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Archiv "Sexueller Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen: Genaues Zuhören ist wichtig" (22.05.1992)

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Qualifikation in Ethikkommissionen zu berufen sind, fand ebenso Zustim- mung wie die Forderung, daß die Mitglieder dieser Gremien nicht als Repräsentanten oder gar Interessen- vertreter der sie vorschlagenden oder entsendenden Institutionen/Or- ganisationen tätig werden dürfen.

Europäische Ethikkommission?

Die „Erste Round Table Kon- ferenz der Ethikkommissionen" hat ihr Ziel „Bestandsaufnahme und Diskussion allgemeiner Grundsätze"

Jährlich werden mehr Fälle ge- meldet, die Dunkelziffern sind hoch

— sexueller Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen gehört immer noch zu den Tabu-Themen unserer Gesellschaft. Weil es so schwierig ist, angemessen zu reagieren, zögern vie- le, die im Beruf oder Privatleben da- mit konfrontiert werden, einzugrei- fen, oder verschließen die Augen.

Deshalb waren die Vorstellung von regionalen Hilfsangeboten für mißhandelte Kinder und der interna- tionale wissenschaftliche Austausch über Diagnostik und Therapie Schwerpunkte eines medizinischen Symposiums über den sexuellen Mißbrauch von Kindern und Jugend- lichen in Düsseldorf.

Dr. med. Eugen Jungjohann, Leiter der Kinderschutzambulanz am Evangelischen Krankenhaus Düsseldorf: 1 069 Kinder und Ju- gendliche aus 887 Familien wurden bis Dezember 1991 an die Ambulanz überwiesen. 40 Prozent davon wur- den sexuell mißbraucht, der Rest an- derweitig mißhandelt oder vernach- lässigt. 70 Prozent der sexuell miß- handelten Kinder waren Mädchen.

Die Hälfte der behandelten Kinder war unter sieben Jahre alt. Ein über- raschend großer Anteil von 46 Pro- zent besuchte keinen Kindergarten.

Ein Kind, bei dem heute sexuel- ler Mißbrauch festgestellt wird, ist nach Aussage von Dr. Jungjohann

durchaus erreicht. Ein weitergehen- der Plan, nämlich die Bildung einer europäischen Ethikkommission, wie sie C. Lalumiere, die Generalsekre- tärin des Europarates, für die näch- ste Zukunft vorschlug, wird wohl noch längere Zeit auf seine Verwirk- lichung warten müssen. Zunächst soll jährlich ein Erfahrungs- und Ge- dankenaustausch der Vertreter der nationalen Ethikkommissionen und der sonstigen in Madrid beteiligten Gremien stattfinden.

Professor Dr. med.

Elmar Doppelfeld, Köln

durchschnittlich schon zwei Jahre mißbraucht worden und hat bereits fünfmal versucht, sich jemandem in seiner Umgebung anzuvertrauen, be- vor es in der Ambulanz untersucht wird. Genaues Zuhören ist beson- ders wichtig, denn die meisten Sym- ptome dieser Kinder sind unspezi- fisch: Bauchschmerzen, Verstim- mungen, Asthma, starke Gewichts- schwankungen, schulisches Versa- gen, Konzentrationsschwäche.

Unsicherheit

Laut Dr. med. Karola Reusch, Oberärztin und Leiterin der kinder- gynäkologischen Ambulanz der Uni- versitätsfrauenklinik Köln, finden sich bei der Mehrzahl der wegen Mißbrauchs untersuchten Mädchen keine genitalen Veränderungen. Das liege vor allem daran, daß die Kinder nur äußerst selten nach der Tat in die Sprechstunde kommen. Die Mehrzahl werde von ihrer Mutter vorgestellt — entweder um den Ver- dacht des Mißbrauchs zu bestätigen, meist jedoch in der Hoffnung, daß nichts Auffälliges gefunden werde.

Auch die Kriminalpolizei bringe häufig Kinder zur Untersuchung.

Seit einiger Zeit wenden sich auch Erzieherinnen verstärkt an die kin- dergynäkologische Ambulanz.

Bei etwa 70 Prozent der sexuell mißbrauchten Mädchen ist der Täter

Mitglied des engeren Familienkrei- ses. Daß Kinder durch Kinderärzte an die Ambulanz überwiesen wer- den, sei eine Rarität, berichtete Ka- rola Reusch. Die Zahlen der Kinder- schutzambulanz zeigen eine ähnliche Tendenz: Im letzten Jahr seien die Überweisungen aus Praxen und Kli- niken um 50 Prozent zurückgegan- gen. Auch Richard Isselhorst, Leiter des Jugendamtes Düsseldorf, bestä- tigte eine geringe Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten. Neben Unsicherheit bei der sicher nicht ein- fach zu stellenden Diagnose und Ängsten, ein Tabu offenzulegen, könne dem Verhalten der Ärzte oft Unklarheit über die zuständigen An- sprechpartner zugrundeliegen.

Dr. med. Jane Wynn aus Leeds zeigte in ihrem Diavortrag grundle- gende Aspekte der Differentialdia- gnose genitaler Befunde bei Kin- dern. Therapie, Nachsorge, psycho- logische Beratung waren Schwer- punkt der Referate von Vertreterin- nen ähnlicher Ambulanzen aus Bel- gien und Irland.

Auf diesem Gebiet existieren auch für Eugen Jungjohann viele un- gelöste Probleme: Rückmeldungen von anderen Therapieeinrichtungen an die Kinderschutzambulanz bleiben fast völlig aus. Besonders in der Zu- sammenarbeit von Kriminalpolizei und Gerichten gebe es aufgrund der unterschiedlichen Ansichten über die Beweisfindung Spannungen. Auch seien die Mitarbeiter der Ambulan- zen durch die steigende Zahl von Hil- fesuchenden überlastet, da die Zahl der Planstellen nicht erhöht werde.

Spielräume für eine Neuförderung je- doch seien eng, erklärte Dagmar Schmelzle vom Ministerium für Ar- beit, Gesundheit und Soziales in Nordrhein-Westfalen. Sie setzt daher verstärkt auf zusätzliche Qualifikati- on bestehender Beratungseinrichtun- gen und auf die Fortbildung für Kin- dergärtnerinnen und Pädagogen.

Auch Ansätze der Prävention existieren laut Eugen Jungjohann auf diesem Gebiet nicht. Als ersten Schritt in dieser Richtung schlug er verstärkte Medienarbeit vor: Eine Fernsehsendung könnte Erwachsene dazu anregen, ihr Verhalten gegen- über Kindern zu ändern.

Silke Schieber

Sexueller Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen

Genaues Zuhören ist wichtig

A1-1950 (48) Dt. Ärztebl. 89, Heft 21, 22. Mai 1992

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