Theorie der Gravitationswellen
Theorie der Gravitationswellen
Christian Scholz
28. Januar 2008
Theorie der Gravitationswellen
1 Historisches
2 Theoretische Grundlagen
3 Die Feldgleichungen
4 Eigenschaften von Gravitationswellen
5 Ausblick
Theorie der Gravitationswellen Historisches
Historisches
1905 H. Poincar´ e : Gravitationswechselwirkung m¨ usste sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten [1]
1915 A. Einstein : Allgemeine Relativit¨ atstheorie [2]
1916 A. Einstein : Erste Vorhersage und mathematische Beschreibung von Gravitationswellen [3]
1918 A. Einstein : ¨ Uber Gravitationswellen [4]
Theorie der Gravitationswellen Historisches
Historisches
1936 A. Einstein & N. Rosen verrechnen sich und verwerfen die Idee von Gravitationswellen [5]
1937 Kurz vor der Ver¨ offentlichung korrigiert Einstein den Fehler [6]
...
1960 J. Weber : Vorschlag zur Detektion von Gravitationswellen [7][8]
1975 R.A. Hulse & J.H. Taylor : PSR1913+16 Indirekter
Nachweis von Gravitationswellen [9]
Theorie der Gravitationswellen Theoretische Grundlagen
Wieso k¨ onnte es Gravitationswellen geben?
SRT: die zeitliche Reihenfolge h¨ angt vom Bezugssystem ab
Konsequenz
Keine instantane Wechselwirkungen
Theorie der Gravitationswellen Theoretische Grundlagen
Gravitation und Relativit¨ at
Wie kann man eine relativistische Theorie mit Gravitationskraft aufstellen?
Einsteins ¨ Aquivalenzprinzip : Freier Fall und Schwerelosigkeit sind lokal ununterscheidbar Kovarianz : Gleichungen sind forminvariant unter Koordinatentransformation
⇒ Gravitation ist ¨ aquivalent zur Kr¨ ummung des Raumes
Theorie der Gravitationswellen Theoretische Grundlagen
Nichtgekr¨ ummter Raum - Minkowskiraum
R¨ aume ohne Kr¨ ummung
z.B. Euklidischer R n , Minkowskiraum, ...
Vorsicht
Ein Kreiszylinder besitzt keine innere Kr¨ ummung
Theorie der Gravitationswellen Theoretische Grundlagen
Das Wegelement
Relativistisches Wegelement
ds 2 = η µν dx µ dx ν
(η µν ) =
1 0 0 0
0 −1 0 0
0 0 −1 0
0 0 0 −1
Konstanz der Lichtgeschwindigkeit in jedem Bezugssystem fordert
η µν
Theorie der Gravitationswellen Theoretische Grundlagen
Lokal gekr¨ ummter Raum
Betrachte Wegelement auf Kugeloberfl¨ ache: θ = ξ 1 , φ = ξ 2 ds 2 = r 2 (d θ 2 + sin 2 θd φ 2 ) = g ij (ξ)d ξ i d ξ j Hieraus kann man den metrischen Tensor ablesen
(g ij ) = r 2
1 0 0 sin 2 θ
Theorie der Gravitationswellen Theoretische Grundlagen
Lokal gekr¨ ummter Raum
Ausdruck f¨ ur ds 2 auf Kugeloberfl¨ ache kann man nicht in kartesische Koordinaten transformieren!
Der Raum ist genau dann nicht gekr¨ ummt, wenn kartesische
Koordinaten m¨ oglich sind.
Theorie der Gravitationswellen Theoretische Grundlagen
Kr¨ ummungstensor
Gibt es ein “Objekt”, dass die Kr¨ ummung eines Raumes in beliebiger Dimension quantitativ beschreibt?
⇒ Kr¨ ummungstensor
R ijk m
Theorie der Gravitationswellen Theoretische Grundlagen
Kr¨ ummungstensor
Wie kann man die innere Kr¨ ummung einer Kugel “messen”?
I
δA i = − 1
2 R ijk m A m df jk
Anderung des Vektors ¨
bei Parallelverschiebung
entlang geschlossener
Kurve
Theorie der Gravitationswellen Theoretische Grundlagen
Kr¨ ummungstensor
R ijk m = f (∂g ) 2 , ∂ 2 g
L¨ asst sich durch die erste und zweite Ableitung von g µν bilden
quadratisch in der ersten Ableitung linear in der zweiten Ableitung
Wird ben¨ otigt um die Feldgleichungen aufzustellen
Theorie der Gravitationswellen
Relativistische Bewegungsgleichung mit Gravitation Bewegungsgleichung im Gravitationsfeld
Bewegungsgleichungen im Gravitationsfeld
Wie sehen die relativistischen Bewegungsgleichungen aus?
