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Archiv "Aussagefähigkeit der Prävalenzwerte" (01.02.2013)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 5

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1. Februar 2013 69

M E D I Z I N

Aussagefähigkeit der Prävalenzwerte

Mit Blick auf die hausärztliche Versorgung von Pa- tienten mit euthyreoter Struma und basierend auf un- seren Rechercheerfahrungen bei der Bearbeitung der DEGAM-Leitlinie „Schilddrüsenerkrankungen in der Hausarztpraxis“ möchten wir auf folgendes hinwei- sen:

Erstaunt beobachten wir, wie seit einigen Jahren die Papillon-Studie in deutschen wissenschaftlichen Artikeln zur Angabe von Prävalenzwerten zu Struma und Schilddrüsen-Knoten für die deutsche Bevölke- rung zitiert wird.

Völlig unreflektiert bleibt die Frage zur Aussagefä- higkeit dieser Prävalenzwerte für die deutsche Bevöl- kerung. Betrachtet man zum Beispiel die Auswahl der Studienteilnehmer (freiwillige Teilnahme „Werktäti- ger“, die selbst angaben, noch keine SD-bezogenen Vorbefunde zu haben), ist von einem hohen Selekti- onsbias auszugehen. Diese Prävalenzwerte sind nicht repräsentativ für die deutsche Bevölkerung.

Die meisten Strumen sind asymtomatisch. Müssen alle Personen mit asymptomatischen Veränderungen der SD (meist Zufallsbefunde) weiteren diagnosti- schen/therapeutischen Maßnahmen zugeführt wer- den? Oder reicht „wait and watch“ aus – umfassende Aufklärung der Patienten vorausgesetzt?

Erwähnt werden sollte, dass das Schilddrüsenkarzi- nom eine seltene Erkrankung ist. Geschätzte alters- standardisierte SD-Karzinominzidenzen betragen laut RKI 3,1/100 000 Männer und 6,3/100 000 Frauen (1).

Die überwiegende Mehrheit der SD-Veränderungen ist benigner Genese (23).

Vor dem Hintergrund sehr geringer Inzidenzwerte stellt sich die Frage nach der Effektivität weiterfüh- render diagnostischer Maßnahmen, insbesondere bei asymptomatischer euthyreoter Struma. Die Vorhersa- gekraft ist – bedingt durch sehr geringe Prävalenzwer- te insbesondere im hausärztlichen Setting – zu gering.

Die DEGAM-Leitlinie zu Schilddrüsenerkrankun- gen wird basierend auf diesem Wissensstand Haus- ärzte zu einem verantwortungsvollen „wait and watch“ bei asymptomatischen Schilddrüsenverände- rungen (immer abhängig von klinischer Symptoma- tik und Patientenwunsch und umfassende Aufklä- rung vorausgesetzt) aufrufen.

DOI: 10.3238/arztebl.2013.0069b

Sensitivität und Spezifität schlecht

Ein cme-Artikel (1) im Ärzteblatt lässt erwarten, dass sein Inhalt gesicherte Erkenntnis wiedergibt. Der Artikel von Führer et al. wird diesem Anspruch eindeutig nicht ge- recht. Sie postulieren, bei jedem Schilddrüsenknoten solle zumindest einmalig eine Szintigraphie durchgeführt wer- den. Sensitivität und Spezifität dieser Untersuchung hin- sichtlich von Malignomen sind schlecht (2, 3). Der Ein- druck einer ungerechtfertigten Überdiagnostik (es handelt sich um den massenhaften Umgang mit radioaktivem Material!) liegt nahe. Die Empfehlung, bei jedem Patien- ten mit Knotenstruma das Calcitonin zu bestimmen, ist vorsichtig gesagt umstritten. Diese Empfehlung mag für eine endokrinologische Fachambulanz stimmen. Für die Hausarztpraxis mit ihrer geringen Inzidenz von Schild- drüsenmalignomen kommt sie definitiv einer Überdiag- nostik gleich. Auch die Empfehlung, Schilddrüsen-Anti- körper zu bestimmen, wird – vor allem hinsichtlich der Handlungsrelevanz des Ergebnisses – nicht genügend be- legt. Schließlich wird die Kombination aus Jod und Thy- roxion empfohlen. In der zitierten LISA-Studie (4) wur- den Jodid und L-Thyroxin einzeln sowie in Kombination im Vergleich zu Placebo untersucht. Die behandelten Knoten waren 1,47–1,96 mL groß. Die gepriesene relati- ve Größenreduktion um 17,3 % entsprach also einer abso- luten um 0,25 bis 0,33 mL – eine völlig irrelevante Grö- ßenordnung. Das Schilddrüsenvolumen von 18,2–18,8 % nahm absolut um 1,5 mL ab, ebenfalls irrelevant.

