• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Sexueller Mißbrauch von Kindern: In der Mehrzahl der Fälle Verzicht auf Strafanzeige" (02.02.1996)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Sexueller Mißbrauch von Kindern: In der Mehrzahl der Fälle Verzicht auf Strafanzeige" (02.02.1996)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

D

ie Gründe für eine derartig er- folgreiche amerikanische Me- dizin sind vielfältig und kön- nen zum Teil darin gesehen werden, daß die medizinische For- schung nicht nur von staatlichen Organisationen, sondern auch von vielen privaten Stiftungen nach einem strengen Beurteilungsverfahren fi- nanziell unterstützt wird. So können unsere amerikanischen Kollegen im- mer über die neueste Technologie verfügen. Der bürokratische Ver- waltungsaufwand und die Hierarchie an amerikanischen Kliniken und Instituten sind wenig ausgeprägt, was mehr Freiräume für Forschung und Lehre bietet.

Ein weiterer Grund ist darin zu sehen, daß die Zulassungskriterien zum Medizinstudium ausgesprochen streng sind. Ohne einen ausgeprägten Willen zum Erfolg kann ein amerika- nischer Medizinstudent kaum durch das anstrengende und zudem sehr teure Studium kommen. Allein an Gebühren kostet das Medizinstudium im Durchschnitt 20 000 US-Dollar (umgerechnet rund 30 000 DM) pro Jahr (Stand 1994).

An den renommiertesten Uni- versitäten sind die Gebühren jedoch beträchtlich höher. So verlangt bei- spielsweise die University of Co- lorado jährlich 40 000 US-Dollar an Studiengebühren. Medizinstudenten in den USA sind daher bei Abschluß ihres Studiums in der Regel stark verschuldet.

Medizinstudium als gute Kapitalanlage

Das durchschnittliche Jahresein- kommen eines Arztes in den USA lag 1993 bei 160 000 US-Dollar. Detail- lierte Einkommensstatistiken liegen jedoch nicht vor. 1995 bot ein älterer HNO-Facharzt in Ohio seine Praxis mit Belegrecht im regionalen Kran- kenhaus zum Verkauf an. Er erwähn- te in der Annonce, daß seine Praxis ihm bei Halbtags-Arbeit im Jahr 1994 240 000 US-Dollar eingebracht habe.

Dies ist ein Beispiel dafür, daß der amerikanische Arzt als unabhängiger und wohlhabender Unternehmer gilt.

„Fallorientierte“ Lehre im Medizinstudium

Seit etwa zehn Jahren wird das Medizinstudium in den USA refor- miert. Ziel ist, die sogenannten Grundwissenschaften soweit wie möglich mit der klinischen Ausbil- dung zu verbinden. Der Vorteil der neuen fallorientierten Lehrmethode besteht hauptsächlich darin, daß sich die Studenten den Lernstoff unter den Augen eines Tutors selbst erar- beiten. Die vorgelegten Probleme sol- len klinische Situationen möglichst realistisch wiedergeben; die Prüfungs- fragen sind in einer den Problemen entsprechenden Form abgefaßt. Ein Tutor betreut meist eine kleine Grup- pe von acht bis zehn Studenten. Dies

ermöglicht intensives Lernen und Diskutieren sowie die exakte Beurtei- lung der Leistungen.

Obwohl klinische und vorklini- sche Lehre zum Teil integriert sind, gibt es separate Examina. Amerikani- sche Studenten müssen drei Teile des

„United States Medical Licensing Ex- am“ (USMLE) bestehen. An einigen wenigen Universitäten werden so- wohl der erste Teil dieses Examens (basic medical sciences) als auch der zweite Teil (clinical sciences) als Ab- schlußexamen angeboten, womit der erfolgreiche Kandidat zum „medical doctor“ (MD) promoviert wird. An- dere Universitäten verlangen nur den ersten Teil als Abschluß und überlas- sen es der Initiative der Studenten, sich dem klinischen Examen zu stel- len. Nur wer beide Teile der Prüfung bestanden hat, kann eine Stelle zur Facharztweiterbildung (residency) antreten. Der dritte Teil des USMLE prüft die klinische Erfahrung eines Kandidaten und kann frühestens nach einem Jahr Krankenhausarbeit abge- leistet werden. Als letzte Prüfung steht das „State Board Exam“ am En- de der zwei- bis sechsjährigen Fach- arztweiterbildung. Es gibt in den USA im Gegensatz zu Deutschland Fachärzte in mehr als 70 Fächern (specialties).

