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Medizin und Ökonomie

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Bayerisches Är zteblatt 7- 8/2012

339 Leitartikel

Medizin und Ökonomie

„Der Hauptkonflikt zwischen Medizin und Ökonomie besteht darin, dass die Medizin von ihrem Grundverständnis her der Sorge um den Kranken verpflichtet ist, die Ökono- mie hingegen die Maximierung des Nutzens verfolgt“, schreibt Professor Dr. Giovanni Maio, M. A., Institut für Ethik und Geschich- te der Medizin der Universität Freiburg, im „Ärzteblatt Baden-Württemberg“ April 2011. Medizin und Ökonomie stehen in ei- nem Spannungsverhältnis. Das muss kein Widerspruch sein. Fakt ist, dass ein ge- wisser Schuss ökonomisches Denken der Medizin gut tut. Der berühmte Paracelsus- Spruch gilt auch hier „die Dosis macht das Gift“. Medizin ohne ökonomisches Denken funktioniert in unserer spezialisierten Ge- sellschaft nicht mehr. Das Spannungsver- hältnis zwischen Medizin und Ökonomie lässt sich auf zwei Ebenen betrachten: Auf der Makro- oder Systemebene geht es vor allem um die Strukturen und die Finanzie- rung im Gesundheitswesen. Auf der Mikro- oder Akteursebene stellt sich die Frage, wie ökonomisch müssen Ärztinnen und Ärzte denken und handeln.

Makroebene

Auf der Makroebene ist es die Hauptaufga- be der Ökonomie, funktionierende Konzep- te für eine optimale Nutzung der vorhande- nen Ressourcen zu schaffen. Hier geht es längst nicht mehr nur um die Sicherstellung der medizinischen Versorgung auf hohem Niveau. Vielmehr hat sich der Gesundheits- sektor selbst zu einem Schlüsselmarkt ent- wickelt. Die Makroebene wird von der Öko- nomie dominiert. Ein wichtiger Baustein im Gesundheitssystem ist die Struktur und in Folge die Finanzierung des Krankenkas- sensystems. Eine aktuelle Studie des Ins- tituts für Mikrodaten-Analyse (IfMDA) und der PremiumCircle Deutschland GmbH zeichnet ein katastrophales Bild: „Eine grundlegende Reform der GKV ist unab- dingbar, damit aus dem GKV-Solidarprinzip kein strukturzerstörendes Element wird.

Staatsversagen hat in der PKV zu Markt- versagensbereichen geführt.“ Die GKV habe ein grundlegendes Nachhaltigkeits- problem, die PKV ein Transparenz- und Leistungskatalogproblem. Soll das duale System aus GKV und PKV aufrecht und für die Versicherten auf dem heutigen Leis- tungsniveau gehalten werden, seien um-

fassende Reformmaßnahmen umzusetzen.

Das muss schnell in Angriff genommen werden, damit die gesundheitliche Versor- gung der Bevölkerung nicht darunter leidet.

Mikroebene

Wir Ärztinnen und Ärzte wollen Patienten helfen und nicht verwalten. Nicht umsonst ist die ärztliche Tätigkeit ein Freier Beruf mit hohem Berufsethos. Auch wenn auf der Mi- kroebene das Arzt-Patienten-Verhältnis im Vordergrund steht, ökonomisches Denken ist auch hier aus zweierlei Gründen not- wendig: Auf der Makroebene werden nur begrenzte Ressourcen für die Mikroebene zur Verfügung gestellt. Der Arzt als Akteur steht stets im Spannungsfeld zwischen me- dizinischer Hilfe (Ethik) und ökonomischen Zwängen und Vorgaben (Monetik). Es ist deutlich spürbar, dass der ökonomische Druck auf Ärztinnen und Ärzte zunimmt.

Budgetierungen, Zielvorgaben und Ziel- vereinbarungen, Deckelungen usw. sind nur einige, aber gewichtige Zeichen dafür.

Gute Medizin und Ökonomie müssen auch hier kein Widerspruch per se sein. Ökono- misches Effizienzdenken kann für die Medi- zin sehr nützlich sein, wenn es darum geht, wie sich ein medizinisches Ziel ohne Ver- schwendung günstig und mit minimalem Einsatz erreichen lässt. Verschwendung von Ressourcen ist mit guter Medizin nicht vereinbar. Denn: medizinische Güter sind heute knapper denn je, somit ist ökonomi- sches Denken Voraussetzung dafür, dass möglichst vielen geholfen werden kann.

Ein zweiter Aspekt auf der Mikroebene ist die wirtschaftliche Selbstständigkeit vieler Ärzte. Der Arzt ist häufig auch Unterneh- mer, der mit seinen Ressourcen im eigenen Interesse ökonomisch haushalten muss, um keinen finanziellen Schiffbruch zu erlei- den. Praxisplanung, Praxisführung, Praxis- organisation, Praxismanagement usw. sind nur einige Schlagworte. Unter rein finanzi- ellen Gesichtspunkten wird man dadurch für ökonomisch dominierte „Untergriffe“ an- greifbar, wie zum Beispiel „Zuweisung ge- gen Entgelt“ oder „Zuwendungen aus der Industrie“; ein äußerst sensibler Bereich, der bewusst interessengeleitet mit dem Vorwurf einer Fangprämie oder der Leis- tungsausweitung ausgenutzt wird. Umso wichtiger ist die klare Positionierung in den

§§ 30 und 31 der Berufsordnung. Daran ändert auch das aktuelle Urteil zur „Beste- chung von Ärzten“ des Bundesgerichtshofs nichts. Ein Eingreifen des Gesetzgebers, wie jetzt nach Bekanntgabe des zweifellos begrüßenswerten Richterspruchs verein- zelt gefordert wird, ist jedoch in diesem Zu- sammenhang nicht notwendig.

Fazit

Auf der Makroebene dominiert schon jetzt ganz klar die Ökonomie. Die vorhandenen Ressourcen sind ein knappes Gut. Das trifft auch auf die finanziellen Mittel im Gesund- heitssystem zu. Selbst wenn im Augenblick der Topf der gesetzlichen Krankenkassen gut gefüllt ist. An einer raschen Sanierung des desolaten GKV- und PKV-Systems führt kein Weg vorbei. Auf der Mikroebene ist ein gewisser ökonomischer Einfluss auf die Medizin sinnvoll und befruchtend. Es besteht jedoch die große Gefahr, dass aus einer sinnvollen ökonomischen Dosis ein schleichendes Gift für die Ausübung der me- dizinischen Heilkunst wird – oder schon ge- worden ist. Gute Medizin braucht einen ge- wissen Freiraum. Professor Maio spricht der Ökonomie eine der Medizin dienende Funk- tion zu. Nur diese lediglich dienende Funk- tion der Ökonomie würde es der Medizin ermöglichen, ihre eigenen Ziele zu bewah- ren. Klar ist, die Ökonomie muss sich der Medizin unterordnen und nicht umgekehrt.

Jedoch kann die Medizin nicht ohne die Ökonomie funktionieren. Bei aller Notwen- digkeit auch ökonomische Gesichtspunkte zu berücksichtigen, müssen wir Ärztinnen und Ärzte offen auf die Erhöhung der medi- zinischen Qualität und die Versorgungsdefi- zite im Gesundheitswesen hinweisen.

Autor

Dr. Max Kaplan, Präsident der BLÄK

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