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Archiv "Luftverschmutzung — Asthma — Atemwegsallergien: Zwischenergebnisse deutsch-deutscher epidemiologischer Studien" (10.01.1994)

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Luftverschmutzung — Asthma Atemwegsallergien

Zwischenergebnisse deutsch-deutscher epidemiologischer Studien*)**)

Dennis Nowak' Rudolf Jörres Helgo Magnussen

D

ie Häufigkeit des Asthma bronchiale scheint in vielen Ländern zuzunehmen (5, 39, 51). Vor drei Jahren haben wir an dieser Stelle über die Risiko- faktoren berichtet, die sich aus inter- nationalen Studien zur Prävalenzent- wicklung des Asthma bronchiale ab- leiten ließen (35). Ziel der vorliegen- den Übersicht ist es, die Wirkung der am besten untersuchten Luftschad- stoffe auf den Atemtrakt zusammen- zufassen und die Erkenntnisse aus den deutsch-deutschen Studien zur Prävalenz asthmatischer und allergi- scher Erkrankungen vorzustellen.

Wirkung von Luftschadstoffen

Die Aktualität des hier disku- tierten Themas wird aus verschiede- nen kürzlich erschienenen Über- sichtsarbeiten offensichtlich (1, 32, 38, 41, 49). Die wesentlichen auf den Atemtrakt einwirkenden umweltme- dizinisch relevanten Luftschadstoffe

Krankenhaus Großhansdorf, Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie, LVA Freie und Hansestadt Hamburg (Arztlicher Direktor: Prof. Dr. med. Helgo Magnus- sen), 'Zentralinstitut für Arbeitsmedizin, Freie und Hansestadt Hamburg (Kommis- sarischer Direktor: Prof. Dr. med. Dieter Szadkowski)

*) Die Untersuchungen in Hamburg erfol- gen mit Unterstützung des Bundesministers für Forschung und Technologie

**) Die Arbeit lehnt sich teilweise an unsere Ubersicht in der Zeitschrift THORAX (48:879-881, 1993) an.

Die wesentlichen umweltmedizinisch relevanten gasförmigen Luftschad- stoffe sind Schwefeldioxid, Stickstoff- dioxid und Ozon. Dieser Artikel faßt die Wirkung der oben genannten Stoffe auf den Atemtrakt zusammen, berichtet über die Entwicklung der Luftschadstoffbelastung in West- und Ostdeutschland und erläutert die Er- gebnisse einiger aktueller deutsch- deutscher epidemiologischer Untersu- chungen zur Häufigkeit asthmatischer und allergischer Erkrankungen.

sind Schwefeldioxid (SO 2), partikel- förmige Schadstoffe, Stickstoffdioxid (NO2) und Ozon. Die derzeit gülti- gen Grenz- und Richtwerte sind aus Tabelle 1 ersichtlich. Die Konzentra- tionen sind einheitlich in Ilg/m 3 ange- geben, wobei näherungsweise folgen- de Umrechnungsfaktoren gelten:

SO, 1000 µg/m3 = 0,4 ppm NO2 1000 t,g/m 3 = 0,5 ppm Ozon 1000 Will' = 0,5 ppm

Schwefeldioxid

In verschiedenen kontrollierten Expositionsstudien konnte gezeigt werden, daß asthmatische Patienten gegenüber Schwefeldioxid eine höhe- re Empfindlichkeit aufweisen als Ge- sunde. Die Schwelle für die Entwick- lung einer obstruktiven Atemwegs- antwort liegt bei Asthmatikern wäh- rend körperlicher Belastung zwi- schen 700 Will' (28) und 1400 .tg/m 3

(29). Im Gegensatz hierzu entwickeln Atemwegsgesunde bei Konzentratio- nen unterhalb 2700 µg/m 3 keine ob- struktive Ventilationsstörung (46).