Klinisch relevante Endpunkte wie OP-Frequenz oder Entstehen einer Thyreotoxikose wurden nicht unter- sucht. Die im Artikel gegebene Empfehlung wird durch diese Studie nicht gesichert. Einen solchen mit derart zahlreichen, nicht durch Evidenz gesicherten Empfeh- lungen zur Maximaldiagnostik und -therapie angerei- cherten CME-Artikel als CME-Beitrag im Ärzteblatt zu veröffentlichen, suggeriert meines Erachtens unge- rechtfertigterweise, dass es sich hierbei um den aktuel- len Goldstandard handelt. DOI: 10.3238/arztebl.2013.0069a

LITERATUR

1. Führer D, Bockisch A, Schmid KW: Euthyroid goiter with and without nodules—diagnosis and treatment. Dtsch Arztebl Int 2012;

109(29–30): 506–16.

3. Daniels GH: Screening for medulalary thyroid carcinoma with serum calcitonin measurments in patients with thyroid nodules in the US and Canada. Thyroid 2011; 21: 1199–207.

4. Herrmann BL, Schmidt KW, Goerges R, et al.: Calcitonin screening and pentagastrin testing: predictive value for the diagnosis of medul- lary carcinoma in nodular thyroid disease. Eur J Endoc 2010; 162:

1141–5.

Prof. Dr. med. Heinz-Harald Abholz

Institut für Allgemeinmedizin, Heinrich-Heine-Universität-Düsseldorf Abholz@med.uni-duesseldorf.de

Elizabeth Bandeira-Echtler, Cochrane Group für Metabolic and Endocrine Disorders, Heinrich Heine-Universität-Düsseldorf

Prof. Dr. Johannes Köbberling, Wuppertal Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

2. Procopiou M: Wann und wie muss ein Schilddrüsenknoten abgeklärt werden? Therapeutische Umschau 2011; 68: 285–9.

3. Cronan J: Thyroid Nodules. Is it time to turn off the US machines?

Radiology 2008; 247: 602–4.

4. Grußendorf M, Reiners C, Paschke R, Wegscheider K: Reduction of thyroid nodule volume by Levothyroxine and Iodine alone and in combination: A randomized, placebo-controlled trial. J Clin Endocri- nol Metab 2011; 96: 2786–95.

Dr. med. Günther Egidi

Arzt für Allgemeinmedizin, Bremen, familie-egidi@nord-com.net Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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1. Februar 2013

M E D I Z I N

Perkutane sonographisch gesteuerte Alkoholinstillation (PEIT) unerwähnt

Drei Anmerkungen seien zur Initiierung prospektiver Studien erlaubt.

Szintigraphie: Die Guidelines der AACE/AME at- testieren ihr lediglich Evidenzniveau IV C (1). Statt ex- pansiv „Basisszintigraphie“ (Strahlenbelastung etwa 45 Röntgen-Thoraxaufnahmen) zu empfehlen (2), wäre der diagnostisch-therapeutische Erkenntnisgewinn zu hinterfragen (1, 3), damit sie nicht „unnötig wie ein Kropf“ ist. Tägliche Praxis lehrt, dass die Szintigraphie die Mehrzahl der sonographisch und operativ darge- stellten Knoten/Karzinome und fokale Autonomien un- ter 1 –1,5 cm nicht visualisiert. Ohne verblindete Studi- en zur Aussagekraft der Szintigraphie sollte ihr großzü- giger Einsatz nicht propagiert werden.

Calcitoninbestimmung: Inwieweit sie bei jeder Knoten- struma (2) oder gezielt bei sonomorphologisch suspekten Schilddrüsenknoten zur Erkennung des sporadischen me- dullären Schilddrüsenkarzinoms erfolgen sollte, wird in Ermangelung prospektiver Studien kontrovers gesehen (1, 3, 4). Generalisierte Bestimmungen bergen wegen labor- technischer Probleme, vieler falschpositiver/-negativer Befunde Risiken und verunsichern betroffene Patienten.

Bestimmung in spezialisierten Schilddrüsen-Ambulanzen mit valider Laboranalytik sowie Expertise in der Befund- einschätzung scheint ein gangbarer Weg (4).

Zur definitiven Therapie fokaler Autonomien findet die perkutane sonographisch gesteuerte Alkoholinstilla- tion (PEIT) keine Erwähnung (1–3). PEIT wurde weltweit bei mehreren Tausend Patienten erfolgreich durchgeführt und ist in interventionellen Zentren ein Routineverfahren. Vorteile sind: schneller Therapieef- fekt auch nach Jodexposition, ambulante preisgünstige Durchführbarkeit, keine operativen Risiken, Narben oder Schilddrüsenunterfunktion; hohe Patientenakzeptanz.

