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ie Fumarsäure-Ester (FSE) haben be- reits ein bemerkenswertes Stück der- mato-pharmakologischer Geschichte geschrieben. Die Idee zur Behandlung der Psoriasis mit Fumarsäurepräpara- ten wurde von dem Chemiker Schweckendiek Ende der 50er Jahre geboren (15). Seine im Ei- genversuch entwickelte und offenbar auch erfolg- reiche Fumarsäuretherapie wurde in den 60er Jahren von ihm und dem Arzt Dr. Schäfer in größerem Umfang weitergeführt. Beide unter- suchten sowohl die Behandlung mit topischen Fumarsäurepräparationen wie auch mit Tablet- ten. Da die Salze der Fumarsäure bei oraler Ap- plikation kaum resorbiert wurden, entwickelte man verschiedene Ester, von denen später ein Di- methyl- und ein Monoethylester der Fumarsäure in Kombination eingesetzt wurden (16).Neben positiven Einzelberichten von Patien- ten über gute Wirksamkeit gab es immer wieder Publikationen über zum Teil schwere Nebenwir- kungen, besonders an den Nieren (5, 14, 6, 4, 17, 7). Diese Nebenwirkungen traten sowohl bei to- pischer als auch bei systemischer Behandlung auf, so daß die Fumarsäure-Präparate in der Der- matologie nur vereinzelt unter Vorbehalten ein- gesetzt wurden, zumal bislang kaum kontrollierte Daten zur Toxikologie und Wirksamkeit der Fu- marsäureester vorlagen.
Wirksamkeit
Dr. Schäfer wie auch einzelne „alternativ“
behandelnde Ärzte hingegen führten die Thera- pie weiter, ergänzt um eine spezifische „Psoriasis- Diät“ nach Schäfer. Aufgrund positiver Patien- tenberichte griff Altmeyer in Bochum die Be- handlungsidee wieder auf und konzipierte Ende der 80er Jahre eine systematische Untersuchung in Form einer offenen multizentrischen Phase-
III-Prüfung mit einem Kombinationspräparat.
Parallel dazu befaßten sich auch mehrere hollän- dische Arbeitsgruppen mit der klinischen Wirk- samkeit: Bayard (3) und Nieboer (10) fanden in offenen Pilotstudien erstmals gute Ansprechra- ten, die sich in randomisierten (11) oder rando- misiert-plazebokontrollierten (12) Studien signi- fikant bestätigten. Von Interesse war in den Stu- dien von Nieboer (11) und Kolbach (8) auch die Erkenntnis, daß die Behandlung der Psoriasis mit dem Dimethylester der Fumarsäure als Mono- präparat ebenso wirksam oder in der Langzeitbe- handlung sogar noch wirksamer war als eine Kombinationsbehandlung aus Dimethyl- und Monoethylestern der Fumarsäure.
Es war schließlich Altmeyer (1), der in einer randomisierten, doppelblinden plazebokontrol- lierten Studie an 100 Patienten methodisch ein- wandfrei zeigen konnte, daß die Behandlung der Psoriasis mit Fumarsäure-Estern eine therapeuti- sche Wirksamkeit hat. Inzwischen sind auch die Effekte der FSE auf Immunzellen untersucht worden (13, 9, 2), wobei die genauen Wirkmecha- nismen in vivo nach wie vor unklar sind.
Nebenwirkungen
Alle genannten klinischen Studien wurden als systemische Therapien durchgeführt. Sie gin- gen ausnahmslos mit häufigen Nebenwirkungen einher, vor allem Flush, Übelkeit und Diarrhö, die meist dosisabhängig und stets reversibel wa- ren. Im Blut fanden sich gehäuft Eosinophilien und Lymphopenien. Schwere klinische Neben- wirkungen, insbesondere nephrotoxische Effek- te, traten bei den insgesamt über 300 Patienten der publizierten Studie nicht auf.
Allerdings fanden Wokalek et al. bei zahlrei- chen Patienten temporäre tubuläre Proteinurien in der Disc-Elektrophorese, welche offenbar von
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Therapie der Psoriasis
mit Fumarsäure-Estern
Erwin Schöpf und Matthias Augustin
Dosis und Einnahmedauer des Fumaderms unab- hängig waren (Wokalek, persönliche Mitteilun- gen, 1996). In der Zwischenzeit war – nicht zuletzt aufgrund des Drucks von Patienten und Selbsthil- feorganisationen – ein Zulassungsverfahren für das Kombinationspräparat beim Bundesgesund- heitsamt beantragt worden. Ende 1994 wurde dem Präparat mit den Bestandteilen Dimethylfu- marat, Monoethylfumarat-Ca-Salz sowie zwei weiteren Monoethylfumarat-Salzen die Zulas- sung erteilt. Dies stellt ein gewisses Kuriosum dar, war doch seitens des BGA bislang die These ver- treten worden, daß derartige Kombinations- präparate – wenn überhaupt – nur nach Einzel- prüfungen ihrer Bestandteile zuzulassen seien.
Resümierende Feststellungen
Zusammenfassend läßt sich aufgrund der vor- liegenden Literatur wie auch aus eigener klini- scher Erfahrung an etwa 120 Patienten feststellen:
¿ Die orale Therapie der Psoriasis vulgaris mit Fumarsäure-Estern hat sich in mehreren kon- trollierten Studien als wirksam erwiesen.
À Ein beträchtlicher Teil der behandelten Pa- tienten reagiert mit Nebenwirkungen, insbesonde- re Flush, GIT-Symptomen und Kopfschmerzen.
Diese treten meist temporär auf, sind jedoch gele- gentlich auch Grund für einen Therapieabbruch.
Trotz temporärer Nebenwirkungen und kontro- verser öffentlicher Diskussion sind jedoch viele Patienten zur Therapie mit FSE motivierbar.
Á Schwere Nebenwirkungen traten in den publizierten klinischen Therapiestudien nicht auf, werden jedoch kasuistisch berichtet.
 Eine Indikation zur Behandlung mit FSE kann gestellt werden bei mittleren bis schweren Formen von chronisch-stationärer, pustulöser, kleinfleckiger oder erythrodermischer Psoriasis, die auf eine externe Therapie nicht ausreichend angesprochen haben.
à Anders als vielfach angenommen, handelt es sich bei den Fumarsäure-Estern keineswegs um harmlose Naturheilpräparate, sondern um hochwirksame Substanzen mit offenbar zytostati- schen Effekten. Die Therapie sollte daher dem erfahrenen Facharzt vorbehalten bleiben. Von der topischen Applikation der Fumarsäure sollte wegen der schlecht steuerbaren Resorption abge- sehen werden.
Ä Die orale Behandlung erfordert ein regel- mäßiges Monitoring, insbesondere des Differen- tialblutbildes, der Leber- und Nierenwerte sowie der Proteinausscheidung im Urin.
Å Weitere klinische wie auch experimentel- le Prüfungen der Substanzen sind unbedingt er- forderlich, die Entwicklung einer Monosubstanz ist anzustreben.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1996; 93: A-3182–3184 [Heft 48]
Literatur
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Anschrift der Verfasser:
Prof. Dr. med. Erwin Schöpf Dr. med. Matthias Augustin Universitäts-Hautklinik Hauptstraße 7
79104 Freiburg im Breisgau
A-3184
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