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Archiv "Neuere Empfehlungen zur Prävention der KHK: Annäherung an die Wirklichkeit" (22.10.1999)

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enn medizinische Fachge- sellschaften eine alte Emp- fehlung durch eine neue er- setzen, tun sie das selten im Ram- penlicht. Denn in jeder Neuerung steckt auch das etwas unangenehme Eingeständnis, daß man seinen Patien- ten bislang nicht ganz die Wahrheit ge- sagt hat. Doch der grundlegende Wech- sel, den derzeit einige Herz-Kreislauf- Fachgesellschaften vollziehen, hätte ei- ne große und gut gemachte Werbekam- pagne verdient. Denn die neuen Emp- fehlungen geben den Ärzten ein wesentlich schärferes Instrument, um die medikamentöse Vorbeugung von Herzinfarkten auf jene Patienten zuzu- schneiden, die davon am meisten profi- tieren.

Der Kern des Umbruchs ist sim- pel: Er verabschiedet sich von der Idee, daß man die Gefährdung eines Menschen, vorzeitig an koronarer Herzkrankheit (KHK) zu erkranken, anhand einzelner Faktoren wie Blut- fette oder Bluthochdruck abschätzen kann. Die Priorität, die gerade diese beiden Faktoren in vie-

len Empfehlungen erhal- ten, wird aufgegeben zu- gunsten einer Gesamt- betrachtung: Alle rele- vanten Faktoren erhal- ten eine prinzipiell – und das ist das Entscheidende – gleichberechtigte Be- deutung.

Der Abschied von der Vorherrschaft ein- zelner Faktoren scheint überfällig: Forscher ha- ben in den letzten Jahren ein neues Bild der Athe- rosklerose entworfen, der chronischen Gefäßent- zündung, die direkt oder indirekt hinter 90 Prozent der Herz- und Gefäß-

krankheiten steckt. Das moderne Mo- dell bietet Platz für Hunderte von Fak- toren, die den Verlauf der Athero- sklerose beschleunigen oder abbrem- sen können: Gene und Ernährung, Le- bensweise und Infektionen, Psyche und Umweltfaktoren.

Zwar haben auch die meisten bis- herigen Empfehlungen zur Präventi- on der KHK das komplexe Wechsel- spiel dieser Faktoren formal einge- räumt, es in der Umsetzung in Be- handlungs- und Vorbeugungskonzep- te aber dann doch weitgehend ausge- klammert – oft mit der Begründung, die Dinge für die überlasteten Ärzte nicht zu kompliziert machen zu wol- len. Das Ergebnis ist eine Palette von Empfehlungen, die Fettstoffwechsel- störungen, Blutdruck oder Überge- wicht zu Leitfaktoren des Risikos er- hoben haben. Hinter ihnen steckt eine denkbar einfache Strategie: Eine Fach- gesellschaft definiert einen Schwellen- wert – etwa Gesamtcholesterin über 200 mg/dl, Blutdruck über 140 zu 90 mm Hg, Body-Mass-Index (BMI)

über 25 kg/m2 – als Grenze des „Nor- malen“. Diese Schwellen suggerieren Klarheit: Wer darunterliegt, gilt als ge- sund, wer darüberliegt, als behand- lungsbedürftig – als „krank“.

Regelrechter Boykott

Obwohl dieses „Ja/Nein“-Sche- ma simpel ist, funktioniert es in der Praxis erstaunlich schlecht. Internatio- nale Erfahrungen zeigen, daß nur eine Minderheit der Ärzte die auf Lipid- oder Blutdruck-Schwellen basieren- den Empfehlungen akzeptiert. Die Daten der MONICA-Studie in Augs- burg, wo seit 1984 alle fünf Jahre die Risikofaktoren von etwa 4 000 Män- nern und Frauen zwischen 25 und 64 untersucht werden, lesen sich wie ein regelrechter Boykott.

Nach der geltenden Definition der Hochdruckliga weist etwa jeder dritte Erwachsene einen Blutdruck von über 140 zu 90 mm Hg auf. Aber:

nach Auskunft von Prof. Hans-Wer- ner Hense, Epidemio- loge an der Univer- sität Münster, haben Augsburger Ärzte 1995 von 100 männlichen Hypertonikern ganze sechs so behandelt, wie die Hochdruckliga vor- schlägt; bei den Frauen lag der Anteil bei elf von 100. Andere Studi- en zeigen, daß es den auf Cholesterin basier- ten Empfehlungen nicht besser ergeht.