Aus historischen Untersuchungen im belgischen Meuse-Tal im Jahre 1930, in Donora (USA) im Jahre 1948 so- wie anläßlich des bekannten Londo- ner Smogs im Jahre 1952 kennen wir die deletären Wirkungen hoher Kon- zentrationen von SO, (Tagesmittel um 4000 p,g/m3), sauren Aerosolen und Rauch. Die schädliche Wirkung der Luftschadstoffbelastung war be- sonders bei Patienten mit vorbeste- henden asthmatischen (Meuse, Do- nora) oder bronchitischen und asth- matischen Erkrankungen (London) ausgeprägt. Jüngst erschienene epi- demiologische Untersuchungen be- stätigen jedoch, daß auch wesentlich niedrigere Konzentrationen an SO 2 und partikelförmigen Luftschadstof- fen vermehrt mit Atemwegskrankhei- ten einhergehen. So konnte kürzlich gezeigt werden, daß bei Kindern mit chronischen Atembeschwerden eine Korrelation zwischen S0 2-Werten (höchstes Tagesmittel 105 tg/m 3 ), Rauch (2 bis 120 µg/m3) und partikel- förmigen Luftschadstoffen einerseits sowie giemenden Atemgeräuschen, Peakflow-Einschränkungen und dem Gebrauch von Beta,-Sympathomime- tika andererseits bestand (44). Diese Daten deuten darauf hin, daß auch geringe Erhöhungen der SO 2- und Partikelkonzentrationen in den Win- termonaten bei Prädisponierten zu Atembeschwerden führen können.

Stickstoffdioxid

Im Gegensatz zum SO 2 scheint der Effekt der Einatmung von NO 2 nicht in demselben Ausmaß von ei- ner bereits vorhandenen Schädigung der Atemwege abhängig zu sein. Die Exposition von Patienten mit Asthma bronchiale gegenüber geringen NO 2

-Konzentrationen führte zu wider- sprüchlichen Ergebnissen. Bereits

(2)

140 400

80 200

1000 300

200 100

120

5000

9000 200

so2

NO2 03

TA Luft 5Z" 98%—W."

Jahr Jahr

EG-Richtlinie Median 98%—W.

Jahr Jahr

_MIK-Wert

X

V2 Std. Tag

MAK-Wert 5 x 8 Std./Wo.

80 bzw.

1202' 250 bzw.

3503' 200 (110)4)

Tabelle 1: Crem- und Richtwerte für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Ozon (in p,ginV)

1) x = arithmetisches Mittel, 98%-W. = 98er Perzentile (Halbmittelstundenwerte) 2) 80 ug/m3 gilt bei gleichzeitigen Schwebstaubkonzentrationen > 150 pig/m 3, 120 µg/m3

gilt bei gleichzeitigen Schwebstaubkonzentrationen < = 150 ug/m 3 (jeweils Mediane der Tagesmittelwerte).

3) 250 µg/m3 gilt bei gleichzeitigen Schwebstaubkonzentrationen > 350 tg/m 3 , 350 µg/m3 gilt bei gleichzeitigen Schwebstaubkonzentrationen < = 350 pg/m 3 (jeweils 98%-Werte der Tagesmittelwerte).

4) Der Schwellenwert zum Schutz vor Gesundheitsgefahren (kein Grenzwert im engeren Sinne) liegt als 8-Std.-Mittelwert bei 110 ug/m 3 ; der Schwellenwert zur Information bzw. Warnung der Bevölkerung liegt bei 180 bzw. 360 ug/m 3 als 1-Std.-Mittelwert.

MEDIZIN

die Einatmung von 200 bis 500 .tg/m3 führte bei einigen Patienten mit Asthma bronchiale zu einer gestei- gerten Empfindlichkeit der Atemwe- ge (15, 22, 30, 40). Dieses Ergebnis konnte jedoch von anderen Autoren (10) und bei teilweise höheren Kon- zentrationen (27) nicht bestätigt wer- den. Wir konnten kürzlich eine Ab- nahme bronchodilatatorischer (6-Ke- to-PGF, aipha) sowie eine Zunahme bronchokonstriktorischer Mediato- ren (PGD 2, TXB2, Leukotriene) nach Einatmung von 200 µg/m 3 NO2 bei Asthmatikern nachweisen (36). Auch bei Gesunden sind die Literaturda- ten uneinheitlich, da eine gesteigerte Atemwegsempfindlichkeit nach Ex- positionen gegenüber 4000 [tg/m 3

