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Archiv "Clofibrat — oder: Die Aussagefähigkeit klinischer und epidemiologischer Studien" (13.03.1980)

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Academic year: 2022

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Wolfgang Forth

Auf Einladung der Deutschen Ge- sellschaft für medizinische Doku- mentation, Informatik und Statistik e. V. trafen sich im Dezember ver- gangenen Jahres die Arbeitsgrup- pen „Epidemiologie" und „Thera- peutische Forschung" zu einer ge- meinsamen Sitzung im Diabetes- Forschungsinstitut der Universität Düsseldorf. Der Workshop stand un- ter dem Thema „Clofibrat — die Aus- sagefähigkeit klinischer und epide- miologischer Studien".

Die Leiter der beiden Arbeitsgrup- pen, Professor Dr. H. J. Jesdinsky (Therapeutische Forschung) und Privatdozent Dr. E. Greiser (Epide- miologie) führten jeweils abwech- selnd in die Thematik ein und mode- rierten den Workshop.

Um es vorwegzunehmen, die Veran- staltung war ein Erfolg, das vor al- lem deshalb, weil es gelang, Einsicht in die Problematik und in die Gren- zen der Aussagefähigkeit klinischer Studien zu wecken. Vom Thema her waren Kliniker sicherlich in höherem Maße angesprochen, als das ihr Ar- gumentationspotential in der Dis- kussion mit auswies. Das mag am Zeitpunkt der Einladung gelegen ha- ben, es kann aber auch die Folge der theoretischen Orientierung der Ein- ladung gewesen sein. Leider, wie der Referent meint, denn hier war Gelegenheit zu einem fruchtbaren Gedankenaustausch zwischen den — wie es sich mehr und mehr heraus- stellt — polaren Interessen zweier Gruppen, den Epidemiologen und Statistikern auf der einen Seite und den Klinikern und Ärzten auf der an-

deren Seite gegeben. Außerdem wa- ren Wissenschaftler der interessier- ten pharmazeutischen Industrie und ein Beobachter des Bundesgesund- heitsamtes anwesend.

Die Frage einer Prävention ischämi- scher Attacken am Herzen und von Herzinfarkten durch Clofibrat wurde seit den sechziger Jahren in ver- schiedenen klinischen Studien un- tersucht. Als gesichert gilt, daß das Infarktrisiko mit steigenden Konzen- trationen der Blutlipide, insbesonde- re des Cholesterins, in der sog. LD*)- Lipidfraktion zunimmt. Daraus läßt sich das therapeutische Konzept ab- leiten, daß die Senkung der Konzen- tration der Lipide im Blut das Infarkt- risiko vermindert. Die wichtigsten Studien wurden in der Reihenfolge ihrer Veröffentlichung diskutiert:

• Die „New-Castle-Studie", Dewar, H. A., und Oliver, M. F.: Brit. Med. J.

4 (1 971 ) 784-786 — Dewar, H. A., et al.: Brit. Med. J. 4 (1971 ) 767-775

• Die „Schottische Studie", Oliver, M. F.: Brit. Med. J. 4 (1 9 73) 775-784 (i) Die „United-Airlines-Studie" (Im Rechenzentrum der Fluggesell- schaft wurde die Datenverarbeitung und Auswertung vorgenommen), Krasno, R. L., und Kidera, G. J., J.

AMA. 210 (1972) 845-851

• Die Studie des „coronary drug projects", Coronary drug project re- search group, J. AMA. 231 (1 975) 360-380

) ,,low density"

Morbus Hodgkin

größere Zuverlässigkeit in der Sta- dieneinteilung zu mehr Sicherheit in der Therapieentscheidung des be- handelnden Radiologen oder Onko- logen.

Literatur

Aisenberg, A. C.; Goldman, J. M.; Raker, J. W.;

Wang, C. C.: Spleen involvement at the onset of Hodgkin's disease, Ann. intern. Med. 74 (1971) 544 — Berard, W.; Thomas, C. L. B.;

Axtell, L. M.; Kruse, M.; Newell, G.; Kagan, R.:

The relationship of histopathological subtype to clinical stage of Hodgkin's disease at diag- nosis, Cancer Res. 31 (1971) 1776-1785 — De Vita, V. T.; Serpick, A. A.; Carbone, P. P.: Com- bination chemotherapy in the treatment of ad- vanced Hodgkin's disease, Ann. Intern. Med. 73 (1970) 881-895 — Ell, P. J.; Britton, K. E.; Farre, Braun, G.: An assesment of the value of spieen scanning in the staging of Hodgin's disease, Brit. J. Radio!. 48 (1975) 590-593 — Glatstein, E.; Goffinet, D. R.: Staging of Hodgkin's dis- ease and other lymphomas, Clinics in Haematology, Vol. 3 (1974) 1 — Glatstein, E;, Guernsey, J. M.; Rosenberg, S. A.; Kaplan, H.