Erstaunlicherweise hat in Deutschland bis- lang noch niemand die Ärzte gefragt, warum sie die Empfehlungen igno- rieren. Eine Umfrage A-2650 (30) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 42, 22. Oktober 1999

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Neuere Empfehlungen zur Prävention der KHK

Annäherung an die Wirklichkeit

Die Hervorhebung eines einzelnen Risikofaktors wird zugunsten des „Gesamtrisiko-Konzeptes“ verlassen, um Fehleinschätzungen der tatsächlichen Gefährdung des Patienten zu vermeiden.

W

Tabelle

Das Gesamtrisiko von drei gleichaltrigen Männern, berechnet mit dem PROCAM-Algorithmus

Alter 45 45 45

Gesamt-Cholesterin/

LDL-Cholesterin 250/180 250/170 180/100

HDl-Cholesterin 45 30 0

Triglyceride 90 250 250

Syst. Blutdruck 140 160 160

Raucher Nein Ja Ja

Diabetes mellitus Nein Nein Nein

Infarkte in der Familie Nein Ja Ja

Bestehende Angina Nein Ja Ja

Herzinfarkt-Gesamtrisiko

in den nächsten acht Jahren 2 45 22

Durchschnittliches Risiko

der Altersgruppe 3 3 3

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unter US-Ärzten weist aber darauf hin, daß gerade die Schlichtheit einer der Gründe für die schlechte Akzeptanz in der Ärzteschaft ist: Bereits 1994 haben amerikanische Hausärzte offen kriti- siert, daß sie etwa Lipidwerte alleine für zu unscharf halten, um die Herzin- farkt-Gefährdung ihrer Patienten zu beurteilen. Tatsächlich gibt es für die- sen Vorbehalt gute Gründe:

1. Die in älteren Empfehlungen angegebenen Schwellen für Blutdruck oder Lipide sind aus praktischen Über- legungen eingeführte Artefakte; in Wirklichkeit gibt es keine klare Grenze zwischen „normalen“ Blutdruck- oder Lipidwerten und „krankhaften“. Viel- mehr ist der Zusammenhang zwischen Risikofaktor und KHK-Risiko stufen- los und fließend.

2. Nur eine Minderheit der Herz- infarktopfer weist deutliche Abwei- chungen in einem einzelnen Faktor auf, bei der Mehrzahl sind Blutdruck oder Lipide nur mäßig erhöht und nicht vom gesunden Rest der Bevölke- rung zu trennen. Die fehlende Trenn- schärfe hat zur Folge, daß Fachgesell- schaften die Neigung entwickeln, die Grenze des „Normalen“ so niedrig an- zusetzen, daß ihre Empfehlungen er- hebliche Teile der Bevölkerung per Definition zu Kranken machen.

Nach den derzeitigen Grenzwer- ten ist jeweils etwa ein Drittel der Er- wachsenen in Deutschland alleine des- halb behandlungsbedürftig, weil Cho- lesterinwert, Blutdruck oder Körper- gewicht über einer der eingeführten Schwellen liegt. Ob diese Vorgehens- weise wirklich hilft, die Gesundheit ei- ner Nation zu verbessern, ist unter Wissenschaftlern durchaus umstritten.

Antworten können verschieden ausfallen

Diese Mängel kann zwar auch das neue „Gesamtrisiko“-Konzept nicht ganz eliminieren, aber zumin- dest deutlich abschwächen – falls es von den Ärzten umgesetzt wird. Das Konzept kann vor allem bei der Beur- teilung helfen, bei welchem Patien- ten das Risiko für einen Infarkt so hoch ist, daß ein Medikament zur Vor- beugung sinnvoll erscheint. Wenn ein Arzt bislang gefragt hat, „Wie hoch sind Cholesterinwert und Blut-

druck?“, so muß er nun eine neue Fra- ge stellen: Wie hoch ist das Risiko, daß mein Patient in naher Zukunft (in den nächsten acht bis zehn Jahren) ei- nen Infarkt erleidet?

