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Archiv "Nanomedizin: Kleiner, genauer, gesünder" (12.12.2008)

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A2692 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 50⏐⏐12. Dezember 2008

T H E M E N D E R Z E I T

S

ie sind etwa 500-mal kleiner als der Durchmesser eines Erythrozyts und 80 000-mal kleiner als der eines menschlichen Haares – und dennoch sehr beeindruckend:

Minimalinvasiv direkt in Tumorge- webe injizierte, etwa 20 Nanometer große Eisenoxidpartikel erzeugen nach Anlegen elektromagnetischer Wechselfelder Wärme, die Tumor- zellen angreift oder zerstört. „Die- ses Hyperthermie- und Thermoabla- tionsverfahren haben wir am Bun- deswehrkrankenhaus Berlin und der Charité Berlin bei 150 Patientinnen und Patienten mit schwer- oder in- operablen Hirntumoren bereits er- folgreich angewendet“, erklärt Dr.

Andreas Jordan, Gründer und Vor- stand für Forschung und Entwick- lung der Magforce Nanotechnolo- gies AG, Berlin.

Die Therapie unterscheide zwi- schen Tumor- und Normalgewebe, schwärmt Jordan. „Jede Körper- region kann präzise erreicht werden, ohne das Normalgewebe zu beschä- digen.“ Auch wiederholte Anwen- dungen seien aufgrund der geringen Nebenwirkungen möglich. Eine

europäische Produktzulassung erwar- tet der Forscher für das Glioblastom Anfang 2010. Aktuelle Forschun- gen richteten sich auf das Prostata-, das Oesophagus-, das Mamma- und das Pankreaskarzinom sowie auf verschiedene Unterleibskrebsarten (Johannsen et al. 2007, Jordan et al.

1999, Magforce AG 2008).

„Neue ethische Fragen“

Jordans Ausführungen bei einer Fachkonferenz der Friedrich-Ebert- Stiftung sind fast zu schön, um wahr zu sein. „Nanomedizin“ heißt das Zauberwort, das enorme Fortschrit- te in der Krebstherapie verspricht.

Nanotechnologien werden generell als „Schlüsseltechnologien des 21.

Jahrhunderts“ betrachtet, die „Ein- trittskarten in die Zukunft“ sind, wie die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Annette Schavan, in ihrem Vorwort zur „Nano-Initiative – Aktionsplan 2010“ der deutschen Bundesregierung (BMBF 2006) schreibt.

Unter den vielen Anwendungen der Nanotechnologie nimmt der Be- reich der Medizin eine besondere

Stellung ein. Denn er ist im hohen Maß mit Erwartungen und Hoffnun- gen, nicht zuletzt aber auch mit Risi- ken verbunden. Viele Fragen, wis- senschaftlicher wie ethischer Natur, die mit der Nanomedizin im Zusam- menhang stehen, sind noch unge- klärt.

„Die Ethik verschläft die Nano- medizin“, kritisiert Prof. Dr. Hille Haker, katholische Theologin an der Universität Frankfurt/Main und Mit- glied der European Group on Ethics in Science and New Technologies.

„Es eröffnen sich mit der Nanomedi- zin viele neue ethische Fragen“, ist Haker überzeugt. Nicht immer ließen sich die Instrumente der Bioethik auf dieses multidisziplinäre Fachgebiet übertragen, auch wenn einige ihrer Kollegen diese Meinung vertreten.

„Die Zusammenarbeit zwischen Na- tur- und Geisteswissenschaften in neuen Forschungsprojekten sowie eine gesellschaftspolitische Debatte sind unabdingbar“, betont die Theo- login. „Der Diskurs muss dabei frei, fair und ergebnisoffen sein.“

In der Tat sind die Risiken der Na- nomedizin ebenso mannigfaltig wie

Je kleiner, desto gemeiner? Die Nanomedizin

vermag die Grenzen der heutigen Therapieformen zu überschreiten. Ihre Risiken sind jedoch

noch weitgehend unerforscht.

NANOMEDIZIN

Kleiner,

genauer,

gesünder

Fotos:picturealliance/medicalpicture

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A2694 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 50⏐⏐12. Dezember 2008

T H E M E N D E R Z E I T

ihre Chancen. Zu diesem Ergebnis kommt auch die von der Friedrich- Ebert-Stiftung beauftragte Studie

„Nanomedizin – Chancen und Risi- ken“, (abrufbar im Internet unter:

www.fes.de/biotech). Bei abbauba- ren Nanomaterialien werde zwar all- gemein kein gesundheitliches Risiko vermutet; bei nicht abbaubaren Ma- terialien, wie den von Jordan er- wähnten Eisenoxidpartikeln, sei dies jedoch noch nicht restlos ausge- schlossen, gibt auch René Röspel (SPD), Vorsitzender des parlamenta- rischen Ethikbeirats im Bundestag, zu bedenken.

Der Forschungspolitiker be- fürchtet zudem einen möglichen künftigen Trend zur „Verbesserung des Menschen“, der nicht therapeu- tisch indiziert sei. Röspel zählt da- zu Nanotechnologien, die das Schlafbedürfnis des Menschen un- terdrücken, die Konzentration oder Sinnesleistungen steigern sowie Prothesen und künstliche Organe,

die die „Originale“ übertreffen.

„Auch die Vorteile, frühzeitig eine Krankheitsdisposition zu diagnos- tizieren, müssen gegen die Nach- teile psychischer Belastungen ab- gewogen werden“, sagt Röspel.

