A812 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 1618. April 2008
A K T U E L L
MAMMOGRAFIE-SCREENING
Teilnahmequote von 54 Prozent „akzeptabel“
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hat Frauen im Alter zwischen 50 und 69 Jahren dazu aufgerufen, verstärkt am Mammo- grafie-Screening zur Früherken- nung von Brustkrebs teilzunehmen.
Gut 1,4 Millionen von 2,7 Millionen eingeladenen Frauen haben vom Start des Programms vor drei Jahren bis Ende 2007 ihre Brust vorsorg- lich auf mögliche Karzinome unter- suchen lassen. Die Teilnahmequote von 54 Prozent sei „für den Start ak- zeptabel“, müsse aber noch gestei- gert werden, erklärten das Gesund- heits- und das für den Strahlen- schutz zuständige Bundesumwelt- ministerium sowie die von Kran-
kenkassen und Kassenärzten ge- tragene Kooperationsgemeinschaft Mammografie in Berlin. Leitlinien der Europäischen Union sähen eine 70-prozentige Teilnahme vor.
Dafür seien Tumoren vermehrt in einem früheren Stadium entdeckt worden als früher und auch in größerem Maß, als in den EU-Leit- linien vorgesehen. Jeder dritte Tu- mor sei kleiner als ein Zentimeter gewesen, während noch 1999 ohne systematisches Screening nur gut je- der sechste in dieser Größe entdeckt worden sei. Insgesamt seien in den ersten zweieinhalb Jahren mit durch- schnittlich 740 Tumoren je 100 000 Frauen dreimal so viele Tumoren ent- deckt worden, wie ohne das Scree- ning-Programm zu erwarten seien.
Eine positive erste Bilanz zog auch Dr. med. Andreas Köhler, Vor- standsvorsitzender der Kassenärzt- lichen Bundesvereinigung: „Die ho- he Qualität und die Transparenz des Programms sind wesentliche Vor- aussetzungen für seine Akzeptanz.
Noch nie zuvor hatten wir in Deutschland eine qualitativ so hoch- wertige und zuverlässige Brust- krebsfrüherkennung.“
Für das Programm werden durch die gesetzliche Krankenversiche- rung jährlich zwischen 250 und 300 Millionen Euro aufgewendet. zyl
AMALGAM-STUDIE OHNE EINDEUTIGE ERGEBNISSE
Seit vielen Jahren wird von Forschung und Me- dien das Schädigungspotenzial von Amalgam in der Zahnmedizin kontrovers diskutiert; Be- richte von Patienten, die über Beschwerden, wie Kopfschmerzen, Konzentrationsschwäche, Depressionen, Müdigkeit und Sehstörungen, klagen, reißen nicht ab. Ob und wie schädlich Amalgam wirklich ist, kann allerdings auch nach Abschluss der zwölf Jahre dauernden
„German Amalgam Study“ (GAT) nicht eindeu- tig beantwortet werden.
Vor dem Hintergrund eines Gerichtsverfah- rens gegen die Firma Degussa hat der Stifter- verband für die Deutsche Wissenschaft im Jahr 1996 das Zentrum für naturheilkundliche Forschung am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München mit der Durch- führung der interdisziplinären Amalgam-Studie beauftragt, das Schädigungspotenzial von
Amalgam, die diagnostischen Möglichkeiten so- wie geeignete Therapien zu erforschen. Hinsicht- lich des In-vitro-Effekts auf verschiedene Zellty- pen zeigte sich, dass Monozyten insbesondere gegenüber geringen Dosen von Quecksilber un- empfindlicher waren als Lymphozyten. Zudem stellte man fest, dass sich Zellen nach einer Amalgamexposition weniger gut auf Stresssitua- tionen wie Fieber oder Umweltgifte einstellen.
Entfernung lindert subjektive Beschwerden nicht
Ein weiteres Teilprojekt widmete sich den dia- gnostischen Möglichkeiten. Hier zeigte sich, dass die gängigen Testverfahren nicht unter- scheiden können zwischen Probanden mit und ohne Amalgambeschwerden und solchen, die ganz frei von Amalgam sind. Eine Ausnahme bildet die toxikologische Messung von Queck-
silber in Speichel und Blut, die zumindest zwi- schen Amalgamträgern und amalgamfreien Probanden eindeutig differenziert.
Ein Vergleich der verschiedenen Therapie- möglichkeiten für subjektiv amalgamgeschä- digte Patienten war für die Forscher überra- schend: Einerseits führt die Entfernung der Amalgamfüllungen tatsächlich zu deutlich niedrigeren Quecksilberwerten in Speichel und Blut und auch zu einer klinisch relevanten Ver- besserung der subjektiven Beschwerden. Ob eine zusätzliche komplementärmedizinische Ausleitungstherapie durchgeführt wird oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Andererseits brachte ein spezielles Gesundheitstraining den Betroffenen eine ähnlich positive Linderung ihrer Beschwerden, auch wenn sich die ge- messenen Quecksilberwerte dadurch natürlich
nicht veränderten. zyl
CHARITÉ-MORDSERIE
Lebenslange Haftstrafe bestätigt
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die lebenslange Haftstrafe für ei- ne Berliner Krankenschwester we- gen mehrfachen Patientenmordes bestätigt. Der BGH änderte zwar in zwei der fünf Fälle das Ur- teil von Mord auf Totschlag ab. Er ließ die Gesamtstrafe aber unver- ändert.
Dem Berliner Landgericht zufol- ge hatte die 55-jährige Intensivkran- kenschwester Irene B. in der Berli- ner Charité fünf ihrer im Sterben lie- genden Patienten tödliche Medika- mente gespritzt. Weder die Patien- ten noch ihre Angehörigen hätten um Sterbehilfe gebeten.
Nach Angaben des Berliner Ge- richts geschahen die Taten zwi- schen Juni 2005 und Oktober 2006 auf der kardiologischen Intensiv- station der Klinik. Die Strafkam- mer hatte zudem deutliche Kritik an den Verantwortlichen der Cha- rité – Universitätsmedizin Berlin geübt, die Verdächtigungen zu den Todesfällen nur zögerlich weiterge- geben hätten. Eine Verwaltung, die das zulasse, mache sich mitschuldig und gegebenenfalls strafbar, hatte das Gericht damals gemahnt. ddp
Foto:Kooperationsgemeinschaft Mammografie
Positive Bilanz nach drei Jah- ren Screening:
Norbert Uleer, Screening-Ein- heit Hildesheim, Bundesumwelt- minister Sigmar Gabriel und Bundesgesund- heitsministerin Ulla Schmidt (von links)