Auf den ersten Blick scheinen beide Fragen auf dasselbe hinaus- zulaufen, doch die Beispiele in der Tabelle zeigen, wie grundverschieden die Antworten ausfallen können. Nach vielen bisherigen Empfehlungen ist ein 45jähriger Mann mit einem Ge- samt-Cholesterinwert von 250 mg/dl ein Kandidat für eine medikamentöse Fettstoffwechselstörung. Doch der Blick auf das Gesamtrisiko zeigt, wie wenig der Cholesterinwert im Einzel- fall aussagt: Bei gleichem Cholesterin- wert kann das Risiko, in den nächsten zehn Jahren einen Infarkt zu erleiden, unter dem Altersdurchschnitt von drei Prozent liegen; es kann aber auch 45 Prozent erreichen. Die Beispiele zeigen, daß die Hervorhebung eines einzelnen Faktors doppelt in die Irre führen kann: Sie kann erhöhte Ge- fährdung vortäuschen, wo keine exi- stiert, und Sicherheit suggerieren, wo in Wahrheit Gefahr im Verzug ist.

Diese beiden Fehleinschätzun- gen soll das Gesamtrisiko-Konzept reduzieren. Allerdings ist die Mathe- matik der Wechselwirkung zwischen den Risikofaktoren sehr komplex.

Prof. Gerd Assmann, Direktor des In- stitutes für Arterioskleroseforschung in Münster, hat die Mathematik der Faktoren an über 5 000 Personen un- tersucht. Das Ergebnis: „Risikofak- toren addieren sich nicht, sondern sie multiplizieren sich in der Regel“, sagt Assmann. Das ist der Grund, warum die neuen Empfehlungen auch die Idee aufgegeben haben, das Risiko ei- nes Menschens durch einfaches Ab- zählen der Risikofaktoren abzuschät- zen. „Wenn man die Ausprägung ei- nes Faktors auf Ja oder Nein redu- ziert, verschenkt man wertvolle Infor- mationen“, schildert Assmann.

Es wird spannend sein, wie die Ärzte nun die neuen, auf dem Ge- samtrisiko basierenden Empfehlun- gen akzeptieren. Bislang gibt es aus- führliche Versionen nur in englisch:

Beispiele sind die gemeinsamen Leit- linien der europäischen Athero- sklerose-, der Kardiologischen und Hochdruck-Fachgesellschaften, die von „absolute risk“ sprechen und die

Empfehlungen der „International Task Force for Prevention of Coro- nary Heart Disease“ („global risk“).

Auch die „Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislauffor- schung“ betont in ihrer aktuellen Kurz-Leitlinie zur Koronaren Herz- krankheit, „daß immer auch das ge- samte kardiovaskuläre Risiko abge- schätzt werden muß“. Allerdings er- läutert die DGK-Leitlinie im Unter- schied zu ihren internationalen Vor- bildern nicht, wie man das macht.

Rechenformeln haben Zuverlässigkeit bewiesen

Doch gerade mit der Richtigkeit der Risikoberechnung steht und fällt das Konzept. Die Mathematik, wie sich Faktoren wie Blutdruck, Blutfette, Diabetes, Rauchgewohnheiten, fami- liäre Vorbelastung et cetera gegensei- tig verstärken oder abschwächen, ist so verzwickt, daß Intuition oder Kopf- rechnen versagen. Das mußten 1995 auch 253 kanadische Ärzte erkennen, die in einem Test das Gesamtrisiko zweier Musterpatienten schätzen soll- ten: Ohne Hilfsmittel lagen ihre Pro- gnosen im Durchschnitt um das Vier- bis Sechsfache zu hoch – im Ernstfall hätten sie den Patienten also deutlich mehr Angst vor einem Herzinfarkt ge- macht, als angemessen gewesen wäre;

eine Übertherapie mit Medikamenten wäre die praktische Konsequenz gewe- sen (BMJ 1995; 310: 975).

