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Archiv "Chronic Fatigue Syndrome — CFS: Chronisches Erschöpfungssyndrom: Fehlende wissenschaftliche Tiefe" (01.12.1995)

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MEDIZIN

den. Das obstruktive SAS kommt bei erwachsenen Männern nach neueren Daten in einer Häufigkeit von 4 Pro- zent und bei Frauen von 2 Prozent vor (1). Ein großer Anteil der in Tabelle 3 (Symptome des CFS) genannten Sym- ptome (Konzentrationsstörungen, Vergeßlichkeit, Kopfschmerz, Denk- schwäche, Müdigkeit, Schlafstörun- gen) kommen ebenso bei dem ob- struktiven SAS vor. Aus diesem Grun- de sollte unbedingt eine nächtliche Polygraphie, eventuell mit Ableitung des Schlaf-EEG, in das diagnostische Vorgehen mit einbezogen werden.

Die Diagnose des SAS darf auch deswegen nicht vergessen werden, weil die therapeutischen Möglichkei- ten (nCPAP) hervorragend sind und im Gegensatz zu vielen anderen Ursa- chen von Müdigkeit und Erschöpfung am Tag diese fast schlagartig zu bes- sern sind. Wir halten es daher für wichtig, bei der in Vorbereitung be- findlichen Monographie bei CSF die Schlafdiagnostik (Polysomnographie) in das diagnostische Vorgehen mit einzubeziehen.

Literatur

1. Young T, Palta M, Dempsey H: The occurence of sleep-disordered breathing among middle-aged adults. N Engl J Med 1993; 328: 1230-1235

Dr. med. Cornelius Kellner Dr. med. Hans-Christian Blum Arbeitsgemeinschaft für angewandte Schlafmedizin e.V.

Hermannstraße 52 44263 Dortmund

Fehlende

wissenschaftliche Tiefe

Obwohl die vorgelegte „Stand- ortbestimmung" von einer Experten- gruppe erarbeitet wurde und für sich selbst den Charakter von „Richtlini- en" beansprucht, ist ihr sowohl bezüg- lich der Gesamttendenz als auch be- züglich vieler Details zu widerspre- chen. In der Einleitung wird beklagt, daß „größere Teile der Schulmedizin"

die Existenz des chronischen Er- schöpfüngssyndroms (Chronic Fa- tigue Syndrome, CFS) an sich ablehn- ten. Abgesehen davon, daß der Be- griff „Schulmedizin" zur Beschrei-

DISKUSSION

bung der rationalen und wissenschaft- lich orientierten Medizin ungeeignet ist, ist diese Aussage nicht richtig. Je- der Mediziner erkennt an, daß es Pha- sen chronischer Müdigkeit in vielfälti- ger Form als Befindlichkeitsstörung oder als Ausdruck unterschiedlicher Erkrankungen gibt.

Zuzustimmen ist auch der Aussa- ge, daß es sich offenbar nicht um eine Krankheitsentität im klassischen Sin- ne handelt. Das Problem liegt jedoch in der Definition der Störung. Eine eindeutige Definition wird in der Stel- lungnahme nicht genannt. Es heißt le- diglich an einer Stelle, daß eine chro- nische Müdigkeit immer dann als die

„Krankheit" CFS bezeichnet werden soll, wenn es sich um eine gesteigerte geistige und körperliche Ermüdbar- keit und Erschöpfbarkeit handelt, die dauernd oder intermittierend seit mindestens sechs Monaten ohne er- kennbare Besserungstendenz besteht, mit einer mindestens 50prozentigen Leistungsminderung einhergeht und typischerweise zu einem bestimmba- ren Zeitpunkt begonnen hat. Vielfäl- tige weitere Beschwerden können fa- kulativ hinzukommen, sind aber nicht notwendige Bestandteile der Krank- heitsbeschreibung.

Nach einer vorgeschlagenen Klassifikation (die eigentlich eine De- finition voraussetzen würde) soll es neben einem primären CFS, das in ei- ne post- oder parainfektiöse und eine nicht mit Infektionen einhergehende Untergruppe unterschieden werden kann, ein sekundäres CFS bei ande- ren definierten Defekten geben, zum Beispiel nach psychiatrischen oder physischen Erkrankungen. Die in der Standortbestimmung erstmals vorge- nommene Erweiterung des Begriffes CFS, der bisher nur für ein Müdig- keitssyndrom nach Ausschluß ande- rer definierter Erkrankungen reser- viert war, führt zu erheblichen termi- nologischen Unschärfen.