PEIT sollte bei uni-/bifokaler Autonomie als risikoarme Alternative zu Operation/Radiojodtherapie im interdis- ziplinär geführten Aufklärungsgespräch mit jedem Pa- tienten erörtert und als potenziell nebenwirkungsbehaf - tetes Verfahren in Zentren mit hoher Expertise durchge- führt werden (3). DOI: 10.3238/arztebl.2013.0070b

LITERATUR

1. Gharib, H, Papini E, Valcavi R, et al.: American Association of Clinical Endocrinologists and Associazione Medici Endocrinologi. Medical guidelines for clinical practice for the diagnosis and management of thyroid nodules. Endocr Pract 2006; 12: 63–102.

2. Führer D, Bockisch A, Schmid KW: Euthyroid goiter with and without nodules—diagnosis and treatment. Dtsch Arztebl Int 2012;

109(29–30): 506–16.

3. Braun B: Schilddrüse. In: Braun B, Günther R, Schwerk WB (eds.): Ul- traschalldiagnostik – Lehrbuch und Atlas. ecomed MEDIZIN, Heidel- berg, München, Landsberg, 2010; III–3.1: 1–238.

4. Dietlein M, Wieler H, Schmidt M, Schwab R, Goretzki PE, Schicha H:

Routine measurement of serum calcitonin in patients with nodular thyroid disorders? Nuklearmedizin 2008; 47: 65–72.

Prof. Dr. med. Bernd Braun, Reutlingen, Prof.B.Braun@gmx.de Interessenkonflikt

Prof. Braun erhält Honorare vom Thieme Verlag für einen Buchbeitrag

„Interventioneller Ultraschall“.

Einige Fragen offen

Wieso wird die Volumenverkleinerung durch Kombi- präparate so ausführlich zitiert – wo liegt der Nutzen für den beschwerdefreien Patienten? Wieso wird nicht in erster Linie Jodid empfohlen?

Das Regel-Kontrollintervall wird auf 6 bis 18 Mona- te festgelegt; warum keine sich verlängernden Interval- le? Wie hoch ist die NNS („number needed to screen“) im Hinblick auf abwendbar gefährliche Verläufe?

Unter „Labordiagnostik“ empfehlen Sie die gene- relle Calcitoninbestimmung; unter „Verlaufskontrol- len und Nachsorge“ schreiben Sie: „Neben der Anamneseerhebung und der klinischen Untersu- chung sind eine sonographische Verlaufskontrolle und eine TSH-Bestimmung in der Regel ausrei- chend.“ Also ist offenbar nur bei der Erstkonsultati- on wegen eines Knotens die Calcitoninbestimmung sinnvoll? Oder doch bei jeder Konsultation? Wie wä- re gegebenenfalls die NNS dieser Maßnahme, wie hoch wären die Kosten?

Angesichts der zitierten Prävalenz ginge es hier um ein Fünftel der erwachsenen Bevölkerung! Da reicht es meiner Meinung nach nicht aus, Leitlinien von Fachgesellschaften zu zitieren. Von einem Über- sichtsartikel, der sich an die gesamte Ärzteschaft wendet, darf verlangt werden, dass sich die Empfeh- lungen sich auch mit Aspekten von Nutzen (NNS) und gegebenenfalls Schaden (NNH „number needed to harm“) mindestens kurz auseinander setzen .

DOI: 10.3238/arztebl.2013.0070a

LITERATUR

1. Führer D, Bockisch A, Schmid KW: Euthyroid goiter with and without nodules—diagnosis and treatment. Dtsch Arztebl Int 2012;

109(29–30): 506–16.

Dr. med. Peer Laubner Facharzt für Allgemeinmedizin, GP Laubner Turner Protz, Büdingen, peer.laubner@t-online.de Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

LITERATUR

1. Reiners C, Geling M, Luster M, Farahati J, Mäder U: Epidemiologie des Schilddrüsenkarzinoms. Onkologe 2005; 11: 11–9.

2. Paschke R, Reiners C, Führer D, Schmid KW, Dralle H, Brabant G:

Empfehlungen und offene Fragen in der Diagnostik und Therapie von Schilddrüsenknoten – Stellungnahme der Sektion Schilddrüse der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie. Dtsch Med Wochenschr 2005; 130: 1831–6.

3. Führer D, Bockisch A, Schmid KW: Euthyroid goiter with and without nodules—diagnosis and treatment. Dtsch Arztebl Int 2012;

109(29–30): 506–16.

Jeannine Schübel, Jeannine.Schuebel@uniklinikum-dresden.de Dr. rer. medic. Karen Voigt,

Prof. Dr. med. Antje Bergmann Interessenkonflikt

Die Autorinnen sind Mitglieder im Autorenteam der DEGAM-Leitlinie

„Schilddrüsenerkrankungen in der Hausarztpraxis“ (in Entstehung)

Referenzen

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