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Archiv "Fernsehkritik" (21.02.1991)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

„Zeit des Erwachens" ist die Verfilmung (Kinostart: 14. Februar) eines wissenschaftlichen Buches von Oliver Sacks (Professor für Klinische Neurologie am Albert Einstein Col- lege of Medicine, New York) über die Encephalitis lethargica. Von ihm stammt das Buch „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwech- selte", das allein in Deutschland 100 000 mal verkauft wurde.

„Zeit des Erwachens" ist ein Film mit Robin Williams und Robert de Niro. Robin Williams spielt den Arzt Dr. Sayers, die nur wenig ver- fremdete Version von Oliver Sacks.

Er behandelt bewegungsunfähige Patienten, Opfer der Encephalitis lethargica, einer Virus-Erkrankung.

Da die Symptome der Parkin- sonschen Krankheit eine Art Mini- Ausgabe der Encephalitis lethargica sind, wollte Sacks/Sayers auch seinen Enzephalitis-Patienten versuchswei- se das Parkinson-Medikament L-Do- pa verabreichen. Ein einziger Ver- suchspatient wird von der Kranken- hausleitung genehmigt: Leonard L.

1973 erschienen Sacks originale Fallbescheibungen unter dem Titel

„Awakenings". In Deutschland hatte das Buch den Titel „Bewußtseins- dämmerung"; die ergänzte und über- arbeitete Neuauflage heißt — wie der Film — „Zeit des Erwachens" (Ro- wohlt, Reinbek 1991).

Sacks schreibt über den Patien- ten Leonard L.: „Von der ersten Be- gegnung an war mir klar, daß ich es mit einem Mann von ungewöhnli- cher Intelligenz, Kultur und Bildung zu tun hatte. Durch die Kombination eines überaus gravierenden Krank- heitsbildes mit einer äußerst wachen Intelligenz wurde er zu einem Ideal- patienten."

Leonard wirkt wie ein mumifi- zierter Stein. Als Kind begannen sei- ne Hände zu zittern, seine Mutter und er hielten das für die göttliche Bestrafung der Onanie. Jetzt ist er völlig sprachunfähig und nicht in der Lage, gesteuerte Bewegungen auszu- führen. Dreißig Jahre lang hat seine Mutter ihn gepflegt.

„Ich habe keinen Ausgang", buchstabiert Leonard mühselig und

Dr. Sayer (Robin Williams, links) und Leonard (Robert de Niro) Foto: Tri Star

qualvoll mit Hilfe einer Buchstaben- tafel. „Bin in mir selbst gefangen.

Der stupide Körper ist ein Gefängnis mit Fenstern, aber ohne Türen."

Leonard buchstabiert weiter: „Ril- ke's Panther." In dem Gedicht heißt es: „Sein Blick ist vom Vorübergeh'n der Stäbe/So müd geworden, daß er nichts mehr hält./Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäb./Und hinter tau- send Stäben keine Welt." Im März 1969 beginnt Leonards L-Dopa-Be- handlung. Er gewinnt innerhalb we- niger Tage alle verlorenen Fähigkei- ten zurück und kann wieder spre- chen, schreiben, lesen, gehen. Mona- telang übte Weltstar Robert de Niro erst die unkontrolliert zuckenden Bewegungen, dann das Erwachen; er sah sich auch Sacks Film-Aufzeich- nungen der wirklichen „Zeit des Er- wachens" an.

Sacks/Sayers entschließt sich, auch die anderen Patienten mit L- Dopa zu behandeln. Die Droge wirkt. Doch nach wenigen Wochen gerät die Wirkung außer Kontrolle.

Die Patienten bekommen Ticks, zuk- ken unkontrolliert, wiederholen sinnlos einzelne Bewegungen oder Worte. Leonards Genuß der Freiheit und des Lebens schlägt um in ein Zuviel. Er meint, er müsse die Welt retten. Er fordert von Sacks, die Nachtschwestern sollten ihm „zu

Diensten" sein. Am Ende muß der Arzt die Droge bei allen Patienten ab- setzen. Versuche mit anderen Medi- kamenten wurden nie so erfolgreich.

Wieder in die Starre zurückge- fallen, paraphrasiert Leonard via Buchstabentafel Rilke (so wie er sich überhaupt oft durch den Verweis auf Literaten auszudrücken vermag):

„Dieser Sommer war sehr groß und außerordentlich, aber was da pas- siert ist, wird nicht wieder gesche- hen", und weiter: „Ich dachte, ich könnte ein Leben und einen Platz für mich schaffen. Ich habe versagt, und nun bin ich zufrieden damit, zu sein, wie ich bin. Ich schwankte zwi- schen Furcht und Hoffnung, Haß und Liebe, und in meinen Gefühlen war ich schrecklich durcheinander.

Es war wundervoll, schrecklich, dra- matisch und komisch. Ich habe Schranken durchbrochen, auf die ich mein Leben lang gestoßen bin. Jetzt werde ich ich selber bleiben, und Sie können Ihr L-Dopa behalten."

„Zeit des Erwachens" ist kein Krankenfilm, kein mitleidiger Strei- fen, keine wissenschaftliche Abhand- lung. Es ist ein ebenso fesselnder wie korrekter Film, über Medizin und Menschlichkeit. Ulrich Hoffmann

FERNSEHKRITIK

... und nichts als ein Fremder (Samstag, 9. Februar, ZDF). Der In- halt des 1955 gedrehten amerikani- schen Arztfilms unterscheidet sich kaum von anderen Werken dieses Genres: Der begabte, ehrgeizige Me- dizinstudent Lucas Marsh heiratet die vermögende Krankenschwester Kri- stina, nicht weil er sie liebt, sondern weil er Geld braucht. Nach erfolgreich absolvierter Ausbildung stürzt er sich als Partner eines Landarztes in die Ar- beit, ohne dabei jemals echtes Mitge- fühl mit seinen Patienten zu empfin- den. Erst als ihm ein folgenschwerer Kunstfehler unterläuft, beginnt Marsh, sich auf die wirklichen Werte des Lebens zu besinnen. Eine recht triviale Geschichte, die dennoch vor allem wegen ihrer unpathetischen In- szenierung und der gekonnten dar- stellerischen Leistung von Robert Mitchum und Olivia de Havilland den Zuschauer zu begeistern vermochte.

Kli

„...

und hinter tausend Stäben keine Welt”

A-538 (26) Dt. Ärztebl. 88, Heft 8, 21. Februar 1991

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