NO 2 (31) von anderen Autoren nicht bestätigt werden konnte. Eine konsi- stente Beeinflussung des Atemwegs- tonus von Gesunden ist bei Konzen- trationen unter 4000 µg/m 3 nicht be- kannt (7). Verschiedene epidemiolo- gische Untersuchungen haben einen Zusammenhang zwischen Ver- schlechterungen der Lungenfunkti- on, Atemwegssymptomen und erhöh- ter NO 2-Konzentration zeigen kön- nen (4, 47, 48). Querschnittstudien weisen auf das vermehrte Auftreten von Atemwegsbeschwerden bei Kin- dern in Haushalten mit Gasfeuerung hin, in denen NO,-Spitzenwerte um 400 bis 800 tg/m 3 gemessen werden (45). Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erlauben die vorliegenden Studien noch keine eindeutigen Schlüsse zur Bedeutung des NO2 für die Häufig- keit und Schwere von Atemwegser- krankungen.

Ozon

In experimentellen Untersu- chungen ließ sich durch enorme Er- höhung der Ventilation unter sechs- stündiger Fahrradbelastung bereits bei Konzentrationen von 160 bis 240 [tg/m3 Ozon eine Lungenfunktions- verschlechterung nachweisen (13).

Da die Ozonwirkung einem Dosis- beziehungsweise Dosisraten-Gesetz folgt, liegt die Schwellenkonzentrati- on, die bei kurzzeitiger Einwirkung zu einer Lungenfunktionsverschlech- terung führt, mit 400 bis 800 µg/m 3 in einem höheren Bereich (9). Die typi-

DIE ÜBERSICHT

sche akute Lungenfunktionsstörung, welche sich nach Ozonatmung ent- wickelt, entspricht einer Restriktion der tiefen Einatmung und einer Zu- nahme der Atemwegsempfindlich- keit gegenüber Histamin oder Me- thacholin. Nur wenige kontrollierte Expositionsstudien haben die Ozon- wirkung bei Asthmatikern untersucht (26), in einigen Untersuchungen er- gab sich bei Asthmatikern im Ver- gleich zu Gesunden eine geringgra- dig höhere Ozonempfindlichkeit (25). Bei einer großen Zahl von Pro- banden konnten wir eine enorme in- terindividuelle Variabilität der Ozonempfindlichkeit beobachten, wobei das Vorhandensein oder Feh- len einer allergischen Erkrankung der oberen oder unteren Atemwege von nachrangiger Bedeutung war (16). Verschiedene epidemiologische Untersuchungen weisen auf eine Be- ziehung zwischen Ozonkonzentratio- nen in der Außenluft und dem ge- häuften Auftreten von Atemwegs- symptomen und Lungenfunktions- verschlechterungen, insbesondere bei Kindern, hin. Die wesentlichen Befunde wurden in den USA (12, 20), Österreich (52) und Mexiko (8) erhoben. Demnach scheint die lang- zeitige Exposition gegenüber hohen Ozonkonzentrationen (mehr als 120 u,g/m3 an 45 Prozent der Tage) zu ei- ner persistierenden Überempfind- lichkeit der Atemwege beizutragen

(52). Von Tag zu Tag gemessene Lungenfunktionswerte können eine negative Korrelation mit den Ozon- konzentrationen in der Umgebungs- luft aufweisen (8, 12), wobei unklar ist, ob die individuelle Reaktionsbe- reitschaft vom Vorbestehen einer Atemwegserkrankung abhängt.

Eine der wenigen epidemiologi- schen Studien an lungengesundenen Erwachsenen ergab im Aargau an Tagen erhöhter atmosphärischer Ozonkonzentrationen verschlechter- te Spirometriebefunde sowie eine Zunahme der Empfindlichkeit der Atemwege (19).

