• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Dissertationen: Rentiert sich noch" (19.09.1997)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Dissertationen: Rentiert sich noch" (19.09.1997)"

Copied!
5
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Vergangenheit

Zu dem Beitrag „Brandenburgische Untersuchungskommission: Kein schwerwiegender Mißbrauch der Psychiatrie“ von Dr. med. Wolf-Dieter Lerch in Heft 22/1997, in dem be- richtet wurde, daß die Stasi sich ein- zelner Mitarbeiter der Institutionen der Psychiatrie zu bedienen wußte:

Offenkundiger Widerspruch

Diese Fragestellung ist richtig formuliert, der Pro- blemlage angemessen. Es werden Menschenrechtsver- letzungen als Kriterien ge- nannt, was sicher ebenso richtig ist. Aber dann kom- men – bei der Ausführung des gestellten Auftrags – gleich einige Merkwürdigkei- ten. War etwa der Bruch der ärztlichen Schweigepflicht, den die Kommission in vielen Fällen feststellte, waren die

„systemkonformen“ Gutach- tertätigkeiten, welche die Kommission sehr kritisch an- merkte: waren diese beiden zentralen Tatbestände – um nur sie einmal anzusprechen – lediglich Einzelfallverlet- zungen der Menschenrechte?

Oder waren sie in die Rechts- praxis der DDR systematisch eingebaut?

Die Gutachterkommissi- on und Dr. Lerch kommen zu dem paradoxen Ergebnis, es habe keine „systematische“

Verletzung der Menschen- rechte in der Psychiatrie ge- geben. Tatsächlich erhärtet der Bericht, daß es system- spezifisch systematische, das heißt überall und jederzeit mögliche Mißbrauchsformen – zum Beispiel die Verletzung der Schweigepflicht und Gut- achtertätigkeit mit vorgege- benen politischen Werturtei- len – tatsächlich gegeben hat.

Hierin kam eben, meine ich, der „systematische Einfluß der DDR-Staatsmacht“ zum Ausdruck. Gutachten, die das Recht auf freie, funda- mentalkritische Meinungs- äußerung vertreten hätten, sind der Kommission offen- bar nicht bekannt geworden.

Trotzdem sagt sie, es hätte

„keinen systematischen Miß- brauch der Psychiatrie“ gege- ben. Liest man aber ihre Be- funde genauer, dann enthül- len sie, scheint mir, das Ge- genteil.

Eine Erklärung für diesen offenkundigen Widerspruch:

Der Kommission, ständig konfrontiert mit der DDR- systemspezifischen Praxis, ist der Maßstab der Menschen- rechte und des deutschen Rechtsstaates allmählich ent- glitten. Im Orientierungssy- stem der DDR war natürlich alles legitim, was in der Zu- sammenarbeit von MfS und Klinikpersonal geschah. Die Frage, ob außer Ärzten auch deren Mitarbeiter von der Stasi benutzt wurden, um

„flächendeckend zu wissen, wer wer ist“ (was er politisch denkt und sagt), diese sy- stemspezifische Frage ist überhaupt nicht gestellt wor- den. Schlußfolgerung: Das Arbeitsgebiet der Kommissi- on ist noch nicht ausreichend erhellt. Es gibt im Kommissi- onsbericht selbst zahlreiche Hinweise, daß man dies dort auch so sah . . .