Diskussion möglicher Risiken Andererseits ist die Liste der Chan- cen lang, die die Nanotechnologie für die Medizin bereithält (Kasten).

Bereits seit 2005 fördert deshalb das Bundesforschungsministerium die Nanomedizin. Das BMBF-Pro- gramm „Nanotechnologien für Life Sciences und Gesundheit“ umfasst ein Fördervolumen von 24 Millio- nen Euro für deutsche Forschungs- projekte. Die Europäische Union hat im Rahmen des 7. Rahmenfor- schungsprogramms für den Zeit- raum von 2007 bis 2013 etwa 100 Millionen Euro für Projekte der Na- nomedizin bereitgestellt. „Deutsch- land hat große Chancen, sich im Bereich der Nanomedizin zu eta-

blieren“, meint Dr. Peter Lange, Ministerialdirektor im Bundesfor- schungsministerium. Bereits jetzt belege Deutschland Platz drei bei den nanotechnologischen Patenten.

Dabei sei besonders der Bereich der Medizintechnik gut aufgestellt.

Gefördert werden dürfen natio- nal wie international jedoch nicht nur die Grundlagenforschung und die Produktentwicklung. Denn die EU verlangt in ihrem neuen Verhal- tenskodex (European Commission 2008), dass bei allen Forschungs- projekten mögliche Risiken sowie die Einbettung in soziale und ethi- sche Fragestellungen diskutiert und berücksichtigt werden. „Noch gibt es zu wenig Forschungsprojekte zu den neuen ethischen Fragen“, be- tont Haker. Auch Ethikkommissio- nen könnten den ethisch-politi- schen Diskurs nur anstoßen. Ge- führt werden müsse er gesamtge-

sellschaftlich. n

Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann

HOFFNUNGSVOLLE EINSATZGEBIETE DER NANOMEDIZIN

In der Krebstherapiewird je nach Erhitzungsgrad zwischen Hyper- thermie- und Thermoablationsverfahren unterschieden. Beim Hyper- thermieverfahren werden die Tumorzellen durch Erhitzung auf 44 bis 46 Grad Celsius geschwächt und sensibler für Chemotherapien oder Bestrahlungen gemacht. Bei der Thermoablation können

lokal bis zu 70 Grad Celsius erreicht werden, wobei die Tumorzellen absterben. Internationale Forscher- gruppen arbeiten derzeit mit Eisenoxid, Kupfer, Magnetit und Goldpartikeln (Gannon et al. 2008), die mit einer Nanoschutzhülle umgeben werden. Diese Hülle ist so aufgebaut, dass sich die Metalloxide entweder an die Zellwände anlagern oder dass sie von den Tumorzellen als vermeintliche „Nahrung“ aufgenommen werden und diese bei Hitze dann zerstören.

Neben den neuen Krebstherapien, die be- reits in klinischen Studien erprobt werden, können ferner innovative Nanotransportsystemefür Medikamente eine Behandlung effizienter machen (Drug Delivery). Denn Nanomaterialien vermögen es, ge-

meinsam mit den Wirkstoffen die Blut-Hirn-Schranke, die Magen-Darm- Wand oder Zellwände zu überwinden. Dabei umschließen sie den Wirk- stoff mit winzigen Schutzhüllen, die die Substanzen so verkleiden, dass sie gezielt transportiert werden können – beispielsweise ins Gehirn zur Therapie der Alzheimer-Krankheit. Auch unerwünschte Nebenwirkun- gen können so reduziert werden. Weiterhin können Nanomaterialien schwer wasser- oder fettlösliche Vitamine und Wirkstoffe umhüllen (Bisht et al. 2007) und sie so für den Körper leichter verfügbar machen.

Andere wiederum erlauben eine zeitlich gezielte Freisetzung der Wirk-

stoffe. Mittlerweile gibt es bereits eine ganze Reihe von Verkapselungs- systemen. Viele bestehen aus natürlichen Materialien, die sich gut vom Körper abbauen lassen. Hierzu gehören Nanolipidstrukturen, Eiweiß- verbindungen oder Gelatine. Andere Systeme arbeiten mit Kohlenstoff.

Dieser bildet beispielsweise nicht abbaubare, winzige Kohlenstoffnanoröhrchen (Carbon Nanotubes), in

denen die Wirkstoffe transportiert werden können (Marcato et al. 2008). Andere Forschungs-

projekte arbeiten derzeit daran, die Wirkstoffe über Mechanismen wie den pH-Wert reguliert freizusetzen (Angelos et al. 2008).

Aber auch fotochemische Reaktionen von mit Infrarotlicht bestrahlten Nanopartikeln können zur gezielten Freisetzung von Wirkstoffen genutzt werden. Gemeinsam ist allen Transportystemen, dass sich unerwünschte Nebenwirkungen reduzieren lassen, weil die entsprechenden Substanzen besser oder gezielter aufgenommen werden.

Auch bei Knochen- und Zahnimplantatenwird derzeit der Einsatz von Nanomaterialien getestet. Oberflächenbeschich- tungen oder gänzlich neue Materialien können Implantate oder Stents deutlich besser verträglich und länger haltbar machen.

Doch nicht nur in der Therapie, sondern auch bei der Diagnostikvon Krankheiten können Nanomaterialien zum Einsatz kommen. Etabliert haben sich Nanomaterialien bei Schwangerschaftstests bereits seit Jahren. Zur Diagnose von Krankheiten werden derzeit noch weitere kleinste, mobile Diagnoseeinheiten für Schnelltests sowie bildgebende Verfahren, die Patienten weniger belasten, erprobt. ER

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