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Archiv "Reformpolitik auf Sparflamme" (30.05.1974)

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Bericht und Meinung

71. Jahrgang / Heft 22 30. Mai 1974

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Ärztliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Reformpolitik auf Sparflamme

Schmidts Losung: Kontinuität und Konzentration auf das Wesentliche und Mögliche

Knappste Aussagen zur Gesundheits- und Sozialpolitik

Der neue Bundeskanzler, Helmut Schmidt, hat für die sozialdemo- kratisch-liberale Regierungskoalition eine doppelte Losung aus- gegeben: Kontinuität und Konzentration auf das Wesentliche und Mögliche. Schmidt hat damit in seiner Regierungserklärung den Versuch unternommen, Gegensätzliches auf einen Nenner zu brin- gen. Den Wahlbürgern sagt er: Die bisherige Politik der sozial- liberalen Koalition war erfolgreich; sie wird fortgesetzt. Die eigene Partei mahnte er, nicht länger die umfassende Gesellschaftsverän- derung anzustreben, da sie ohnehin nicht zu bewältigen sei und den Bürgern nur Angst einjage.

Der spürbare Wählerschwund der Sozialdemokraten bei den jüng- sten Landtags- und Kommunalwahlen und die überraschende und unvorhersehbare Regierungsneubildung haben denn auch die Aus- sagen der Regierungserklärung vom 17. Mai 1974 geprägt: Stille vor allem hinsichtlich der Utopien umfassender Gesellschaftsver- änderungen; weg vom rhetorischen Höhenflug voraufgegangener Regierungserklärungen, kein Aufbruch zu neuen Ufern, kein verba- les überschwengliches Beiwerk. Allerdings machte die passagen- weise sehr nüchterne Regierungserklärung Helmut Schmidts auch deutlich, daß der bisherige Kurs sozialdemokratisch-liberaler Poli- tik insbesondere bei der Verwirklichung der sogenannten inneren Reformen fortgesetzt werden soll.

Gerade dies fällt irrt Vergleich zu den voraufgegangenen Regie- rungserklärungen besonders auf: Die Regierung Schmidt/Genscher will ihre Aktivitäten auf das innenpolitische Programm konzentrie- ren. Die Wirtschafts-, Finanz- und Währungspolitik soll in den näch- sten zweieinhalb Jahren eindeutig Priorität erlangen. Bundeskanz- ler Helmut Schmidt weiß als ehemaliger Finanzminister zu genau, daß in erster Linie der Staatthaushalt wieder in Ordnung gebracht werden müßte. Auf der einen Seite verspricht die neue Regierung zum 1. Januar 1975 die wichtigste Teiletappe der Steuerreform, die Neuregelung der Lohn- und Einkommensteuer, zu verwirklichen. I>

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Bericht und Meinung

Regierungserklärung

Zudem: Jeder zweite Kleingewer- betreibende soll in Zukunft keine Gewerbesteuer mehr zahlen müs- sen. Das „Mehr an Steuergerech- tigkeit" wird der Regierungserklä- rung zufolge mit einem Verzicht in Höhe von 10 bis 12 Milliarden Mark verbunden sein. Doch darf dabei nicht übersehen werden, daß dem Staat infolge der wachsenden Ein- kommen zwangsläufig ohnehin wachsende Steuerbeträge zuflie-

ßen.

Dennoch darf auf der anderen Seite das Anwachsen der Staats- ausgaben nur in dem Maße erfol- gen, wie Steuergelder in die Fi- nanzkassen von Bund, Ländern und Gemeinden fließen. Dies zwingt zur Konsolidierung und zur Sparsam- keit bei der Verwirklichung der in- nenpolitischen Aufgaben.

Insgesamt fünf Schwerpunkte hat die sozialdemokratisch-liberale Ko- alition unter diesem Aspekt mar-

kiert.

• Die etappenweise Verwirkli- chung der Steuerreform;

• die Verabschiedung eines Mit- bestimmungsgesetzes:

• die Neuregelung des Boden- rechts, die durch die Verabschie- dung der Novelle zum Bundesbau- gesetz durch die Bundesregierung bereits eingeleitet worden ist;

• die Verbesserung des Umwelt- schutzes durch die Verabschie- dung des Bundesimmissionsschutz- gesetzes und des geplanten Was- serhaushalt- und Abwasserabga- bengesetzes, des Bundeswald-, Na- turschutz- und Landschaftspflege- gesetzes, die den gesetzgebenden

Körperschaften bereits vorliegen;

• Neuregelung der beruflichen Bildung durch die Neufassung des Berufsbildungsgesetzes: Bei der Neugestaltung dieses Gesetzesvor- habens will die Bundesregierung nicht länger an dem Rat und den Erfahrungen der Betroffenen aus der Praxis der beruflichen Bildung vorbeigehen.