Dr. phil. Wanda von Baeyer- Katte, Deutsche Vereinigung gegen politischen Mißbrauch der Psychiatrie e.V., Josef- Wirth-Weg 16, 80939 Mün- chen

Dissertationen

Zu dem Varia-Beitrag „Karriere: Wie gut kleidet der Doktorhut?“ von Peter Tuch in Heft 25/1997:

Rentiert sich noch

Die Zahl nichtmedizini- scher Promotionen ist von 6 194 im Jahr 1980 auf 12 834 im Jahr 1992 gestiegen. Des- halb von einer „Inflation“

oder „Degradierung“ des Doktortitels zu sprechen ist jedoch irreführend. Die so- genannte Promotionsquote (Relation zwischen Diplom- und entsprechenden Ab- schlüssen einerseits und Pro- motionen andererseits) lag nämlich mit 17,2 Prozent im Jahr 1992 sogar leicht unter- halb des entsprechenden Wertes von 17,3 Prozent im

ART-96-Studie zur HIV-Therapie

Dokumentation der Routineversorgung

pätestens seit dem AIDS-Weltkongreß in Van- couver (1996) haben sich die Empfehlungen für die antiretrovirale Therapie gewandelt: Die Mo- notherapie wurde zugunsten einer frühen Kombinati- onstherapie obsolet. Nicht sicher geklärt ist hingegen die Frage, ob zur initialen Behandlung eine Zwei- oder Drei- fachkombination bevorzugt werden sollte. Wie die deut- schen HIV-Behandler die Empfehlungen für ihren Praxisalltag umsetzen, spiegelt die „ART-96“-Studie wi- der, deren Zwischenauswertung jetzt auf der Jahresta- gung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft niedergelasse- ner Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter (DAGNÄ) vorgestellt wurde. Wie Dr. Hans Jäger (München) in Köln berichtete, wurde für 62,6 Prozent der Patienten ei- ne Zweifach-Kombination als initiale Therapie gewählt, 33,4 Prozent erhielten eine Dreifach-Kombination.

RT 96 ist eine offene, prospektive Beobachtung von 826 therapienaiven HIV-Patienten, die in 80 Zentren ambulant betreut werden. Hierbei wer- den Veränderungen des klinischen Zustandes und der La- borparameter (u. a. CD4- und CD-8-Lymphozyten, Vi- ruslast) infolge antiretroviraler Kombinationstherapie über einen Zeitraum von 18 Monaten regelmäßig doku- mentiert. „Dieses Beobachtungsdesign wird Aussagen über den Einfluß von Wirksamkeit und Toxizität der ein- zelnen Arzneimittelkombinationen sowie zur Patienten- compliance erlauben“, erklärte Jäger. Für 502 Patienten (61 Prozent) lagen zum Zeitpunkt der Zwischenauswer- tung Follow-up-Untersuchungen über einen Zeitraum von 24 Wochen vor. Obwohl 79 Prozent der HIV-Infizier- ten mit fünf verschiedenen Therapieregimen behandelt wurden, fiel auf, daß die Behandler insgesamt 40 ver- schiedene Arzneimittelkombinationen verordnet hatten.

ie Entscheidung, mit einer antiretroviralen The- rapie zu beginnen, wurde laut Jäger eher auf- grund der CD4-Zellzahl als aufgrund der Virus- lastbestimmung gefällt. Nach sechsmonatiger Therapie war die Zahl der CD4-Lymphozyten im Mittel von 255 Zellen/ml auf 360 Zellen/ml gestiegen. Dabei zeigte sich eine signifikant bessere Wirksamkeit der Dreifach-Kom- bination im Vergleich zu den eingesetzten Zweifach- Kombinationen. Dieser Trend war auch bei der Viruslast- bestimmung, die mit verschiedenen Methoden nachge- wiesen wurde, zu beobachten: Zum Zeitpunkt der Zwi- schenauswertung waren bei 44,2 Prozent der Patienten mit Zweifach-Kombination keine HIV-1-RNA-Titer mehr nachweisbar; bei den Patienten mit Dreifach-Kom- bination waren es sogar 55,1 Prozent. Etwa ein Drittel der Patienten hat während der bisherigen Beobachtungszeit das initiale Therapieschema gewechselt. zyl

D

A

S

(2)

Jahr 1980. Der „Doktor“ ist deshalb unverändert geeig- net, seinen Träger aus der Masse akademisch qualifi- zierter Mitbewerber heraus- zuheben . . .