Vorkommen

von Luftschadstoffen im deutsch-deutschen Vergleich

Die Immissionsbelastung wird im bisherigen Bundesgebiet durch die Meßnetze der Bundesländer und des Umweltbundesamtes gemessen.

Im Bereich der früheren DDR wur- den Messungen durch die Bezirkshy- gieneinspektionen und den Meteoro- logischen Dienst durchgeführt. Auf- grund der Meßergebnisse aus diesen Netzen zeichnet sich für die Leit- schadstoffe Schwefeldioxid, Stick- stoffdioxid und Ozon folgendes Bild ab:

A-40 (40) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 1/2, 10. Januar 1994

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Tabelle 2: Ergebnisse des Kurzfragebogens, der von einer bevölkerungsbezogenen Stichprobe von Personen zwischen 20 und 44 Jahren in Hamburg und Erfurt beantwor- tet wurde (noch 37)

Hamburg Erfurt

Zahl versandter Fragebögen 4500 4990

Antwortrate 80,0% 72,8%

1. Hatten Sie jemals in den letzten 12 Mona- 20,7% 13,7%

ten ein pfeifendes oder brummendes Ge- räusch in Ihrem Brustkorb?

1.1 Hatten Sie jemals Atemnot, als dieses 8,0% 5,1%

pfeifende Geräusch auftrat?

1.2 Hatten Sie dieses Pfeifen oder Brummen, 13,2% 7,4%

wenn Sie nicht erkältet waren?

2. Sind Sie irgendwann in den letzten 12 9,6% 9,2%

Monaten mit einem Engegefühl im Brust- korb aufgewacht?

3. Sind Sie irgendwann in den letzten 12 5,0% 4,4%

Monaten durch einen Anfall von Atem- not aufgewacht?

4. Sind Sie irgendwann in den letzten 12 25,7% 20,1%

Monaten wegen eines Hustenanfalls auf- gewacht?

5. Haben Sie in den letzten 12 Monaten ei- 3,0% 1,3%

nen Asthmaanfall gehabt?

6. Nehmen Sie derzeit irgendeine Medizin 3,4% 1,6%

(zum Beispiel Inhalationen, Dosieraero- sole [Sprays] oder Tabletten) gegen Asthma?

7. Haben Sie allergischen Schnupfen, z. B. 22,8% 13,2%

„Heuschnupfen"?

Schwefeldioxid

Westdeutschland: Die großräu- mige Belastung ging seit 1988 um et- wa 30 bis 45 Prozent an der früheren deutsch-deutschen Grenze bis hin zu 70 Prozent in den westlichen Lan- desteilen zurück. Dieses gilt auch für Ballungsräume wie das Rhein-Ruhr- Gebiet, wo die mittlere Belastung von rund 50 µg/m 3 auf etwa 30 µg/m 3 im Jahresmittel rückläufig war. Jah- resmittelwerte über 40 µg/m 3 treten seit 1989 nur noch ganz vereinzelt auf.

Ostdeutschland: Die S0 2-Im- missionskonzentrationen in den In- dustriegebieten des bisherigen Bun- desgebietes entsprechen etwa den S02-Werten in den ländlichen Ge- bieten der ehemaligen DDR. Die Be- lastungen in den Ballungszentren der ehemaligen DDR liegen etwa um den Faktor drei bis vier höher als die- jenigen in westlichen Ballungszen- tren. Während Smogperioden wur- den in den Städten Thüringens und Sachsens verbreitet Tagesmittelwerte von 1000 bis 2000 µg/m3 gemessen.

Stickstoffdioxid

Westdeutschland: Wesentliche Veränderungen der Immissionssitua- tion sind in den letzten Jahren nicht festzustellen gewesen, da die Minde- rung der Belastung durch Großfeue- rungsanlagen teilweise durch Zu- wächse beim Verkehrsaufkommen kompensiert wurde. In den Städten und Ballungsgebieten liegen die Jah- resmittel für NO 2 meist zwischen 35 und 50 µg/m 3, die 98-Perzentile bei etwa 80 bis 130 µg/m 3 . In verkehrsbe- einflußten Bereichen liegen die Wer- te um etwa die Hälfte höher.