Aquivalenzprinzip : In frei fallendem Koordinatensystem ¨ α µ gelten die Gesetze der SRT(kr¨ aftefrei)
d 2 α µ
d τ 2 = 0 , τ = Eigenzeit
Theorie der Gravitationswellen
Relativistische Bewegungsgleichung mit Gravitation Bewegungsgleichung im Gravitationsfeld
Bewegungsgleichungen im Gravitationsfeld
Koordinatentransformation α µ → β µ
Relativistische Bewegungsgleichung mit Gravitation [10]
d 2 β κ
d τ 2 = −Γ κ µν d β µ d τ
d β ν
d τ
Christoffelsymbole: Γ κ µν = f (∂g .. )
g µν ≡ relativistische Gravitationspotentiale
Theorie der Gravitationswellen Die Feldgleichungen
Die Feldgleichungen der ART
Von der Statik zur Dynamik
Wie sehen die Feldgleichungen aus?
Newtonscher Grenzfall
∆Φ = 4πG ρ(r)
Eine relativistische Feldgleichung muss kovariant sein Φ(r ) → g µν metrischer Tensor
ρ(r ) → T µν Energie-Impuls-Tensor
Theorie der Gravitationswellen Die Feldgleichungen
Die Feldgleichungen der ART
Die Feldgleichungen
Wir suchen den Zusammenhang zwischen den g µν und den T µν
“Konstruiere” Theorie
Newtonscher Grenzfall
Analogie zur Elektrodynamik
Selbstwechselwirkung
Theorie der Gravitationswellen Die Feldgleichungen
Die Feldgleichungen der ART
Form der Feldgleichungen
Allgemeinste Form
G µν ∝ T µν
Die linke Seite muss folgende Eigenschaften haben Linear in zweiter Ableitung von g µν
(Newton+Elektrodynamik) Quadratisch in erster Ableitung
(Selbstwechselwirkung+Elektrodynamik : ∝ E 2 + B 2 ) Gleichung muss kovariant sein
Diese Forderungen werden gerade vom Kr¨ ummungstensor erf¨ ullt!
Theorie der Gravitationswellen Die Feldgleichungen
Die Feldgleichungen der ART
Die Feldgleichungen
Ricci-Tensor R µν
Kontraktion des Kr¨ ummungstensors: R µρν ρ
Erf¨ ullt die Vorraussetzungen Kr¨ ummungsskalar R
Kontraktion des Ricci-Tensors: R µ µ
Erf¨ ullt die Vorraussetzungen
Theorie der Gravitationswellen Die Feldgleichungen
Die Feldgleichungen der ART
Die Feldgleichungen
Man findet die Feldgleichungen
R µν − R 2 g µν
= − 8πG c 4 T µν
bzw.
R µν = − 8πG c 4
T µν − T 2 g µν
T = T µ µ
Theorie der Gravitationswellen Die Feldgleichungen
Die Feldgleichungen der ART
Zwischenbilanz
Was haben wir bis jetzt?
klassischer Grenzfall + Analogie zur Elektrodynamik + Kovarianz ⇒ Feldgleichungen
nichtlinear
System aus 10 gekoppelten partiellen Differentialgleichungen
Theorie der Gravitationswellen Eigenschaften von Gravitationswellen
Herleitung
Herleitung der Wellengleichung
Bei kleinen Auslenkungen fallen Terme h¨ oherer Ordnung weg Ansatz
g µν = η µν + h µν
wobei
|h µν | 1
Theorie der Gravitationswellen Eigenschaften von Gravitationswellen
Herleitung
Herleitung der Wellengleichung
Theorie der Gravitationswellen Eigenschaften von Gravitationswellen
Herleitung
Herleitung der Wellengleichung
Vernachl¨ assige Terme h¨ oherer Ordnung Nutze Eichinvarianz
Linearisierte Feldgleichung [10] [3]
G µν → h µν
h µν = − 16πG
c 4
T µν − T 2 η µν
Theorie der Gravitationswellen Eigenschaften von Gravitationswellen
Herleitung
Analogie zur Elektrodynamik
Qualitative Herleitung Statik
∆Φ el = 4πρ el (r ) ⇐⇒ ∆Φ grav = 4πG ρ mass (r ) Dynamik
A µ = 4π
c j µ ⇐⇒ g µν ∼ T µν
Theorie der Gravitationswellen Eigenschaften von Gravitationswellen
Freie Wellengleichung
Linearisierte Feldgleichungen im Vakuum
Im Vakuum fallen die Quellterme mit T µν und T weg Die Feldgleichungen werden dann zu
h µν = 0
Homogene Wellengleichung!