Auch Nichtamerikaner können sich qualifizieren

Teil eins und zwei des USMLE (Step 1 und 2) können auch außerhalb der USA von Nichtamerikanern abge- legt werden. Das Bestehen der Exami- na ist Voraussetzung für eine Zulas- sung als Arzt in den USA. Die Ameri- ka-Häuser, von denen es insgesamt neun in Deutschland gibt, sowie die Marburger-Bund-Stiftung versenden auf Anfrage Informationsbroschüren und Anmeldeformulare. Ein deut- scher Arzt muß sich bei der „Educatio- nal Commission for Foreign Gradua- tes“ in Philadelphia gegen eine Ge- bühr von derzeit 400 US-Dollar an- melden und sich danach den beiden er- sten Teilen des USML-Examens stel- len, das zweimal im Jahr in Frankfurt abgehalten wird. Mindestvorausset- zung für eine Anmeldung ist der erste Teil des deutschen Staatsexamens.

A-241 Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 5, 2. Februar 1996 (35)

T H E M E N D E R Z E I T BLICK INS AUSLAND

Arbeit und Weiterbildung

Die USA – eine Perspektive für deutsche Ärzte

Die amerikanische Medizin hat, ganz im Gegensatz

zum amerikanischen Gesundheitswesen, einen aus-

gezeichneten Ruf. Viele oder vielleicht sogar die meisten

medizinischen Erfolge dieses Jahrhunderts kommen aus

den USA. Professor Dr. Peter Schlieper beschreibt in

seinem Beitrag, welche Chancen und Möglichkeiten sich

deutschen Ärzten in den Vereinigten Staaten bieten.

(2)

Nach Bestehen der beiden Examina und eines englischen Sprachtests kann sich der Kandidat eine Stelle in den USA suchen. Er wird sie auch relativ leicht finden, da das Angebot sehr viel- fältig ist. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es dort keine arbeitslosen Ärzte, sondern es besteht ein Defizit.

Harte Prüfung

Die Examina sind allerdings für deutsche Medizinstudenten erfah- rungsgemäß sehr schwierig. Hier spielen vielfach sprachliche Probleme mit der amerikanischen Fachtermi- nologie eine Rolle. Das „Multiple- choice“-Verfahren ist sehr hart.

Letztlich legen die Amerikaner auch auf einige Fächer, wie beispielsweise

Immunologie, erheblich mehr Wert, als es die deutschen Hochschulen tun.

Erfolgs- oder Durchfallquoten bei diesen Examina werden seit etwa zehn Jahren nicht mehr veröffent- licht. Vor 1984 haben jedoch nur rund 30 Prozent der deutschen Bewerber die beiden ersten Teile des USMLE bestanden. Die Prüfung der „basic medical sciences“ wird als besonders schwierig eingestuft, weil die vorkli- nische Medizin für die meisten deut- schen Kandidaten zeitlich bereits weit zurückliegt.

Die Weiterbildung in den USA erfolgt im Rahmen eines „Residency Program“. Voraussetzung für deut- sche Ärzte ist die Approbation und ebenfalls das bestandene USMLE (Step 1 und 2). Für die Weiterbildung in den USA sind jedoch nur bestimm-

te Krankenhäuser zugelassen. Deut- sche Ärzte können sich ausschließlich an Universitäts-Kliniken oder ange- gliederten Lehrkrankenhäusern be- werben. Die Facharztweiterbildung in den USA wird in der Regel in Deutschland anerkannt. Auch ohne deutsche Promotion ist der Arzt be- fugt, den Titel „MD“ in Deutschland zu führen. In einigen Bundesländern kann der Titel auf Antrag in ein „Dr.

med.“ umgewandelt werden.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. Peter Schlieper Wiesenweg 7a

86938 Schondorf

A-242 (36) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 5, 2. Februar 1996

T H E M E N D E R Z E I T BLICK INS AUSLAND/BERICHTE

B

ei Verdacht auf sexuellen Mißbrauch von Kindern wird in den seltensten Fällen eine Strafanzeige erstattet. Die Mehrzahl der Mitarbeiter medizini- scher Einrichtungen (70 Prozent), so- zialpädagogischer Dienste (86 Pro- zent) und von Beratungs- und Thera- pieeinrichtungen (98 Prozent) hält ei- ne strafrechtliche Verfolgung des Tä- ters für ein inadäquates Vorgehen.

Dies ist das vorläufige Ergebnis eines von der VW-Stiftung geförderten in- terdisziplinären Forschungsprojektes, das den institutionellen Umgang mit dem sexuellen Mißbrauch von Kin- dern und Jugendlichen beleuchtet.