Störungen im Sinne eines pri- mären CFS wurden von mehreren Autoren seit vielen Jahren spora- disch, endemisch oder auch epide- misch gehäuft beschrieben. Ätiologie und Pathogenese konnten aber bisher nicht geklärt werden. In Übereinstim- mung mit der Literatur konstatieren auch die Experten beim BMG, daß die Suche nach möglichen Infekten

meist wenig erfolgreich ist. Auch die Suche nach präzisen Immundefekten ist erfolglos. Statt dessen wird einer

„Interaktion zwischen Psyche und dem Immunsystem Beachtung ge- schenkt". Die Autoren nennen schließlich als „Arbeitshypothese" für die Pathogenese des CFS, „daß es sich wahrscheinlich um eine Störung der komplexen Regulation des psycho- neuro-endokrinen-immunologischen Netzwerkes handelt. Die diffizile Re- gulation dieses Systems kann offenbar durch verschiedene Einflüsse aus der Balance gebracht werden und dann in die Symptomatik des CFS hinein- gleiten".

Eine solche Formulierung stellt ein klassisches Beispiel für fehlende wissenschaftliche Tiefe dar, da alle Worte so gewählt sind, daß eine Wi- derlegung der Hypothese unmöglich ist. Der Inhalt läßt sich aber mit sehr einfachen Worten ausdrücken: Die Ätiologie des CFS ist weiterhin unbe- kannt. Es können allenfalls hypotheti- sche und sehr nebulöse Vorstellungen zur Pathogenese angeführt werden.

Auch wenn die Ätiologie völlig unbekannt ist, soll damit keineswegs die mögliche Existenz eines primären CFS mit noch unbekannter Ätiologie geleugnet werden. Jede wissenschaft- liche Studie, in der bei einer Gruppe von Patienten mit definierbaren Störungen im Sinne eines CFS breit angelegte Untersuchungen mit dem Ziel einer ätiologischen Klärung oder zumindest mit" dem Ziel der Aufstel- lung einer Hypothese durchgeführt werden, ist zu unterstützen. Solche wissenschaftlichen Programme sind aber nicht mit diagnostischen Unter- suchungen im Einzelfall zu verwech- seln. Da bisher kein spezifischer dia- gnostischer Parameter für ein primä- res CFS bekannt ist, gibt eine solche Diagnostik auch keinen Sinn, und es besteht keine Rechtfertigung für auf- wendige diagnostische Verfahren im Einzelfall.

Auch die Experten beim BMG schreiben, daß eine ungerichtete

„Breitendiagnostik" nicht zur Auf- klärung beiträgt. Die vielfältigen Vor- schläge zum diagnostischen Vorge- hen, die sich an verschiedener Stelle in den Empfehlungen der Experten- runde finden, stehen hierzu jedoch in eklatantem Widerspruch. So heißt es, A-3408 (64) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 48, 1. Dezember 1995

(2)

MEDIZIN

es sei wichtig, beim CFS die Sympto- me zu objektivieren und zu quantifi- zieren, zum Beispiel mit den Laborpa- rametern, die gehäuft beim CFS Auf- fälligkeiten aufweisen und Hinweise auf eine Funktionsstörung des Im- munsystems geben.

Worin bestehen aber die „meß- baren Veränderungen, die der Krank- heit zugrunde liegen"? Womit ist die Aussage belegt, daß bei einem Pro- zent der erwachsenen Bevölkerung ein CFS „unter der Voraussetzung ei- ner standardisierten Diagnostik mit reproduzierbaren Ergebnissen" auf- tritt? Es bleibt leider bei diesen leeren Worthülsen. Die völlige diagnostische Orientierungslosigkeit kommt auch in den Worten zum Ausdruck, „daß er- fahrungsgemäß serologische Befunde nicht selten fehlinterpretiert werden"

und daß „die Beurteilung der Werte in Hinsicht auf eventuelle Zusammen- hänge mit dem CFS nur in enger Zu- sammenarbeit zwischen Klinikern, Mikrobiologen und Immunologen empfehlenswert" sei. Alle Ansätze für eine Konkretisierung solcher Aussa- gen werden leider vermißt.

Die Autoren behaupten, daß

„Grundlage jeder effektiven Therapie die Kenntnis der Ätiologie und Patho- genese einer Erkrankung" sei. Dies ist nicht richtig. Es gibt viele empirisch gesicherte Therapieverfahren für Krankheiten, deren Ätiologie und Pa- thogenese noch unklar sind. Richtig ist allerdings, daß es für das CFS bis- her keine auch nur annähernd be- gründbaren oder empirisch gesicher- ten Therapieverfahren gibt. Dies wird zwar an verschiedenen Stellen der Ar- beit deutlich, wird aber von Formulie- rungen überdeckt, die in diesem Zu- sammenhang völlig unverständlich sind. Was soll die Aussage, daß „die Therapie des CFS entsprechend der Variabilität der der Krankheit zugrun- deliegenden meßbaren Veränderun- gen gestaltet werden muß"? Hier han- delt es sich wieder um leere Wort- hülsen.