Nur knappe Aussagen

zur Gesundheits- und Sozialpolitik Im Gegensatz zu den Regierungs- erklärungen vom 28. Oktober 1969 und vom 18. Januar 1973 wird die Sozial- und Gesundheitspolitik in der Regierungserklärung von Hel- mut Schmidt überaus knapp ange- sprochen.

Wurde in der Regierungserklärung vom 18. Januar 1973 den Rand- gruppen der Gesellschaft, insbe- sondere den Behinderten und so- zial Schwachen, große Aufmerk- samkeit geschenkt, so blieb die Regierungserklärung diesmal recht lapidar, bereits verabschiedete und in Kraft getretene Gesetze mit ebenfalls bereits bekannten Geset- zesvorhaben vermischend: „Be- deutende Verbesserungen für älte- re Menschen, Pflegebedürftige und Behinderte bringt das Dritte Gesetz zur Änderung des Bundessozialhil- fegesetzes, das am 1. April 1974 in Kraft trat. ... Der Kernpunkt des Aktionsprogramms für Rehabilita- tion, das neue Schwerbehinderten- gesetz, ist am 1. Mai 1974 in Kraft getreten. Das Gesetz zur Anglei- chung der Leistungen der Rehabili- tation liegt dem Parlament vor."

Unter der Parole von der „Humani- sierung des Arbeitslebens" läuft das bereits verabschiedete „Arbeits- sicherheitsgesetz", das die Betriebe verpflichtet, Betriebsärzte, Sicher- heitsingenieure und Fachkräfte für Arbeitssicherheit mit Wirkung vom 1. Dezember 1974 zu bestellen bzw.

zu beschäftigen. Ferner: Der Ent- wurf eines Jugendarbeitsschutzge- setzes, das bereits die erste Hürde der parlamentarischen Beratung genommen hat. Die Agrarsozialpo- litik soll weiter vorangetrieben wer- den, und die landwirtschaftlichen Altersgelder sollen ab 1. Januar 1975 nach dem Muster der Sozial- renten dynamisiert werden.

Ein weiterer sozial- und gesund- heitspolitischer Bereich wird eben- falls nur am Rande gestreift: „Der Gesundheitsschutz wird konse- quent verbessert. Alle Krankenver- sicherten haben seit dem 1. Januar 1974 einen Rechtsanspruch zur

zeitlich unbegrenzten Kranken- hauspflege. Einer besseren Kran- kenhausversorgung dient neben dem Krankenhausfinanzierungsge- setz auch die neue Bundespflege- satzverordnung." Kein Wort dar- über, ob die in der mittelfristigen Finanzplanung bereitgestellten öf- fentlichen Mittel überhaupt ausrei- chen, um das auf der Erfolgsseite der bisherigen sozialdemokratisch- liberalen Regierungsbilanz ver- buchte Krankenhausfinanzierungs- gesetz und die neue Pflegesatzver- ordnung auch auf ein finanziell so- lides Fundament zu stellen.

Ebenso vermißt man eine Aussage darüber, wie die längst überfällige

Reform der Rentnerkrankenversi- cherung, die Neuregelung der stu- dentischen Krankenversicherung oder die Neuordnung des Arznei- mittel- oder des Lebensmittelrechts unter Schmidt aussehen sollen.

Ein klares und klärendes Wort wäre zum geltenden gegliederten System der Krankenversicherung ebenso wie zu den Rechtsbezie- hungen zwischen Kassenärzten und Krankenkassen um so mehr zu erwarten und zu begrüßen gewesen, als bekanntlich von interessierter Seite massiver Druck auf die Re- gierung ausgeübt wird, das frei- heitlich-soziale System der geglie- derten Krankenversicherung und der sie tragenden Prinzipien aufzu- weichen oder gar durch ein an- deres, wie auch immer geartetes System abzulösen.