Ostdeutschland: Die bis 1989 in der ehemaligen DDR registrierten NO2-Werte liegen — bedingt durch das niedrigere Kraftfahrzeugaufkom- men — im allgemeinen niedriger als die in den alten Bundesländern.

Noch 1989 lagen die NO 2-Jahresmit- telwerte außerhalb der Ballungsräu- me zwischen 6 und 20 ptg/m 3, inner- halb der Ballungsräume zwischen 20

und 40 1.tg/m 3. Einhergehend mit der Zunahme des Individualverkehrs ist in den letzten Jahren ein Aufwärts- trend feststellbar.

Ozon

Da die Ozonbelastung mit den Witterungsbedingungen von Jahr zu Jahr stark variiert, sind Trendaussa- gen sehr schwierig. Gegenüber Meß- werten aus dem vorigen Jahrhundert hat die Ozonbelastung in unseren Breiten wahrscheinlich etwa um den Faktor zwei zugenommen.

Westdeutschland: Im Regelfall liegt die sommerliche Konzentration unter 100 .tg/m3, meist zwischen 40 und 80 [1,g/m3. Bei Sommersmog-Epi- soden treten jedoch in Städten Werte zwischen etwa 100 und 160 µg/m3 auf, in ländlichen Gebieten zwischen et- wa 140 und 190 11,g/m 3. Im westlichen Teil des Bundesgebietes stellt Ozon heute damit das wesentliche Problem der Belastung durch Luftschadstoffe dar.

Ostdeutschland: Die Jahresmit- telwerte für Ozon lagen im Bereich der ehemaligen DDR noch im Jahre 1989 zwischen 20 µg/m 3 in den Städ-

ten und etwa 60 µg/m3 in Kammlagen des Thüringer Waldes, damit insge- samt etwas niedriger als in West- deutschland. Mit der Zunahme des Kraftfahrzeugverkehrs und der Ver- schiebung der Stickoxid-Kohlenwas- serstoff-Emissionsverhältnisse ist von einer Zunahme der Ozonwerte in Ostdeutschland auszugehen.

Deutsche-deutsche Studien

Die deutsche Wiedervereinigung stellt insofern einen aus umweltepi- demiologischer Sicht faszinierenden Ansatzpunkt zur Untersuchung der Luftschadstoffwirkung auf Parame- ter der Lungenfunktion und der al- lergischen Sensibilisierung dar, als zwei genetisch vergleichbare Popula- tionen für einen Zeitraum von über 40 Jahren gegenüber unterschiedli- chen Luftschadstoffverhältnissen

(4)

MEDIZIN

und unterschiedlichen Lebensbedin- gungen exponiert waren. Auch wenn verschiedene Arbeitsgruppen ihre Untersuchungen noch nicht abge- schlossen haben, liegen bereits jetzt wichtige Befunde vor, die in eine auf- fallend einheitliche Richtung weisen:

Die Arbeitsgruppe um Krämer und Behrendt führte im Frühjahr 1991 eine umweltepidemiologische Studie an sechsjährigen Kindern aus Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie aus Nordrhein-Westfalen mit Kollek- tivumfängen von mehr als 4000 Kin- dern jeweils für das ostdeutsche und westdeutsche Untersuchungsgebiet durch (24). Erste Untersuchungser- gebnisse weisen darauf hin, daß in den ostdeutschen Städten häufiger über das vermehrte Auftreten von Husten berichtet wird, während die Diagnose Asthma und Rhinitis be- vorzugt in den westlichen Untersu- chungsorten gestellt wurde.