In der Medizin, wo die Zahl der Staatsexamina und Promotionen zwischen 1980 und 1992 lediglich um etwa ein Drittel gestiegen ist, ist die Promotionsquote mit et- was über 60 Prozent ebenfalls recht konstant geblieben.

Viele Patienten bevorzugen im Zweifelsfall den „richti- gen Doktor“ . . . In sämtli- chen Fachgebieten macht sich eine Promotion beson- ders dann bezahlt, wenn sie in jungen Jahren oder berufsbe- gleitend abgeschlossen wird;

35jährige Doktoren ohne Be- rufserfahrung haben auf dem heutigen Arbeitsmarkt keine guten Chancen.

Dr. Martin Drees, Institut für Wissenschaftsberatung Dr.

Frank Grätz, Dietrich-von Dorendorp-Straße 2A, 51429 Bergisch Gladbach

Umwelt

Zu dem Beitrag „Umweltthema im Ju- ni: Der Ozonstreit“ von Dr. rer. nat.

Claus Rink, Prof. Dr. med. Heyo Eckel und Prof. Dr. med. Ulrich Hüttemann in Heft 25/1997:

Irrelevante Datenflut

. . . Der hier regelmäßig publizierte statistische Daten- wust ist zwar für rational den- kende Ärzte irrelevant. Dafür werden unkritischen Umwelt- medizinern pseudowissen- schaftliche Argumente für fragwürdige Diagnosen gelie- fert.

Schließlich bleibt die Fra- ge, ob dieser oder jener Schadstoff im konkreten Ein- zelfall eine ursächliche Rolle spielt, völlig offen und dem subjektiven Glauben überlas- sen. Und weil viele Menschen an eine krankmachende Um- welt glauben, werden sie durch ihre Vorstellung krank.

Diese psychosoziale Ver- giftung ist nicht zuletzt die Folge des umgekehrten Pla- zebo-, des Nozebo-Effekts von Ärzten, die ebenfalls an

die angeblich vergiftete Um- welt glauben. Darin werden sie durch die regelmäßig wie- derkehrenden Veröffentli- chungen im Deutschen Ärz- teblatt auch noch bestärkt.

Prof. Dr. Dr. Hans Emil Mül- ler, Alter Rautheimer Weg 16, 38126 Braunschweig

Transparenz

Meinungen zur Rechnungsstellung an Patienten:

Chance zur Aufklärung

Trotz aller Bedenken ge- gen die Auflage, die Patien- ten über die zu Lasten der Krankenkassen abgerechne- ten Leistungen sowie die von den Krankenkassen zu zah- lenden Entgelte (im Kran- kenhaus) schriftlich zu infor- mieren, sehe ich in dem § 305 des Sozialgesetzbuches V für uns Ärzte eine große Chance, die Patienten über die wah- ren Honorare der ärztlichen Betriebe durch eine objekti- ve Darstellung aufzuklären.

Die Unterrichtung der Pa- tienten über die genaue Höhe des Betriebshonorars für die erbrachte Leistung „ihrer Ärzte“ ist nämlich zwingend geboten, werden doch die Ho- norare nach meiner eigenen

langjährigen Erfahrung ganz erheblich überschätzt, fehlin- formiert durch die Medien- feldzüge der letzten Jahre. Ur- sachen sind in der mangelhaf- ten Aufklärung durch unseren Berufsstand selbst und in der von uns geduldeten und nicht energisch genug wider- sprochenen Fehlinformation durch die Medien zu suchen. Die Folge ist unter an- derem ein überzo- genes Anspruchs- denken, das sich an den vermeint- lich überhöhten Arzthonoraren orientiert und das mit zu einer erhöhten Inan- spruchnahme des Dienstleistungsbe- triebes „Arztpra- xis“ beigetragen haben dürfte.