S.: The value of laparotomy and splenectomy in the staging of Hodgkin's disease, Cancer 24 (1969) 709-718 — Gross, R.; Zach, J.; Schulten, K. H.: Die Lymphogranulomatose, Dtsch. med.

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Surg. lOß (1972) 222 — Musshoff, K. et al.:

Primäre und sekundäre Laparotomie mit Splenektomie bei Patienten mit Morbus Hodg- kin, Klin. Wschr. 52 (1974) 24 — Panettiere, R.;

Coltmann, C. A.: Splenectomy effects an chemotherapy in Hodgkin's disease, Arch. in- tern. Med. 131 (1973) 362 — Prosnitz, R. L.;

Nuland, S. B.; Kligermann, M. M.: Role of laparotomy and splenectomy in the manage- ment of Hodgkin's disease, Cancer 29 (1972) 44-50 — Rosenberg, S. A.: A critique value of laparotomy and splenectomy in the evaluation of patients with Hodgkin's disease, Cancer Res. 31 (1971) 1737 — Smith, D. M.; Kulebanoff, G:; Kemmerer, W. T.: Exploratory Laparotomy for Staging in Hodgkin's Disease-Diagnostic Yield versus Operative Morbidity, Amer. J.

Surg., Vol. 124 (1972) — Strum, S. B.; Rap- paport, H.: Significance of focal involvement of lymph nodes for the diagnosis and staging of Hodgkin's disease, Cancer 25 (1970) 1314

Anschriften der Verfasser:

Oberstarzt Professor Dr. med.

Wilhelm Harte!

Leitender Arzt

der Chirurgischen Abteilung am Bundeswehrzentralkrankenhaus Rübenacher Straße 170

5400 Koblenz

Oberstabsarzt d. R. Dr. med.

Willibald Großpietsch Chirurgische Klinik Kreiskrankenhaus 4048 Grevenbroich

KONGRESS-BERICHT

Clofibrat — oder:

Die Aussagefähigkeit klinischer und epidemiologischer Studien

Bericht über eine Arbeitssitzung am 19. Dezember 1979 in Düsseldorf

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 11 vom 13. März 1980

659

(2)

Clofibrat

• Die „Heady-Studie", Heady, J. A.:

Bull. Wld. Hlth. Org. 48 (1973) 243-256 — Oliver, M. F., et al.: Brit.

Heart J. 40 (1978) 1069-1118 O Die „Carlson-Studie", Artherio- sclerosis 28 (1977) 81-86

Alle Studien stimmen darin überein, daß Clofibrat die Konzentration der Blutlipide und des Cholesterins senkt und daß die Frequenz ischämi- scher Attacken und Herzinfarkte im Vergleich mit den Kontrollgruppen niedriger war. Es gibt jedoch keinen statistisch gesicherten Hinweis da- für, daß die Mortalität durch Clofi- brat gesenkt wurde.

Keine der vorliegenden Studien hält der kritischen Analyse des Statisti- kers wirklich stand. Einmal sind die Zahlen zu gering; oft werden Stu- dien vorzeitig abgebrochen; dann wieder sind die Kriterien der Wir- kungsbemessung nicht hinreichend definiert. In anderen Studien ist nicht präzise genug festgelegt, unter welchen Kriterien ein Patient in die Studie aufgenommen wurde. Oft ist auch die Randomisierung des Pa- tientengutes nicht hinreichend do- kumentiert.

Außerordentliche Schwierigkeiten macht die Überprüfung der Koope- rationsbereitschaft der Patienten.

Auch die Laboruntersuchungen bie- ten ein besonders lehrreiches An- schauungsmaterial. Studien dieser Art müssen über Jahre ausgedehnt werden; einige Studien liefen bis zu 5 Jahren. Während die Studien lie- fen, veränderte sich der technische Fortschritt; heute wissen wir, daß es mit der einfachen Blutlipidbestim- mung nicht getan ist, sondern daß die Untersuchung der Lipide in ein- zelnen Fraktionen notwendig ist. So ist es beispielsweise nicht nur wich- tig zu wissen, wie hoch die Konzen- tration von Cholesterin im Plasma ist, es ist darüber hinaus wichtig, die Konzentration des Cholesterins in der LD-Lipidfraktion zu kennen. Das führt zu der Frage, ob alle älteren Studien, in denen diese Untersu- chungen nicht gemacht wurden, wertlos sind? Weiter entsteht das Problem, welche Kliniken in Europa

überhaupt über so hoch spezialisier- te Laboratorien verfügen, daß sie mit hinreichender Sicherheit und unter verläßlicher Qualitätskontrolle der- artige Bestimmungen durchführen können? — Man kommt sehr schnell an die Grenzen dessen, was in einer klinischen Studie machbar ist.