Diese Tendenz spiegelt sich auch in der kürzlich publizierten Stu- die (34) wider. Hier wurden die An- gaben in Fragebögen sowie Lungen- funktionswerte und Messungen der unspezifischen Atemwegsempfind- lichkeit gegenüber kalter Luft bei 1051 Schulkindern in Leipzig und 5030 Schulkindern in München mit- einander verglichen. Die kumulati- ven Prävalenzen für ein vom Arzt diagnostiziertes Bronchialasthma la- gen bei 7,3 Prozent (Leipzig) und 9,3 Prozent (München) und zeigten ebenso wenig einen signifikanten Ost-West-Unterschied wie die Häu- figkeit des Symptoms „Giemen"

(„wheeze"), welches von 20 Prozent der Leipziger Kinder und 17 Prozent der Münchner Kinder berichtet wur- de. Auch die Lungenfunktionswerte und Bestimmungen der Atemwegs- empfindlichkeit gegenüber Kaltluft ergaben keine Unterschiede. Eine vom Arzt diagnostizierte Bronchitis wurde jedoch in Leipzig wesentlich häufiger (30,9 Prozent) als in Mün- chen (15,9 Prozent) berichtet. Heu- schnupfen (2,4 Prozent und 8,6 Pro- zent) sowie typische Symptome der Rhinitis (16,6 Prozent und 19,7 Pro- zent) wurden im Gegensatz hierzu in Leipzig seltener als in München an- gegeben.

Eine höhere Sensibilisierungsra- te in westdeutschen im Vergleich zu

DIE ÜBERSICHT

ostdeutschen Städten zeigt sich auch in der Untersuchung von Klein und Koautoren (21), die bei 901 Berufs- schülern aus Leuna im Vergleich zu einer Duisburger Kontrollgruppe er- höhte Sensibilisierungen gegenüber Hausstaubmilben und Katzenaller- gen nachweisen konnten. Bezüglich der ebenfalls getesteten Pollenaller- gene ergab sich kein entsprechender Unterschied.

In diesem Zusammenhang sind die kürzlich aus der Arbeitsgruppe um Behrendt (3) vorgelegten Befun- de interessant, nach denen die Se- rum-Gesamt-IgE-Konzentrationen bei ostdeutschen Vorschulkindern um den Faktor zwei bis drei höher la- gen als bei den westdeutschen Kin- dern. Diese Differenz blieb auch nach Ausschluß von Kindern mit po- sitiven allergiebezogenen Variablen bestehen. Höhere IgE-Werte waren sowohl in westdeutschen als auch in ostdeutschen Städten mit stärkerer Luftschadstoffbelastung vermehrt anzutreffen. Eine wichtige Rolle für diese Befunde spielt auch die in Ost- deutschland wesentlich häufigere Wurmdurchseuchung bei Kleinkin- dern. Ob sich die aus verschiedenen Studien bekannte inverse Beziehung zwischen Wurmfestationen und aller- gischen Erkrankungen (17, 18) auch im deutsch-deutschen Vergleich wi- derspiegelt, muß derzeit noch offen- bleiben.

Die ersten Ergebnisse der EG- weiten Studie über die Häufigkeit und Risikofaktoren von Atemwegser- krankungen in der Allgemeinbevöl- kerung, welche in Hamburg durch das Krankenhaus Großhansdorf (H. M., D. N., R. J.) in Zusammenar- beit mit dem Institut für Mathematik und Datenverarbeitung in der Medi- zin des Universitätskrankenhauses Hamburg-Eppendorf (J. Berger, M.

Claussen) und in Erfurt von der Ar- beitsgruppe H.-E. Wichmann, J.

Heinrich, E. Beck durchgeführt wird, ergab — bezogen auf den bereits aus- gewerteten Kurzfragebogen, der von 4500 Hamburger und 4990 Erfurter Bürgern beantwortet wurde — die in Tabelle 1 dargestellten Ergebnisse (37). Demnach zeigen sich in der er- sten deutsch-deutschen Vergleichs- untersuchung an einem bevölke- rungsbezogenen Kollektiv von Er-