Daß das Gesamtrisiko-Konzept Aufschwung bekommt, hat auch da- mit zu tun, daß Rechenformeln, mit denen das Risiko eines Patienten an- hand einer Liste von Merkmalen indi- viduell abgeschätzt werden kann, ihre Zuverlässigkeit belegt haben: Auf die- sen Formeln basieren Risikotafeln und Programme für den Praxis-PC, die in der Sprechstunde zur Abschätzung des Gesamtrisikos verwendet werden können (siehe Kasten).

Obwohl der Übergang zur Ge- samtrisiko-Beurteilung ein wertvoller Fortschritt ist, haben auch die neuen Empfehlungen Schwächen, die ihre Akzeptanz behindern werden. Der ei- ne ist mangelnder Mut zur Transpa- renz: Keine der Empfehlungen erläu- tert systematisch, warum ausgerech- net die ausgewählten Quellen berück- A-2652

P O L I T I K

(32) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 42, 22. Oktober 1999 MEDIZINREPORT

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sichtigt wurden und andere als irrele- vant beurteilt wurden. Hinzu kommt, daß die Fachgesellschaften nach wie vor hinter verschlossenen Türen fest- legen, was denn überhaupt ein akzep- tables Risiko für einen Herzinfarkt ist und was nicht. Bezeichnenderweise ist noch keines der Expertengremien auf die Idee gekommen, in dieser Frage einmal die Meinung der Ärzte und Pa- tienten einzuholen, in deren Arbeit und Leben die Empfehlungen eingrei- fen. Der internationale Vergleich zeigt, daß sich auch die Experten in dem Punkt keineswegs einig sind.

So empfehlen einige Fachgesell- schaften den Einsatz cholesterinsen- kender Medikamente schon bei ei- nem Zehn-Jahres-Risiko von 15 Pro- zent, andere erst bei 40 Prozent. Of- fensichtlich spielen bei der Festlegung der Schwelle neben medizinischen Überlegungen auch Kostenfragen und Einflüsse der Pharmaindustrie ei- ne Rolle. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie, die „International Task-Force“ und die europäischen Fachgesellschaften schlagen als Schwelle für den Einsatz von Medika- menten ein Zehn-Jahres-Risiko von 20 Prozent vor. Für einen deutschen

Arzt würde diese Schwelle darauf hin- auslaufen, daß etwa jeder fünfte sei- ner männlichen Patienten zwischen 40 und 64 ein Kandidat für eine medika- mentöse Behandlung wäre, wenn Le- bensstiländerungen zum Abbau des Risikos nicht genügen.

Cave: Die Altersfalle

Ohne diese Therapie würden von 100 dieser Männer in den nächsten zehn Jahren 20 einen Infarkt erlei- den. Wenn alle 100 eine Behandlung durchhalten, die ihr Risiko um 30 Pro- zent verringert, würde das etwa sieben zumindest für diese zehn Jahre den Infarkt ersparen – einer von 15 Be- handelten würde also von der Thera- pie profitieren. Ob die Empfehlungen akzeptiert werden, wird auch davon abhängen, ob Ärzte und Patienten diese Bilanz als „lohnend“ bewerten.

Trotz der Vorteile lauern auch im Gesamtrisiko-Konzept einige Fallen.

Hense warnt daher: „Das Konzept darf nicht dazu führen, daß man Menschen solange von Vorbeugung ausschließt, bis sie endlich die Schwelle zur medi- kamentösen Behandlung überschrit-

ten haben.“ Tatsächlich soll Vorbeu- gung ja gerade verhindern, daß es so- weit kommt, daß Medikamente über- haupt nötig sind. Auch die neuen Emp- fehlungen betonen, daß ausgewogene Ernährung, körperliche Bewegung und der Verzicht auf das Rauchen bei jedem Risiko sinnvoll sind.

