POLITIK AKTUELL
Diagnosen-Verschlüsselung Pflichten
für die Praxis
Warum müssen Diagnosen in der Arztpraxis
verschlüsselt werden?
Das Gesundheitsstrukturgesetz (§ 295 SGB V) vom 1. Januar 1993 verpflichtet die an der vertragsärztli- chen Versorgung teilnehmenden Ärz- te, ab dem 1. Januar 1996 die Diagno- sen nach dem vierstelligen Schlüssel der internationalen Klassifikation der Krankheiten zu verschlüsseln (ICD).
Auf den Arbeitsunfähigkeitsbeschei- nigungen und den Abrechnungsun- terlagen für die vertragsärztlichen Leistungen sind für die Diagnosen nicht mehr wie bisher die Klartexte, sondern die Schlüsselnummern der ICD einzutragen.
Die künftig codierte Diagnosen- übermittlung ermöglicht die daten- mäßige Erfassung und die statistische Auswertung für Plausibilitätskontrol- len sowie Auffälligkeits- und Zufällig- keitsprüfungen im Rahmen der Wirt- schaftlichkeitsprüfung. Zur Erfüllung dieser Informationsbedürfnisse sind standardisierte Diagnosen und ihre Verschlüsselung nach einer internatio- nal gebräuchlichen Klassifikation not- wendig. Für die eigentliche Patienten- betreuung und die Patientenführung in der Arztpraxis ist die codierte Dia- gnoseninformation dagegen von nach- geordneter Bedeutung. Für den Fall, daß Leistungsabrechnungen ab 1. Ja- nuar 1996 keine codierten Diagnosen enthalten, dürfen diese von den Kran- kenkassen nicht mehr vergütet wer- den (§ 303 Abs. 3 SGB V).
Wer erstellt die ICD-Klassifikation?
Die internationale Klassifikation der Krankheiten und verwandter Ge- sundheitsprobleme, die jetzt in der
zehnten Revision vorliegt, wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in englischer Sprache heraus- gegeben.
Für die Bundesrepublik Deutschland wird die amtliche deutschsprachige Ausgabe der ICD vom Deutschen Institut für medizini- sche Dokumentation und Informati- on (DIMDI), Köln, im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegeben. Die Herausgabe der neuen zehnten Revision (ICD-10) er- folgt in einem dreibändigen Hand- buch:
Band 1: Systematisches Verzeichnis:
Das systematische Verzeichnis enthält die vierstellige ausführliche
Wie ist die ICD aufgebaut?
Die 21 Kapitel der ICD-10 um- fassen:
I. Bestimmte infektiöse und pa- rasitäre Krankheiten;
II. Neubildungen;
III. Krankheiten des Blutes und der blutbildenden Organe sowie bei bestimmten Störungen mit Beteili- gung des Immunsystems;
IV. Endokrine Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten;
V. Psychische und Verhaltens- störungen;
VI. Krankheiten des Nervensy- stems;
VII. Krankheiten des Auges und der Augenanhangsgebilde;
VIII. Krankheiten des Ohres und des Warzenfortsatzes;
IX. Krankheiten des Kreislauf- systems;
X. Krankheiten des Atmungssy- stems;
XI. Krankheiten des Verdau- ungssystems;
XII. Krankheiten der Haut und der Unterhaut;
XIII. Krankheiten des Muskel-
Systematik, den Morphologieschlüs- sel der Neubildungen sowie einige Definitionen und Nomenklaturvor- schriften.
Band 2: Instruktionen:
Diagnosenverschlüsselung: An- leitungen zur statistischen Auswer- tung sowie die Darstellung der histo- rischen Entwicklung der ICD.
Band 3: Alphabetisches Verzeichnis:
Das alphabetische Verzeichnis enthält zusätzliche, im deutschen Sprachraum gebräuchliche Krank- heitsbezeichnungen, eine Einführung und eine erweiterte Anleitung zum Gebrauch des Registers. Dieser Band liegt voraussichtlich erst im Novem- ber 1995 vor.
Skelett-Systems und des Bindegewe- bes;
XIV. Krankheiten des Urogeni- talsystems;
XV. Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett;
XVI. Bestimmte Zustände, die ihren Ursprung in der Perinatalperi- ode haben;
XVII. Angeborene Fehlbildun- gen, Deformitäten und Chromoso- menanomalien;
XVIII. Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die an- derenorts nicht klassifiziert sind;
XIX. Verletzungen, Vergiftun- gen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen;
XX. Äußere Ursachen von Mor- bidität und Mortalität;
XXI. Faktoren, die den Gesund- heitszustand beeinflussen und zur In- anspruchnahme des Gesundheitswe- sens führen.
Unterhalb der 21 Kapitel ist die ICD in Gruppen, Kategorien und Subkategorien gegliedert. Die Kate- gorientexte haben einen dreistelligen Verschlüsselungscode, die Subkate- gorientexte einen vierstelligen Code.
Die Verschlüsselung in der ver- tragsärztlichen Praxis ist grundsätz- lich auf der Subkategorienebene (vierstellig) durchzuführen.
A-2708 (22) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 41, 13. Oktober 1995
Foto: Aktion Sorgenkind/Archiv POLITIK
Welchen Zweck verfolgt die ZI-Kurzfassung?