Nachfragen in den letzten beiden Ta- gen bei drei be- triebswirtschaft- lich versierten, in Pflichtkranken- kassen versicher- ten Personen be- A-2370 (6) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 38, 19. September 1997

Anonym

Die Redaktion veröf- fentlicht keine ihr anonym zugehenden Zuschriften, auch keine Briefe mit fin- gierten Adressen. Alle Le- serbriefe werden vielmehr mit vollem Namen und vol- ler Anschrift gebracht. Nur in besonderen Fällen kön- nen Briefe ohne Namens- nennung publiziert werden – aber nur dann, wenn in- tern bekannt ist, wer ge- schrieben hat.

Offene Briefe

Sogenannte „offene Briefe“ werden, soweit von allgemeinem Interesse, re- daktionell ausgewertet. Als Leserbriefe werden sie nicht publiziert. In der Rubrik Leserbriefe erscheinen grundsätzlich nur solche Briefe, die allein für das Deutsche Ärzteblatt be-

stimmt sind. DÄ

Zeichnung: Johannes Zoch

(3)

stätigten erneut die Tatsache, daß sie das von ihrer Kran- kenkasse bezahlte Honorar bei weitem überschätzten . . .

Dr. med. Horst Hardt, Lang- gasse 77, 35576 Wetzlar

Das beste Mittel

. . . Die Rechnungs-Of- fenlegung an die Patienten [kann] hilfreich und nützlich sein. Es ist im übrigen ja auch so, daß in anderen freien Be- rufen, zum Beispiel bei Zahnärzten, Rechtsanwälten, Notaren, verständliche und spezifizierte Rechnungen er- stellt und verschickt werden!

Die modernen computer- technischen Möglichkeiten ermöglichen dies leicht. Zur Abrechnung an die KV käme eine zweite Ausfertigung mit erläuterndem Text nach den Angaben der Abrechnung mit entsprechender Diskette, . . . wie ja auch auf der Ab- rechnung nötig – also kein Mehraufwand! – und dann erläuternd die Punktangabe dazu. Dann erläuternd die Formulierung: Im . . . Quar- tal betrug der Punktwert . . . – mithin beträgt dann die Arzt-

rechnung mit den angegebe- nen Behandlungen . . . DM.

Bei Unstimmigkeiten bitten wir um Rücksprache.

Diese Vorgehensweise hätte einen weiteren Vorteil.

Die Abrechnungskontrolle durch die KV kann bei aller Mühe nie ganz genau erfol- gen, sie arbeitet letztendlich mit mathematisch-statisti- schen Methoden. Daß dies nicht im Einzelfall präzise sein kann, belegt sich allein aus der Tatsache der Punktmengen- ausweitung nach dem „neuen EBM“ um 30 Prozent, ohne daß anders untersucht oder beraten worden sein dürfte.

Dadurch war auch die über- große Zahl der redlich abrech- nenden Kollegen durch Punktwertverfall betroffen.

Der Schaden in der Öffent- lichkeit ist kaum zu ermessen!

Zur Wiederherstellung unseres Images und zur Ab- wehr weiterer Anwürfe wäre die offene Rechnungslegung das beste Mittel. Es wäre dies letztlich auch zur Erhaltung der Freiberuflichkeit . . .

Dr. med. L. Ziegenhahn, Ro- sa-Luxemburg-Straße 20, 06917 Jessen

Chefarztverträge

Zu dem Beitrag „Der Chefarztvertrag – praktische Hinweise zu den wesent- lichen Inhalten“ von Dr. jur. Ulrich Baur in Heft 4/1997 und dem Leser- brief dazu „Ergänzung“ von Dr. med.

G. Sandvoß in Heft 18/1997:

Korrektur

Als beratende Rechtsan- waltskanzlei des Verbandes der leitenden Kranken- hausärzte Deutschlands e. V.

müssen wir Herrn Dr. Sand- voß im Hinblick auf seine Stellungnahme zum Teil kor- rigieren. Es ist sicherlich zu- treffend, daß in aktuellen Musterverträgen zum Teil äußerst bedenkliche Klauseln und Verschlechterungen für die betroffenen Chefärzte ent- halten sind. Entgegen der Un- terstellung des Herrn Dr.