Theorie der Gravitationswellen Eigenschaften von Gravitationswellen
Freie Wellengleichung
L¨ osung der Wellengleichung [10]
Allgemeiner Ansatz
h µν = h 0 µν exp
−ik λ x λ
+ c.c . F¨ ur die weitere Betrachtung
Eichinvarianz
zus¨ atzliche Eichbedingung f¨ ur Wellenl¨ osungen
Betrachte Welle in z Richtung
Theorie der Gravitationswellen Eigenschaften von Gravitationswellen
Freie Wellengleichung
L¨ osung der Wellengleichung
F¨ ur eine ebene Welle im Vakuum erh¨ alt man
(h µν ) =
0 0 0 0
0 h 11 0 h 0 12 0 0 h 12 0 −h 0 11 0
0 0 0 0
exp [ik (z − ct )] + c .c .
Es bleiben nur zwei unabh¨ angige Komponenten in der Amplitude.
Theorie der Gravitationswellen Eigenschaften von Gravitationswellen
Freie Wellengleichung
Polarisation
linear polarisierte Wellen zwei M¨ oglichkeiten
h 0 11 = h , h 0 12 = 0 oder h 0 11 = 0 , h 0 12 = h elliptisch polarisierte Welle
h 0 11 = h 1 , h 12 0 = ±ih 2
Wie kann man sich diese Wellen vorstellen?
Theorie der Gravitationswellen Eigenschaften von Gravitationswellen
Teilchen im Feld der Welle
Auslenkung leichter Teilchen
Theorie der Gravitationswellen Eigenschaften von Gravitationswellen
Teilchen im Feld der Welle
Wie bewegen sich Teilchen im Feld der Welle?
Problem : Die Bewegungsgleichungen sind von der Wahl der Koordinaten abh¨ angig
Es gibt Koordinaten in den scheinen die Teilchen zu ruhen.
L¨ osung
Betrachte die ¨ Anderung der Abst¨ ande durch den metrischen Tensor.
ds 2 = g µν (x)dx µ dx ν
Theorie der Gravitationswellen Eigenschaften von Gravitationswellen
Teilchen im Feld der Welle
Auslenkung leichter Teilchen
zeitlich-r¨ aumliche ¨ Anderung der Metrik g µν = η µν + h µν
= η µν +
0 0 0 0
0 h 11 0 h 0 12 0 0 h 12 0 −h 0 11 0
0 0 0 0
exp[ik(z − ct)] + c .c .
und
ds 2 = c 2 dt 2
| {z }
“konstant”
− dl 2
|{z}
Auslenkung
− dz 2
|{z}
“konstant”
Theorie der Gravitationswellen Eigenschaften von Gravitationswellen
Teilchen im Feld der Welle
Auslenkung leichter Teilchen
Man erh¨ alt f¨ ur linear polarisierte Wellen [10]
L 02 = L 2 ·
1 − 2h cos(2φ) cos(ωt) f¨ ur h 0 11 = h , h 12 0 = 0
1 − 2h sin(2φ) cos(ωt) f¨ ur h 0 11 = 0 , h 0 12 = h
Theorie der Gravitationswellen Eigenschaften von Gravitationswellen
Teilchen im Feld der Welle
Auslenkung leichter Teilchen
F¨ ur kleine h erh¨ alt man Ellipsen
Theorie der Gravitationswellen Eigenschaften von Gravitationswellen
Teilchen im Feld der Welle
Auslenkung leichter Teilchen
Nutze diesen Effekt zur Detektion!
Konzept
Interferometer zur Messung kleiner Auslenkungen
⇒ Direkte Messung von Gravitationswellen [8]
Theorie der Gravitationswellen Eigenschaften von Gravitationswellen
Energie und Impuls f¨ur Gravitationswellen
Energie und Impuls der Welle
Betrachte Feldgleichungen in zweiter Ordnung
Qualitativ
Energie-Impuls-Tensor des Feldes ist proportional zur ersten Ableitungen des metrischen Tensors
t µν grav ∝ ∂h ..
∂x µ
∂h ..
x ν ∝ k µ k ν h 2
Theorie der Gravitationswellen Eigenschaften von Gravitationswellen
Energie und Impuls f¨ur Gravitationswellen
Energie und Impuls der Welle
Exakte Rechnung liefert [10]
t µν grav = c 4
8πG k µ k ν |h 0 11 | 2 + |h 0 12 | 2
Theorie der Gravitationswellen Quellen von Gravitationsstrahlung
Quellen von Gravitationsstrahlung
Verschmelzende Schwarze L¨ocher (Quelle : MPI for Gravitational Physics/Zuse Institut Berlin/Center for Computation & Technology at Louisiana State University/W.Benger)
Quadrupolstrahlung
Theorie der Gravitationswellen Quellen von Gravitationsstrahlung
Quadrupolstrahlung
Quadrupolstrahlung
Dipolmoment verschwindet im CM-System In 1.Ordnung Quadrupolstrahlung
Dimension: Analog zu Elektrodynamik Abgestrahlte Leistung
P Q ∝ ω 6 Q 2
Theorie der Gravitationswellen Quellen von Gravitationsstrahlung
Quadrupolstrahlung
Exakte L¨ osung
Betrachte Wellengleichung mit Quelltermen
h µν ∝
T µν − T 2 η µν
und oszillierende Massenverteilung
T µν = t µν (r) exp(−i ωt) + c.c .
