DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung
Kompetenz
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igentlich hatte man gleich bei der „Wende" erwartet, daß die von einer früheren Bundesregierung getroffene Entscheidung, weite Aufgaben- bereiche des Gesundheitswe- sens dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung zu- zuschlagen, rückgängig ge- macht würde. Doch auch nach der Neuwahl des Bundestages ist nichts geschehen, um die Fe- derführung für das gesamte Ge- sundheitswesen, soweit der Bund verfassungsgemäß zustän- dig ist, dem Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit zu übertragen.In einem Schreiben an Bundes- kanzler Dr. Helmut Kohl hat Dr.
Karsten Vilmar im Juli daran er- innert, daß bei solcher Zusam- menfassung einerseits das dann für alle gesundheitspolitisch re- levanten Komplexe allein zu- ständige Gesundheitsministeri- um mit entsprechendem Sach- verstand schwerpunktmäßig die Probleme im Gesundheitswesen bearbeiten könnte und anderer- seits die im Gesundheitswesen Tätigen, insbesondere auch die Ärzteschaft, Gespräche und Ver- handlungen nur mit einem einzi- gen Bundesministerium zu füh- ren hätten, was zweifellos die Kommunikation erheblich för- dern würde.
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iese Erwartung ist wohlbe- gründet; denn die Zusam- menarbeit mit dem Bundes- minister für Jugend, Familie und Gesundheit hat in den letzten Jahren auf allen Gebieten, für die er schon heute zuständig ist, zu vernünftigen Ergebnissen ge- führt. In anderen Bereichen, in denen diese Zuständigkeit des Gesundheitsministers nicht ge- geben ist, häufen sich dagegen die Probleme. Dr. Karsten Vil- mar nennt dem Kanzler zum Bei- spiel das die Tätigkeit des Arztes in erheblichem Umfang berüh- rende Strahlenschutzrecht, dasgleich bei zwei Ministerien res- sortiert: einerseits beim Arbeits- minister (Röntgenverordnung), andererseits beim Innenminister
(Strahlenschutzverordnung), aber nicht beim Gesundheitsmi- nister, wo allein es hingehört.
Die sachliche Notwendigkeit, die Kompetenzen im Gesund- heitswesen ausschließlich dem Bundesgesundheitsminister zu- zuweisen, erwies sich jetzt er- neut auch bei der Verabschie- dung von Änderungsentwürfen zur ärztlichen Gebührenord- nung und zur Bundespflegesatz- verordnung. Dazu hatte der Bun- desarbeitsminister in den ver-
Sommerloch
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as Sommerloch ist immer für Überraschungen gut. Dies- mal kommt die SPD mit dem Vorschlag für ein „Hausärzte- Weiterbildungsgesetz". Inhalt:Pflichtweiterbildung für Kassen- ärzte und Entzug der Kassenzu- lassung mit 65. Die SPD hätte in den 13 Jahren, in denen sie den Bundesarbeitsminister stellte, mehr als einmal Gelegenheit ge- habt, die Pflichtweiterbildung ins Spiel zu bringen. Sie hat wohlweislich die Finger davon gelassen.
Vielleicht werden einige Vertre- ter der Allgemeinärzte heute in der SPD ihre wahren Freunde entdecken. Gemach, Liebe ver- fliegt schnell. Der SPD-Plan ist nichts anderes als Spielmaterial für die anstehende Novellierung der Bundesärzteordnung. Die SPD lehnt das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung ab. Sie will den „Arzt im Praktikum" nicht.
Da sie aber gleichfalls die der- zeitige ärztliche Ausbildung hef- tig kritisiert, kann sie nicht beim Njet bleiben, sondern muß eine Alternative bieten. Voilä, da ist sie. Schaden kann der brisan- te Vorschlag „Pflichtweiterbil- dung" nicht, denn die SPD hat ja
gangenen Monaten in rascher Folge Referentenentwürfe mit unterschiedlichsten Ansätzen vorgelegt und zum Teil so kurz- fristig zur „Anhörung" eingela- den, daß es zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit nicht kommen konnte. Das Problem ist ein Grundsätzliches: Ein privatwirt- schaftlich und privatrechtlich zu wertender Bereich wie der einer amtlichen Gebührenordnung kann nicht sachgerecht durch das Bundesarbeitsministerium bearbeitet werden, das sich schwerpunktmäßig mit der So- zialversicherung, der Reichsver- sicherungsordnung und dem Kassenarztrecht befaßt. EB
keine Mehrheit und insoweit keine Verantwortung. Gegen das Regierungsvorhaben hat sich auch die Westdeutsche Rek- torenkonferenz ausgesprochen.
Sie folgt dem westdeutschen medizinischen Fakultätentag.
Beide befürchten, es würden nicht mehr genügend ärztliche Hilfstruppen für Forschung und Lehre zur Verfügung stehen, sollten Geißlers Pläne reifen, da der „Arzt im Praktikum" für die- se Zwecke nicht geeignet sei.
Und außerdem bezweifeln sie, daß es genügend Praktikums- plätze geben wird. Auch die Hochschulen haben eine brisan- te Alternative: die Verschärfung des Numerus clausus. Das aber lehnen alle Bundestagsfraktio- nen ab. Mit dieser politischen Vorgabe muß also jeder, der sich um die ärztliche Ausbildung sorgt, leben.
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lle Vorschläge sind, vergli- chen mit den Radikallösun- gen ä la WRK, Notbehelf.Die Bundesregierung will die Ausbildungsmängel immerhin noch vor der vollen Approbation beseitigen. Die SPD will die Re- paraturarbeiten in die Weiterbil- dungszeit verlagern. Dafür aber ist die Weiterbildung nicht da.
Der SPD-Entwurf sollte deshalb wieder ins Sommerloch versenkt werden. NJ
Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 31/32 vom 3. August 1984 (1) 2273