Vorgestellt wurde diese Zwi- schenbilanz während des zweitägigen Symposiums „Sexueller Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen – indi- viduelle und institutionelle Reaktio- nen“, zu dem sich Kinder- und Ju- gendpsychiater, Juristen und Psycho- logen in Köln trafen.

Das Projekt, welches Wissen- schaftler der Universität Köln und der

Humboldt-Universität Berlin ins Le- ben gerufen haben, soll einen Auf- schluß über Einstellungen und Ver- haltensweisen aller mit dem Problem des sexuellen Mißbrauchs befaßten Institutionen, Anlaufstellen und Selbsthilfegruppen geben. Ziel sei es, aus diesen Ergebnissen juristische und therapeutische Konsequenzen für das Wohl des Kindes zu ziehen, so Prof. Dr. med Gerd Lehmkuhl, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universität Köln. Erste Auswertun- gen der Studie belegen nach Darstel- lung von Prof. Dr. jur. Michael Walter, Kriminologische Forschungsstelle der Universität Köln, daß der Schutz des Kindes bei Überlegungen, auf eine Strafanzeige zu verzichten, im Mittel- punkt stehe. Ein generelles Strafbe- dürfnis gegenüber dem Täter spiele nur eine untergeordnete Rolle.

Untermauert wird das Ergebnis des weitgehenden Strafanzeigenver- zichts durch die Feststellung, daß nach Einschätzung der Befragten die An-

zahl der Fälle von sexuellem Mißbrauch in den letzten Jahren ge- stiegen sei. Im Gegensatz dazu sind die registrierten Anzeigen seit 1992 leicht rückläufig, erklärte Walter. Ei- ner der Gründe für die Umgehung des Strafrechts liegt nach Einschätzung der Projektleiter darin, das Kind nicht der Belastung eines Strafverfahrens oder der Gefahr der Verfahrensein- stellung aussetzen zu wollen. Alterna- tiv dazu könnten beispielsweise Fami- lien- und Vormundschaftsgerichte be- wirken, daß einem in dieser Hinsicht straffällig gewordenen Vater der Kon- takt mit der Familie untersagt oder ihm das Sorgerecht entzogen wird.

Repräsentative Zahlen fehlen

Dr. med. Jörg Fegert, Abteilung für Psychiatrie des Kindes- und Jugendalters, Virchow-Klinikum der Humboldt-Universität Berlin, gab auf die Frage nach aktuellen Zahlen von Mißbrauchsfällen in Deutschland zu bedenken, daß bei sämtlichen Stati- stiken die jeweilige Quelle zu be- rücksichtigen sei und es keine reprä- sentative Untersuchung gebe. Seiner Auffassung nach „komme sexueller Mißbrauch jedoch mindestens so häufig vor wie die üblichen Volks- krankheiten“. Dr. Sabine Glöser

Sexueller Mißbrauch von Kindern

In der Mehrzahl der Fälle Verzicht auf Strafanzeige

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1996; 93: A-241–242 [Heft 5]

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

So ist es doch beispielsweise kaum glaubwürdig, dass die Mitarbeiter der Chirurgischen Kliniken der MHH nach 70 oder 80 Stunden nach Hause gehen und sich anschließend voller Kraft

Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, daß bei Straftätern, wel- che die Aufnahme einer vom Gericht für erforderlich gehaltenen Behand- lung verweigern, die Führungsaufsicht über

Unserer Meinung nach kann keinem Arzt eine Haftung übertragen werden, wenn er einem Patienten ein regelmäßiges Training empfiehlt oder verordnet, ei- ne qualitativ gute

Deshalb waren die Vorstellung von regionalen Hilfsangeboten für mißhandelte Kinder und der interna- tionale wissenschaftliche Austausch über Diagnostik und Therapie

Darüber sollen die EG-Umweltminister noch in diesem Monat beraten, da- mit bereits bei der nächsten Arbeitsgruppensitzung der Unterzeichner des Montre- aler Abkommens zum Schutz

„In unserer Gesellschaft, in der die Sexualität als Ware gehandelt wird, werden die perversen Lüste der Erwach- senen angeheizt, während das Bedürfnis nach Liebe offen- bar

Kinderprostitution im Zusammenhang mit Sextourismus" werden vor allem immer mehr Kinder zur Prostitution gezwungen.. Die „Kampagne" hat jetzt unter anderem

Dürltig sind die Nachrichten über Lage und Gestaltung der eigentlichen Klausurgebäude ; auf späten Vermutungen nur beruht einige Kunde von ihrer früheren