Sandvoß können wir jedoch zweifelsfrei belegen, daß zu- mindest bei der von unserem

Hause für den VLK durchge- führten Chefarztberatung je- der einzelne Chefarzt gerade auf die Existenz und mögli- chen Auswirkungen derarti- ger Klauseln ausdrücklich und umfassend hingewiesen wird.

Bei dieser individuellen Bera- tung des jeweiligen Mitglieds wird neben zahlreichen weite- ren bedeutsamen Klauseln selbstverständlich auch auf die Problematik des Vorteils- ausgleiches, der erheblichen Kostenerstattung nach der BPflV 95 sowie die häufig ver- klausulierte Problematik der individuellen Berechnung entsprechend der vertragli- chen Vorgaben, auch unter Berücksichtigung der ver- schiedenen Bemessungs- grundlagen, hingewiesen, da- mit diesem die tatsächlichen Folgen der jeweiligen Ver- tragsklauseln in praxi ver- ständlich werden. Hierzu gehört selbstverständlich auch eine dezidierte Beispielsbe-

(4)

rechnung zur Verdeutlichung der unter Umständen weitrei- chenden finanziellen Folgen.

Im Hinblick auf die Aus- führungen des Herrn Dr.

Sandvoß zu der Problematik der Abgabenregelung ent- sprechend DKG-NT ist des- sen Auffassung jedoch ju- ristisch nicht haltbar. Das von diesem in Bezug genommene Urteil des BAG vom 6. Sep- tember 1995 hat gerade nicht eine generelle Rechtswidrig- keit von Kostenerstattungs- regelungen weder pauschal noch nach Spalte 6 DKG-NT ausgesprochen, vielmehr lag dieser Entscheidung eine sich aus dem Individualver- trag ergebende doppelte Er- stattung einer einzelnen Ko- stenposition zugrunde, wo- bei jedoch auch weiterhin grundsätzlich sowohl eine Pauschale als auch daneben eine Erstattung entspre-

chend DKG-NT zulässig sein kann.

Gerade im Bereich der Abgabenregelungen sind hin- sichtlich der Zulässigkeit und Wirksamkeit zahlreiche indi- viduelle Besonderheiten zu berücksichtigen, die sich ge- neralisierenden Beurteilun- gen entziehen. Es kann auch vor dem Hintergrund der un- ter Umständen für Jahrzehn- te bedeutsamen vertraglichen Vereinbarung nur wiederholt

mit Nachdruck auf die Not- wendigkeit einer am individu- ellen Einzelfall orientierten umfassenden und jede einzel- ne Vertragsklausel und deren Auswirkungen berücksichti- genden qualifizierten rechtli- chen Beratung verwiesen werden. Bei dieser für Mit- glieder des VLK kostenlosen Rechtsberatung erfolgt dann selbstverständlich auch im- mer eine Auseinandersetzung mit den in den Musterverträ- gen enthaltenen und von Herrn Dr. Sandvoß sicherlich zum Teil zu Recht als unseriö- se Klauseln qualifizierten ver- traglichen Abreden.

Rechtsanwalt Norbert H.

Müller, Kanzlei Kloster- mann, Dr. Schmidt, Mon- stadt und Partner, Kortum- straße 100, 44787 Bochum

Drogen

Zu dem Beitrag „Schweizer Heroin- modell: Wissenschaftler sind vom Er- folg überzeugt“ von Gisela Klinkham- mer in Heft 31–32/1997:

Krankheiten heilen, nicht verfestigen

Leider wird kein Weg er- kennbar, auf dem die Dro- gensüchtigen zurück zur Ab- stinenz und somit zu einem selbstbestimmten und men- schenwürdigen Leben finden können.