wachsenen Hinweise auf eine höhere Diagnosehäufigkeit asthmatischer und allergischer Erkrankungen im Westen. Hierbei handelt es sich noch um vorläufige Ergebnisse, die durch die Befunde der Spirometrie, Methacholinempfindlichkeit und all- ergologischen Untersuchung validiert werden müssen. Unsere Untersu- chung wird insbesondere den Einfluß zahlreicher potentieller Risikofakto- ren (Rauchen, Berufstätigkeit, Er- nährung, Wohnverhältnisse und an- dere) zu prüfen haben. Berücksich- tigt man, daß die Frage nach Auftre- ten eines Asthmaanfalls in den letz- ten zwölf Monaten mit einer Spezifi- tät von 90 Prozent eine positive Hi- staminantwort vorhersagen läßt (6), so weisen selbst unsere vorläufigen Befunde darauf hin, daß die Häufig- keit asthmatischer und allergischer Erkrankungen im Westen tatsächlich höher zu sein scheint als im Osten.

Inwieweit mögliche Nord-Süd-Unter- schiede eine Rolle spielen, wird die Gesamtschau der Daten der EG-wei- ten Untersuchung zeigen, deren Da- tenerhebung im Laufe diesen Jahres abgeschlossen sein wird.

Mögliche

Schlußfolgerungen

Zum jetzigen Zeitpunkt ist es unklar, welche Faktoren für die of- fensichtlichen Unterschiede verant- wortlich sind. Diagnostische Gepflo- genheiten scheinen den Unterschied nicht allein erklären zu können, da sich die vom Arzt gestellten Diagno- sen großenteils in den typischen Sym- ptomen widerspiegelten (34).

Jedoch liegt der Schluß nahe, daß hohe SO 2- und Partikelkonzen- trationen zufolge epidemiologischer Untersuchungen keine erhöhten al- lergischen Sensibilisierungsraten nach sich ziehen. Dies steht im Ge- gensatz zu einem Bericht, der bei- spielsweise bei Meerschweinchen un- ter S0 2-Exposition eine erhöhte al- lergische Sensibilisierungsrate zeigen konnte (43). Die bemerkenswerten Befunde einer offensichtlich höheren Sensibilisierungsrate gegenüber In- nenraumallergenen im Westen (21) deuten darauf hin, daß unsere „west- lichen" Wohngegebenheiten mögli-

A-42 (42) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 1/2, 10. Januar 1994

(5)

cherweise der Entstehung allergi- scher Erkrankungen Vorschub lei- sten: So könnte die verminderte Be- lüftung, die mit höherer Luftfeuch- tigkeit einhergeht, ein günstigeres Mikroklima für Milben schaffen, so daß Innenraumfaktoren bedeutsa- mer sein könnten als die unterschied- lichen Luftschadstoffbelastungen im Freien. Möglicherweise liegt auch in der höheren Innenraumbelastung mit Allergenen der Schlüssel zum Verständnis für die große Häufigkeit asthmatischer Erkrankungen in Neu- seeland. Dem Allergengehalt von In- nenräumen wird in jüngerer Zeit je- denfalls eine steigende Bedeutung beigemessen (10, 50).

Welche Bedeutung die stärkere Belastung mit kraftfahrzeugbeding- ten Luftschadstoffen für die allergi- sche Sensibilisierungsrate in den westlichen Städten hat, kann derzeit noch nicht abgeschätzt werden. In der bekannten, aber methodisch nicht unwidersprochenen Studie von Ishizaki und Koautoren (14) fanden sich bei Anwohnern innerstädtischer Hauptstraßen höhere Sensibilisie- rungsraten gegenüber dem Allergen der Zeder als bei Personen, die in Zedernumgebung wohnten, jedoch in geringerem Umfange abgasexponiert waren. Auch Krämer und Koautoren (23) berichteten über eine größere Häufigkeit allergischer Sensibilisie- rungen gegenüber Pollen bei Kin- dern, die mehr als eine Stunde täg-

lich gegenüber Abgasen des Autover- kehrs exponiert waren. Auch andere Gruppen beobachteten eine häufige- re Sensibilisierung gegenüber Aero- allergenen in Gegenden mit hoher Luftschadstoffbelastung (42). Expe- rimentell konnte gezeigt werden, daß die kurzfristige Exposition gegenüber 240 [1g/m3 Ozon die Atemreaktion ge- genüber inhalierten Allergenen bei einer kleinen Zahl asthmatischer Probanden erhöhte (33). An der Na- se ließ sich dieser Effekt jedoch nicht belegen (2). Wenngleich tierexperi- mentelle Untersuchungen darauf hinweisen, daß die allergische Sensi- bilisierung durch vorherige Ozonex- position verstärkt werden kann, wa- ren bei Kindern, die in stärker ozon- belasteten Gegenden wohnen, keine gehäuften allergischen Sensibilisie- rungen nachweisbar (52).