So bleibt nur zu hoffen, daß zu- nächst die in den voraufgegange- nen Regierungserklärungen zu Pro- grammpunkten erhobenen Postu- late der Freiberuflichkeit aller Heilberufe und der freien Arztwahl sowie das mehrfach postulierte grundsätzliche Festhalten am ge- gliederten System unseres Ge- sundheitswesens auch weiterhin Gültigkeit haben werden.

In Anbetracht dessen, daß die Re- gierungserklärung hier manches im dunkeln läßt, wird in den nächsten Wochen und Monaten besonders aufmerksam zu beobachten und zu

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Neue Gesichter im Kabinett

Kanzler Helmut Schmidt hat bei der Neubildung der Regierung eine Reihe die Öffentlichkeit überraschende Personalent- scheidungen getroffen. So hatte wohl niemand damit gerechnet, daß Schmidt Walter Arendts Parlamentarischen Staatssekre- tär Helmut Rohde zum Nachfol- ger von Dohnanyis als Wissen- schaftsminister machen würde.

Die Personalentscheidung ist hier zugleich Programm: Rohde, Vorsitzender der Arbeitnehmer- Arbeitsgemeinschaft der SPD, wird der beruflichen Bildung den gleichen Rang verschaffen wollen wie der wissenschaftli- chen Bildung.

An seine Stelle im Arbeitsmini- sterium rückt der IG-Metall- Funktionär Hermann Buschfort, der fest in der SPD-Bundestags- fraktion verankert ist, dort An- sehen genießt, nach außen bis- lang aber wenig in Erscheinung getreten ist. Buschforts Interes- se galt nicht der Sozialversiche- rung und der Gesundheitspoli- tik; er hat sich vorwiegend um Themen wie Betriebsverfassung, Mitbestimmung und Arbeits- recht gekümmert. Es bleibt ab- zuwarten, wie er die Grenzen seines Arbeitsgebietes nun stecken wird. Hermann Busch- fort gehört nicht zu den Ideolo- gen und linken Scharfmachern;

er ist der Mitte der SPD zu- zuordnen.

Weiter links als zur Mitte darf der neue Parlamentarische Staatssekretär im Ministerium für Familie, Jugend und Ge- sundheit, Karl Fred Zander, ein- geordnet werden. Zander hat politisch Karriere über die Indu- strie-Gewerkschaft Metall und die hessische SPD gemacht. Er war Mitte der sechziger Jahre persönlicher Referent des Ge-

werkschaftsvorsitzenden Otto Brenner. Über seine gesund- heitspolitischen Ansichten ist bisher nichts bekannt gewor- den.

Die IG Metall, der Zander auch heute noch eng verbunden ist, hat sich zwar stets für staatliche Eingriffe in das Gesundheitswe- sen ausgesprochen. Ihr verstor- bener Spitzenfunktionär Olaf Radke war sogar öffentlich für ein staatliches Gesundheitswe- sen nach britischem Muster ein- getreten. Es ist anzunehmen, daß Zander in das Ministerium, dessen Leitung in SPD-Kreisen als intellektuell gilt, zunehmend gewerkschaftliche Gedanken einbringen wird; inwieweit er sich aber mit dem gesundheits- politischen Gedankengut seiner Gewerkschaft identifiziert, bleibt fairerweise abzuwarten. Frau Dr.

Katharina Focke ist als Gesund- heitsminister im Kabinett geblie- ben; Zeitungsberichten zufolge war sie zeitweise auch als Euro- paminister der Bundesrepublik

im Gespräch.

Helmut Schmidt hat noch mehr als Brandt versucht, sein Kabi- nett personell mit den Gewerk- schaften zu verbinden. Vor al- lem damit wohl ist der politische Aufstieg von Gewerkschafts- funktionären wie Hans Matthöfer (IG Metall), Kurt Gscheidle (Postgewerkschaft) sowie von Helmut Rohde (IG Druck), der Vorsitzender der gewerk- schaftsorientierten Arbeitsge- meinschaft für Arbeitnehmerfra- gen in der SPD ist, zu erklären.