Als Ärzte wissen wir, daß Heroin gesundheitsschädlich ist und zu schwerer physi- scher und psychischer Ab- hängigkeit führt. Je länger der Drogenkonsum anhält, desto größer wird die Gefahr einer bleibenden körperli- chen, geistigen und seeli- schen Schädigung. Wenn nun

aus dem Projekt über eine Stabilisierung der Drogenab- hängigen berichtet wird, dann ist das vor allem eine Stabilisierung der Sucht: Nur sieben Prozent der Teilneh- mer fanden den Weg in einen Entzug, die allermeisten sind heute noch immer süchtig. 36 Versuchsteilnehmer verstar- ben sogar. Ein Versuch, der das Sterben in Kauf nimmt, ist meiner Ansicht nach weit jenseits dessen, was einem Arzt erlaubt ist.

Ärzte sollen Krankheiten heilen und sie nicht verfesti- gen. Wie bei anderen Abhän- gigkeiten muß auch bei der Heroinsucht das ärztliche Handeln zu Entzug, Entwöh- nung und sozialer Wiederein- gliederung führen. Darauf ist eine dauerhafte Verschrei- bung des krankmachenden Stoffes nicht ernsthaft gerich- tet. Den Namen der Therapie verdient ein solches Vorge- hen deshalb nicht, schon gar nicht ist es die bestmögliche Therapie. Eine Fortsetzung des schweizerischen Ver- suchs, eine Ausdehnung zu- dem, wäre sowohl unethisch wie unverantwortlich.

Dr. Birgit Grimm, Beetho- venstraße 30, 78224 Singen

Opiate in die Hände von Ärzten geben

. . . Der drogenpolitische Berichterstatter der Arbeits- gruppe Gesundheit der CDU/CSU-Bundestagsfrak- tion, Hüppe, äußert öffent- lich: „Die Zielgruppe der so- genannten Schwerstabhängi- gen konnte nicht erreicht werden . . . “ – obwohl auf Seite 139 des Schweizer Berichts (Versuche für ei- ne ärztliche Verschreibung von Betäubungsmitteln, Ab- schlußbericht der For- schungsbeauftragten Ambros Uchtenhagen, Felix Gutzwil- ler, Anja Dobler-Mikola [Hrsg.])das Gegenteil nach- zulesen ist: „Die heroinunter- stützte Behandlung wurde er- probt für Erwachsene mit ei- ner langjährigen, chronifi- zierten Heroinabhängigkeit, gescheiterten Therapieversu- chen und deutlichen gesund- A-2374 (10) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 38, 19. September 1997

Zu Leserbriefen

Leserbriefe werden von Autoren und Redaktion sehr beachtet. Die Veröffentlichungsmöglichkeiten sind leider beschränkt; der Redaktion bleibt oft keine andere Wahl, als unter der Vielzahl der Zuschriften ei- ne Auswahl zu treffen. Die Chance, ins Heft zu kom- men, ist um so größer, je kürzer der Brief ist. Die Re- daktion muß sich zudem eine –selbstverständlich sinn- wahrende –Kürzung vorbehalten. DÄ

(5)

heitlichen und sozialen Schä- den“, also an den Elendsten der Elenden, eben an der Hüppeschen Zielgruppe!

Hüppe: „ . . . die Fremd- gefährdung außerhalb der Gruppe hat zugenommen“, obwohl auf Seite eins des Be- richts nachzulesen ist, daß dieses sicher ausgeschlossen wurde. „Die Injektionen der verschiedenen Betäubungs- mittel mußten unter Aufsicht erfolgen, spritzbare BTM durften nicht nach Hause mit- gegeben werden.“ Hüppe:

„ . . . viele Abhängige sind aus höherschwelligen Maß- nahmen herausgelockt wor- den“, nach gescheiterten Therapieversuchen.

Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Edu- ard Lintner (CSU), verbrei- tet die Meinung, „die Hero- in-Behandlungen sind ge-

scheitert, weil sich nur sieben Prozent der Abhängigen für eine drogenfreie Therapie- fortsetzung entschieden ha- ben“.

