Die Herkunft von ai. aravinda - „Lotosblume"
und taru- „Baum"
Von A. J. Van Windekens, Löwen
Daß ai. aravinda- nicht dem indogermanischen Erbwortschatz ent¬
stammt, sondern aus einer fremden Sprache übernommen ist, geht schon
aus dem Fehlen von mit den anderen indogermanischen Sprachen zu¬
sammenstellenden Erklärungsversuchen ganz deutlich hervor. Für den
außerindischen Ursprung hat man auch konkrete Anknüpfungen vor¬
geschlagen: Porzig, ZII.5, 268 f., z. T. im Anschluß an Fick, Vor¬
griechische Ortsnamen 153, hält aravinda- für ein kleinasiatisches Wort,
das mit gr. epeßivö-o<; ,, Kichererbse" (vgl. auch opoßo; ,, Erbse")
identisch wäre; Burrow, BSOAS. 11,135 Anm. 1 und 12, 366, betrachtet
aravinda- als ein Lehnwort aus dem Dravidischen und verweist auf
telugu araviri ,,a flower half-opened" und kannada areviri ,,to half open".
Wenn Mayrhofer, Kurzgef. etym. Wb. d. Altind. 48, Bubbows
Deutung als ,, prinzipiell wahrscheinlicher" kennzeichnet, so denkt er
natürlich an eine Reihe altindischer Kulturwörter, zu denen u. a.
Pflanzennamen gehören, die tatsächlich den dravidischen Sprachen ent¬
nommen sind. Beim ersten Blick scheint für aravinda- die dravidische
Hypothese also die richtige zu sein, umso mehr als zwei andere altindische
Lotos- Wörter, ich meine kamala- und kuvalaya-, sich aus dem Dravidi¬
schen erklären lassen (vgl. Burrow, BSOAS. 12, 370; Mayrhofer,
GRM. 3, 237 und Kurzgef. etym. Wb. d. Altind. 160 u. 243f.).
Wahrscheialicher ist mir jedoch die andere Möglichkeit, daß aravinda-
auf ein kleinasiatisches Wort zurückgehen könnte. Die Ähnlichkeit
zwischen (arav)ind(a)- und dem in mehreren kleinasiatischen Wörtem
auftretenden -tvS-Suffix ist so auffäUig, daß man sie nicht dem reinen
Zufall zuschreiben darf: vgl. -ivS- in "AXivSa (Stadt in Karlen),
EupußocXivSo? (= Dionysos), xij[i.i.vSii; (Raubvogel), HupivSoi; (Ort in
Karlen) usw.
Wie bekannt, entspricht dem kleinas. -vS- die Form - vö-- in zahlreichen
dem westgriechischen Sektor angehörenden Appellativen imd Orts¬
namen: vgl. ßoXivO-o? „Wisent" = (Eüpu-)ßaXivSo?, ntipavB-o? (Ort auf
Kreta) = HripivSoi;, ia6i[LivQ-oc, „Badewanne", Xaßupivö-oi; ,, Labyrinth", SXuv&o^ ,,8pät oder selten reifende Feige", ttXiv^oi; „Ziegelstein" usw.
Ein kleinasiatisches mit epeßtv&o? übereinstimmendes *lp^ßivSo? darf
also angenommen werden.
Die Herkmift von ai. aravinda - „Lotosblume" und taru - Baum 555
In den letzten Jahren hat man die Herkunft der das -vö-- = -vS-
Suffix bietenden Lehnwörter im Griechischen präzisieren können: sie
stammen aus einer vorgriechischen indogermanischen Sprachschicht,
dem sogenannten Pelasgischeni. Lautliche Eigentiimlichkeiten dieser
Sprache sind u. a. der Übergang des indogermanischen zwischenvokali-
schen *u zu b {Le pilasgique llf.) und die Verschiebung der indogermani¬
schen Verschlußlaute (ebd. 13fif.).
Die Vertretung des zwischenvokalischen *« durch pelasg. b begegnet
z. B. in epeßtvö-oi;, das über idg. *ereii- mit lat. ervum „eine Art Wicke"
und ahd. araweiz ,, Erbse" zu verbinden ist (Le pilasgique 86 f.). Die alt¬
indische Form aravinda- wäre also aus dem kleinasiatischen Pelasgischen
entlehnt worden zu der Zeit, als in dieser Sprache der Wandel des
zwischenvokalischen *u zu b noch nicht stattgefunden hatte. Es wäre
folglich für aravinda- von *ereuind- auszugehen.
Auch in pelasg. TEpeßiv&o? ,, Terpentinbaum" beruht b auf idg. *u:
■das Wort verknüpft sich über idg. *dereu- ,,Baum, Eiche" mit aisl.
tjara, ags. teoru „Teer, Harz", lit. dervä ,, Kienspan; Pech, Teer, harziges Holz"usw. (Le pilasgique 138 f.). Zu bemerken ist auch, daß in Tepeßi.vö-o?
■der <-Laut aus idg. *d entstanden ist : es handelt sich um die Verschiebung
■der indogermanischen Mediae zu Tenues (Le pilasgique 16 f.).
TepIßivO-o? ist ein weitergebildetes *T£p£ß-: vgl. Epeßivö-oi; und opoßo?.
Eine kleinasiatisch-pelasgische Variantform von *TepEß- gibt vielleicht
<iie Erklärung des bisher ungedeuteten altindischen Pflanzennamens
taru- ,,Baum". Man könnte an *teru- oder an *taru- (idg. *o > pelasg. o:
JLie pilasgique 3f.) denken: vgl. z. B. gr. Sopu ,, Baumstamm, Holz usw.".