Zudem drängt sich hier die Frage auf: Wieweit ist es eigentlich zumut- bar, um der statistischen Wahrheit willen ein Kollektiv von Menschen, die ja Patienten sind, einem Untersu- chungsregime zu unterwerfen, das in jedem Fall mit erheblichen Einen- gungen der persönlichen Freiheiten und Gewohnheiten verbunden ist — und das über Jahre? Wo findet sich eigentlich ein Kollektiv von Men- schen, das kooperativ und diszipli- niert genug ist, durchzuhalten? Die Studien lehren, daß in Zukunft klini- sche Untersuchungen nicht nur in- tensiver vorbereitet und geplant, sondern vor allem differenzierter kontrolliert und überwacht werden müssen. Auch hier gelangt man sehr schnell an die Grenzen des organi- satorisch Machbaren. Es sagt sich leicht, Raucher und Nichtraucher sind zu trennen. Andererseits: wie lassen sich die Ernährungsgewohn- heiten standardisieren? Wie las- sen sich vor allem mögliche Abwei- chungen von einem vorgeschriebe- nen Ernährungsschema erfassen?

Scheitern derartige Konzepte nicht allzu schnell daran, daß auch bei voller Bereitschaft totale Koopera- tion seitens der Patienten fast un- möglich ist?

Die Diskussion hat ergeben, daß die Anforderungen an klinische Studien unter dem Aspekt des Statistikers und des Epidemiologen auf der ei- nen Seite und des Arztes auf der anderen Seite sicherlich unter- schiedlich sind. Es fehlt indes nicht an gegenseitigem Verständnis. Al- lerdings wird noch intensiv darüber nachgedacht werden müssen, wie praktikable Verfahren entwickelt werden, die es ermöglichen, das un- ter dem Gesichtswinkel des Statisti- kers Wünschenswerte mit dem un- ter dem Gesichtspunkt des Arztes Durchführbaren zu vereinbaren. Es verwundert deshalb nicht, wenn Sta-

tistiker die Ergebnisse der verfügba- ren Studien sehr zurückhaltend be- werten. Ob es sich nun um therapeu- tische Wirkungen oder um beobach- tete Nebenwirkungen handelt, der Statistiker sieht darin allenfalls Hin- weise für bestimmte Zusammenhän- ge, die durch gezielte Studien ge- nauer untersucht werden müßten.

Lassen sich aus derlei vorsichtigen Schlüssen so weitreichende Ent- scheidungen ableiten, wie sie im Falle des Clofibrats gefällt wurden?

— Alle Beteiligten meinten, sie hätten viel aus diesen Vorgängen gelernt.

Was im einzelnen, wurde allerdings nicht gesagt. Ein ungelöstes Pro- blem ist beispielsweise, wie ein Wettbewerbsvorteil für „ähnliche"

Konkurrenzpräparate, für die ent- sprechende Langzeitstudien mit möglichen negativen Beurteilungen nicht vorliegen, vermieden werden kann. Das ist nicht nur eine Frage für den Juristen, denn: was ist „ähn- lich"?

Einigkeit herrschte darüber, daß es sicherlich lohnend wäre, das Kon- zept der lipidsenkenden Therapie zur Verhinderung ischämischer At- tacken und Herzinfarkte einmal gründlich zu überprüfen. Das liefe auf eine vergleichende Studie aller lipidsenkenden Stoffe hinaus, das heißt der Clofibrinsäure-Derivate, der Nikotinsäure-Derivate, des D- Thyroxins, der essentiellen Phos- pholipide usw. Hier nun brach große Ratlosigkeit darüber aus, wer denn der Träger einer solchen Studie sein könnte. Warum eigentlich nicht die Krankenkassen?

Alle waren sich auch einig darüber, daß therapeutische Prinzipien kon- trolliert werden müssen; noch nicht ganz so einig ist man sich aber dar- über, wie derartige Kontrollen durchgeführt werden sollen.

Professor Dr. med.

Wolfgang Forth

Institut für Pharmakologie Ludwig-Maximilians-Universität Nußbaumstraße 26

8000 München 19

660 Heft 11 vom 13. März 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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