Lintners einziges Erfolgs- kriterium – für eine drogen- freie Therapiefortsetzung ent- schieden – entspricht nicht den allgemein üblichen Kri- terien, „dem, was in Thera- piestudien bei Heroinabhän- gigen üblich ist: Suchtverlauf, Veränderungen des Gesund- heitszustandes, Veränderun- gen des Sozialverhaltens und der sozialen Integration“

(Seite 122 des Berichts). An diesen Erfolgskriterien ge- messen, lassen sich durch Heroinbehandlung „im ge- sundheitlichen Bereich sowie bei der Lebensführung signi- fikante Verbesserungen er- zielen“ (Seite neun des Be- richts).

Fazit: Statt wissenschaftli- che Fakten zu manipulieren, sollen allePolitiker die Opia- te (einschließlich Heroin) für die Behandlung Drogensüch- tiger in die Hände der Ärzte geben.

Dr. Gorm Grimm, Sophien- blatt 36, 24103 Kiel

Heuchlerische Aufregung

Mich erschreckt immer diese heuchlerische Aufre- gung über das Thema Hero- inabgabe. Zum einen sollte jeder irgendwie erfolgver- sprechende Therapieversuch unternommen werden – schließlich nützte in der ame- rikanischen Prohibition das strikte Alkoholverbot nur dem schwarzen Markt!

Andererseits aber fordern Rauchen, Alkohol und Auto-

fahren ein Vielfaches an To- desopfern und haben vor al- lem eine wesentlich höhere Fremdgefährdung: An die 10 000 Verkehrstote pro Jahr allein in Deutschland, täglich ein totes Kind – und das zu- grundeliegende Verhalten wird nicht einmal als Sucht erkannt. Alle Initiativen von der Art „Jugend ohne Dro- gen“ sollten daran denken und brauchen nur wirklich konsequent ihr Ziel zu verfol- gen.

Aber man betrachte nur einmal das auto„mobile“ (im Stau?) Suchtverhalten deut- scher Ärzte, wenn zum Bei- spiel Auswahlkriterium für einen Fortbildungsort das Vorhandensein möglichst vie- ler Parkplätze ist.

Dr. med. Konstantin Röser, Mittelstraße 88, 53474 Bad Neuenahr

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Vereinte Nationen

Sep- tember 1995 hat gerade nicht eine generelle Rechtswidrig- keit von Kostenerstattungs- regelungen weder pauschal noch nach Spalte 6 DKG-NT ausgesprochen, vielmehr lag

Sep- tember 1995 hat gerade nicht eine generelle Rechtswidrig- keit von Kostenerstattungs- regelungen weder pauschal noch nach Spalte 6 DKG-NT ausgesprochen, vielmehr lag

Sep- tember 1995 hat gerade nicht eine generelle Rechtswidrig- keit von Kostenerstattungs- regelungen weder pauschal noch nach Spalte 6 DKG-NT ausgesprochen, vielmehr lag

In erster Linie ist Costa Rica ein Reiseland für aktive Touristen, für individuelle Reisende und Leute, die sich ihren Weg selbst suchen wol- len.. Ein Land für Naturlieb- haber

Bei der Einführung dieser zu- sätzlichen Einrichtungen im Gesund- heitswesen wird zudem im Hinblick auf die Ausgaben für die Kranken- kassen eine wesentliche Tatsache übersehen:

Als Arzt wäre es auch verdienst- voller, wenn er darauf hinwei- sen würde, daß durch die Ge- nußdroge Tabak in der Bun- desrepublik jährlich etwa 200 000 vorzeitig sterben

Nach Lesart des Ministeriums wür- de die Kostenerstattung durch RVO-Kassen eine grundlegende Änderung des Systems der ge- setzlichen Krankenversicherung (GKV) darstellen und