Die Möglichkeit einer hethitischen Herkunft darf jedoch nicht aus¬
geschlossen werden: im Keilschrifthethitischen liegt taru- „Holz"
<: idg. *doru- vor.
In dieser Weise erhält die Vermutung Maybhofbes, Kurzgef. etym.
Wb. d. Altind. 484, ai. taru- sei eine Entlehnung aus einer anderen
indogermanischen Sprache, ,,in der idg. *doru- zu taru- gewandelt
wurde", eüie ganz konkrete Stütze.
Ai. aravinda- < kleinas.pelasg. *ereuind- muß als eine recht alte Ent¬
lehnung betrachtet werden : das kleinasiatische Wort wurde zu der Zeit
übernommen, als im Altindischen der Wandel von *e zu a noch nicht
endgültig abgeschlossen war. Dasselbe bezieht sich auch auf ai. taru-, falls
das Wort auf ein ursprüngliches kleinas.pelasg. *teru- zurückzuführen ist.
Die semantischen Verhältnisse bieten keine Schwierigkeiten. Poezig,
a. a. 0., behauptet, gewiß mit Recht, daß für die Erbse, die im klein-
1 Vgl. meine Arbeiten Le pelasgique. Essai sur une langue indo-europeenne
prehellenique (1952) und Contributions ä l'etude de Vonomastique pelasgique
(1954).
556 A. J. VAN Windekens Die Herkunft von ai. aravinda
asiatischen Kulturkreis das Symbol für Geburt und Entstehen war, im
Altindischen der Lotos eingetreten ist. Es wäre also in diesem Falle mit
einem religiösen Lehnwort zu rechnen.
In semantischer Hinsicht könnte ai. taru- „Baum" zwanglos mit
keilschriftheth. taru- „Holz" zusammengebracht werden; für pelasg.
*teru- oder *taru-, Variantform von Tef£ß(i.v&oi;) „Terpentinhaum",
wäre die Annahme der Bedeutung „Baum" im Lichte von idg. *dereu-
usw. „Baum" ganz normal.
Kundakunda echt und unecht
Von Walthbb Schubbing, Hamburg
Dem Digambara-KIassiker Kundakunda wird neben größeren Vers¬
werken eine Reihe kleinerer Gähä-Texte zugeschrieben, unter diesen
acht, die man mit einem auch in der Sürapannatti der Svetämbaras und
in den Angaben über das 12. Anga vorkommenden Ausdruck als Pähuda
zusammenfaßt, obgleich nur vier von ihnen sich selbst so nennen (2,2;
5,1.163; 6,106; 7,1.22). Nach Gommatasära, Jivakanda Str. 340^ ist
pähudaya soviel wie dhiyära, und Hibalal Jain^ bemerkt hierzu mit
Recht, daß ein pähuda einen bestimmten Gegenstand behandle. Das
Sanskrit sagt für ein solches Produkt prakaraua. Der Svetämbara
Malayagiri begnügt sich mit prähhrtäniva präbhrtäni (Süryapr. tikä 7*).
Die Digambaras geben prähhrta mit sära wieder: eine „Gabe" sei ja immer
das ,, Beste", meint Jayasena zu Kundakundas Samayasära^, der sich
selbst Str. 1 und 415 bzw. 445 Samayapähuda nennt. Nicht statthaft ist
,,Samayasärapähuda" und „Pravacanasärapähuda" (Jain a. a. 0.).
Ein neuerer Druck* enthält alle 8 Pähuda mit dem Märwäri-Kommentar
des Jaycand Chäbrä aus Jaypur. Dieser, der ein Teräpanthi, also ein
Svetämbara war, beendigte seine hhäsä-vacanikä, deren Sprache die Vor¬
rede Dhudhäri nennt, samvat 1867, drei Jahre später als diejenige zum
Samayasära (dort S. 570), die aber bis auf die Anfangs- und Endstrophen
in Jaipur! jetzt in moderner Hindi steht (Samay. Vorrede S. 7). Unsere
„desabhäsämaya vacanikä" (S. 402) lehnt sich an den Kommentator
Srutisägara (2. H. 16. Jhs.s.) an, soweit dessen Tikä reicht. Sie ist in dem
Druck Satpräbhrtädisamgraha* enthalten. Srutasägara hat nämlich nur
sechs Pähuda kommentiert. In deren Reihe darnsarta, cäritta, sutta,
1 Räyacandra-Jaina-Öästra-Mälä, Bombay 1927. Str. 341 in Sacred Books
of the Jains, 5, Lucknow 1927.
" Rämasimha Muni: Pähudadohä, Käranja Jaina Series 3, K. 1933, S. 13.
Einige dieser 222 Dohäs sind den Pähuda entlehnt, woher der Name, den der
Hrsg. irrig mit dohä kä upahär (was Dohäpähuda wäre) wiedergibt.
^ Räyacandra-J.-S.-M., Bo. 1919, S. 555; Sanätana-J.-Grantha-M.,
Benares 1914, S. 212.
* Astapähuda, Öri-Pätni-Digambara-Jaina-Grantha-Mäla (Maroth), Puspa
17, Madanganj-Kishangadh, Räjasthän, V. 2476; 1. Aufl. in der Öri-Mimi-
Anandaklrti-G.-M. V. 2449.
5 Mänikcand-Dig.-J.-Gr.-M. 17, Bo. s. 1977, V. 2447. Im Verlauf: Chappä-
huda. Ein nicht mehr erreichbarer Druck von 1910 hat Denecke für seinen
Beitrag zur Festschrift Jacobi S. 160—168 vorgelegen.