Das Mitgliedsbuch der IG Metall haben auch die Minister Hans Apel und Karl Ravens, während Schmidt selbst der Gewerk- schaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr ange- hört. wst

Die Information:

Bericht und Meinung

prüfen sein, wohin die Ressorts im Rahmen der dem Bundeskanzler auch auf den Gebieten der Ge- sundheits- und Sozialpolitik gege- benen Richtlinienkompetenz ten- dieren und taktieren werden. Ande- rerseits deutet in der Regierungs- erklärung des Bundeskanzlers Hel- mut Schmidt nichts darauf hin, daß von unserem freiheitlich-sozialen Gesundheitswesen zugunsten etwa eines dirigistischen, staatlich ge- lenkten „Gesundheitssicherungssy- stems" abgegangen werden solle.

Kontinuität auch in der Marktwirtschaft?

Kontinuität darf man wohl auch auf dem Feld der Wirtschaftspolitik erwarten, die weiterhin von Fri- derichs im Zusammenspiel mit Schmidt gestaltet wird. Ausdrück- lich hat sich Schmidt zur markt- wirtschaftlichen Ordnung bekannt, und zwar deutlicher als früher. So heißt es, daß die Marktwirtschaft, eingebunden in die vom Staat ge- setzten Rahmenbedingungen, die ökonomischen Aufgaben besser als andere vergleichbare Systeme löse. Früher hatte Schmidt mit Blick auf die linken Kräfte in der SPD solche Erklärungen stets da- durch abgeschwächt, daß er den Übergang zu anderen ökonomi- schen Systemen in weiterer Zu- kunft nicht ausschloß.

In der Regierungserklärung heißt es jetzt nur, daß die Marktwirt- schaft zu keinem Zeitpunkt voll- kommen sei; sie müsse deshalb ständig fortentwickelt werden. Dies will Schmidt durch die Stärkung des Wettbewerbs erreichen. Nach- drücklich lehnte Schmidt in diesem Zusammenhang Preis- und Lohn- stopps ab; er halte auch Indexie- rung für kein geeignetes Instru- ment der Stabilitätspolitik.

Schmidts Ablehnung von Index- klauseln zur Milderung der Infla- tionsfolgen hat einen sehr politi- schen Hintergrund. Schmidt weiß, daß die Opposition mit dem Ge- danken umgeht, Indexbindungen für Löhne und Steuern als Teil ei-

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Bericht und Meinung Regierungserklärung

ner Stabilitätsstrategie zu fordern, was dem Versuch gleichkäme, den Teufel mit Beelzebub auszutreiben.

Helmut Schmidts größtes Problem wird die Finanzierung des Haus- halts 1975 sein, da er zum zentra- len Punkt seines innenpolitischen Programms die seit langem ange- kündigte Steuersenkung für die Be- zieher kleinerer Einkommen macht.

Dies wird weiterhin unter der Über- schrift Steuerreform angeboten, obwohl das ursprüngliche Pro- gramm Stück für Stück korrigiert und reduziert worden ist. Die An- kündigungen Schmidts zielen zu- nächst auf die Landtagswahlen in Niedersachsen; aber erst danach fallen die tatsächlichen Entschei- dungen im Bundesrat. An Steuer- entlastungen unterer Einkommens- gruppen in der Größenordnung von vielen Milliarden ist jedoch kaum noch zu zweifeln; Koalition und Opposition sind zum Wettlauf um die Gunst des Wählers angetreten.

Schmidt will versuchen, den Aus- fall gleichmäßig auf Bund, Länder und Gemeinden zu verteilen. Alle Gebietskörperschaften sollen dann 1975 ihren Ausgabenzuwachs so beschneiden, daß der Einnahme- ausfall kompensiert wird. Schmidt erklärt, daß die Regierung nicht die Absicht habe, die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Dennoch schließt er mit dieser Formulierung nicht aus, daß er zur Erhöhung der Mehrwert- steuer gezwungen werden könne, wenn nämlich die Länder sich sperren, dem Bund nach der Steu- erreform wieder einen höheren An- teil an den Umsatzsteuer-Einnah- men zu geben. Hierum wird es im Herbst sicherlich ein hartes Tau- ziehen geben.