Daß nachweisbare Mangelzu- stände an Vitaminen und Hormonen oder Spurenelementen ausgeglichen

werden sollten und daß eventuell

chronisch toxische Einflüsse vermie- den werden müssen, ist trivial, hat mit dem Problemen des CFS jedoch nichts zu tun.

DISKUSSION

Das gleiche gilt für die Feststel- lung, daß Patienten mit erheblichen psychischen Problemen häufig eine symptomatische Besserung unter der Therapie mit trizyklischen Antide- pressiva oder Benzodiazepinen zei- gen. Der Schlenker, daß hierdurch

„theoretisch auch ein zentraler im- munsuppressiver Effekt vermindert werden kann", gehört wieder in den Bereich bloßer Spekulation.

Die Autoren erwähnen eine Viel- zahl von Therapieversuchen mit diffe- renten und zum Teil sehr teuren Me- dikamenten (Gammaglobuline, Vi- rostatika, Interferon, unspezifische Immunstimulanzien) oder mit para- medizinischen Verfahren (Ozonthe- rapie, „ionischer Sauerstoff", Immun- stimulatorische Pflanzenextrakte), verheimlichen aber nicht, daß alle die- se Versuche ohne objektivierbare Er- folge geblieben sind. Es sollte deshalb nicht zu „kritischer Indikationsstel- lung" aufgerufen werden, sondern zu unbedingtem Vermeiden solcher nicht indizierter und risikobehafteter Therapieverfahren.

Zusammenfassend läßt sich aus der vorgelegten Publikation folgen- des extrahieren (wenngleich es nicht in dieser Form ausgedrückt wird):

Chronische Erschöpfungszustände oder chronische Müdigkeit kommen als Symptom bei einer Vielzahl von Erkrankungen vor, die je nach ihrer Art diagnostiziert und, soweit mög- lich, behandelt werden sollten. Ver- mutlich gibt es eine chronische Mü- digkeit auch ohne organische Grund- krankheit im Sinne von psychosoma- tischen Störungen oder von Befind- lichkeitsstörungen. Ob es daneben ein primäres chronisches Müdigkeitssyn- drom als eigenständige Erkrankung gibt, ist ungewiß. Einzelne epidemio- logische Beschreibungen scheinen für die Existenz einer oder verschiedener solcher Erkrankungen zu sprechen.

Bei Patienten, die die Definition eines primären CFS erfüllen, sind bis- her keine Gemeinsamkeiten bekannt, die auf eine bestimmte Ätiologie oder Pathogenese hindeuten. Spezifische Laborwerte zur Diagnostik sind unbe- kannt, und es gibt keinerlei nachvoll- ziehbare Ansätze für eine Therapie.

Damit sind diagnostische Untersu- chungen, die für wissenschaftliche Studien durchaus sinnvoll erscheinen,

im Einzelfall nicht sinnvoll, und unge- richtete Therapieversuche sind zu un- terlassen.

Angesichts der auch von den Au- toren beklagten verbreiteten unge- zielten Diagnostik einiger Ärzte wäre es begrüßenswert, die Situation in die- ser Form deutlich zu benennen und nicht mit unklaren Worten zu um- schreiben, weil diese leicht als Recht- fertigung für breit angelegte diagno- stische Maßnahmen oder unsinnige, zum Teil sogar gefährliche Therapie- versuche mißverstanden werden kön- nen.

Eine Müdigkeit oder Erschöpf- barkeit allein darf sicher nicht Anlaß für eine umfangreiche Diagnostik sein. Nach Angaben der Tabelle 3 aus der Standortbestimmung weisen näm- lich nicht nur 100 Prozent aller Patien- ten mit CFS das Symptom Erschöpf- barkeit auf, sondern auch 76 Prozent aller anderen Menschen.

Selbstverständlich sind bei Pati- enten mit chronischer Müdigkeit je nach klinischer Situation die bekann- ten Störungen, die hierfür verantwort- lich sein könnten, auszuschließen.

Hierbei kann auch ein gezielter Ein- satz von Laboruntersuchungen erfor- derlich sein. Die von einigen Kollegen empfohlene aufwendige Suche nach unbekannten Störungen, insbesonde- re nach den nicht definierbaren Störungen im „psychoneuro-endokri- nen-immunologischen Netzwerk" ist aber nicht nur medizinisch unsinnig, sie führt auch zu einer nicht zu vertre- tenden Belastung unseres Gesund- heitswesens.

Prof. Dr. med. J. Köbberling, für den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin Direktor der Medizinischen Klinik Ferdinand-S auerbruch-Klinikum Arrenberger Straße 20

42217 Wuppertal

Beitrag weckt Hoffnungen

Wir begrüßen ausdrücklich die Arbeit und Zielsetzung der Kommis- sion des BMG! Zu einigen Positionen des Artikels möchten wir die folgen- den Überlegungen beitragen:

Deutsches Ärzteblatt 92 , Heft 48, 1. Dezember 1995 (67) A-3409

Referenzen

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