anwen- dungsdauer Absetzerscheinungen auf- treten. Für die anderen beanspruchten Indikationen liegen nur klinische Stu- dien vor, die aufgrund unterschiedli- cher methodischer Mängel die Wirk- samkeit nicht hinreichend begründen können. Selbst wenn eine klinische Wirksamkeit bei einer der beanspruch- ten Indikationen ausreichend belegt werden könnte, ergibt sich aufgrund der pharmakokinetischen Daten (lange Eliminationshalbwertszeit, fragliche

2. R. Kalff et al., Spontaneous intracere- bral hemorrhage, Neurosurg. Rev. 1992;

15; 177-186

3. J. Kiesel et al., Bestimmung und Anwen- dung der INR, Saarl. Ärztebl. 1991; 11;

653-656

4. P. Scheffler, G. Pindur, M. Köhler, J.

Kiesel, U. T. Seyfert, E. Wenzel, P. Hell- stern: Orale Antikoagulanzien in der Praxis, Saarl. Ärztebl., 1991; 11; 649-652

Handelspräparate:

Phenprocoumon:

Marcumar Tabl., -Amp.

Falithrom Tabl.

Phenpro. ratiopharm Tabl.

Warfarin:

Coumadin Tabl.

Metaboliten mit unbekannter Wirk- samkeit), der Toxizität und nicht sicher ausgeschlossener kanzerogener, muta- gener und teratogener Effekte sowie des primären Abhängigkeitspotentials, daß die Risiken den möglichen Nutzen deutlich übersteigen."

Propallylonal

„Im Hinblick auf die beanspruchten Indikationen liegt kein Erkenntnisma- terial in Form klinischer Studien oder anderes, nach wissenschaftlichen Kri- terien auswertbares Erfahrungsmateri- al vor. Selbst wenn eine klinische Wirk- samkeit bei Schlafstörungen ausrei- chend belegt werden könnte, ergibt sich aufgrund der unzureichenden pharmakokinetischen Daten, der Toxi- zität und nicht sicher ausgeschlossener kanzerogener, mutagener und terato- gener Effekte sowie des primären Ab- hängigkeitspotentials, daß die Risiken den möglichen Nutzen deutlich über- steigen."

Methaqualon

„Für das Indikationsgebiet Schlaf- störungen liegen Untersuchungen vor, die die klinische Wirksamkeit hinrei- chend belegen können. In bezug auf andere Indikationen liegt kein Er- kenntnismaterial in Form klinischer Studien oder anderen, nach wissen- schaftlichen Kriterien auswertbaren

Erkenntnismaterials vor. Auch unter Berücksichtigung älterer ärztlicher Er- fahrung ist das Erkenntnismaterial hierfür nicht ausreichend. Methaqua- lon besitzt ein ausgeprägtes primäres Abhängigkeitspotential. Bei regelmäßi- ger Einnahme kommt es rasch zur To- leranz, die zur Dosissteigerung zwingt und ein erhebliches Intoxikationsrisiko beinhaltet. Häufig werden Hang-over- Effekte beobachtet und gelegentlich schwerwiegende Hautreaktionen be- schrieben. Auf dem Hintergrund der ausgeprägten Toxizität, der gefährli- chen Wechselwirkungen mit Alkohol, der raschen Toleranzbildung bei regel- mäßiger Einnahme, des hohen Abhän- gigkeitspotentials und des ausgepräg- ten Risikos schwerer Intoxikationen wird ersichtlich, daß die Risiken einen möglichen Nutzen deutlich überstei- gen."

Das Bundesgesundheitsamt weist mit Schreiben vom 15. 2. 93 die betrof- fenen pharmazeutischen Unternehmer darauf hin, daß sie aufgrund der Be- stimmungen des Arzneimittelgesetzes verpflichtet sind, unabhängig von Ent- scheidungen der Bundesoberbehörde, im Rahmen der Eigenverantwortung ihre Produkte nach dem jeweils neue- sten wissenschaftlichen Erkenntnis- stand herzustellen, eventuell notwendi- ge Vorsichtsmaßnahmen zum frühest- möglichen Zeitpunkt durchzuführen und jederzeit sicherzustellen, daß nur unbedenkliche Arzneimittel in den Verkehr gebracht werden.

Deshalb empfiehlt das BGA den Herstellern, eigenverantwortlich auf ein weiteres Inverkehrbringen der be- troffenen Arzneimittel zu verzichten, beziehungsweise bei Kombinationsarz- neimitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelungen die Rezeptur zu ändern.

Die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft gibt Ihnen ent- sprechend der vom BGA mitgeliefer- ten Fertigarzneimittellisten die betrof- fenen Präparate bekannt, die lt. Lauer- taxe (Stand 15. 2. 93) als im Handel ge- kennzeichnet sind.

Pentobarbital: Medinox mono Kaps., Neodorm Tabl., Norkotral N Tabl., Re- pocal Tabl.

Propallylonal: Fertigarzneimittel be- reits außer Handel (Noctal Tabl.)

Methaqualon: Normi-Nox Tabl., Re- buso Tabl.

Arzneimittelkommission der Deut- schen Ärzteschaft, Aachener Straße 233-237, Postfach 41 01 25, W-5000

Köln 41, Tel: 02 21/40 04-5 20, Fax:

02 21/40 04-5 39.

Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft

Bundesgesundheitsamt (BGA)

Abwehr von Arzneimittelrisiken

Pentobarbital, Propallylonal, Methaqualon

Dt. Arztebl. 90. Heft 11, 19. März 1993 (69) A1-813

Referenzen

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