Offensichtlich in den Schubladen des Finanzministeriums ver- schwunden sind für den Rest der Legislaturperiode der Referenten- entwurf für die Bodenwertzuwachs- steuer wie die Pläne, bei der näch- sten Einheitsbewertung auf das Sachwertverfahren zurückzugrei- fen, was abermals eine Vervielfa- chung der Einheitswerte bedeutet

hätte. HC/wst/DÄ

Zu dem aktuellen Thema „Verbrau- cherschutz durch Warnhinweise bei nichtverschreibungspflichtigen

„Arzneimitteln" waren am 15. Mai 1974 zahlreiche Journalisten in die Räume der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zu einer Pressekonferenz nach Heidelberg gekommen. Anlaß war das Inkraft- treten der Rechtsverordnung nach

§38a des Arzneimittelgesetzes über Warnhinweise bei bestimmten nichtverschreibungspflichtigen Arz- neimitteln. Die Pressekonferenz entwickelte sich nicht nur zu einem Fragespiel zwischen Journalisten und Vertretern der Arzneimittel- kommission (Prof. Dr. Reinhard Aschenbrenner, dem Vorsitzenden der Kommission; Prof. Dr. Walter Kreienberg, Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer und der Arz- neimittelkommission, Prof. Dr.

Klaus-Dieter Bock, Mitglied des er- weiterten Vorstands der Kommission und Geschäftsführer Dr. Kimbel), sondern fast zu einem Meinungs- austausch über Verbraucherschutz und Selbstmedikation. Die Pres- severtreter versuchten die Fach- leute von der Arzneimittelkom- mission auf präzise Aussagen dar- über festzulegen, wie lange ein nichtverschreibungspflichtiges Arz- neimittel ohne Konsultation eines Arztes genommen werden könne und bei welchen Dosen Schädigun- gen (vor allem durch Schmerzmit- tel) eintreten würden. Als Faustre- gel für die Einnahmedauer wurden von den Kommissionsvertretern zwei bis drei Wochen genannt.

Prof. Aschenbrenner wies einlei- tend vor allem darauf hin, wie lan- ge es gedauert hat, bis die Rechts- verordnung nach § 38 a jetzt erlas- sen werden konnte. Prof. Bock konnte vor einem interessierten Publikum mit präzisen Angaben vor allem über Schädigungen durch phenacetinhaltige Arzneimittel auf- warten. Vor allem zum Thema Selbstmedikation entspann sich dann eine rege Diskussion, bei der unter anderem von Prof. Kreien-

berg darauf hingewiesen wurde, daß zwar nicht unerhebliche Ge- fahren durch Selbstmedikation ge- geben sein können, man jedoch dem heute soviel berufenen mündi- gen Bürger auch in diesem Bereich gewisse Entscheidungsmöglichkei- ten lassen müsse.

Der jetzt gesetzlich vorgeschriebe- ne Warnhinweis, daß bestimmte Arzneimittel nicht ohne ärztlichen oder zahnärztlichen Rat längere Zeit oder in höheren Dosen ange- wendet werden sollen, ist von der Arzneimittelkommission der deut- schen Ärzteschaft — dem Fach- ausschuß der Bundesärztekammer für Arzneimittelfragen — im Inter- esse aller Verbraucher seit langem mit Nachdruck gefordert worden.

Die neue Regelung (Bundesgesetz- blatt 97/1973) betrifft Arzneimittel, die dazu bestimmt sind,

D Schmerzen zu verhüten, zu lin- dern oder zu beseitigen,

> Schlaflosigkeit zu beheben und D Abmagerung herbeizuführen.

Es handelt sich also um eine Viel- zahl von frei erhältlichen, nichtver- schreibungspflichtigen Arzneimit- teln. Zu den Wirkstoffen der ersten Gruppe, der „Schmerzmittel", ge- hören das Phenacetin und seine Stoffwechselprodukte, die Salicyl- säure und ihre Derivate und das Aminophenazon. Zu den nicht ver- schreibungspflichtigen „Schlafmit- teln" gehören die Derivate des Bromcarbamid. Von den unter „Ab- magerungsmittel" genannten Wirk- stoffen verdient das D-nor-pseudo- ephedrin besondere Beachtung.

Im Sinne einer besseren Transpa- renz vertritt die Bundesärztekam- mer mit der Arzneimittelkommis- sion nachdrücklich den Stand- punkt, daß bei Arzneispezialitäten, welche den Warnhinweis nach

§ 38 a AMG (Arzneimittelgesetz) tra- gen, die Wirkstoffe mit der interna- tionalen Kurzbezeichnung angege- ben werden müssen. KHK/NJ NACHRICHTEN

Verbraucherschutz durch Warnhinweise

1598 Heft 22 vom 30. Mai 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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