Und vor einer weiteren Gefahr des Gesamtrisiko-Konzeptes sei ge- warnt: der Altersfalle. Die starren Ri- sikoschwellen, die die derzeitigen Empfehlungen definieren, haben zur Folge, daß irgendwann jeder diese Schwelle erreicht, wenn er alt genug wird. Der Durchschnitts-Mann pas- siert mit 63 die Risiko-Schwelle von 20 Prozent. Wenn die Ärzte nicht diesen altersbedingten Anstieg des Infarktri- sikos berücksichtigen, wäre die Kon- sequenz fatal: Das natürliche Nahen des Lebensendes würde automatisch als Krankheit definiert. Klaus Koch

Gesamtrisiko-Empfehlungen im Internet:

– International Task-Force for Prevention of Coronary Heart Disease: http://www.chd-task- force.de

– Europäische Kardiologische Gesellschaft:

http://www.escardio.org/scinfo/guidelines – Deutsche Gesellschaft für Kardiologie http://www.tz.uni-duesseldorf.de WWW/DGK/Richtlinien/leit-ang.ht

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Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 42, 22. Oktober 1999 (33) MEDIZINREPORT

Ob die Ärzte das Gesamtrisiko-Konzept akzeptieren, hängt entscheidend davon ab, wie sie es in die Beratung ihrer Patienten integrieren können. Obwohl hinter der Abschät- zung des Risikos ein komplexes wissenschaftliches Konzept steht, läßt es sich in der Praxis ohne zeitlichen Mehraufwand einsetzen. Dafür sorgen „Risikorechner“, mit denen sich das Gesamtrisiko eines Patienten innerhalb weniger Minuten kal- kulieren läßt. Derzeit existieren zwei Varianten: Die Europäi- sche Kardiologische Gesellschaft (ECS) setzt auf Schautafeln, die „International Task Force“ auf ein Computerprogramm, das auf dem Praxis-PC oder per Internet abgefragt werden kann. Beide Versionen stehen auf einer soliden wissenschaft- lichen Grundlage: Das Wissen, wie sich Risikofaktoren ge- genseitig verstärken oder abschwächen, stammt aus großen Bevölkerungsstudien.

Die Risikotafeln der ECS basieren auf der Anfang der 90er Jahre publizierten „Framingham“-Funktion. Seit Ende der 40er Jahre haben US-Forscher über zehntausend Einwoh- ner der Stadt Framingham bei Boston regelmäßig untersucht.

Aus dieser Datenbank haben sie die Funktion extrahiert, wie die Anfälligkeit für Herzkrankheiten von einer Liste von Fak- toren abhängt. Ein Vorteil dieser Formel ist, daß sie Progno- sen für Männer und für Frauen erlaubt. Allerdings räumt die ECS ein, daß die Framingham-Formel nicht ohne weiteres auf jede europäische Population übertragbar ist, weil sie das Risi- ko eher überschätzt.

Die „International Task Force“ setzt zur Berechnung des Gesamtrisikos auf eine Funktion, die aus der „Prospektiven Cardiovaskulären Münster-Studie“ (PROCAM) stammt. In der Studie hat eine Gruppe um Prof. Gerd Assmann unter an- derem das Schicksal von 5 000 Männern im Alter von 40 bis 65 über acht Jahre mitverfolgt. Durch Vergleich der Daten der 258 Infarkt-Opfer mit denen der Gesundgebliebenen hat die Gruppe den „PROCAM-Algorithmus“ abgeleitet, der die Verknüpfung zwischen verschiedenen Risikofaktoren wider- spiegelt. Die PROCAM-Formel hat in den letzten Jahren ge- zeigt, daß sie vor allem für europäische Populationen recht präzise Vorhersagen liefert.

Ein Nachteil der PROCAM-Formel ist, daß sie bislang nur für Männer im Alter zwischen 40 und 75 verläßliche Pro- gnosen berechnen kann, da sich die Studie auf berufstätige Männer und Frauen konzentriert. Bei Frauen bis 65 Jahre sind Infarkte aber eine Rarität: „Es gab bislang schlicht zu wenig Fälle, um die Faktoren ausreichend genau abschätzen zu können“, schildert Assmann. Die PROCAM-Formel berücksichtigt neun Faktoren: Alter, Blutdruck, Gesamt- oder LDL-Cholesterin, HDL-Cholesterin, Triglyceride, Rau- chen, Diabetes, bereits bestehende Angina pectoris und Infarkte bei engen Verwandten. Diese Liste zeigt, daß nicht die Faktoren das Neue am Gesamtrisiko-Konzept sind, sondern die Strategie, die in ihnen enthaltene Information

zu nutzen. kch

Wie kalkuliere ich das Gesamtrisiko eines Patienten?

Referenzen

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