Fazit

Asthmatische Patienten weisen im Vergleich zu Gesunden eine hö- here Reaktionsbereitschaft gegen- über verschiedenen Luftschadstoffen auf. Dies gilt insbesondere für SO 2, wahrscheinlich weniger für NO 2 und Ozon. Die entscheidende Frage, ob die Luftschadstoffbelastung ein aller- gisches Asthma bronchiale und eine allergische Sensibilisierung begünsti- gen oder gar seine Entstehung bewir- ken können, ist nach wie vor unbe-

antwortet. Die ersten Ergebnisse der deutsch-deutschen Studien der letz- ten Jahre deuten darauf hin, daß SO 2

und Rauch offensichtlich zu keiner erhöhten Sensibilisierungsrate ge- führt haben (24, 34, 37). Unsere Un- tersuchungen bestätigen die Notwen- digkeit groß angelegter epidemiologi- scher Querschnittsuntersuchungen mit einheitlicher Methodik, um der Antwort auf die drängende Frage nach den Risikofaktoren näherzukommen.

Die wesentliche Aufgabe der zukünf- tigen umweltmedizinischen Erfor- schung der Luftschadstoffwirkung auf den Menschen liegt in der Verbindung kontrollierter humanexperimenteller Studien mit multizentrischen epide- miologischen Quer- und Längsschnitt- untersuchungen.

Deutsches Ärzteblatt

91 (1994) A-38-44 [Heft 1/2]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med.

Helgo Magnussen

Krankenhaus Großhansdorf Wöhrendamm 80

22927 Großhansdorf

Vorsicht mit

Indomethacin bei Leberzirrhose

In der Niere produzierte Prosta- glandine spielen eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Nie- renfunktion. In Gegenwart von Nor- adrenalin und Angiotensin-2 sorgen sie für eine Abnahme des Gefäßto- nus in der Niere und steuern die glo- meruläre Filtrationsrate.

Die Autoren konnten zeigen, daß die orale Gabe von 50 mg Indomethacin bei Patienten mit kom- pensierter alkoholischer Leberzir-

rhose zu einer signifikanten Abnah- me der glomerulären Filtrationsrate führt. Indomethacin wirkte sich da- bei sowohl antidiuretisch wie antina- triuretisch aus. Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß nicht-steroidale Antirheumatika bei allen Patienten mit Leberzirrhose mit Vorsicht ein- gesetzt werden sollten.

Wong, F., D. Massie, P. Hsu, F. Dudley:

Indomethacin-Induced Renal Dysfunc- tion in Patients With Well-Compensated Cirrhosis. Gastroenterology 1993: 104:

869-876.

Departments of Gastroenterology and Biochemistry, Alfred Hospital, Victoria, Australien.

Zitierhinweise für das Deutsche Ärzteblatt

Wie manche andere große Zeit- schriften wird das Deutsche Ärzte- blatt in mehreren Ausgaben publi- ziert. Die unterschiedliche Paginie- rung in den Ausgaben A 1 , A2, B und C erschwert leider das korrekte Zi- tieren von Artikeln. Deshalb finden Sie am Textende größerer Aufsätze einen „Zitierhinweis". Er bezieht sich grundsätzlich auf die Seitenzah- len der Ausgabe A l . Zusätzlich wird jedoch die Heftnummer genannt, da-

mit Leser, die eine der anderen Aus- gaben vor sich haben, den betreffen- den Artikel ebenfalls finden können.

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