Theorie der Gravitationswellen Quellen von Gravitationsstrahlung
Quadrupolstrahlung
Exakte L¨ osung
L¨ osung der Wellengleichung Greensfunktion
Asymptotik
Kontinuit¨ atsgleichung
Langwellenn¨ aherung
Theorie der Gravitationswellen Quellen von Gravitationsstrahlung
Quadrupolstrahlung
Exakte L¨ osung
Abgestrahlte Leistung [4]
P grav = 2G ω 6 5c 5
3
X
i ,j =1
|Q ij | 2 − 1 3
3
X
i=1
Q ii
2
Mit dem Quadrupolmoment Q ij =
Z
d 3 r x i x j ρ
Wobei ρ der r¨ aumliche Anteil einer oszillierenden Massenverteilung
ist
Theorie der Gravitationswellen Quellen von Gravitationsstrahlung
Beispiele
Rotierende Starre K¨ orper
Starrer K¨ orper rotiert um z-Achse (Q ij ) = I 1 − I 2
4
1 i 0
i −1 0
0 0 0
I 1 , I 2 : Haupttr¨ agheitsmomente Abgestrahlte Leistung
P grav ∝ ω 6 (I 1 − I 2 ) 2
Theorie der Gravitationswellen Quellen von Gravitationsstrahlung
Beispiele
Vereinfachtes Modell f¨ ur Doppelsternsystem
Tr¨ agheitsmoment
I 1 = M 1 M 2 r 2 M 1 + M 2
I 2 = 0
Theorie der Gravitationswellen Quellen von Gravitationsstrahlung
Beispiele
Vereinfachtes Modell f¨ ur Doppelsternsysteme
klassische Rechnung:
Bahnfrequenz
ω 2 = G M 1 + M 2
r 3 Damit:
Abgestrahlte Leistung
P grav ∝ M 1 2 M 2 2 (M 1 + M 2 )
r 5
Theorie der Gravitationswellen Quellen von Gravitationsstrahlung
Beispiele
Konsequenz des Energieverlustes
Verringerung des Abstandes Verringerung der Bahnperiode
Indirekter Nachweis [9]
Messung der Bahnperiode von Doppelsternsystemen
z.B. PSR 1913+16
Theorie der Gravitationswellen Ausblick
Ausblick
Gravitationswellen relativistischer Quellen Gravitations-Hintergrundstrahlung Nichtlineare Effekte(Solitonen)
Quantisierung der Theorie(Gravitonen)
Theorie der Gravitationswellen Dank
Vielen Dank f¨ ur Ihre
Aufmerksamkeit!
Theorie der Gravitationswellen Quellenverzeichnis
Quellenverzeichnis
1 H. Poincar´e : Sur le dynamique d’electron, Comptes rendus de l’Acad´emie des sciences. 140, 1905b, S.
1504-1508, [Link]
2 A. Einstein: Die Grundlage der allgemeinen Relativit¨atstheorie. In: Annalen der Physik. 49, 1916, S.
769–822, [Link]
3 A. Einstein : N¨aherungsweise Integration der Feldgleichungen der Gravitation, Sitzungsberichte der K¨oniglich Preußischen Akademie der Wissenschaften (22.6.1916 ) pp.688, [Link]
4 A. Einstein: ¨Uber Gravitationswellen 1918, Sitzungsberichte der K¨oniglich Preußischen Akademie der Wissenschaften (31.1.1918) pp.154, [Link]
5 Einstein versus the Physical Review, Daniel Kennefick, Sept. 2005, p.43 [Link]
6 A. Einstein & N. Eosen : On Gravitational Waves, Journal of the Franklin Institute (1937) , Vol. 223, p.43, [Link]
7 J.Weber & J.A. Wheeler : Reality of the Cylindrical Gravitational Waves of Einstein and Rosen, Rev. Mod.
Phys. 29, 509 - 515 (1957), [Issue 3 – July 1957], [Link]
8 J.Weber : Detection and Generation of Gravitational Waves, Phys. Rev. 117, 306 - 313 (1960), [Issue 1 – January 1960], [Link]
9 R.A. Hulse & J.H. Taylor : Discovery of a Pulsar in a Binary System, The Astrophysical Journal, 195:L51-53, (15.01.1975) [Link]
10 T. Fließbach : Allgemeine Relativit¨atstheorie, 5.Auflage, Elsevier (2006)