Das Zentralinstitut für die kas- senärztliche Versorgung (ZI), Köln, hat in Zusammenarbeit mit den ärztlichen Berufsverbänden für einen Großteil der Arztgruppen eine Auswahl derjeni- gen Diagnosen aus allen Kapiteln vor- genommen, die voraussichtlich das überwiegende Diagnosenspektrum in der jeweiligen Fachgruppe abdecken.*) Diese in der Wissenschaftlichen Schrif- tenreihe des Zentralinstituts publizier- ten Fachgruppenlisten liegen für fol- gende Fachbereiche vor:
Allgemeinmedizin
—Anästhesiologie
—Augenheilkunde
— Chirurgie Dermatologie Frauenheilkunde
Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Innere Medizin
—Kinderheilkunde
—Pneumologie
—Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie Nervenheilkunde
Orthopädie
Radiologie und Strahlenmedizin
—Strahlentherapie Urologie
—Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie.
Die Kurzfassung des Zentralinsti- tuts dient als Einstieg in die Klassifika- tion und Codierung für die tägliche Arbeit in der Arztpraxis. Die Kurzfas- sung wird jedem Vertragsarzt über die Kassenärztliche Vereinigung zuge- stellt. Wenn es um die exakte Einord- nung eines Diagnosebegriffes unter Berücksichtigung der nur in der offizi- ellen Buchfassung enthaltenen Ein- schlüsse, Ausschlüsse, Hinweise, An- merkungen, erklärenden Texte und Synonyma geht, ist ein Blick in die of- fizielle Buchfassung unverzichtbar.
Dr. rer. pol. Gerhard Brenner, Geschäftsführer,
Zentralinstitut, Köln
*) Gerhard Brenner, Bernd Graubner, Hans-Ulrich Nowak: Diagnosen-Verschlüsselung in der Arztpra- xis. Fachgruppenbezogene Diagnosenkataloge auf der Grundlage des ICD-10. Wissenschaftliche Reihe des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versor- gung in der Bundesrepublik Deutschland, Band 52, 511 Seiten, Deutscher Ärzte-Verlag GmbH, Köln 1995, kurt., 38 DM
AKTUELL
E
s ist schlimm, was in unserem reichen Land mit Kindern und Jugendlichen geschieht", be- klagte Dr. med. Ute Otten, Prä- sidentin des Deutschen Ärztinnenbun- des, zum Auftakt des XXIV. Wissen- schaftlichen Kongresses ihres Verban- des die derzeitigeSituation von Kin- dern und Jugendli- chen. Die medizi- nische Versorgung könne nicht iso- liert von gesell- schaftlichen Pro- blemen wie Dro- gen- und Me- dikamentenmiß- brauch, wachsen- der Kinderarmut, Obdachlosigkeit, sexuellem Miß- brauch, zuneh-
menden Verhaltensstörungen sowie einer steigenden Kinder- und Jugend- kriminalität betrachtet werden. Der Kongreß habe das Ziel, krankmachen- de Faktoren zu verdeutlichen, die un- terschiedlichen Lebensbedingungen für Jungen und Mädchen aufzuzeigen und Lösungsansätze aus der Sicht von Ärztinnen darzustellen.
Der kleine Unterschied
Mädchen leiden häufiger unter körperlichen und psychosomatischen Beschwerden und beurteilen ihren Gesundheitszustand schlechter als Jungen. Zu diesem Ergebnis kam Dr.
phil. Petra Kolip von der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Uni-
versität Bielefeld in ihrem Vortrag
„Geschlechtsunterschiede im subjek- tiven Gesundheitszustand 12- bis 16jähriger Jugendlicher".
Eine repräsentative Befragung von 2 400 Jugendlichen im Alter zwi- schen 12 und 16 Jahren aus den alten
und den neuen Bundesländern ergab, daß sich Jungen und Mädchen in ihrem Risikoverhalten, beispiels- weise im Umgang mit Drogen oder Alkohol, kaum noch unterscheiden.
Jedoch waren rund 60 Prozent der Mädchen und nur 40 Prozent der Jungen unzufrieden mit ihrem Körper.
Für die Mädchen stelle der Be- ginn der Menstruation eine zusätzliche Belastung dar. Abgesehen von körper- lichen Beschwerden, sei es für sie häu- fig schwierig, die Menstruation als Zeichen von Gesundheit und Weib- lichkeit anzunehmen. Kolip zieht in ih- rer Studie den Schluß, daß die unter- schiedlichen Sozialisationserfahrun- gen von Jungen und Mädchen auch in der medizinischen Betreuung stärker berücksichtigt werden müssen.
(ongre3 des Deutschen Ärztinnenbunc es
Mädchen brauchen eine andere Medizin
Mit Risikosituationen in der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen beschäftigte sich der XXIV. Wissenschaftliche Kongreß des Deutschen Ärztinnenbundes vom 22. bis 24. September in Potsdam. Rund 260 Ärztinnen diskutierten in zahlreichen Vorträgen und Workshops über die physische und psychische Gesundheit von Kindern. Ganzheitliche therapeutische Ansätze und die spezifische Situation von Mädchen und Frauen fanden dabei besondere Beachtung.
A-2710 (24) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 41,13. Oktober 1995